1. Einleitung
Die gemeinsame Agrarpolitik der Europäischen Union (GAP) war seit jeher Gegenstand kontroverser Diskussionen in der Öffentlichkeit. Angesichts der wirtschaftlich sehr geringen Bedeutung des Agrarsektors - in Deutschland beträgt sein Anteil am Bruttoinlandsprodukt weniger als ein Prozent- scheint die Kritik an den jährlichen Kosten für Agrarsubventionen, die derzeit immerhin knapp 40 Prozent des gesamten EU-Haushaltsbudgets, gerechtfertigt.
Diese Hausarbeit befasst sich mit der historischen Entwicklung der Agrarpolitik. Dabei werden insbesondere die Maßnahmen aufgezeigt, mit denen die jeweiligen Ziele erreicht werden sollten und ihre Auswirkungen für die Landwirte, die Verbraucher und die Wohlfahrt der EU sowie die auf den internationalen Handel dargestellt.
2. Die Entwicklung der Gemeinsamen Agrarpolitik
2.1. Die Ursprünge der GAP in den 60er Jahren
Die Ursprünge der GAP reichen bis zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) 1957 zurück..
Während und nach dem Zweiten Weltkrieg war Lebensmittelknappheit Alltag für die europäische Bevölkerung. Die gesamte Wirtschaft einschließlich der Landwirtschaft litt noch unter den Folgen des Krieges, und ihre Produktion reichte nicht aus, um die gesamte Bevölkerung zu versorgen. Deshalb hatte das Ziel, durch Förderung der Landwirtschaft eine Selbstversorgung mit Nahrungsmitteln zu sichern, hohe Priorität.
Der Aufbau einer unabhängigen Landwirtschaft galt als Symbol des Wiederaufbaus und des Neubeginns. Der Sektor sollte durch staatliche Förderung gestärkt und nicht einfach den freien Kräften des Marktes überlassen werden, da sonst die Agrarprodukt günstig aus Nicht-EU-Ländern importiert worden wären.
Daher wurden bereits in den Gründungsverträgen der EWG, den Römischen Verträgen, die Organisation und Zielsetzungen der GAP verankert.
Die Organisation der GAP beruhte auf drei Prinzipien:
a) Prinzip des einheitlichen Marktes: Um den innereuropäischen Handel zu stärken, wurden einheitliche Preise in allen Mitgliedsstaaten festgelegt sowie Handelsbarrieren abgebaut.
b) Prinzip der Gemeinschaftspräferenz: Zum Schutz des Binnenmarktes wurden hohe Importzölle für Drittländer erhoben.
c) Prinzip der finanziellen Solidarität: Zur Finanzierung der GAP wurde 1962 ein gemeinsamer Fonds eingerichtet, der Europäische Ausrichtungs- und Garantiefonds für die Landwirtschaft (EAGFL).
Die Ziele der GAP wurden daher in Art. 39 des EWG-Vertrags wie folgt festgelegt:
Produktivitätssteigerung
Gewährleistung eines sicheren und angemessenen Einkommens der Landwirte
Stabilisierung der Märkte
Sicherstellung der Versorgung
Angemessene Preise für die Verbraucher
Zur Erreichung des zweiten Ziels standen prinzipiell zwei Möglichkeiten zur Wahl. Zum einen konnte man die Landwirten mit regelmäßigen festen Zahlungen unterstützen, was einer Sozialhilfe gleichkäme, oder aber hohe Preise für die landwirtschaftlichen Erzeugnisse festlegen. Die Politiker entschieden sich damals für die zweite Möglichkeit, was jedoch einen Widerspruch zum Ziel der angemessenen Verbraucherpreise steht.
Die hohen und stabile Preise sollten mit Interventionsmaßnahmen gewährleistet werden. Hierbei wird ein Interventionspreis, d. h. eine Preisuntergrenze für die Erzeugnisse festgelegt. Unterschreitet der Marktpreis diese Grenze, werden Interventionskäufe getätigt, um die Nachfrage und damit auch den Preis zu erhöhen. Dies geschah zum ersten Mal 1967, als der Staat Stützungskäufe für Getreide tätigen musste.
Als begleitende Maßnahmen wurden hohe Importzölle erhoben, denn auf dem Weltmarkt, wo freie Marktwirtschaft herrschte, lagen die Preise für die Agrarerzeugnisse unter denen des Binnenmarkts. So stellten günstige Importe eine Bedrohung für die europäische Landwirtschaft dar.
Die Interventionskäufe setzten für die europäischen Bauern den Anreiz, ihre Produktion permanent auszuweiten, da sie kein Absatzrisiko zu tragen hatten. Durch den raschen technischen Fortschritt war dies auch in hohem Maße möglich, und so kam es bald bei den meisten Agrargütern zu hohen Überschüssen, welche durch Interventionskäufe vom Markt genommen werden mussten, um einen Preisverfall zu verhindern.
Die überschüssigen Produkte wurden entweder eingelagert, um bei besserer Marktlage wieder verkauft zu werden oder sie wurden vernichtet. Begriffe wie Butterberge oder Milchseen prägten zu dieser Zeit die öffentliche Diskussion zur Agrarpolitik.
2.2. Die GAP in den 70er und 80er Jahren
Um das ständig wachsende Problem des steigenden Marktangebots in den Griff zu bekommen, wurde 1968 der sogenannte Mansholt-Plan entwickelt. Er sah eine marktwirtschaftlichere Ausrichtung der GAP durch drastische Senkung der Agrarsubventionen vor, sowie die Stilllegung von landwirtschaftlicher Nutzfläche und die Halbierung der Beschäftigtenzahlen in der Landwirtschaft. Der Plan wurde aufgrund großer Proteste seitens der Landwirte nicht umgesetzt. Stattdessen wurden eine Reihe von Strukturmaßnahmen eingeführt, um das Marktangebot und die Preise zu regulieren. Die Überschüsse sollten reduziert werden, in dem die Produkte auf dem Weltmarkt verkauft wurden. Da der Weltmarktpreis jedoch unter Binnenpreis lag, konnte die Güter nur mit Hilfe von Exportsubventionen abgesetzt werden. Außerdem wurden Produktionsobergrenzen festgelegt. Bei Überschreitung dieser Quote waren Strafzahlungen, die sogenannte Superabgabe, fällig.
Die neuen Maßnahmen konnten das Problem der Überproduktion jedoch nicht lösen, stattdessen stiegen die Ausgaben immer weiter an. Zugleich ergab sich eine Reihe neuer Probleme. Die permanente Produktionsausweitung war durch eine Intensivierung der Landwirtschaft erreicht wurden, wie beispielswiese die Einführung von Massentierhaltung und Monokultur sowie der verstärkte Einsatz von Düngemitteln und Pestiziden. Dies führte zu einer Schädigung der Umwelt und der Verbraucher durch mit Schadstoffen belastete Lebensmittel. Ein weiteres Problem ergab sich als Folge der Exportsubventionen: Die Exporte erhöhten das Angebot auf dem Weltmarkt, wodurch der Weltmarktpreis fiel. Viele Produzenten in den Importländern konnten mit den niedrigen Preisen nicht konkurrieren und verloren ihre Existenzgrundlage. Betroffen waren hiervon vor allem Entwicklungsländer.
2.3. Die GAP in den 90er Jahren
Die weltweite Kritik an den Praktiken der EU sowie die enormen Kosten führten 1992 zu einer grundlegenden Reform der GAP. Unter dem damaligen Agrarkommissar MacSharry wurde ein Richtungswechsel in der Agrarpolitik beschlossen.
Eine einschneidende Maßnahme war die Senkung der Interventionspreise um 33%. Stattdessen sollten die Landwirte Prämien pro Hektar Anbaufläche bzw. pro Tier erhalten. Diese Direktbeihilfen waren jedoch an die Erzeugung gekoppelt, d.h. ihre Höhe hing davon ab, was und wie viel ein Landwirt produzierte. Zusätzliche Maßnahmen waren Vorruhestands- und Flächenstilllegungsprogramme: Anbauflächen, die größer als 15 ha waren, mussten zu 15% oder mehr stillgelegt werden. Durch Stilllegungsprämien wurde der durch den Einkommensrückgang entstandene Produktionsverlust ausgeglichen.
2.4. Die GAP in den 2000er Jahren
Im Rahmen der Agenda 2000 wurde der mit der MacSharry-Reform eingeschlagene Weg weiter verfolgt. Unter anderem wurden Preisstützungsmaßnahmen noch weiter durch direkte Zahlungen ersetzt. Zwar stießen die Reformen auf starken Widerstand der Bauern, aber das derzeitige System war für die EU nicht mehr finanzierbar.
Mit der Reform 2003 wurden als Reaktion auf die Produktionsverzerrungen die bisher als Produktprämie geleisteten Direktbeihilfen von der Produktion entkoppelt. Die Zahlungen waren nun nicht mehr abhängig von Produktionsvolumen (Betriebsprämien statt Produktprämien). So konnten die Landwirte marktgerechter produzieren. Gleichzeitig wurden Umwelt-, Tier-, und Pflanzenschutzauflagen eingeführt, deren Einhaltung an den Erhalt der Zahlungen gekoppelt ist (Cross-Compliance).
Eine weitere Neuerung war die Errichtung des Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums (EGFL), mit dem eine Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit der Land- und Forstwirtschaft, der Umwelt und der Landschaft sowie der Lebensqualität im ländlichen Raum und Förderung der Diversifizierung der ländlichen Wirtschaft erreicht werden sollte.
2.5. Die GAP nach 2013
Um für die Herausforderungen der Zukunft gewappnet zu sein, soll die GAP weiter modernisiert werden. Hierfür wurde sie 2008/2009 einem umfassenden Gesundheitscheck unterzogen. Anschließend hatten alle EU-Bürger die Möglichkeit mittels einer Online-Befragung ihre Vorstellungen zur zukünftigen Gestaltung der Agrarpolitik einzubringen. Nach Auswertung der Umfrage legte die Europäische Kommission dann im Oktober 2011 eine Reihe von Reformvorschlägen vor. Kernpunkte sind unter anderem eine Vereinfachung und erhöhte Effizient der gesamten GAP, eine gezieltere Vergabe der Direktbeihilfen sowie die Förderung von Umweltschutz und benachteiligten Gebieten.
3. Fazit
Durch die zahlreichen Reformen in der Vergangenheit ist es gelungen, die Agrarpolitik stärker am Markt auszurichten und die Kosten auf etwa 40 Prozent des EU-Haushaltsbudgets zu reduzieren. Die Europäische Union ist vom einstigen Nettoexporteur zu einem Nettoimporteur von landwirtschaftlichen Produkten geworden. Dennoch existieren eine Reihe von Enzelbestimmungen, die zu marktwirtschaftlichen Störungen führen. Als aktuelles Beispiel hierfür kann die Zuckerquote genannt werden, die im Sommer 2011 zu einem Versorgungsengpass führte.
Nichtsdestotrotz hat sich das negative Bild der Öffentlichkeit gewandelt, da von den heutigen Zielen wie Nachhaltigkeit und Lebensmittelsicherheit die gesamte Bevölkerung der Europäischen Union profitiert.