Umweltkostenrechnung & Lebenszyklusanalyse
Kurze Kennzeichnung des Begriffs
Die Umweltkostenrechnung beschäftigt sich mit der Erfassung und Darstellung von Umweltkosten auf Grundlage von Methoden und Verfahren der traditionellen Kostenrechnung. Dabei dient die Lebenszyklusanalyse als Instrument zur Identifizierung der Lebensphasen eines Produkts, sowie der Ermittlung von zugehörigen Umsätzen und Kosten.
Umweltkostenrechnung
* Die betriebliche Kostenrechnung erfasst, verarbeitet und ordnet die Kosten, die während der Leistungserstellung anfallen, verursachergerecht zu. Diese Informationen helfen den Entscheidungsträgern bei der kurzfristigen Planung, Kontrolle und Publikation von Kennzahlen. Vor dem Hintergrund der ansteigenden Aufwendungen für Umweltschutzmaßnahmen, des sich verschärfenden internationalen Wettbewerbs und dem Wissen von Kostensenkungspotentialen durch eine umweltorientierte Produktion gewinnt der Umweltschutz als Kostenfaktor an Relevanz. Somit entsteht die Forderung an die traditionelle Kostenrechnung, umweltschutzbedingte Gemein- und Fixkosten verursachergerecht zuzuordnen, damit kurzfristige und langfristige Planungs- und Entscheidungsprozesse weiterhin gewährleistet werden. Die Umweltkostenrechnung kommt dem nach, indem die Kosten des betrieblichen Umweltschutzes separat ausgewiesen und der „…Anteil der umweltschutzorientierten Herstell- und Stückkosten…“ festgestellt werden.
Standpunkte der Umweltkostenrechnung * In der Umweltkostenrechnung kann zwischen einem getrennten und integrativen Standpunkt unterschieden werden. Seit Mitte der 70er Jahre nutzt man eine getrennte Umweltkostenrechnung, um parallel zu einem vorhandenen Kostenrechnungssystem die Kosten von nachsorgenden Umweltschutzmaßnahmen (z.B. Kläranlagen) zu erfassen. Der integrative Standpunkt beschäftigt sich mit der Analyse von Stoffströmen der Produktion und der Optimierung des Material- sowie Energieeinsatzes, wodurch integrative Lösungen des Umweltschutzes für Produktionsprozesse in den Vordergrund rücken.
Die Umweltkostenarten nach Loew (et. al)
Loew (et al.) unterscheidet anhand der diversen Auslegungen des Umweltkostenbegriffs vier grundlegende Umweltkostenarten.
Die Umweltschutzkostenrechnung befasst sich mit der Feststellung von Betriebskosten von Umweltschutzmaßnahmen und deren Abschreibungen. Dadurch wird speziell die Kostenkontrolle für den nachsorgenden betrieblichen Umweltschutz verbessert. So ist diese Kostenart grundsätzlich für passive und aktive Umweltschutzziele geeignet. Die Trennung von umweltschutzbedingten und produktions- bzw. produktbedingten Kosten führt bei „gemischten“ Kostenstellen zu einem Abgrenzungsproblem, dass eine genaue Zurechnung von Umweltkosten bei integrativen Umweltschutzmaßnahmen erschwert. Ein Ansatz aus der Praxis, der sich dem Abgrenzungsproblems widmet, ist die VDI-3800 Richtline vom Verein Deutscher Ingenieure.
Bei der material- und energieflussorientierten Kostenrechnung werden umweltschutzbedingte Kosten nicht von anderen Kosten unterschieden. Ausgangspunkt ist die Überlegung, dass die Verarbeitung bzw. Nutzung von Material bzw. Energie die Umwelt direkt beeinflusst und folglich Material- und Energiekosten auch Umweltkosten sind. Gleichzeitig treten diese Kosten als wichtige Kostentreiber im Unternehmen auf, somit erreicht man über deren Reduktion oder Substitution eine Aktivierung von Kostensenkungspotentialen und vermindert dazu die Belastung der Umwelt durch Reststoffe. Herauszustellen ist dabei die Reststoffkostenrechnung (Fischer/ Blasius) und die daraus entstandene, weiterführende Flusskostenrechnung (Institut für ökologische Wirtschaftsforschung). Beide Ansätze versuchen die Kosten von Stoffflüssen im Unternehmen transparent und verursachergerecht darzustellen, um Prozesse in der Produktion zu identifizieren, die Material nicht optimal verwerten (sog. „Hot Spots“). Die Reststoffkostenrechnung stellt die Beschaffungs-, Produktions- und Entsorgungskosten von reststoffverursachenden Prozessen transparent dar. Da Verbrauchsmengen von Herstellungs- und Entsorgungsprozessen üblicherweise bekannt sind, ist die Implementierung in vorhandene betriebliche Kostenrechnungssysteme nicht aufwendig. Die einfache Handhabung begründet die häufige Nutzung der Reststoffkostenrechnung, die so auch für Unternehmen mit weniger materialintensiver Produktion attraktiv ist. Allerdings werden die Optimierungspotentiale des produktbezogenen Umweltschutzes nicht erfasst und die ökologische Produktoptimierung damit vernachlässigt. Die Flusskostenrechnung erweitert den Ansatz der Reststoffkostenrechnung um die Betrachtung des gesamten Stoffstromflusses von Material und Energie im Unternehmen. Somit wird eine höhere Kostenreduktion in Produktionsprozessen und eine verbesserte Identifizierung von Ökoeffizienzpotentialen erreicht. Dem steht der weitaus höhere Aufwand der Implementierung gegenüber, der die rentable Nutzung der Flusskostenrechnung nur in großen Betrieben mit einer intensiven und vielfältigen Materialnutzung zulässt.
In der umweltorientieren Investitionskostenrechnung werden die potentiellen Umweltkosten von zukünftigen Investitionen festgestellt bzw. die vergangenen Investitionen erfolgsabhängig bewertet. Dabei nutzen die Ansätze der umweltorientierten Investitionskostenrechnung die Umweltkostenbegriffe der anderen Umweltkostenarten. So werden Unternehmen mit einem passiven Umweltschutzziel Methoden der umweltschutzorientierten Kostenrechnung (z.B. die Investitionsrechnung für Umweltschutzmaßnahmen nach Wicke) bevorzugen, während die, mit einem aktiven Umweltschutzziel, Methoden der material- und energieflussorientierten Kostenrechnung (z.B. die Umweltorientierte Investitionsrechnung nach Letmathe) verwenden können.
Neben den internen Kosten entstehen externe Kosten, die von den meisten Ansätzen der Umweltkostenrechnung nicht berücksichtigt werden. Solche Kosten sind die Folge von fehlendem bzw. fehlerhaftem Umweltschutz und werden nicht vom verursachenden Unternehmen sondern von Dritten getragen. Für die Internalisierung von externen Kosten verwendet man unter anderem den Schadenskostenansatz, der alle negativen Umweltfolgen betrachtet, die während des Produktlebens aufkommen. Ebenfalls wäre die Verwendung des Vermeidungskostenansatzes möglich, der die potentiellen Kosten der Vermeidung von externen Kosten mit der Beseitigung dieser Kosten vergleicht. Wegen des hohen Aufwands der Erfassung, der Abgrenzungsprobleme von Schadens- und Vermeidungskosten, der schweren zeitlichen und kausalen Zuordnung von Umweltbelastungen und der unklaren Definition von externen Effekten ist die Internalisierung externer Kosten nur selten in der Praxis zu finden.
Lebenszyklusanalyse
Das Lebenszykluskonzept ermittelt charakteristische Muster, die sich in einem zeitlichen Rahmen wiederholen und in einzelne Phasen unterteilbar sind. Ein Lebenszykluskonzept ist der klassische Produktlebenszyklus, der sich ausschließlich mit den Marktphasen eines Produktes beschäftigt. Die bloße Betrachtung von der „Wiege zum Fabriktor“ reicht jedoch nicht aus um den gesamten Lebensweg des Produktes darzustellen. Dafür wird der erweiterte Produktlebenszyklus benötigt. Dieser setzt sich aus drei Segmenten (Vorleistungsphase, Marktphase, Nachleistungsphase) zusammen, die die Kosten und Erlöse, die ein Produkt verursacht, darstellen und so die Einteilung in die einzelnen Phasen ermöglicht. Die Entsorgungsphase (Teil der Nachleistungsphase) ist für Unternehmen besonders interessant, denn dort werden die Entsorgungskosten, die während der Produktion und nach der Nutzung des Produktes entstehen, erfasst. Das liefert wichtige Informationen für die Konzeptionsphase (Teil der Vorleistungsphase), in welcher das Produktdesign und die Produktionsprozesse derart verbessert werden können, dass es zu einer Vermeidung von Umweltkosten kommen kann.
Durch eine Analyse des gesamten Lebensweges erhält man die Produkt-Ökobilanz, welche dabei hilft Umweltbelastungen und material- und energieineffiziente Prozesse zu identifizieren, sowie die Relevanz einer ökologischen Produktion herauszustellen. Somit eignet sich der Produktlebenszyklus vor allem als Instrument der material- und energieorientierten Kostenrechnung. Allerdings hat die Methode auch Nachteile, beispielsweise werden die externen Kosten nicht berücksichtigt.
Fazit
Grundsätzlich lassen die Umweltkostenarten eine Ermittlung und verursachergerechte Zuordnung von umweltbedingten Kosten zu. Jedoch genügt das aus ökonomischer und ökologischer Sicht nicht. Denn die auftretende Abgrenzungsprobleme und die aufwendigen Implementierungen erschweren die Identifikation von Kostensenkungspotentialen. Deshalb werden viele Ansätze der Umweltkostenrechnung vor allem zur Erfassung der Kosten von nachsorgenden Umweltschutzmaßnahmen verwendet, was zur Fokussierung auf eine passive Umweltpolitik führt. Die Anwendung der material- und energieflussorientierten Kostenrechnung, unter Verwendung der Lebenszyklusanalyse, stellt die derzeit beste Form der Definition der Umweltkosten dar. Denn die vergleichsweise wenig aufwendige Implementierung und den schnell erreichbaren Kosteneinsparungen, bei gleichzeitiger Umweltentlastung, wird ein aktives Umweltschutzmanagement im Unternehmen gefördert.
Anhang 1: Der erweiterte Produktlebenszyklus und seine Phasen
Eigene Darstellung nach Fritz, D. von der Oelsnitz (2001), S. 140
Literaturverzeichnis
Fichter, Klaus/ Loew Thomas/ Seidel Eberhard (1997): Betriebliche Umweltkostenrechnung. Methoden und praxisgerechte Weiterentwicklung, Berlin/ Heidelberg 1997
Roth, Ursula (1992): Umweltkostenrechnung: Grundlagen und Konzeption aus betriebswirtschaftlicher Sicht, Wiesbaden 1992
Baumast, Annett/ Pape, Jens (Hrsg.) (2008): Betriebliches Umweltmanagement, 3. Auflage, Stuttgart 2008
Schmidt, Mario/ Dr. Schorb, Achim (1995): Stoffstromanalysen in Ökobilanzen und Öko-Audits, Berlin/ Heidelberg/ New York/ Barcelona/ Hong Kong/ London/ Mailand/ Paris/ Tokyo 1995
Loew, Thomas/ Fichter, Klaus/ Müller, Uta/ Schulz, Werner/ Strobel, Markus (2001): Ansätze der Umweltkostenrechnung im Vergleich. Vergleichende Beurteilung von Ansätzen der Umweltkostenrechnung auf ihre Eignung für die betriebliche Praxis und ihren Beitrag für eine ökologische Unternehmensführung, Berlin/ Augsburg 2002
Herrmann, Christoph (2010): Ganzheitliches Life Cycle Management. Nachhaltigkeit und Lebenszyklusorientierung in Unternehmen, Berlin/ Heidelberg 2010
Faßbender-Wynands, Ellen (2001): Umweltorientierte Lebenszyklusrechnung: Instrument zur Unterstützung des Umweltkostenmanagements. Mit einem Geleitwort von Günter Beuermann, 1. Auflage, Wiesbaden 2001
Fritz, Wolfgang, Dietrich, von der Oelsnitz (2001): Marketing: Elemente marktorientierter Unternehmensführung, 3. Aufl., Stuttgart/ Berlin/ Köln 2001
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[ 1 ]. Vgl. Baumast/ Pape (2008), S. 192.
[ 2 ]. Vgl. Herrmann (2010), S. 63-64.
[ 3 ]. Vgl. Roth (1992), S. 69-70.
[ 4 ]. Vgl. Fichter/ Loew/ Seidel (1997), S. 1.
[ 5 ]. Vgl. Baumast/ Pape (2008), S. 191.
[ 6 ]. Baumast/ Pape (2008), S. 192.
[ 7 ]. Vgl. Fichter/ Loew/ Seidel (1997), S.1.
[ 8 ]. Vgl. Loew et al. (2001), S. 15.
[ 9 ]. Vgl. Baumast/ Pape (2008), S. 193.
[ 10 ]. Vgl. Loew et al. (2001), S. 65.
[ 11 ]. Vgl. Baumast/ Pape (2008), S. 193.
[ 12 ]. Vgl. Roth (1992), S. 118-119.
[ 13 ]. Vgl. Loew et al. (2001), S. 67.
[ 14 ]. Vgl. Baumast/ Pape (2001), S. 194.
[ 15 ]. Vgl. Loew et al. (2001), S. 69.
[ 16 ]. Vgl. Fichter/ Loew/ Seidel (1997), S. 135.
[ 17 ]. Vgl. Loew et al. (2001), S. 86.
[ 18 ]. Vgl. Baumast/ Pape (2008), S. 193.
[ 19 ]. Vgl. Loew et al. (2001), S. 72.
[ 20 ]. Vgl. Loew et al. (2001), S. 75.
[ 21 ]. Vgl. Loew et al. (2001), S. 76.
[ 22 ]. Vgl. Fichter/ Loew/ Seidel (1997), S. 75.
[ 23 ]. Vgl. Loew et al. (2001), S. 85.
[ 24 ]. Vgl. Loew et al. (2001), S. 89.
[ 25 ]. Vgl. Loew et al. (2001), S. 96.
[ 26 ]. Vgl. Baumast/ Pape (2008), S. 193.
[ 27 ]. Vgl. Loew et al. (2001), S. 115.
[ 28 ]. Vgl. Loew et al. (2001), S. 130.
[ 29 ]. Vgl. Loew et al. (2001), S. 140.
[ 30 ]. Vgl. Baumast/ Pape (2001), S. 194.
[ 31 ]. Vgl. Baumast/ Pape (2008), S. 194.
[ 32 ]. Vgl. Baumast/ Pape (2008), S. 194.
[ 33 ]. Vgl. Loew et al. (2001), S. 147.
[ 34 ]. Vgl. Herrmann (2010), S. 63-64 .
[ 35 ]. Vgl. Hermann (2010), S. 70.
[ 36 ]. Vgl. Faßbender-Wynands (2001), S. 44.
[ 37 ]. Die Einteilung der Segmente und der einzelnen Phasen sieht man im Anhang 1
[ 38 ]. Vgl. Faßbender-Wynands (2001), S. 39-40.
[ 39 ]. Vgl. Faßbender-Wynands (2001), S. 49.
[ 40 ]. Vgl. Giegrich/ Schmidt (Hrsg.) / Schorb (Hrsg.) (1995), S. 121-122.
[ 41 ]. Vgl. Giegrich/ Schmidt (Hrsg.) / Schorb (Hrsg.) (1995), S. 122.
[ 42 ]. Vgl. Fichter/ Loew/ Seidel (1997), S. 131.
[ 43 ]. Vgl. Loew et al. (2001), S. 69.