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Voter Partiipation (German)

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Submitted By kramedie
Words 1188
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Das Ende der Demokratie?

Im Jahr 2013 finden in Österreich vier Landtagswahlen, die Nationalratswahl und zwei Volksbefragungen statt. Das Jahr 2013 ist somit das Superwahljahr schlechthin. Zumindest für die Politik und die Medien – für die Wähler und Wählerinnen hingegen nur bedingt. Denn eines hatten alle Wahlen in Österreich gemein: Eine abnehmende Wahlbeteiligung. Bei den bereits geschlagenen Wahlen wurden neue Tiefststände erreicht, so lag die Wahlbeteiligung in Tirol bei 56%, in Niederösterreich und Salzburg bei knapp über 70%, die Volksbefragung zur Wehrpflicht erreichte 52,4% und die Wiener Volksbefragung gar nur 38,7%. Stetig steigender medialer Präsenz zum Trotz bleibt die Wahlbeteiligung rückläufig und es gibt momentan keinen Grund zur Annahme einer Trendumkehr.
Sinkt die Wahlbeteiligung weiterhin im selben Ausmaß, so kann es in absehbarer Zeit soweit sein, dass es tatsächlich, wie in den Abbildungen dargestellt, zu einer Wahlbeteiligung von 0% kommt. Dies ist natürlich äußerst unwahrscheinlich, denn die Verlockung mit einer einzigen Stimme eine Wahl zu entscheiden, wird doch wieder viele zu den Urnen schreiten lassen. Doch wieso sollte dieser Umstand nicht dramatisiert werden und wie viel Wahlbeteiligung braucht es denn tatsächlich, dass eine Wahl noch sinnvoll ist?
In der Tat besteht großer Handlungsbedarf, bedenkt man, dass bei Gemeinderatswahlen knapp mehr als die Hälfte der Bevölkerung wählen geht – und dies wäre bei Europawahlen sogar ein Erfolg. Führt man diesen Gedankengang weiter, so kann ein Viertel der Wahlberechtigten eine absolute Mehrheit stellen! Wenn Heinz Fischer im Jahr 2010 von knapp 80 Prozent gewählt wurde, so muss man sich dennoch die Frage stellen ob dies wirklich der Wille des Volkes war? Denn nur 53,5% der Wahlberechtigten gingen zur Wahl, hinzu kommen noch 240.000 ungültige Stimmen – de facto haben also nur rund 39,5% Heinz Fischer erneut zum Bundespräsidenten gewählt und über 60% der Wahlberechtigten eben nicht. Nun mag man einräumen, dass diese Wahl, mangels Gegenkandidaten, einen Sonderfall darstellte. Eine ganz gleiche Situation fand man zuletzt im Jahr 1998 vor, als Thomas Klestil wiedergewählt wurde, damals betrug der Anteil der gültigen Stimmen immerhin noch über 70%.
Ist es denn noch demokratisch wenn eine Minderheit Heinz Fischer zum Bundespräsidenten macht? Jetzt könnte man argumentieren die Nicht- bzw. Ungültigwähler sind selber schuld, sie hätten ja die Chance zur Mitbestimmung gehabt. Warum aber die Schuld bei den Wählern suchen? Unsere politischen Parteien stellen Kandidaten und Wahlprogramme auf. Wenn diese die Mehrheit nicht ansprechen und ihnen keine Alternative geboten wird, ist es dann wirklich das Versäumnis der Wähler? Ist es nicht eher so, dass immer mehr verdrossen sind? Verdrossen von den gebotenen Inhalten, verdrossen vom parteipolitischen Geplänkel, verdrossen von dem affektierten und gleichzeitig unglaubwürdigem bis verlogenem Verhalten der Politiker egal welcher Parteizugehörigkeit?
Abbildung 1: Anteil gültige Stimmen bei Bundespräsidentenwahlen in Österreich inklusive Trendexploration

Abbildung 2: Anteil gültige Stimmen Landtagswahlen Steiermark inklusive Trendexploration

Gerne wird das mangelnde Politikinteresse damit abgetan, dass es uns ‚zu gut‘ gehe. Es fehlt demnach an Spannungsmomenten. Der Wohlstand als Demokratiekiller sozusagen. Das ist vielleicht ein Teil, aber sicher nicht die ganze Geschichte, denn folgt man dieser Logik dann ging es uns nie besser als jetzt. Das verwundert schon bei einer seit Jahren mehr oder weniger stagnierenden Wirtschaftsleistung, steigender Arbeitslosigkeit und nicht absehbarer Entwicklung der Staatsverschuldung.
Studien belegen, dass nahezu die Hälfte der Nichtwähler aufgrund des mangelnden Angebots an politischen Inhalten nicht zur Wahl gehen. Themen werden als von globaler, europäischer oder nationaler Wichtigkeit dargestellt, sind aber tatsächlich nur parteipolitisches Geplänkel. Die steirische Reformpartnerschaft – so lobenswert sie auch sein mag – wird am eben diesen Parteigeplänkel zerbrechen, sobald die nächste Landtagswahl ansteht. Die Interessen der jeweiligen Partei stehen im Vordergrund, nicht jene der Wähler. Konstruktiv kann politische Zusammenarbeit somit nur kurz- oder mittelfristig sein. Wirklich große Reformen passieren eigentlich nicht.
Gleichzeitig wird die Politik unterhaltsam – auch durch ihre Protagonisten. Eine Medialisierung, wenn man so will, führt zu einer ‚Entzauberung der Politik‘. Niemals zuvor gab es mehr Information als heute. Aber genau deshalb werden Politiker ‚gecoacht‘. Die so genannten Spin-Doctors sorgen für perfekte Auftritte der Politiker. Auf Fragen (von Journalisten) gibt es immer Antworten – nur halt nicht immer auf die eigentliche Frage. Diese Entzauberung der Politik ist gleichzeitig eine Entfremdung der Politik von der Bevölkerung.
Aber auch die Medien tragen schließlich ihren Teil dazu bei. Ihre eigentliche Aufgabe wertfrei zu informieren, kommen sie nur zum Teil nach. Viel zu oft erkennt man Interessen bzw. Werthaltungen ihrer Eigentümer oder verspürt man ihre Nähe zu diversen Politikern. Das Gefahrenpotential der Beeinflussung der Bevölkerung durch die Medien ist evident. Das Prädikat ‚unabhängig‘ steht heute dafür, dass keine politische Strömung direkt unterstützt wird. Das heißt aber nicht, dass eine negative Darstellung des Ungeliebten ausbleibt. Diese Darstellungen sind vielleicht teilweise durchaus berechtigt, dennoch erfolgen sie zunehmend systematisch. Die negative mediale Stimmungsmache bringt aber eine Externalität mit sich: Die Wähler verlieren das Vertrauen in die Problemlösungskompetenz der Politik. Daraus leitet sich zum einen Politikverdrossenheit und zum anderen das Aufkommen immer neuer Protestparteien ab. So profitierte beispielsweise die Haider-FPÖ von der Berichterstattung in der Kronen Zeitung. Mit ihrer Regierungsbeteiligung – und den folgenden internen Zwistigkeiten – verschwand für den Wähler diese Option des Protestes. Ein ähnliches Schicksal kann man wohl allen (neu aufkommenden) Protestparteien prophezeien, welche zunächst – eventuell sogar ohne Wahlprogramm – durchaus beachtliche Erfolge einfahren. Es ist dennoch nur eine Frage der Zeit, bis der Frust über die fehlende Umgestaltungskompetenz durch diese Protestparteien mehr und mehr von den Wahlurnen fernhält.
Wie kann man also wieder mehr Begeisterung für Politik erreichen und damit eine Trendumkehr bei der Wahlbeteiligung? Eine Wahlpflicht ist sicher nicht die Lösung, denn diese führt nur dazu, dass die Zahl der ungültigen Stimmen nach oben schnellen. In der Steiermark gab es ja die Wahlpflicht bis 1992. Bei den Landtagswahlen im Jahr 1991 wurde der Rekordwert von über 33000 ungültigen Stimmen erreicht. Zwar fiel die Wahlbeteiligung 1991 auf 1995 um drei Prozent, unterdessen nahm der Anteil der gültigen Stimmen nur geringfügig um 0,8% ab. Auch können neue Abstimmungsmethoden, insbesondere E-voting, wie man am Beispiel der USA sieht die Wahlbeteiligung nicht erhöhen.
Tatsächlich scheint die einzig wirksame Lösung, dass die Parteien glaubwürdig realisierbare Inhalte transparent und nachvollziehbar kommunizieren müssen. Keine Frage, der gesellschaftliche und ökonomische Wandel hat neue Herausforderungen – insbesondere für die Politik – mit sich gebracht. Die traditionelle soziale Schichtung ist in dieser Form heute nicht mehr existent. Wähler anzusprechen ist somit komplizierter geworden. Unzureichend sind sicherlich die immer wiederkehrenden Allerweltsfloskeln wie Ehrlichkeit, Fleiß, Stabilität, Gerechtigkeit, das Leben muss wieder lebenswert sein, neue Werte, Verantwortung, Seriosität etc. etc. Auch machen parteipolitisch motivierte, nicht realisierbare bzw. langfristige unsinnige Vorschläge Politik unglaubwürdig. Ein Umdenken ist gefragt.
Die abnehmende Wahlbeteiligung ist ein demokratiepolitisches Warnsignal, aber ist die Situation wirklich so dramatisch? Vermutlich nicht. Ein europaweiter Vergleich zeigt für Österreich überdurchschnittliche Werte bei der Wahlbeteiligung. Ebenso ist in den USA und der Schweiz die Wahlbeteiligung mit rund 50 Prozent traditionell niedrig. Dies wird dort sogar als Zeichen politischer Stabilität gesehen. Aber internationale Vergleiche sind vielleicht auch nicht zielführend, da viel zu viele Faktoren einfließen wie beispielsweise andere Wahlsysteme und insbesondere kulturelle sowie sozioökonomische Unterschiede. Für die Demokratie in Österreich stellt das schwindende Interesse an der Politik noch kein Problem dar, doch sollte der Trend gestoppt werden – besser früher als später. Jedenfalls sollte die sinkende Wahlbeteiligung ein Weckruf für unsere Politiker sowie ihre im Hintergrund agierenden Strategen sein.

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