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Analysis

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Submitted By erazor2063
Words 88045
Pages 353
Danksagung Ich möchte allen danken, die sich in den vergangenen Jahren die Mühe gemacht haben, sich mit meiner Dissertation, mit diesem Text, zu beschäftigen und ihn zu kommentieren. An erster Stelle sind das meine Betreuer am Europäischen Hochschulinstitut in Florenz, Klaus Eder und Friedhelm Neidhardt. Außerdem: Catherine Brice, Colin Crouch, Nora Eisermann, Bernd Giesen, Michaela Krützen, Johannes Lübking, Anne Marijnen, Gesa Marten, Jo Reichertz, Frederic Vandenberghe und Anne Will. Besonders danke ich meinem Bruder David Eisermann, der mir die nötige Zuversicht und liebevolle Unterstützung gegeben hat, die Arbeit abzuschließen.

Berlin, im Oktober 2000

Jessica Eisermann

Inhalt
Danksagung .........................................................................................................5 Abkürzungen......................................................................................................10 Einleitung.......................................................................................................... 13 1 1.1 1.1.1 1.1.2 1.1.3 1.1.4 1.2 1.2.1 1.2.2 1.2.3 1.2.4 1.2.5 1.3 1.3.1 1.3.2 2 2.1 2.2 2.3 Das Problem der Mediengewalt........................................................... 21 Die Definition des Problems in der Öffentlichkeit .................................21 Die ordnungsgenerierende Funktion 'unterhaltender' Nachrichten ...22 Das Problem im Zusammenhang mit dem Symbol der Gewalt ........28 Das Problem im Zusammenhang mit dem Medium Fernsehen ........33 Schlussfolgerung...............................................................................40 Die Definition des Problems in der Medienforschung............................42 Gewaltwirkung: Stand der Forschung...............................................44 Fernsehen und Angst statt Fernsehen und Gewalt ............................53 Kulturwissenschaftliche Forschung ..................................................56 Der "Third-Person-Effect" in der Kommunikation ...........................58 Schlussfolgerung...............................................................................60 Die Definition des Problems durch das Recht ........................................62 "Wirkungsrisiko" und "Jugendschutz" als Ansatzpunkte..................64 Schlussfolgerung...............................................................................72 Die Regulation des Problems der Mediengewalt................................ 73 Rundfunkaufsichtsaufgaben ...................................................................73 Fremd- und Selbstkontrolle ....................................................................76 Die Ineffektivität der Regulation ............................................................78

8 2.4 3 3.1 3.2 3.3 4 4.1 4.2 4.2.1 4.2.2 4.2.3 4.3 4.3.1 4.3.2 4.3.3 4.4 5. 5.1 5.2 5.2.1 5.2.2 5.2.3 5.2.4 5.2.5 5.3

Inhalt

An die Regulation gebundene Ziele und Interessen ............................... 82 Die neo-institutionalistische Perspektive.............................................87 Institution: eine Begriffsklärung ............................................................ 90 Institutionalisierte Umwelten von Organisationen ................................. 97 Das Interessehandeln der Akteure........................................................ 101 Das soziale und kulturelle Organisationsfeld der Regulation .........107 Interorganisationelle Umwelt: Die Freiwillige Selbstkontrolle der Filmwirtschaft (FSK) ........................................................................... 111 Öffentliche Meinung und Öffentlichkeit.............................................. 117 Die Vermittlung des Problems in der Öffentlichkeit ...................... 118 Mediengewalt als öffentliches soziales Problem ............................ 124 Die moralische Dimension des Problems der Mediengewalt ......... 127 Die Wissenschaft als Umwelt .............................................................. 133 Die Problemkarriere im Spiegel wissenschaftlicher Datenbanken . 134 Kognitive Grundlagen: Verhältnis von Fernsehen und Realität .... 140 Wissenschaftliche Ergebnisse als Legitimationsgrundlage ............ 142 Das Recht als Umwelt .......................................................................... 143 Staatsregulation: Die Landesmedienanstalten (LMAs) ...................149 Struktur, Aufgaben und Finanzierung .................................................. 155 Die Gemeinsame Stelle Jugendschutz und Programm (GSJP)............. 165 Grundlage der Auslegung: Gesetze und Richtlinien....................... 166 Die Struktur der GSJP .................................................................... 172 Referenten für Jugendschutz und Programm.................................. 176 Die Praxis der Prüfung ................................................................... 178 Beanstandungen und Sanktionen als Ausweis der "Effektivität" ... 187 Die Umsetzung der Forschungsaufgabe............................................... 191

Inhalt

9 Koordination der Forschung ...........................................................192 Gesetzliche Grundlage der Forschungsaufgabe ..............................194 Auftragsvergabe ..............................................................................196 Ausgaben für Forschung .................................................................197 Themen der Forschungsprojekte .....................................................198 Legitimationsfunktion der wissenschaftlichen Auftragsforschung .199 Zusammenfassung ................................................................................202 Selbstregulation: Die Freiwillige Selbstkontrolle Fernsehen (FSF) 206 Anforderungen......................................................................................210 Organisation und Arbeitsweise: Die FSF als "PR-Instrument" ............213 Sanktionen und Effektivität ..................................................................220 Qualitätsprüfung ...................................................................................222 Angst und strukturelle Gewalt ........................................................223 Filmästhetik und Dissens als Ausweis für Qualität.........................224 Zusammenfassung ................................................................................228 Schluss ................................................................................................. 230

5.3.1 5.3.2 5.3.3 5.3.4 5.3.5 5.3.6 5.4 6 6.1 6.2 6.3 6.4 6.4.1 6.4.2 6.5 7

Anhang............................................................................................................ 239 Literatur ...........................................................................................................239 Tabellen ...........................................................................................................263 Verzeichnis der Spielfilme und Serien.............................................................264

Abkürzungen
ABA ABT ALM BCC BLA BLM BPjS BSC BSC BVerfG BVerfGE BVerwG BVerwGE DNB DLM DPR FCC FPO FSF FSK FSM GjS GSJP GSP HAM IBZ ITC IBZ JÖSchG LAR LfK LfR LMAs LMGs LPR LPR LRA LRZ MABB Australian Broadcasting Authority Australian Broadcasting Tribunal Arbeitsgemeinschaft der Landesmedienanstalten Broadcasting Complaints Commission (heute Broadcasting Standards Commission) Bremische Landesmedienanstalt Bayerische Landeszentrale für neue Medien Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften Broadcasting Standards Commission (1996 wurden der Broadcasting Standards Council und die Broadcasting Complaints Commission zusammengeführt) Broadcasting Standards Council (heute Broadcasting Standards Commission) Bundesverfassungsgericht Bundesverfassungsgerichtsentscheidung Bundesverwaltungsgericht Bundesverwaltungsgerichtsentscheidung Deutsche Nationalbibliographie Direktorenkonferenz der Landesmedienanstalten Deutscher Presserat Federal Communications Commission For-Profit-Organisation Freiwillige Selbstkontrolle Fernsehen Freiwillige Selbstkontrolle der Filmwirtschaft Freiwillige Selbstkontrolle Multimedia-Dienstanbieter Gesetz über die Verbreitung jugendgefährdender Schriften Gemeinsame Stelle Jugendschutz und Programm Gemeinsame Stelle Programmbeobachtung Hamburgische Anstalt für neue Medien Internationale Bibliographie der Zeitschriftenliteratur Independent Television Commission Internationale Bibliographie der Zeitschriftenliteratur Gesetz zum Schutz der Jugend in der Öffentlichkeit Landesanstalt für das Rundfunkwesen Saarland Landesanstalt für Kommunikation Baden-Württemberg Landesanstalt für Rundfunk Nordrhein-Westfalen Landesmedienanstalten Landesmediengesetze Hessische Landesanstalt für privaten Rundfunk Landeszentrale für private Rundfunkveranstalter Rheinland-Pfalz Landesrundfunkausschuss für Sachsen-Anhalt Landesrundfunkzentrale Mecklenburg-Vorpommern Medienanstalt Berlin Brandenburg

Abkürzungen NLM NPO RfSTV SLM SPIO StGB TLR ULR WDR Niedersächsische Landesmedienanstalt für privaten Rundfunk Non-Profit-Organisation Rundfunkstaatsvertrag Sächsische Landesanstalt für privaten Rundfunk und neue Medien Spitzenorganisation der Filmwirtschaft Strafgesetzbuch Thüringer Landesmedienanstalt Unabhängige Landesanstalt für das Rundfunkwesen Westdeutscher Rundfunk

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Einleitung

"Ja, was heißt Bei dir Gewalt?" Lessing, Nathan der Weise, 2. Aufzug, 3. Auftritt

Das Problem der Gewaltdarstellung in den Medien ist gekennzeichnet durch eine lang andauernde Aktualität. Dies liegt zweifellos daran, dass das Problem mit grundlegenden gesellschaftlichen Wertkonflikten verknüpft ist: Wie können unsere Kinder vor Schaden bewahrt werden? Wie ist der kulturelle Stellenwert populärer Unterhaltung zu beurteilen? Und wie verändert sich unsere Wirklichkeit durch die zunehmende Zentralität der Medien? Solche Fragen sind letztlich moralische Fragen, die nicht etwa auf der Grundlage einer objektiven Sachlage entschieden werden können: Wie sollen unsere Kinder am besten erzogen werden? Wie soll Unterhaltung aussehen, damit kulturelle Standards gewahrt bleiben? Wie weit darf der Einfluss der Medien gehen, ohne den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu gefährden? Das Problem der Gewaltdarstellung in den Medien berührt zentrale Punkte des Werte- und Normenhaushalts einer Gesellschaft. Damit wird deutlich, dass für das eigentliche Problem der Mediengewalt auch keine einfachen Antworten oder gar Lösungen bereit stehen. Während das Problem in der öffentlichen Wahrnehmung weiterhin akut bleibt, ist andererseits in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts als gesellschaftspolitische Reaktion auf das Mediengewaltproblem förmlich eine Jugendschutzindustrie entstanden. In Deutschland ist heute eine kaum überschaubare Vielzahl an Instanzen mit Jugendschutz in den Medien befasst. Allein dem formalen gesetzlichen Jugendschutzauftrag folgen die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften (BPjS), die Freiwillige Selbstkontrolle der Filmwirtschaft (FSK), die 12 öffentlich-rechtlichen Rundfunk- und Fernsehräte der ARDAnstalten und des ZDF, die 15 Landesmedienanstalten (LMAs) und die vom Gesetzgeber erwünschte Freiwillige Selbstkontrolle Fernsehen (FSF). Alle diese Stellen beurteilen systematisch Film- und Fernsehprogramme, geben Ausstrahlungszeiten vor, setzen Schnitte an oder verhindern im Extremfall die Ausstrahlung eines Programms ganz. Darüber hinaus verfügt jede öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt (ARD-Anstalten, ZDF, 3sat) und jeder bundesweit sendende private Fernsehveranstalter über Jugendschutzbeauftragte, wie es das

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Einleitung

Gesetz seit 1994 vorschreibt. Bei den großen privaten Sendern sind für diese Aufgabe mittlerweile ganze Jugendschutzabteilungen entstanden, die Programme im Vorhinein auf ihre Unbedenklichkeit überprüfen. Solche von den Rundfunkregulierern und den Fernsehveranstaltern im Namen des gesetzlichen Jugendschutzes durchgeführten Medieninhaltskontrollen werden flankiert durch zahlreiche Veröffentlichungen, Veranstaltungen und Initiativen im Bereich des Jugendmedienschutzes, der Medienpädagogik und darüber hinaus durch wissenschaftliche Auftragsforschung. Zusätzlich zu den Maßnahmen, die im Rahmen der Rundfunkregulation getroffen sind, bildet der Jugendmedienschutz zusammen mit dem Thema Kindesmissbrauch seit Jahren einen Schwerpunkt der Jugendhilfe (vgl. Bundesarbeitsgemeinschaft Kinderund Jugendschutz 1998). Auch deren Stellen initiieren vielfältige Veröffentlichungen, Tagungen und Workshops. Gewalt in den Medien ist außerdem ein Dauerthema der Medienreferate in Landes- und Bundesministerien (vgl. Bundesministerium des Inneren 1996), in den Parlamenten und nicht zuletzt der Parteien. Schließlich wäre auch die Etablierung der Medienpädagogik als eigenständiges Fach an den Hochschulen ohne das anhaltende Interesse am Thema Mediengewalt kaum denkbar gewesen. Diese Untersuchung befasst sich mit der Kontrolle der Mediengewalt im Rahmen der Rundfunkregulation. Der Schutz vor Gewaltdarstellung bildet heute einen festen Bestandteil der Rundfunkaufsichtsaufgaben in allen westlichen Demokratien (vgl. Hoffmann-Riem 1996; Robillard 1995). Rundfunk wird entweder im staatlichen Auftrag reguliert oder über den Weg der Selbstkontrolle der Medien. Die empirischen Fallbeispiele der Untersuchung sind daher einerseits die Maßnahmen der den privat-kommerziellen Rundfunk überwachenden Landesmedienanstalten (LMAs) und andererseits die Tätigkeit der Freiwilligen Selbstkontrolle Fernsehen (FSF). Für die Analyse wurde ein kultur- und organisationsanalytischer Ansatz gewählt, der es erlaubt, die Regulation der Mediengewalt in ihrem gesellschaftlichen Zusammenhang zu betrachten. Das, was die LMAs und die FSF tun, um Gewaltdarstellungen im Fernsehen zu reduzieren und ihre Gefahren zu mäßigen, ist als politische Reaktion auf die gesellschaftliche Problemwahrnehmung zu verstehen. Die Regulationstätigkeit und die dabei auftretenden Schwierigkeiten sind entsprechend nicht losgelöst aus diesem gesellschaftlichen Kontext zu begreifen. Vielmehr sind die Regulationsmaßnahmen, die auf eine Verbesserung der sozialen Verhältnisse zielen, die mit Gewaltdarstellungen in Verbindung gebracht werden, entscheidend geprägt durch soziale Konstruktionen in unterschiedlichen gesellschaftlichen Teilsystemen, insbesondere der massenmedialen

Einleitung

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Öffentlichkeit, der Wissenschaft und dem Recht. Durch Konstruktionen in der Öffentlichkeit formt sich die moralische Haltung der Politik ebenso wie die der Regulationsinstanzen als politische Akteure, aus der Wissenschaft beziehen sie ihr Wissen und im Recht sind entsprechend bereits diejenigen Lösungsansätze festgelegt, mit denen die Politik versucht, das Problem der Mediengewalt zu bewältigen. Die Untersuchung der Rundfunkregulation ist einer konstruktivistischen Perspektive verpflichtet. Das bedeutet vorrangig, dass sich das Interesse nicht auf das Phänomen der Gewaltdarstellung selbst und seine objektiven Bedingungen richtet. Es steht hier nicht zur Diskussion, ob dargestellte Gewalt aggressives Verhalten bewirkt und wenn ja, wie - obwohl dies eine wichtige Frage ist, mit der sich allein im deutschsprachigen Raum über 3.000 Studien im Bereich der Medienwirkungsforschung befasst haben (Vitouch und Kernbeiß 1998: 597). Durch die Betonung des sozial konstruierten Zugs des Mediengewaltproblems tritt hier die Frage nach der Gewaltwirkung zugunsten der Organisationsanalyse in den Hintergrund. Die Diskussion um die Wirkung der Darstellung von Gewalt ist eng verbunden mit der Diskussion um den Wert oder Unwert populärer Unterhaltungsangebote. Insofern reicht die Problematik der Gewaltdarstellung zurück bis in die Antike zu den Texten Aristoteles' und Platons. Während Aristoteles am Beispiel antiker Unterhaltungsformen wie dem Epos oder der Tragödie deren Wert für das Gemeinwohl hervorhob, erscheint sein Lehrer Platon als Kritiker, der eine hoheitliche Kontrolle populärer Unterhaltung zum Zwecke der Erziehung forderte (vgl. Sturm 1996: 323-333). Im übrigen war sich schon Aristoteles über die Wirkung dargestellter Gewalt im Klaren: "[V]on Dingen, die wir in der Wirklichkeit nur ungern erblicken, sehen wir mit Freude möglichst getreue Abbildungen, z.B. Darstellungen von äußerst unansehnlichen Tieren und Leichen" (Aristoteles, Poetik, 1994: 11). Gewalt auf der Bühne, in der Literatur oder der Malerei ist seitdem immer besonders kritisch in ihrem Einfluss auf die niederen Schichten oder das gemeine Volk beurteilt worden. Ende des 18. Jahrhunderts taucht dann das erste Mal der Schutz Unmündiger als Jugendschutz auf (Hobohm 1992: 45). Das beste Beispiel für die erstaunliche Kontinuität des Jugendschutzarguments bildet die Diskussion, die Goethes "Leiden des jungen Werthers" hinsichtlich der Selbstmordgefährdung der Jugend auslösten. Bis heute bestimmt die Jugendschutzargumentation die Diskussion um Gewaltdarstellung. Sieht man von dieser bis in die Antike reichenden Dimension des Themas ab, wird aber besonders eine Verknüpfung des Mediengewaltproblems mit

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Einleitung

den modernen Bildmedien offenbar. Aus historischer Sicht erscheint seine Aktualität als Korrelat der Ängste, die mit kommunikationstechnischen Innovationen einhergehen. Bereits in den 10er Jahren unseres Jahrhunderts erreicht der Mediengewaltdiskurs bei der Einführung des Kinos einen ersten Höhepunkt. Als der Mediziner Robert Gaupp im Jahr 1911 vor den "Gefahren des Kinos" warnt, sind seine Befürchtungen dieselben wie diejenigen gegenüber dem Fernsehen, die noch 70 Jahre später geäußert werden sollen:
Die rasche Folge der aufregenden Bilder steigert die gemütliche Spannung bis ins Unerträgliche, es bleibt dabei keine Zeit zum Nachdenken und damit zum psychologischen Ausgleich. Die schauerlichen Stoffe erschüttern namentlich beim Kind und beim sensiblen Menschen das Nervensystem bis zur Qual ... Von historischen und politischen Ereignissen früherer Zeit bekommen wir namentlich grauenerregende Dinge zu sehen: Die Schrecken der Bartholomäusnacht, die Folter der Inquisition, die Grausamkeit der russischen Justiz ... [E]s ist kein Zweifel, daß der Kino, in dem Kinder und Halberwachsene immer mehr zu Hause werden, auch nach dieser Richtung hin eine ernste Gefahr darstellt. Für noch gefährlicher halte ich die oft grauenhaft plastischen Darstellungen aus dem Verbrecherleben ... Die Zeitungen melden uns erschreckende Vorkommnisse, bei denen jugendliche Personen das im Kino gesehene Verbrechen in der Wirklichkeit nachahmen wollen. (Robert Gaupp, Die Gefahren des Kinos, 1911/12)

Entscheidende Eckpunkte des kommunikationstechnischen Wandels in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts bilden die Einführung des Fernsehens, die Verbreitung des Videorekorders, des Personalcomputers sowie in Deutschland der durch das Kabelfernsehen ermöglichte Auftakt des kommerziellen Rundfunks im dualen System. Diese Entwicklung der Medien wird jeweils von einem Diskurs begleitet, der vor der Einführung und der frühen Institutionalisierungsphase eines neuen Kommunikationsmediums besonders intensiv geführt wird. So hängt sich der Diskurs der 90er Jahre verstärkt am Internet und den Möglichkeiten des digitalen Fernsehens auf. Dieser Diskurs beinhaltet immer die Sorge gegenüber den sozialen Veränderungen und besonders den Gefahren, die neue Medien mit sich bringen. Der Ausgangspunkt dieser Untersuchung ist die Annahme, dass insbesondere in der Problematisierung von Gewalt- und Sexdarstellungen die mit dem kommunikationstechnischen Wandel einhergehenden Ängste ihren symbolischen Ausdruck erfahren. Das Thema Sex in den Medien wird in dieser Untersuchung aus Gründen analytischer Klarheit ausgespart. Es eröffnet im Vergleich zum Thema Gewalt andere kognitive und moralische Dimensionen, die in dem gewählten Untersuchungsrahmen nicht hätten angemessen berücksichtigt werden können. Empirisch werden Gewalt- und Sexdarstellungen jedoch häufig gemeinsam behan-

Einleitung

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delt. "Gewalt" kommt dabei heutzutage in Bezug auf "Sex" zumeist eine Verstärkerrolle zu: Das heißt, Gewaltdarstellungen werden zwar ohne den Hinweis auf Sex thematisiert, dagegen nur selten Sex ohne den verstärkenden Hinweis auf Gewalt. So gelang zum Beispiel die Formulierung der feministischen Position in den 70er Jahren dadurch, dass Penetration mit Gewalt gleichgesetzt wurde. Ebenso basierte auch die deutsche PorNo Kampagne der 80er Jahre auf einem erweiterten Gewaltbegriff: Pornographie an und für sich wurde als strukturelle Gewalt definiert. Das Untersuchungsinteresse richtet sich auf die Regulation eines immer aktuellen und sozial relevanten Problems. Erstens geht es darum, am Beispiel des Mediengewaltproblems die Konsequenzen der sozialen Konstruktionen in den gesellschaftlichen Teilsystemen der massenmedialen Öffentlichkeit, der Medienwissenschaft und des Rechts für die Praxis der Rundfunkregulation aufzuzeigen. Wie wird eigentlich versucht, dem Problem beizukommen? Welches Wissen bildet die Grundlage der Kontrollen? Was bedeutet etwa für die Regulateure "Gewalt"? Welche strukturellen Bedingungen prägen die Regulation? Zweitens werden die Legitimationsstrategien der Regulationseinrichtungen analysiert, durch die sie ihr organisationelles Handeln rechtfertigen und darüber hinaus ihren Fortbestand sichern. Wie muss sich die Regulation gegenüber der Öffentlichkeit darstellen, um zu überzeugen? Ist es als Erfolg der Regulation zu werten, dass die Vielzahl der Maßnahmen, die mit dem Stichwort Jugendschutzindustrie gekennzeichnet wurden, kaum in Frage gestellt werden? Die Vorgehensweise ist die folgende: Am Anfang wird die Konstruktion des Problems innerhalb der Gesellschaft in drei verschiedenen Teilsystemen nachvollzogen, in der massenmedialen Öffentlichkeit, in der Wissenschaft und im Recht. Am Beispiel des Diskurses über Mediengewalt werden damit letztlich diejenigen Prozesse rekonstruiert, durch die auf der symbolischen Ebene einer Gesellschaft soziale Ordnung entsteht. Für die Organisationsanalyse der Rundfunkregulation liefert dieses Kapitel die Vorgaben sowie die einschränkenden Bedingungen, die der gesellschaftliche Kontext des Problems für die Regulation schafft. Die Regulation der Gewaltdarstellung im Fernsehen ist nur als gesellschaftspolitische Reaktion auf die Problemwahrnehmung und -deutung in der massenmedialen Öffentlichkeit, in der Wissenschaft und im Recht zu verstehen (Kap. 1). Mit welchen Maßnahmen wird - international - auf das Problem reagiert? Die Regulation der Gewaltdarstellung in den Medien wird im weiteren zunächst im Rahmen der Rundfunkregulationsaufgaben beschrieben sowie von anderen

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Einleitung

Aufgaben abgegrenzt. Es existieren sowohl Mechanismen staatlicher Fremdkontrolle als auch Selbstkontrollen seitens der Fernsehveranstalter. Fremd- und Selbstkontrolle müssen nun gleichermaßen kritisch beurteilt werden: Die Forschung belegt im Ergebnis die Ineffektivität der Regulation. Aus organisationsanalytischer Sicht wirft dies die Frage auf, warum die Regulation, trotz ihrer Ineffektivität, in der jetzigen Form bestehen bleibt (Kap. 2). Im folgenden wird die theoretische Perspektive entwickelt. Was passiert, wenn die Problembearbeitung der Regulation überantwortet wird? Neuere Ansätze aus der Organisationssoziologie ermöglichen die Synthetisierung des symbolischen und kulturellen Kontexts des Problems mit dem mehr praxisorientierten Anliegen der Organisationsanalyse. Das zentrale Konzept dieser theoretischen Perspektive ist die Berücksichtigung der institutionalisierten Umwelten der Organisationen. Über den Erfolg der Regulation entscheidet insbesondere die Legitimation der Regulation gegenüber dem Recht und der öffentlichen Meinung. Darüber hinaus wird zur Erklärung auf die moralischen und materiellen Interessen der beteiligten Akteure verwiesen (Kap. 3). Im Anschluss werden am Beispiel der LMAs und der FSF die Institutionalisierungsprozesse zwischen der Regulation und ihren relevanten Umwelten untersucht. Als relevante Umwelten des Organisationsfelds der Jugendschutzkontrollen werden dabei wiederum die öffentliche Meinung, das Rechtssystem und die Wissenschaft betrachtet. Welche Schlussfolgerungen lassen sich für die LMAs und die FSF ziehen, die sich des Problems der Gewaltdarstellung annehmen? Als wichtige Quelle für Institutionalisierungsprozesse werden dabei auch andere kollektive Akteure des Organisationsfelds eingeschlossen - vorrangig die FSK als die älteste Jugendschutzeinrichtung in Deutschland (Kap. 4). Die folgenden Kapitel konzentrieren sich am Beispiel der LMAs und der FSF auf die inneren Organisationsabläufe. Wie prägen institutionalisierte Strukturen - rationalisierte Mythen, institutionalisierte Regeln und Kognitionsschemata - im einzelnen die Organisationswirklichkeit? Welche Konflikte entstehen intern durch Widersprüche zwischen den äußeren Anforderungen an die Regulation und den Zwängen organisationeller Strukturen und Verfahrensabläufe? Wie werden diese Widersprüche kompensiert? Die empirischen Ansatzpunkte für die Beantwortung dieser Fragen sind erstens die formale Organisation der Verfahren und zweitens die eigentliche Praxis der Prüfung (Kap. 5 und 6). Zum Schluss werden die Ergebnisse in theoretischer wie in praktischer Hinsicht resümiert (Kap. 7).

Einleitung

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Die Untersuchung beruht auf bestimmten Voraussetzungen, die vorab unter fünf Gesichtspunkten erläutert werden sollen: (1) Eine Grundannahme ist, dass der Diskurs über Mediengewalt gesamtgesellschaftlich eine norm- und ordnungsgenerierende Funktion übernimmt. Mit der Diskussion um die Gefahren der Gewaltdarstellung in den Medien, so wird argumentiert, hat ein gesellschaftlicher Aushandlungsprozess über moralische Standards eine moderne Ausdrucksform gefunden. Die Medien - und ihre Kontrolleure - haben heute ein Feld besetzt, das die Theologie seit der Aufklärung und besonders 20. Jahrhundert geräumt hat. Bei der Erfüllung ihrer Aufgabe beteiligen sich die Regulateure der Mediengewalt an einem gesellschaftlichen Diskurs über Normen, Werte und Lebensstile. Der MediengewaltDiskurs ist in diesem Sinne als Teil eines Konkurrenzkampfes um ein Wert- und Normsetzungsmonopol zu verstehen. Es sind heute nicht mehr ausschließlich Institutionen wie die Kirchen, die Veränderungen der moralischen Ordnung bewirken und diese zu steuern versuchen (vgl. Reichertz 1995). Organisationen, die Fernsehen regulieren, die mediale Aussagen limitieren und zensieren, sind aktive Teilnehmer an diesen Ordnungsdiskursen. (2) Ein weiterer Aspekt, den die Analyse berücksichtigt, ist, dass die Aufgabe, Gewalt in den Medien zu reduzieren, in der Tradition von Zensurinstanzen steht. Als Zensur stellt die Regulation der Mediengewalt gesellschaftshistorisch kein neues Phänomen dar, aber der Jugendmedienschutz ist ihre legitimierte Form. Es verweist auf den andauernden Prozess einer kulturellen Umdeutung, dass heute in Bezug auf die Tätigkeit der Regulationsinstanzen kaum mehr von Zensur die Rede ist. In den Vereinigten Staaten spricht man dagegen zum Beispiel weiterhin von "censors" und nicht von "Jugendschützern". Für die Regulierer besteht die Notwendigkeit, dem Zensurvorwurf vorzubeugen und es reicht dafür nicht aus, auf den gesetzlichen Auftrag zu verweisen. Die Legitimation des Jugendmedienschutzes erscheint insbesondere im Zusammenhang mit einem sozial gefestigten Gewalttabu gewährleistet. Dem steht jedoch auf der anderen Seite das in einer Demokratie tief verankerte Tabu der Zensur entgegen. Um den delegitimierenden Zensurvorwurf zu vermeiden, müssen die Regulationsinstanzen ihre Maßnahmen gegenüber der Öffentlichkeit immer wieder aufs Neue im Sinne von Mehrheitshaltungen und des demokratischen Gemeinwohls definieren. (3) Eine weitere Annahme lautet, dass bestimmte gesellschaftliche Akteure das Thema Mediengewalt auf dem Hintergrund ideologischer (das heißt im Sinne ihres Wertekanons) und ökonomischer Eigeninteressen aufnehmen und seine Bearbeitungsformen vorantreiben. Diese Akteure oder "carriers" des

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Einleitung

Problems haben das Thema nicht ursprünglich aufgebracht. Sie nutzen es nun aber für ihre strategischen Interessen. Dazu zählen zum Beispiel - parteiübergreifend - Politiker, Wissenschaftler, Medienschaffende der öffentlich-rechtlichen wie der privaten Sendeanstalten, ebenso wie die Regulierer oder erklärte Jugendschützer. (4) Die Rundfunkregulation ist als ein klassisches Feld symbolischer Politik zu begreifen. Diese Einsicht geht zurück auf Murray Edelman, der seinen Ansatz der "Symbolic Uses of Politics" ursprünglich sogar am Beispiel der amerikanischen Regulierungsbehörde FCC entwickelt hat (Edelman 1948; 1976). Der symbolische Aspekt der Regulation wird aufbauend auf dieser Einsicht zur Voraussetzung gemacht und nicht etwa am Ende das Ergebnis darstellen. Es wird vorausgesetzt, dass die Leistung der Rundfunkregulation in Bezug auf das Mediengewaltproblem nicht an formalen rechtlichen Vorgaben bemessen werden kann. Steuerungstheoretische Untersuchungen, die bislang dieses Vorgehen wählten, sind in der Regel zu dem Ergebnis gelangt, die Regulation sei ineffektiv. Sie verschließen sich aber den gesellschaftlichen Zusammenhängen. Im Kontrast dazu gilt es einzuschätzen: Welche Orientierungsvorgabe leisten die Regulierer in Bezug auf das gesellschaftliche Problem? Dass die Regulation symbolische Politik sei, bedeutet dann keinesfalls, die Regulation sei ineffektiv oder gar überflüssig, höchstens, dass sie auch unter den gegebenen Voraussetzungen symbolischer Politik zu verändern sei. (5) Das Thema der Regulation der Mediengewalt ist eng mit Emotionen und Wertvorstellungen verbunden. Aufgrund seiner moralischen Dimension laufen Untersuchungen des Zensurthemas automatisch Gefahr, am jeweiligen Beispiel der (immer) von einer restriktiven Moral geprägten Entscheidungen der Zensoren, Position für eine uneingeschränkte Presse- und Meinungsfreiheit zu beziehen. Diese Polarisierung löst das Thema Zensur auch bei seiner wissenschaftlichen Bearbeitung aus. Die deutsche Sozialwissenschaft, die besonders stark am Standard der Wertneutralität orientiert ist, hat daher in den letzten Jahrzehnten kaum eine Studie von dauerhaftem Bestand zum Thema Zensur beigetragen. Der zentrale Stellenwert des First Amendment in der Kultur der Vereinigten Staaten hat dagegen auch die wissenschaftliche Behandlung des Themas erleichtert. In jedem Fall ist bei der Untersuchung der Regulation der Gewaltdarstellung in den Medien eine gewisse Nüchternheit erforderlich, damit die Ergebnisse nicht so leicht selbst Anlass zu moralischer Empörung bieten.

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Das Problem der Mediengewalt

Warum wird dem Problem so große Aufmerksamkeit zuteil? Ein hinreichendes Verständnis des Problems der Mediengewalt - und eben auch die spezifische Form seiner Regulation und der dabei auftretenden Schwierigkeiten - kann nur in einem umfassenden gesellschaftsanalytischen Kontext erfolgen. Die zentralen gesellschaftlichen Teilbereiche, in denen einerseits das Wissen über den Problemzusammenhang entsteht und andererseits seine soziale Bewertung zustande kommt, sind die Öffentlichkeit, die Wissenschaft und das Recht. Wie wird in diesen jeweils teilsystemspezifischen Diskursen die Aktualität des Themas aufrechterhalten? Welche sozialen Funktionen hat das Reden über Mediengewalt? Welche Bezüge werden hergestellt, welche Rhetorik und Argumentationsmuster genutzt? In diesem Kapitel soll das Problem zunächst im Hinblick auf die drei zentralen gesellschaftlichen Diskurse näher gekennzeichnet werden: erstens in Hinsicht auf seine öffentliche Thematisierung, zweitens anhand der Eingaben in die Diskussion von der Seite des Wissenschaftssystems und drittens in Bezug auf die Erfassung des Problems im Recht und den dort entwickelten regulativen Vorgaben.

1.1

Die Definition des Problems in der Öffentlichkeit

Das Mediengewaltproblem weist aus soziologischer Sicht bestimmte Merkmale auf, die es in eine Reihe stellt mit anderen Dauerbrennern auf der öffentlichen Agenda wie etwa dem Drogenproblem, Kindesmissbrauch oder jugendlicher Gewalttätigkeit. Charakteristische Merkmale des Problems sind historisch betrachtet seine Langlebigkeit, sein latentes Potential wieder aufzuleben, also erneut auf die öffentliche Agenda zu gelangen, sowie die öffentliche Aufmerksamkeit, die das Thema genießt, die unabhängig von gesellschaftspolitischen Gegenmaßnahmen fortdauert. Dies sind Hinweise dafür, dass Gesellschaft bereits durch die öffentliche Thematisierung des Mediengewaltproblems umfassendere Probleme sozialer Ordnung behandelt.

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Das Problem der Mediengewalt

Eine Grundannahme dieser Untersuchung ist, dass ohne eine Berücksichtigung des öffentlichen Diskurses über Mediengewalt und einer gezielten Bestimmung seiner Rolle für den sozialen Zusammenhalt, weder die dauerhafte Erregung öffentlicher Aufmerksamkeit, noch die spezifisch auftretenden Schwierigkeiten bei seiner Regulation zu verstehen sind. Dass also folglich auch die Probleme einer Kontrolle von Gewaltdarstellung nicht hinreichend erklärt werden können, ohne den Blick auf die sozialen Funktionen der Thematisierung von Gewaltdarstellung in den Medien auszuweiten. Im folgenden wird die öffentliche Thematisierung daher qualitativ in dreifacher Hinsicht näher bestimmt und jeweils an Beispielen erläutert. Der erste Bestimmungsversuch verweist auf die Funktionen des Öffentlichkeit herstellenden Massenmediensystems in der modernen Gesellschaft: Inwiefern können eigentlich 'unterhaltende' Nachrichten wie über die Auswirkungen der Mediengewalt einen ordnungsgenerierenden Effekt erreichen? Zweitens wird das Problem in Zusammenhang gesetzt zu dem, was "Gewalt" in unserer Gesellschaft bedeutet, da die öffentliche Empfindlichkeit zu einem guten Teil auf diesem Bezug beruht. In dritter Hinsicht wird erläutert, wie der öffentliche Mediengewalt-Diskurs mit der sozialen Bewertung des Mediums Fernsehen verknüpft ist.

1.1.1 Die ordnungsgenerierende Funktion 'unterhaltender' Nachrichten Die Thematisierung der Mediengewalt hat für die soziale Ordnung massenmedial bestimmter Gesellschaften eine normstabilisierende Funktion. Die öffentliche Auseinandersetzung über Gewaltdarstellung hilft, das gesellschaftliche Normgefüge zu festigen. - Was bedeutet das aber genau, über die öffentliche Thematisierung der Gefahren von Gewaltdarstellung im Fernsehen würden Probleme sozialer Ordnung behandelt? Welche sozialen Prozesse führen letztlich zu einer Festigung der moralischen Ordnung? Die Antwort zielt auf die Funktionen massenmedial konstituierter Öffentlichkeit in moderner Gesellschaft. Ein beträchtlicher Teil dessen, was wir "Nachrichten" nennen, scheint nur von geringer Relevanz für die politische Meinungsbildung zu sein. Es sind Berichte über abweichendes Verhalten und seine Folgen, Klatsch über Prominente oder Meldungen über Katastrophen und Unglücksfälle. Ein Beispiel:

Die Definition des Problems in der Öffentlichkeit

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Schüler lief Amok Passau. (dpa) Die Wirkung von Horrorfilmen auf die Gewaltbereitschaft Jugendlicher steht seit gestern im Mittelpunkt eines aufsehenerregenden Prozesses vor dem Landgericht Passau. Ein 15jähriger Schüler hat laut Anklage als Filmmonster maskiert seiner zehnjährigen Cousine mit einer Axt den Schädel eingeschlagen und eine 69jährige Nachbarin schwer verletzt. Der Schüler hatte kurz zuvor auf dem Bauernhof seiner Eltern ein Horrorvideo angeschaut. Ein psychologischer Gutachter erklärte, daß der 15jährige möglicherweise nur vermindert schuldfähig sei. Es handle sich um einen "typischen Nachahmungsfall, allerdings mit einer über das übliche Maß hinausgehenden Grausamkeit". (Bonner General Anzeiger vom 12.07.1996)

Obwohl das Aufsehenerregende dieser Meldung sich jedem sofort vermittelt, ist es theoretisch - im Rahmen von Öffentlichkeitstheorien - nicht so leicht zu erklären, was solche Nachrichten derart berichtenswert macht und warum sie so viel Aufmerksamkeit erregen (Gerhards und Neidhardt 1993; Habermas 1990; Marcinkowski 1993; vgl. aber Luhmann 1996: 96-116). Ausgehend von Habermas' diskursivem Öffentlichkeitsmodell, dessen Normativität eine empirisch-analytische Anwendung erschwert hat, haben in den letzten Jahren in der Tradition liberaler Theorien Jürgen Gerhards und Friedhelm Neidhardt die Systematisierung einer Soziologie der Öffentlichkeit betrieben (vgl. Gerhards und Neidhardt 1993; Neidhardt 1993; Gerhards 1993; Gerhards 1997). Ihr besonderes Interesse galt bislang vornehmlich den Entstehungsbedingungen öffentlicher Meinung und damit insbesondere der politischen Funktion von Öffentlichkeit. Als Kommunikationssystem im Sinne liberaler Theorien wird Öffentlichkeit eine intermediäre Funktion der Interessenvermittlung zwischen Staatsbürgern sowie deren korporativen Interessenvertretern einerseits und den politischen Entscheidungsträgern andererseits zugeschrieben (Gerhards 1993: 22; Curran 1991: 29). Eine Vielzahl anderer Funktionen von Öffentlichkeit in moderner Gesellschaft wird zwar konstatiert - "von Unterhaltung bis hin zu sozialer Kontrolle" (Neidhardt 1993: 777) - aber bislang nicht systematisch in den Theorieentwurf eingearbeitet. Wenngleich Veröffentlichungen über die Gefahren von Gewaltdarstellung und ihre vermeintlichen Folgen immer auch eine Signalfunktion gegenüber den politisch Verantwortlichen haben (können), lässt sich doch die andauernde Attraktion des Themas dadurch nicht hinreichend erklären. Wendet man sich soziologisch gezielt solchen Veröffentlichungen zu und fragt nach Funktion und Ursache des Publikumsinteresses, bleiben die Erklärungen liberaler Öffentlich-

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Das Problem der Mediengewalt

keitstheorien für die Nachfrage an dieser Form des Berichtens sehr allgemein, was daran liegt, dass die im engen Sinne politische Funktion dieser Berichterstattung in den Printmedien und im Fernsehen gering einzuschätzen ist. Sobald nicht von einer primär politischen Bedeutung des Berichtens ausgegangen werden kann, greift meines Erachtens die Erklärung durch Nachrichtenwertfaktoren1 oder eine Kennzeichnung als 'bloße Unterhaltung' soziologisch gesehen zu kurz. Insbesondere die empirische Untersuchung massenmedialer Kommunikation - und ihrer Regulation - verdeutlicht den Unterhaltungscharakter eines Großteils öffentlicher Kommunikation. Zwangsläufig müsste man dadurch früher oder später auf die Funktionen massenmedialer Öffentlichkeit jenseits einer im engen Sinne politisch-demokratischen Funktion verwiesen werden, die diese auf die Rolle der Informationsprogramme des Fernsehens beschränkt sieht. In den soziologischen Theorieansätzen, die die Bedeutung massenmedialer Öffentlichkeit innerhalb einer demokratischen Gesellschaftsordnung in den Mittelpunkt rücken, bestehen Lücken durch eine systematische Vernachlässigung des Bereichs der Unterhaltung. So lassen sich in sozialwissenschaftlichen Öffentlichkeitstheorien drei typische Reaktionsweisen ausmachen, den überwiegend unterhaltenden Charakter öffentlicher Kommunikation auszublenden (Curran 1991: 33): Die einen registrieren den Unterhaltungscharakter öffentlicher Kommunikation zwar, nehmen es aber nur mit Bedauern zur Kenntnis; andere ignorieren es einfach und wieder andere betrachten Unterhaltung als eine Kategorie, die nichts mit der politisch-demokratischen Funktion massenmedialer Öffentlichkeit zu tun habe. Berichte über Ereignisse, die Gewaltdarstellung mit realer Gewalttätigkeit in Verbindung bringen, besitzen primär keine politische Relevanz. Meldungen wie "Schüler lief Amok", in denen gewalttätiges Verhalten den Auswirkungen von Gewaltdarstellung im Fernsehen, auf Video oder im Film zugeschrieben werden, finden sich in der Boulevardpresse, aber auch in der seriösen Presse mit ihren Rubriken "Vermischtes" und "Aus aller Welt". Gemessen an politischer Berichterstattung genießen solche ''unterhaltenden' Nachrichten einen ungleich größeren Publikumszuspruch und auch ein größeres Veröffentlichungsvolumen. Wie ließe sich denn die unterhaltende Funktion weiter Bereiche öffentlicher Berichterstattung gemäß einer im weiten Sinne politischen Funktion von Öffentlichkeit spezifizieren?
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Zum Beispiel wird das Publikumsinteresse an einem Issue wie 'Abtreibung' auf Nachrichtenwertfaktoren (Staab 1990) zurückgeführt (Gerhards und Neidhardt 1993: 63). Diese bestimmen bereits die Nachrichtenauswahl durch Journalisten: "Nahe, überraschende, konfliktreiche und leicht personalisierbare Ereignisse werden systematisch bevorzugt" (Neidhardt 1993: 778).

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Die sozial ordnungsgenerierende Funktion 'unterhaltender' Nachrichten soll im folgenden unter drei Gesichtspunkten gekennzeichnet werden. Diese Funktionsbestimmung baut auf Öffentlichkeit bzw. Publizität als eine Kommunikationsbedingung.2 Der erste Punkt nimmt Bezug darauf, dass der Regel- und Normenhaushalt einer Gemeinschaft gerade durch die Reaktionen auf wahrgenommene Abweichungen in Form von (öffentlicher) Empörung oder Bestrafung aufrechterhalten wird. Wenn von Regeln der Gemeinschaft abgewichen und Normen verletzt werden, sind es erst Reaktionen in Gestalt jeglicher Art (öffentlicher) Sanktionen, die wiederum einen integrativen und bestätigenden Effekt auf diese Normen ausüben.3 Verbrechen und Skandale bewirken eine allgemeine Empörung, die in der Lage ist, die individuellen Empfindungen einzelner zu einem gemeinsamen Moralgefühl zusammenzuführen (Durkheim 1988: 152f.). Erst wenn eine Regelverletzung geschieht, die nicht mehr in der Lage ist, diese sozialen Reaktionen auszulösen und sich "die Individuen, deren Bewußtsein [das Verbrechen] verletzt hat, nicht vereinigen, um sich zu bezeugen, daß sie in Kommunikation bleiben" (Durkheim 1988: 153), kann gerade dieses Ausbleiben von Reaktionen entweder auf eine desintegrative Tendenz in der Gesellschaft insgesamt oder zumindest auf eine Abnutzung der betroffenen sozialen Norm hinweisen. Ein Verhalten wird überhaupt erst als verbindlich geforderte Norm sichtbar, sobald eine Abweichung Sanktionen hervorruft (Popitz 1961/1962: 195). Berücksichtigt man dies, erscheint die relative Regelmäßigkeit, mit der über Mediengewalt berichtet wird, nicht etwa als Anzeichen einer Erosion des Gewalttabus in unserer Gesellschaft, sondern im Gegenteil als Beleg für dessen feste soziale Verankerung. Gerade durch die Reaktionen, wie sie sich in dem Mediengewalt-Diskurs manifestieren, wird dieses Tabu immer wieder bestätigt und erneuert. Dieses Argument lässt sich mit Hilfe einer historischen Betrachtung stützen: In einer historischen Untersuchung der Medien-Gewalt-Debatte (Fischer et
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Verstanden im Sinne einer Kommunikationsbedingung, und nicht als Kommunikationssystem, ist Öffentlichkeit keineswegs auf die Massenmedien beschränkt. Niklas Luhmann hat den Unterschied zwischen dem massenmedial konstituierten Kommunikationssystem Öffentlichkeit und Öffentlichkeit als einem allgemeinen gesellschaftlichen Reflexionsmedium einmal an einem anschaulichen Beispiel verdeutlicht: "Öffentliche Toiletten sind weder Meinungen, noch ein Produkt der Massenmedien" (Luhmann 1996: 184). In diesem Sinne wurde soziale Kontrolle ausgehend von den Reaktionen auf abweichendes Verhalten, und nicht von den Ursachen der Abweichung her, definiert: Soziale Kontrolle sei die "soziale Reaktion auf Verhalten, das als abweichend definiert wird, und zwar sowohl Überanpassung an wie Verletzung von Normen" (Clark und Gibbs 1982: 157).

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al. 1996) hat man ihr zyklisches Wiederauftreten in den letzten 100 Jahren festgestellt. Abschließend äußern die Autoren die Hypothese, eine Abnahme der Intensität der Diskussion zeige sich historisch immer dann, wenn Gewalt "gewissermaßen der programmatischen Grundlage eines Systems, welches sich gesamtstrukturell einzig über diese zu konsolidieren vermag", entspreche wie in Zeiten des Totalitarismus (Fischer et al. 1996: 277). Je höher also der Grad der Institutionalisierung erlaubter Gewaltausübung, desto unwahrscheinlicher, dass überhaupt Sanktionen existieren.4 Demzufolge bestünde überhaupt erst Anlass zur Sorge, wenn Gewalt(verbrechen) keine regelmäßige öffentliche Empörung mehr auszulösen in der Lage sind. Zweitens kann man dem Mediengewalt-Diskurs eine sozial integrative Funktion auf der Ebene sozialer Beziehungen zuschreiben: Mittels gemeinsam erlebter emotionaler Empörung vergewissern sich die Mitglieder einer Gemeinschaft über soziale Grenzen wie Herkunft, Schicht oder Geschlecht hinweg wechselseitig der Übereinstimmung grundlegender Werte (Durkheim 1988), die mit dem Problem verknüpft sind. Auch für die Wirksamkeit eines dritten Mechanismus, der soziale Ordnung generieren hilft, ist Publizität bzw. Öffentlichkeit die Voraussetzung. Kai Erikson (1978) hat am Beispiel der nach Nordamerika ausgewanderten Puritanergemeinde im 17. Jahrhundert gezeigt, wie sich der moralische Haushalt einer Gesellschaft durch die Art und Weise reguliert, wie mit abweichendem Verhalten umgegangen wird. Jede Gemeinschaft5, schreibt Erikson, ziehe symbolische Linien um einen bestimmten Ausschnitt eines theoretisch gewaltigen Variationsspielraums menschlichen Verhaltens und beschränke sich in ihren Aktivitäten auf jene engere Zone: "Diese symbolischen Linien sind sozusagen die Grenzen der Gemeinschaft" (Erikson 1978: 20). Über die Lage dieser Grenzen unterrichten sich die Mitglieder einer Gemeinschaft, indem sie die Konfrontationen zwischen Akteuren, die sich über die Ränder des normativen Haushalts einer Gemeinschaft hinausgewagt haben, und den zuständigen Kontrollagenten beobachten. Diese Konfrontationen zwischen
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Erikson hat in den 60er Jahren innerhalb der Soziologie abweichenden Verhaltens ähnlich argumentiert, dass jede Gemeinschaft über ihren eigenen unverwechselbaren Stil verfügt, wie sie abweichendes Verhalten erlebe: "Gesellschaften, die zum Beispiel großen Wert auf den Besitz von Eigentum legen, werden wahrscheinlich Eigentumsdelikte in größerem Umfang kennen als Gesellschaften, in denen das Eigentum nicht so viel gilt" (Erikson 1978: 28, zuerst 1966). Erikson benutzt durchweg den Terminus "Gemeinschaft" (community) nur deswegen, weil er auf sein Beispiel der Puritanergemeinde am besten zutreffe. Theoretisch sollen seine Ausführungen jedoch auf "alle Arten von menschlichen Kollektiven" zutreffen: Familien, ganze Kulturen und Nationen (Erikson 1978: 19).

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Abweichlern und Kontrollagenten erregen öffentliche Aufmerksamkeit. Was nun früher einmal laut Erikson öffentlich auf dem Marktplatz stattfand, wird in unserer Zeit durch die öffentliche Berichterstattung der Medien erfüllt. Ein Beispiel:
Selbstmord vor der Sendung Hohe Strafe für griechischen Sender wegen einer Reality-TV-Show Ein privater TV-Sender ist in Griechenland zu 640 000 Mark Geldstrafe verurteilt worden, nachdem ein Familienvater kurz vor der Ausstrahlung einer Reality Show Selbstmord beging. Der griechische Medienrat gab bekannt, der Sender Ant 1 müsse diese Strafe zahlen und sein Programm an fünf Tagen für jeweils zehn Minuten unterbrechen. Ant 1 hatte in seiner Sendung Stachel über einen Mann berichtet, der angeblich unter Geistesstörung litt und beschuldigt wurde, seine zwölfjährige Tochter vergewaltigt zu haben. Eine halbe Stunde, bevor der Beitrag ausgestrahlt wurde, nahm der Familienvater Gift. AFP (Süddeutsche Zeitung 12./13.07.1999)

Die Meldung stammt aus einer überregionalen deutschen Tageszeitung. Das Interesse, das sie auslöst, ist demzufolge unabhängig von ihrem regionalen Bezug auf Griechenland. Berichtenswert wird der Vorfall durch das auch in Deutschland umstrittene Reality-TV. Für die negativen Folgen des von vielen als gefährlich erachteten Reality-TV fehlen häufig die Belege. Die Meldung liefert ein Beispiel dafür, dass Reality-TV nachweislich schreckliche Folgen haben kann wie den Selbstmord des betroffenen Familienvaters. Der griechische Medienrat hat als zuständige Kontrollinstanz den verantwortlichen Fernsehsender hart bestraft. Durch die Meldung über die Bestrafung wird ersichtlich, dass das Fernsehen mit Reality-TV zu weit geht, dass damit die Grenzen verantwortungsbewussten Handelns und des guten Geschmacks überschritten werden. Die Medien bilden demzufolge eine unserer wichtigsten Informationsquellen hinsichtlich der normativen Konturen der Gesellschaft. Nachrichten und Berichte bieten heute die gleiche Art von Unterhaltung wie früher "öffentliche Hinrichtungen oder ein sonntäglicher Besuch im Ortsgefängnis" (Erikson 1978: 22). Im übertragenen Sinne ist es so, dass sich Moral und Unmoral auf dem öffentlichen Marktplatz begegnen, den die Massenmedien herstellen. Bei diesen Begegnungen wird zwischen Gut und Böse, Kontrolleuren und Kontrollierten, Moral und Unmoral die Grenze gezogen. Fasst man zusammen, besitzen Berichte über abweichendes Verhalten, (politische) Skandale und Ereignisse, die dem Effekt von Gewaltdarstellung zugeschrieben werden, eine sozial ordnungsgenerierende Funktion in dreifacher

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Hinsicht: Erstens hat bereits die öffentliche Reaktion bzw. Sanktion an und für sich, wie sie sich in der Berichterstattung ausdrückt, eine normenbestätigende und -stabilisierende Funktion, indem Sichtbarkeit und damit überhaupt erst eine Erneuerung und Bestätigung der Norm ermöglicht wird; zweitens besteht eine sozial integrierende Funktion auf der Ebene sozialer Beziehungen, indem sich in der gemeinsam erlebten emotionalen Empörung der Übereinstimmung grundlegender Werte vergewissert wird; drittens werden auf dem von den Massenmedien hergestellten öffentlichen Marktplatz Grenzen zwischen Moral und Unmoral neu gezogen, verschoben oder erneuert. Dies vollzieht sich, indem das Publikum die Konfrontationen zwischen Abweichlern und den zuständigen Kontrollagenten beobachtet und der jeweiligen Seite mit Solidarität, Abscheu oder Sympathie begegnet wird. Das Problem der Mediengewalt besitzt zwei Bedeutungsfelder, die an den individuellen Erfahrungshorizont der Mehrzahl der Menschen anknüpft. Das eine ist 'Gewalt', das andere 'Fernsehen'. Wenden wir uns zuerst der Bedeutung des Gewaltbegriffs und seinen sozialen Funktionen zu.

1.1.2 Das Problem im Zusammenhang mit dem Symbol der Gewalt Es kann hier nicht die Frage sein, ob das, was "Gewalt" genannt wird, in den allgemeinen Zivilisationsabläufen tatsächlich zugenommen hat - wie in dem Mediengewalt-Diskurs behauptet - oder zurückgegangen ist - wie Elias behauptete (Elias 1976, Bd. 2: 351ff.). Der Begriff von Gewalt hat sich verändert. Eine gültige Antwort auf diese Frage kann daher nicht gegeben werden. Fragt man Teenager oder Senioren, junge Soldaten oder Kriegsdienstverweigerer, was sie unter Gewalt verstehen, wird man sehr unterschiedliche Antworten erhalten. Ob eine Handlung Gewalt ist oder nicht, gut oder schlecht, normal oder abweichend ist eine Frage sozialer Interpretation und des Kontexts. Für den Zweck der Untersuchung kann es also nicht um die Sache selbst gehen, ihre objektiven Bedingungen, Wesensmerkmale und Ursachen, sondern nur um den Begriff davon. Was wird mit "Gewalt" benannt? Wie hat sich der Begriff von Gewalt gewandelt? Welche sozialen Funktionen hat es, wenn heute öffentlich das Gewaltvokabular benutzt wird? Der Gewaltbegriff ist in modernen Gesellschaften zu einem "summary symbol" geworden (Gusfield 1981; Edelman 1976; Hall et al. 1978). Als Summary Symbol dient der Gewaltbegriff vor allem dazu, ganze Komplexe gesellschaftlicher, unliebsamer Probleme zu verdichten und von ihren Besonderheiten

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zu abstrahieren (Cremer-Schäfer und Stehr 1990: 28). Als Verdichtungssymbol verweist Gewalt auf soziale Unordnung und das Extra-Soziale, das heißt auf das außerhalb der sozialen Ordnung Stehende. Dabei hilft der Gewaltbegriff, skandalisierbare Sachverhalte zusammenzufassen und zu strukturieren (Neidhardt 1986: 119). 'Gewalt' ist ein zentraler Aufmacher für viele soziale Probleme:
Mittlerweile scheint es unmöglich, einen gesellschaftlichen Zustand, eine bestimmte Situation unterhalb der 'Gewalt' und 'Kriminalitäts'-Schwelle zu skandalisieren (Cremer-Schäfer und Stehr 1990: 37).

Diese Rolle hat die Gewaltsymbolik gegenüber anderen Verdichtungssymbolen wie 'Sex' und 'Nacktheit' nicht immer besessen. In den 50er und 60er Jahren benötigte der Diskurs um "Schmutz und Schund" im Film und den Illustrierten, der etwa um Hildegard Knefs nackten Körper in "Die Sünderin" (1951) geführt wurde, nicht den Verweis auf Gewalt. Der Skandal, den "Die Sünderin" (1951) auslösen konnte, ist heute kaum mehr nachzuvollziehen.
[D]er moralische Feldzug gegen jede Form von Nacktheit [nahm] in dieser Zeit die Qualität eines Kulturkampfes an, wie er heute nur noch schwer vorstellbar ist (König 1990: 207; vgl. Noelle und Neumann, Hrsg., 1956: 124).

Die Thematisierung sexueller Darstellungen hat einmal die gleichen sozialen Funktionen besessen, wie sie heute nur der diskursive Bezug auf gewalthaltige Darstellungen besitzt. Diese Veränderung ist einerseits auf die Lockerung der Sexualmoral im Verlauf der sexuellen Revolution zurückzuführen, die andererseits eine Verschärfung des Gewalttabus bewirkt hat. Während in den 60er Jahren noch Sexualität den bevorzugten Anlass für Zensurmaßnahmen bildete, wurde dies in den 70er Jahren Gewalt (Kienzle 1980). Die meisten der Probleme, denen Gewalt als zentraler Aufmacher dient, können nie als völlig gelöst betrachtet werden: Kriminalität, Gewalt in der Familie, Rechtsradikalismus oder eben Mediengewalt. Als Symbol ist der Gewaltbegriff jedoch in der Lage, sowohl komplexe Problemzusammenhänge zu vereinfachen als auch gesellschaftliche Widersprüche zu absorbieren: Die Paradoxie der Gewalt ist, dass sie sich nicht nur gegen das Soziale und damit die Gesellschaft richtet, sondern dass Gewalt zugleich von der Gesellschaft selbst produziert wird. Gesellschaft unterdrückt Gewalt und produziert sie.6 So werden

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Die Soziologie, argumentiert Dirk Baecker, reagiere auf dieses Paradox, indem sie die Effekte der Gewalt verrechne: Gewalt wird in den Kontext der Nicht-Gewalt gesetzt bzw. umgekehrt, was dann als gelungene Zivilisierung oder aber als Widerstand gegen Disziplinierung verstanden werden kann. Beide Perspektiven sind möglich und die Soziologie übernehme dieses Paradox, indem sie sich systematisch nicht zwischen einer Verharmlosung und einer Dramatisierung von Gewalt entscheide (Baecker 1996: 92).

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Gewaltdarstellungen in den Medien etwa sowohl als Folge als wie auch als Ursache gesellschaftlicher Gewalt gesehen. In der Hauptsache stehen heute zwei Begriffe von Gewalt zur Verfügung: "physische Gewalt" und "strukturelle Gewalt". Beide Begriffe prägen den Mediengewalt-Diskurs. Insbesondere die Entstehung des Begriffs der strukturellen Gewalt und der durch ihn verursachte Bedeutungswandel sind der Grund für die Schwierigkeit, Gewalt zu definieren. Was genau macht es so schwierig, den Gewaltbegriff zu bestimmen und damit auch der Regulation der Mediengewalt eine Gewaltdefinition zugrundezulegen? Friedhelm Neidhardt hat darauf hingewiesen, dass es durch den ursprünglich von Johan Galtung (1971) geprägten Begriff der strukturellen Gewalt in den letzten Jahrzehnten zu einer "Vergeistigung" und damit einhergehenden Ausdehnung des Gewaltbegriffs gekommen sei (Neidhardt 1986: 113). Die Eingrenzung auf physische Gewalt wurde aufgegeben und zunächst auf psychische Gewalt erweitert. Mit der zunehmenden Aufwertung des Begriffs ging gleichzeitig eine Abwertung des Gemeinten einher. Galtung (1971) argumentierte mit seiner Theorie der "strukturellen Gewalt", dass Frieden nicht nur als ein Zustand ohne Krieg und physische Gewalt definiert werden könne. Es ging ihm darum, einer Friedensbewegung einen Sinn auch in Friedenszeiten zu geben. Galtung entwickelte zu diesem Zweck eine ideale Friedensvorstellung ex negativo: "Frieden ist Abwesenheit von Gewalt" (Galtung 1971: 56). Um diese Definition sinnvoll einsetzen zu können, benötigte er einen logisch erweiterten Begriff von Gewalt. Er definiert Gewalt "als die Ursache für den Unterschied zwischen dem Potentiellen und dem Aktuellen" (Galtung 1971: 58). So löst er den Gewaltbegriff vom menschlichen Körper und erweitert ihn auf die menschliche Psyche. Gewalt wird bestimmt als alles, was dem Menschen Schaden zufügt, als etwas Vermeidbares, das der Selbstverwirklichung im Wege steht. Was der Selbstverwirklichung entgegensteht, hat vor allem sozialstrukturelle Ursachen: Es ist "strukturelle Gewalt", die mit sozialer Ungerechtigkeit gleichgesetzt wird. Gewalt äußert sich in ungleichen Machtverhältnissen und Lebenschancen. Die ideale Friedensvorstellung ist dementsprechend die der sozialen Gerechtigkeit. Die Ausdehnung des Gewaltbegriffs durch den Begriff der strukturellen Gewalt hat es in der Folge ermöglicht, ungleiche soziale Verhältnisse zu benennen und sie als Gewalt zu skandalisieren. Ungleiche Machtstrukturen zwischen Männern und Frauen oder Erwachsenen und Kindern, werden aufgrunddessen heute auch ohne das Argument physischen Gewalthandelns gesellschaftspoli-

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tisch thematisiert. Die Ausdehnung des Gewaltbegriffs unter dem Aspekt struktureller Gewalt birgt jedoch die Gefahr einer Tautologie: Indem auf die Differenz potentieller Möglichkeiten und aktueller Verwirklichung aufgebaut wird, ist schließlich alles als Gewalt zu bezeichnen. Während die Verwendung des Begriffs "physische Gewalt" damit tendenziell zu einer Deflationierung des Gemeinten führt, da nur relativ wenige kritikwürdige soziale Verhältnisse tatsächlich mit physischer Gewalt verbunden sind, bewirkt "strukturelle Gewalt" tendenziell eine Inflationierung des Gemeinten, da unser Dasein so sehr von ungleichen Machtverhältnissen bestimmt ist, dass Gewalt kaum mehr von Nicht-Gewalt zu unterscheiden ist. Auf der einen Seite ist es durch den Begriff der strukturellen Gewalt zu einer Sensibilisierung in Bezug auf kritikwürdige gesellschaftliche Zustände gekommen, die zuvor kaum benannt werden konnten und nur schwer in den Focus öffentlicher Aufmerksamkeit gelangten. Wir empfinden heute zum Beispiel ungleiche Machtverhältnisse sowohl in persönlichen Beziehungen als auch in und zwischen Organisationen viel eher als Ungerechtigkeit als noch vor wenigen Jahrzehnten. Andererseits ist es jedoch durch die Ausweitung der Sachverhalte, auf die sich der Begriff der strukturellen Gewalt beziehen kann, immer schwerer geworden, ihn eindeutig zu definieren. Das ist der Vorteil des Begriffs der physischen Gewalt. Er grenzt die Situationen, die als Gewalt zu bezeichnen sind, ein auf sichtbare körperliche Verletzungen (eingeschlossen Unglücksfälle und Katastrophen) oder die ersichtliche Absicht etwa mit einer Waffe zu verletzen - selbst wenn es nicht zu einer Verletzung kommt, sie jedoch in Kauf genommen wird. Der Begriff der physischen Gewalt ist präziser, aber es bleibt vieles, das doch als illegitime Gewaltausübung gilt, ausgeschlossen. Man denke nur daran, wie schwer es ist, den Vorwurf einer Nötigung, einer Bedrohung oder einer sexuellen Belästigung vorzubringen und ohne den Nachweis physischer Gewaltausübung auch anerkannt zu wissen. Mit diesen Schwierigkeiten, Gewalt zu definieren, sind auch die Regulationsmaßnahmen konfrontiert, die auf eine Verminderung der Gewaltdarstellung in den Medien zielen. Die Entstehung des Summary Symbols Gewalt sehen Helga Cremer-Schäfer und Johannes Stehr im Zuge von drei Prozessen (Cremer-Schäfer und Stehr 1990: 34f.): erstens der Entlegitimierung privater Gewalt im Erziehungsbereich, zweitens der Diskreditierung des politischen Protests durch den Gewaltvorwurf und drittens der Entwicklung des Topos einer 'zunehmenden Brutalisierung der Gesellschaft'.

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Cremer-Schäfer und Stehr (1990) analysierten mit Hilfe einer drei Jahrzehnte von 1957 bis 1987 umfassenden Dokumentenanalyse die massenmediale Verwendung des Gewaltbegriffs.7 Ihre Fragestellung griff Neidhardts (1986) Argumentation einer Ausweitung des Gewaltbegriffs auf und fragte darüber hinaus, ob in den öffentlichen Darstellungen eine Geschichte von 'Gewalt' steckt, die noch etwas anderes zutage bringt, als dass der Gewaltbegriff ausgeweitet wurde und je nach Interesse enger oder weiter gefasst wird. Sie fanden die Ergebnisse von Hall et al. (1978) bestätigt, die bis in die 70er Jahre drei Phasen von Moralunternehmungen unterscheiden, die mit dem Gewaltsymbol arbeiten: In der ersten Phase, die bis in die 60er Jahre reicht, gehen Moral-Paniken auf soziale Bewegungen zurück. Diese traditionellen Moralunternehmungen beziehen sich auf einzelne soziale Probleme, die einen thematisch begrenzten, oft nur lokalen Charakter haben. Es galt, die Öffentlichkeit wachzurütteln. In einer zweiten Phase während der 60er Jahre entstehen Moral-Paniken in schneller Folge. Die Definitionsmacht für Probleme liegt jetzt jedoch vorwiegend bei staatlichen Kontrollinstanzen und den Medien selbst, "die sich auf die Kontroll-Professionen und Wissenschaft als Definierer beziehen können" (Cremer-Schäfer und Stehr 1990: 31). Die offiziellen Reaktionen sind schnelle legislative, polizeiliche und gerichtliche Sanktionen, ohne dass dafür ein starker Druck 'von unten' herrscht. Die dritte Phase der 70er Jahre ist durch die Idee geprägt, dass alle Störungen zusammengehören, dass einzelne Ereignisse nicht mehr Symptom, sondern nur der sichtbare Teil weitaus größerer Gefahren für die Rechts- und Gesellschaftsordnung sind. Kontrollapparate und Massenmedien wirken jetzt als aktive Beobachter: "Staatliche Apparate stellen sich ... in Kontrollpositur und werden auch von Massenmedien in diese Position gebracht" (Cremer-Schäfer und Stehr 1990: 32). Die Autoren ergänzen dieses Drei-Phasen-Modell um eine vierte Phase in den 80er Jahren: Die Zeit der großen Kampagnen sei endgültig vorbei. Übernommen würden aus den Moral-Paniken und symbolischen Kreuzzügen die Verdichtungssymbole und die Rahmung der Probleme als "Teile einer umfassenderen Ordnungskrise" (Cremer-Schäfer und Stehr 1990: 32). Dabei werden in der öffentlichen Diskussion auch nur diejenigen gehört, die sich auf das be7

Die Dokumentenanalyse erfolgte im Rahmen des DFG-Projekts "Sanktionieren als Kriminalisieren. Formen und Funktionen der öffentlichen und privaten moralischen Verurteilung" und basierte auf den drei damals auflagenstärksten illustrierten Zeitschriften Quick, Stern und Bunte mit einem Umfang von 1.600 Artikeln sowie den Titelgeschichten des Spiegels mit 770 Titeln aus den Jahren 1957 bis 1987.

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schriebene Idiom einlassen. Das öffentliche Gewaltvokabular dient also nicht mehr einzelnen moralischen Kreuzzügen, hinter denen sich sozialstrukturell lokalisierbare materielle oder moralische Interessen verbergen, sondern es verweist auf einen allgemeinen gesellschaftlichen Ordnungsdiskurs. Die soziale Funktion der Gewaltsymbolik ist ein gesellschaftlicher Integrationseffekt: "Die normativen Grenzen der Gesellschaft werden fortan mit dem Verdichtungssymbol 'Gewalt' konsensualisiert" (Cremer-Schäfer und Stehr 1990: 36).

1.1.3 Das Problem im Zusammenhang mit dem Medium Fernsehen Der gegenüber dem Bezug zu Gewalt etwas unscheinbarere Aspekt des Mediengewalt-Diskurses ist der Bezug auf die Medien, insbesondere das Fernsehen. Die Weiterentwicklung des Mediums führt dazu, dass die von medialer Gewaltdarstellung ausgehende Gefahr immer höher eingeschätzt wird. Nachdem in Deutschland 1985 das kommerzielle Fernsehen eingeführt wurde, ist es durch eine Vervielfachung der Senderzahl von durchschnittlich 4 Sendern auf aktuell 30 bis 60 Sender und die Ausweitung eines 10stündigen auf einen 24stündigen Sendebetrieb insgesamt zu einem Mehr gewalthaltiger Inhalte gekommen. Gewaltdarstellungen bilden einen festen Bestandteil bestimmter Fernsehangebote, da sie konstitutiv an bestimmte Programme und Genres gebunden sind. Dazu zählen Actionfilme und -serien, Western, Slapstick, Zeichentrick, genauso wie Nachrichten und Sportübertragungen, die ohne die Darstellung von Gewalt nicht auskommen. Durch das erhöhte Gesamtangebot ist entsprechend auch die absolute Zahl gewalthaltiger Angebote quantitativ gestiegen. Die Qualität der Darstellung hat sich insofern verändert, als dass dokumentarische wie fiktionale Inhalte durch eine Verbesserung der Aufnahmetechnik in allen Bereichen des Schnitts, der Kameraführung und der Montage dem Zuschauer einen wesentlich stärkeren Eindruck von Realität vermitteln. Eine anschauliche Illustration liefert die Sportberichterstattung: Die Übertragungen der Fußball WM 1998 haben die Brutalität der Fußballprofis mit Hilfe von bis zu 23 Kameras und der Superzeitlupe in nie zuvor gesehener Weise einem Millionenpublikum nahe gebracht. Von dem gleichen technischen Fortschritt sind fiktionale Angebote wie Serien und Spielfilme geprägt. Neben der Vermehrung der Fernsehangebote und der Verbesserung der formalen Qualität der Darstellung sind es programmspezifische Eigenschaften, die Gewaltdarstellung im Fernsehen immer wieder problematisch erscheinen lassen. Am Beispiel des Action-Films lässt sich zeigen, wie die medialen Eigen-

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arten dieses Genres immer neuen Anlass bieten, das Mediengewaltproblem zu thematisieren. Physische Gewaltdarstellungen im Fernsehen sind mit "action"Darstellungen verbunden. Im Unterschied zu im Alltag erlebten Gefahren und Risiken sind diese jedoch sowohl bei der Medienrezeption als auch bei der Spielsituation von vornherein zeitlich begrenzt. Beim Fernsehen erfolgt eine zeitlich begrenzte Perspektivenübernahme während der man die erregende Erfahrung von "action" machen kann.8 Der unterhaltende Wert und Genuss von Action-Filmen beruht auf dem Wissen, dass das Erleben zeitlich begrenzt ist und die "action" für einen selbst damit am Ende doch folgenlos bleibt. Fernsehen besitzt durch diese Folgenlosigkeit einen anderen Wirklichkeitsakzent als die Alltagswirklichkeit. Dieser Sachverhalt wird nun aber dadurch kompliziert, dass es bei Unterhaltungsangeboten im Fernsehen und im Kino im Sinne eines gesteigerten Erlebens immer darum geht, diesen Unterschied zwischen Alltagsund Medienwirklichkeit vergessen zu machen. Medienangebote entwickeln (notwendig) eine regelhafte Struktur in ihrer Inszenierung und Dramaturgie. Der Genuss beim Zuschauen kann zum Beispiel darauf aufbauen, das Immergleiche zu sehen wie bei Soap Operas. Bei ActionFilmen entsteht der Reiz jedoch nicht dadurch, die immer gleichen Verfolgungsjagden und Schlägereien zu sehen, sondern diese in immer neuen Variationen geboten zu bekommen. Action-Filme müssen Verfolgungsjagden mit immer mehr Autos und immer größeren Explosionen zeigen, um der Erwartungshaltung der Zuschauer gerecht zu werden. Film- und Fernsehmacher haben grundsätzlich drei Möglichkeiten, mit dem Mittel der Gewaltdarstellung den Reiz der "action" zu bewahren. Aus Sicht der Film- und Fernsehkritik kann die Art und Weise, wie diese Möglichkeiten durch die Produzenten von ActionFilmen genutzt und umgesetzt werden, zugleich als Ausweis der Qualität des Genre Action-Film verstanden werden: Erstens kann die Darstellung der Gewalt exzessiv gesteigert werden (mehr Tote, mehr Autos), was Gefahr läuft, den Gewöhnungseffekt, den es wegen der Gefahr aufkommender Langeweile gerade zu vermeiden gilt, noch zu verstärken (vgl. als Filmbeispiele die "Lethal Weapon"-Reihe (1986-1998)). Zweitens kann durch das Arbeiten mit ausgefeilteren Effekten (Wirklichkeitscharakter) oder überraschenden Wendungen in der Dramaturgie (action) die Ungewissheit gesteigert werden (z.B. "Terminator" (1984) und "Terminator 2 – Tag der Abrechnung" (1990)). Drittens steht die Möglichkeit zur Verfügung, von vornherein eine andere Rezeptionsperspektive anzule8

Die den Reiz erzeugenden Eigenschaften von "action" sind als ungewiss, folgenhaft und um ihrer selbst willen unternommen bestimmt worden. Zur im Alltag erlebten "action" in Spielen und Kämpfen, im Gegensatz zur medienrezipierten, vgl. Goffmans Klassiker (1971).

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gen, die die Aufmerksamkeit von der eigentlichen (Gewalt-)handlung auf andere Aspekte der Inszenierung lenkt (z.B. "Pulp Fiction" (1993), "Natural Born Killers" (1994)).9 Was aus Sicht der Film- und Fernsehproduzenten sowie der Fernsehkritik als qualitativer Fortschritt in der Entwicklung actionbestimmter Programme gesehen werden muss, dient zugleich einer fortwährenden Belebung des Mediengewalt-Diskurses. In Bezug auf die drei genannten Möglichkeiten der Fernsehmacher, den "action"-Reiz zu bewahren und zu steigern, wird dieselbe Entwicklung innerhalb des Mediengewalt-Diskurses negativ gedeutet: Die erste Möglichkeit der exzessiven Steigerung (mehr Tote und mehr zerstörte Autos) dient im Mediengewalt-Diskurs als Beleg, dass immer mehr Gewalt auf den Bildschirmen zu sehen ist. Zweitens werden diese Darstellungen immer gefährlicher, weil sie ja einen immer wirklichkeitsgetreueren Eindruck machen. Drittens schließlich wird die Möglichkeit, eine veränderte Rezeptionsperspektive anzulegen, die die Aufmerksamkeit von der eigentlichen (Gewalt-)handlung auf Aspekte der Inszenierung lenkt, innerhalb des Mediengewalt-Diskurses als eine Trivialisierung der Gewalthandlung gelesen. Die Ergebnisse von Cremer-Schäfer und Stehr (1990) haben gezeigt, dass bei der Verwendung des Gewaltvokabulars im Mediendiskurs der 80er und 90er Jahre innerhalb der sozialstrukturellen Hierarchie keine eindeutigen moralischen oder materiellen Interessen mehr auszumachen sind. Über die Verwendung des Gewaltvokabulars vollzieht sich ein allgemeiner gesellschaftlicher Ordnungsdiskurs. Anders ist das, so die These, in Bezug auf das Medium Fernsehen. Am Beispiel der Gefahren von Gewaltdarstellung wird eine Diskussion um Qualitätsfernsehen geführt, die unterlagert wird von einem unausgesprochenen Dilemma: Das gewalthaltige Fernsehen ist zumeist auch das populäre Fernsehen. Die veröffentlichte Meinung zu Gewalt im Fernsehen muss unterschieden werden von dem in Einschaltquoten erhobenen individuellen Zuschauerverhalten. Aber Einschaltquoten entwerfen ein anderes Bild der individuellen Akzeptanz von Gewalt im Fernsehen als die öffentliche Meinung. Ansonsten wären Fernsehproduzenten und -veranstalter ja gar nicht daran interessiert, action- und gewalthaltige Programme herzustellen und möglichst in der Prime Time zu platzieren. In dem Mediengewalt-Diskurs richtet sich also eigentlich die Einstellung einer Minderheit gegen den populären Geschmack der Mehrheit.

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Aus dieser Perspektive beziehen Horrorfilmfans ihr eigentliches Vergnügen (vgl. Winter 1995).

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Angesichts der Popularität des Unterhaltungsmediums Fernsehen wird die Bedeutung des Mediengewaltproblems dauerhaft aufrechterhalten, indem die Medienwirkung gewalt- und actionhaltiger Programme mit den mutmaßlich wehrlosesten Zuschauern in Verbindung gebracht werden. In dem Mediengewalt-Diskurs herrscht die Tendenz, die Argumentation immer weiter auf jüngere Kinder auszudehnen. Ein Beispiel: In der Stern-Reportage "Die TV-Sucht der Kids - Die Monster kommen schon im Morgengrauen" (Stern 3/95 vom 12.01.1995: 60-66) wird über die Fernseherfahrung 6 bis 13jähriger Kinder berichtet:
[Die Kinder] beschreiben vor allem Horrorszenen, wenn sie übers Fernsehen reden. Aber auch Filme wie 'Winnetou' oder 'Robin Hood', Serien wie 'Ein Fall für Zwei' oder 'Cannon' verursachen genauso Alpträume wie Splatter-Movies. Sogar 'Bambi' und 'Der König der Löwen' werden von kleineren Kindern als 'brutal und gruselig' beschrieben (Stern 3/95 vom 12.1.1995: 64).

Der Autor des Stern-Reportage nennt hier "Winnetou" und Disneys "König der Löwen" in einem Atemzug mit Splatter-Movies. Er stellt damit wohl zwei der beliebtesten Kinderfilme in eine Reihe mit einem Genre, das im deutschen Fernsehen gar nicht zu sehen ist, da diese Filme aufgrund ihrer Machart in der Regel als schwer jugendgefährdend eingestuft werden und auf dem Index für jugendgefährdende Schriften stehen. Keines der Kinder im Alter von 6 bis 13 Jahren erwähnt in der Reportage im entferntesten einen solchen Film - ihr gruseligstes Beispiel ist Spielbergs "Jurassic Park". Die Bezüge der Medienberichterstattung, die in der Lage sind, die Mediengewaltdebatte in Gang zu setzen, lassen sich in zwei Klassen unterteilen: Bei der ersten handelt es sich um Anlässe, die direkt vom Fernsehen ausgehen. Bei ihnen steht der Bezug zur mangelnden Qualität des Fernsehens im Vordergrund. Neben der Schmuddel-TV-Debatte in Bezug auf die täglichen Talkshows liefern auch die "Power Rangers"-Debatte (vgl. Czaja, Hrsg., 1997) oder die Diskussion um Reality-TV (vgl. Wegener 1994; Winterhoff-Spurk et al. 1994) weitere Beispiele für diese Klasse von Ereignissen.

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Kinder vor Schmuddel-TV schützen Kinkel-Kritik an Talkshows exp Bonn – Politik-Offensive gegen "Schmuddel-TV": Den Machern von Talkshows wie "Arabella" bläst der Wind massiv ins Gesicht. Vize-Kanzler und Außenminister Klaus Kinkel fordert, "Kinder als die schwächsten Glieder der Gesellschaft" vor "Schmuddel-Sendungen" am Nachmittag zu schützen. Kinkel hält nicht viel von Verboten. Er fordert eine freiwillige Selbstkontrolle der Sender und legt Firmen, die in den umstrittenen Sendungen werben, den Verzicht auf die Werbeminuten nahe: "Vielmehr sind die verantwortlichen Fernsehsender aufgerufen, möglichst schnell eine freiwillige Selbstkontrolle ihrer Programminhalte einzuführen, besonders für Zeiten, zu denen Kinder hauptsächlich fernsehen." ... Harte Konsequenzen fordern auch andere. Millionenstrafen verlangt Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber (CSU). Eine Zwangsverlegung in den Abend und eine Änderung des TV-Staatsvertrages will der Vorsitzende der Rundfunkkommission, Kurt Beck (SPD). ... (Kölner Express vom 07.05.1998)

Bei der zweiten Klasse von Ereignissen, die sich in der Berichterstattung finden, wird der Bezug zum Einfluss der Medien eigentlich erst nachträglich etabliert, nämlich als Erklärungsmuster für extrem gewalttätige Geschehnisse, bei denen Kinder und Jugendliche die Täter sind. Das wohl bekannteste Beispiel für diese Klasse von Ereignissen ist die Ermordung des zweijährigen James Bulgar durch zwei Jungen, die selbst noch im Kindesalter waren. Sie hatten den Zweijährigen zuvor aus einem Liverpooler Kaufhaus entführt, was durch die Kaufhausvideoüberwachung festgehalten wurde (vgl. Barker 1997; Friedrichsen und Vowe 1995). Die britische Presse brachte die Tat in Verbindung mit dem Horrorfilm "Child Play III", mit dem ein Zusammenhang aber letztlich nie nachgewiesen werden konnte. Aus der Frankfurter Allgemeinen Zeitung stammt das folgende Beispiel eines im Original dreispaltigen Artikels, illustriert mit einem Foto, das zeigt, wie Rettungshelfer Verletzte bergen.

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Fünf Tote bei Bluttat an amerikanischer Schule Zwei Jungen erschießen Schülerinnen und Lehrerin aus dem Hinterhalt Jonesboro, 25. März (Reuters/AFP). Zwei bewaffnete Jungen im Alter von elf und dreizehn Jahren haben in einer Schule im amerikanischen Bundesstaat Arkansas aus einem Hinterhalt heraus vier Mitschülerinnen und eine Lehrerin erschossen. Wie die Polizei am Dienstag mitteilte, wurden neun weitere Mädchen und ein Lehrer verletzt. Die Bluttat ereignete sich in einer Mittelschule der Stadt Jonesboro. Das Motiv war zunächst nicht klar. Der amerikanische Präsident Clinton zeigte sich schockiert über die Morde in seiner Heimatstaat und kündigte eine Untersuchung an. In den vergangenen Monaten hatten sich schon zwei ähnliche Fälle in den Vereinigten Staaten ereignet. ... Clinton kündigte an, er werde Justizministerin Reno beauftragen, eine Kommission mit Fachleuten einzusetzen. Der republikanische Gouverneur von Arkansas, Huckabee, äußerte Trauer und zugleich "Wut über eine Kultur, die bei Jugendlichen derartiges hervorbringt". ... Erst kürzlich veröffentlichte Zahlen des amerikanischen Bildungsministeriums zeigen ein bestürzendes Bild der Gewalt von jugendlichen Gewalttätern: An jeder zehnten amerikanischen Schule wurde im vergangenen Jahr eine schwere Gewalttat verübt. ... Zwei amerikanische Polizeifachleute vertreten hingegen die Auffassung, die Tat von Jonesboro sei eher die Ausnahme als die Norm. Sie legten in Washington eine Untersuchung vor, der zufolge eine abnehmende Tendenz bei Gewalttaten unter amerikanischen Jugendlichen zu beobachten ist. Von 1994 bis 1996 ist demnach in den Vereinigten Staaten die Zahl der von Jugendlichen begangenen Morde um 30 Prozent gesunken. ... Schärfere Gesetze scheitern in den Vereinigten Staaten an der Lobby von Waffenherstellern und daran, daß die meisten Amerikaner das Tragen von Waffen als ein wichtiges Grundrecht verstehen. Psychologen warnten, über die Massenmedien werde Kindern und Jugendlichen vermittelt, daß Gewalt ein probates Mittel zur Konfliktlösung sei. (Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 26.03.1998, S. 11)

Obwohl der Artikel der Frankfurter Allgemeinen Zeitung als Ursache solcher jugendlichen Gewalttaten vor allem auf die amerikanische Waffengesetzgebung verweist, endet er doch mit dem erklärenden Hinweis auf den Einfluss der Massenmedien - übrigens nur an dieser Stelle, ohne dass eine präzise Quelle für die Äußerung genannt wird. Es heißt nur "Psychologen warnten...". Im April 1999 erschüttert nur etwa ein Jahr später das Massaker von Littleton die Vereinigten Staaten. Die beiden Schüler Eric Harris und Dylan Klebold ermorden 13 und verwunden 23 Mitschüler und Lehrer, bevor sie sich selbst töten. Im November 1999 geschieht wohl zum ersten Mal etwas ähnliches in Deutschland. In Bad Reichenhall tötet der 16jährige Martin Peyerl erst seine Schwester, erschießt aus einem Fenster drei Nachbarn und verwundet sieben

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weitere Passanten, darunter den Schauspieler Günter Lamprecht und seine Lebensgefährtin. Der Kölner Express berichtete:
Die Horror-Welt des Amok-Killers Berg-Idylle, Gewalt-Videos und Waffen-Wahn exp. Bad Reichenhall ... Ein weißes Haus mit Holzbalkons an der Riedelstraße. Hier war Martin Peyerl daheim. Viel zu erleben gabs im Ort für einen Teenie nicht – die Nachtlokale wie "Kutscherstüberl" und "Einkehr zum singenden Florian" betritt selten ein Gast unter 50 Jahren. Und Freunde, geschweige denn eine Freundin, hatte der scheue blonde Junge kaum. "Der ist immer nur verarscht worden", sagt Sebastian Schuler (18), der mit Martin in die gleiche Hauptschule ging. "Er hat sich nie gewehrt. Komischer Typ", ein anderer. Einsamkeit? Langeweile? Martin wurde zum Waffennarr. "Damit kannte er sich aus, er hat schon früher auf Vögel und sogar auf Autos gezielt", sagt der zwölfjährige Florian. Das Schießen hat er vom Vater gelernt. Rudolf Peyerl (44), Ex-Zeitsoldat, begeisterter Sportschütze. In der Garage stand eine Zielscheibe in Menschenform. Im Kellerschrank hortete er Waffen und Munition. "Den Schrank hat der Bub leicht geknackt, sagt Wilhelm Bertlein von der Polizeidirektion Traunstein. Konsequenzen fordert darum NRW-Innenminister Fritz Behrens: "Seit Jahren wird die Verschärfung des Waffengesetzes diskutiert, nun muss endlich gehandelt werden. Auf keinen Fall gehören Waffen in die Hände von Kindern und Jugendlichen." Aber da waren ja noch Martins weitere Hobbies: Der Schlosserlehrling zog sich Gewaltvideos rein. Offenbar eines nach dem anderen. Das Motiv für die Tat? Der Hannoveraner Kriminologe Prof. Christian Pfeiffer glaubt daran. "Videos, in denen Menschen genau so etwas exerzieren, lösen die Hemmungen, lassen die Jugendlichen in eine Traumwelt eintauchen." Und Martin las: Nazi-Hefte. Die Polizei fand in seinem Zimmer Flugblätter und Bücher rechtsradikaler Organisationen. ... (Kölner Express vom 03.11.1999, S. 3)

Genau wie in dem vorangegangenen Bericht der Frankfurter Allgemeinen Zeitung über die Ereignisse in Jonesboro wird erst auf die Waffengesetzgebung verwiesen, aber dann auf "Gewaltvideos", unterstützt durch die Aussage eines Experten. Ob bei den Ereignissen in Jonesboro, in Littleton oder in Bad Reichenhall, immer ist die Berichterstattung beherrscht von der Frage Warum? "The Monsters Next Door - What Made Them Do It?" titelte das Time Magazine (Time vom 03.05.1999). Auf der Suche nach Erklärungen wird immer, zumindest neben anderen Gründen, auf gewalthaltige Videos und Spielfilme verwiesen. So wurde Klebold und Harris' Handeln mit der Musik der deutschen Gruppe Rammstein ebenso in Verbindung gebracht wie mit dem Film "The

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Basketball Diaries" (deutsch "Jim Carroll – In den Straßen von New York", 1994) (Time vom 10.05.99, S. 53). In der Berichterstattung der Medien werden solche spektakulären Fälle als Teil eines größeren, dahinterstehenden und bedrohlichen Problems konzipiert (vgl. Cremer-Schäfer 1992: 32). Der konkrete Fall erscheint nur als die Spitze eines Eisberges.

1.1.4 Schlussfolgerung Die Ausgangsfrage war, warum das Problem der Mediengewalt in der Lage ist, so dauerhaft öffentliche Aufmerksamkeit zu erregen. Die These, die im folgenden ausgearbeitet wurde, sieht in der öffentlichen Thematisierung der Mediengewalt für die soziale Ordnung massenmedial bestimmter Gesellschaften eine normenstabilisierende Funktion. Es ging anschließend darum, die ordnungsgenerierenden sozialen Mechanismen der öffentlichen Berichterstattung genauer zu bestimmen und die Bezüge, die der öffentliche Diskurs aufweist, zu erläutern. Berichte und Meldungen wie "Schüler lief Amok" und "Fünf Tote bei Bluttat an amerikanischer Schule" und "Die Horror-Welt des Amok-Killers", in denen gewalttätiges Verhalten den Auswirkungen von Gewaltdarstellungen im Fernsehen, auf Video oder im Film zugeschrieben werden, wurden dem Bereich ''unterhaltender' Nachrichten zugeordnet. Sie bewirken in dreifacher Hinsicht einen sozial ordnungsgenerierenden Effekt. Erstens besitzt bereits die öffentliche Reaktion und Sanktion, wie sie sich in der Berichterstattung ausdrückt, eine normstabilisierende Funktion. Es wird Sichtbarkeit erreicht und damit eine Bestätigung, unter anderem des Gewalttabus, ermöglicht. Zweiten bewirkt die gemeinsam erlebte emotionale Empörung einen sozial integrierenden Effekt über soziale Grenzen hinweg. Drittens werden in 'unterhaltenden' Nachrichten wie über die vermeintlichen Auswirkungen von Mediengewalt, auf dem 'öffentlichen Marktplatz', den die Massenmedien herstellen, Grenzen darüber gezogen, verschoben und erneuert, was an Gewaltdarstellung und -ausübung in der Gesellschaft moralisch zu billigen und zu missbilligen ist. Der bestimmende Bezug des Diskurses ist der zum Begriff der Gewalt. Der Gewaltbegriff dient innerhalb öffentlicher Diskurse als ein "Summary Symbol", das hilft, widersprüchliche und komplexe gesellschaftliche Problemzusammenhänge zu verdichten, zu strukturieren und zu skandalisieren. Die Stärke des Verdichtungssymbols 'Gewalt' wird etwa daran deutlich, dass es heutzutage

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kaum mehr möglich scheint, soziale Probleme ohne den Bezug zu Gewalt auf Dauer öffentlich zu skandalisieren. Der ursprünglich von Johan Galtung geprägte Begriff der strukturellen Gewalt hat eine Vergeistigung des zuvor vornehmlich an physische Gewalt geknüpften Begriffs bewirkt. In den letzten Jahrzehnten hat sich einerseits eine Ausweitung, gleichzeitig aber auch eine Abwertung des mit dem Begriff Gemeinten vollzogen. Es steht damit kein eindeutiger Begriff von Gewalt zur Verfügung. Der Bedeutungswandel des Gewaltbegriffs erschwert es auch, bei der Regulation der Mediengewalt eine Definition des Gewaltbegriffs als Arbeitsgrundlage festzulegen. An Hand zeitvergleichender empirischer Analysen medialer Diskurse lässt sich zeigen, dass die Verwendung des Gewaltvokabulars nicht mehr wie noch in den 60er und 70er Jahren auf bestimmte gesellschaftliche Interessen(gruppen) zurückzuführen ist, sondern auf einen allgemeinen gesellschaftlichen Ordnungsdiskurs verweist. Das erscheint als weiterer Beleg der Ausgangsthese, dass der Mediengewalt-Diskurs gesamtgesellschaftlich eine normenstabilisierende und -strukturierende Funktion übernimmt. Der weniger auffällige Bezug des Mediengewalt-Diskurses ist der zu den Medien, vor allem auf das 'Fernsehen'. Die Darstellung von Gewalt ist an bestimmte Programmgenre des Fernsehens wie etwa Action-Filme und Serien gebunden. Am Beispiel des Action-Films lässt sich zeigen, wie bereits die formale Regelhaftigkeit des Action-Genre dazu führt, den Mediengewalt-Diskurs immer wieder neu zu beleben; die Weiterentwicklung des Genres im Hinblick auf Inszenierung und Dramaturgie liefert den Jugendschützern notwendig immer neue Argumente. Am Beispiel der Mediengewalt wird auch ein Diskurs über Qualitätsfernsehen geführt, bei dem letztlich eine Minderheit versucht, ihre programmlichen Qualitätsstandards sowie ihre kulturelle Bewertung des Mediums Fernsehen gegenüber der Mehrheit durchzusetzen. Schließlich darf man nicht vergessen, dass bislang kaum etwas moderne Gesellschaften so sehr verändert hat wie die Medien. Diese Veränderungen müssen ein ständigen Anlass zur Sorge hinsichtlich der Entwicklungstendenzen moderner Gesellschaft. Betrachtet man also besonders die auf die Medien und das Fernsehen bezogene Dimension des Mediengewalt-Diskurses, dann handelt es sich vielleicht um den bedeutendsten gesellschaftlichen Diskurs darüber, wie die Medien unsere Wirklichkeit verändern.

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Das Problem der Mediengewalt

1.2

Die Definition des Problems in der Medienforschung

Welche Vorstellungen über die Wirkungsweise des Bildmediums Fernsehen sind in der Rhetorik der Medienwirkungsforschung enthalten? Inwiefern formt die wissenschaftliche Herangehensweise die politischen Lösungen im Umgang mit dem Problem der Mediengewalt? Welches Wissen gelangt in das politische System, auf dessen Grundlage politische Entscheidungen getroffen werden? Welche Schlussfolgerungen für die Zuweisung politischer Verantwortung und die Lösung des Problems lassen sich aus den in der Medienwirkungsforschung präsentierten Forschungsergebnissen ziehen?10 Die Frage nach empirisch nachweisbaren mittel- und langfristigen Effekten von Gewaltdarstellungen auf das Aggressionsverhalten von Zuschauern kann nicht mit Sicherheit beantwortet werden. Dies hat seine methodische Ursache darin, dass zeitvergleichende Studien, die den Einfluss der die Einführung des Fernsehens begleitenden gesellschaftlichen Entwicklungen kontrollieren könnten, kaum durchzuführen sind. Wichtiger ist jedoch, dass auch jene empirische Forschung, die die kurz- oder mittelfristigen Effekte eines Ursache-Wirkungs-Zusammenhangs prüft, in keiner Weise eindeutige, sondern höchst widersprüchliche Ergebnisse erbracht hat. Experten der DFG Senatskommission Wirkungsforschung formulierten ihre Kritik gegenüber der Medienwirkungsforschung (Deutsche Forschungsgemeinschaft 1986): Die vorliegenden Forschungsarbeiten seien zwar thematisch vielfältig, aber zugleich auch unvereinbar. Zu vielen Problemen gäbe es nur eine einzige Studie, keine Anschlussuntersuchungen, Replikationen oder Falsifikationen. Die Befunde seien bruchstückhaft und würden einander sogar widersprechen. Insgesamt gäbe es ein Fehlen gesicherter Erkenntnisse, stattdessen disparate Ergebnisse. Dies sei vor allem auf eine mangelnde theoretische Einbettung zurückzuführen. Diese Kritik erschien auch zehn Jahre später noch berechtigt (vgl. Merten 1994: 296; Güdler 1996). Der Mediengewalt-Diskurs ist von zahlreichen Widersprüchen gekennzeichnet. Der unvergleichliche Forschungsaufwand, der auf die Frage nach den Wirkungen von Gewaltdarstellung auf aggressives Verhalten verwendet worden
10

Die folgenden Ausführungen beziehen sich vornehmlich auf die deutsche Situation, obwohl auch auf internationale Forschungsergebnisse zurückgegriffen wird. Meine Kenntnis der Diskussionen in den anglo-amerikanischen und anderen europäischen Staaten weist jedoch daraufhin, dass es in den öffentlichen wie den wissenschaftlichen Diskursen beträchtliche kulturnationale Unterschiede gibt, die durch Faktoren wie die allgemeine Bewertung der Populärkultur, die Geschichte der Zensur, die Bewertung von 'Jugend', die moralische Ordnung und natürlich durch die jeweilige Verfasstheit der Mediensysteme beeinflusst werden.

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ist, vermittelt ein eindrucksvolles Bild davon. Groebel und Gleich (1993) sprechen von 5.000 Studien im Bereich der Gewaltwirkungsforschung, Cunningham sogar von 10.000 (1992), zuletzt schätzten Vitouch und Kernbeiß (1998) 3.000 Studien allein im deutschsprachigen Raum. Der empirische Nachweis eines linearen kausalen Zusammenhangs von Gewaltdarstellung und aggressivem Verhalten ist trotz des enormen Forschungsaufwands nicht erbracht.
If over 10,000 studies carried out over decades can produce such little 'effect', media effects measured in this way must be below or beyond the treshold of such measurement (Cunningham 1992: 98).

Die interne wissenschaftliche Kritik bezieht sich auf die Behauptung eines linearen Kausalzusammenhangs zwischen Gewaltdarstellung und aggressivem Verhalten der Zuschauer und lässt nichts an Eindeutigkeit vermissen:
Die Beziehung von Mediengewalt und Aggression ist weit davon entfernt, einen eindeutigen, statistisch perfekten Zusammenhang zu bilden. Eine kausale Zwangsläufigkeit besteht nicht, weder im Hinblick auf Aggressionsförderung noch im Hinblick auf Aggressionsreduktion (Grimm 1994: 8). Aus der Perspektive der neueren Medienwirkungsforschung wird einmal mehr deutlich, wie komplex die Wirkungszusammenhänge offenbar in Wirklichkeit sind und wie verfehlt es ist, lineare und monokausale Behauptungen über Inhalt und Wirkung zu führen (Schenk 1987: 441). [Sicher ist, dass] zwischen der Quantität der Gewaltakte und der von Zuschauern wahrgenommenen Violenz kein Zusammenhang besteht, d.h. vom Ausmaß der festgestellten Gewalt kann nicht auf eventuelle Wirkungen geschlossen werden (Kunczik 1995a: 41f.). Die Position ..., direkt vom Inhalt auf vermutete Wirkungen zu schließen, stammt aus der Mottenkiste der Wirkungsforschung, ist eindeutig falsch und in Laienkreisen offensichtlich unausrottbar (Kunczik 1995b: 81).

Trotzdem ist die Frage nach den direkten, kurz- und langfristigen Effekten dargestellter Gewalt die beherrschende Fragestellung geblieben, die an die Medienwirkungsforschung herangetragen wird. Im folgenden wird als erstes der Stand der Gewaltwirkungsforschung wiedergegeben. Die Darstellung orientiert sich an der Wiedergabe in den Standardwerken zum Thema Gewaltwirkung und ist mit einer systematischen Kritik an den bedeutendsten und das heißt öffentlichkeitswirksamsten Modellen verbunden. Die Kritik legt offen, wie es dazu kommen kann, dass in dem Teilbereich der Gewaltwirkungsforschung - im Gegensatz zur allgemeinen Medienwirkungsforschung - die Idee einer linearen Kausalität zwischen dargestellter und realer Gewalt aufrechterhalten wird.

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Im zweiten Abschnitt "Fernsehen und Angst statt Fernsehen und Gewalt" (Kap. 1.2.2) geht es um Erkenntnisse, die ursprünglich den unbefriedigenden Ergebnissen der Gewaltwirkungsforschung zu verdanken sind: Fernsehvermittelte emotionale Eindrücke sind offenbar die eigentlich medienspezifischen Effekte. Innerhalb des Mediengewalt-Diskurses gelingt es, aber, diese Erkenntnis nicht als Anlass für eine veränderte Fragestellung zu nehmen, die sowohl negative wie positive emotionale Effekte des Fernsehens berücksichtigt, sondern lediglich als eine Bestätigung der These einer negativen Wirkung dargestellter Gewalt. Im dritten Abschnitt (Kap. 1.2.3) werden beispielhaft Ergebnisse kulturwissenschaftlicher Medienforschung präsentiert, die im Gegensatz zur quantitativ bestimmten Medienwirkungsforschung auf Sinn- und Bedeutungskonstitution im nomologischen Kern ihres Erklärungsansatzes verweisen. Obwohl sie damit eigentlich im Gegensatz zur im wissenschaftstheoretischen Sinne traditionell auf Kausalzusammenhänge fokussierten Medienwirkungsforschung stehen, gelingt es, auch diese Forschungsergebnisse in den Mediengewalt-Diskurs zu integrieren. Ansatzpunkt bildet der Forschungsschwerpunkt "Kinder und Fernsehen", der im Hinblick auf Gewaltwirkung zu einer Steigerung der Bemühungen im Bereich der Medienpädagogik führt. Der letzte Abschnitt über den "Third-Person-Effect" (Kap. 1.2.4) fällt insofern aus dem Rahmen, als dass dieses Ergebnis bislang im deutschen Mediengewalt-Diskurs unberücksichtigt geblieben ist. Mit dem "Third-Person-Effect" wurde ein Modell aus der allgemeinen Medienwirkungsforschung in den Unterbereich der Gewaltwirkungsforschung übertragen. Der Übertrag dieses Modells auf jugendgefährdende Programme stellt im Ergebnis die dem MediengewaltDiskurs zugrunde liegende lineare Kausalitätsannahme ernsthaft in Frage.

1.2.1 Gewaltwirkung: Stand der Forschung Die Widerlegung der These einer Übereinstimmung zwischen Medienbotschaft und menschlicher Reaktion bereits in den 50er und 60er Jahren hat nicht dazu geführt, das Stimulus-Response-Modell vollständig aufzugeben. Es gab in der Folge zwei Entwicklungslinien: Einerseits versuchte man in der Tradition der Stimulus-Response Forschung zusätzlich in den Wirkungsprozeß intervenierende Variablen zu berücksichtigen. Man nahm an, das einfache Stimulus-Response-Modell sei nur nicht komplex genug. Als wichtigste intervenierende Variable wurde die Prädisposi-

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tion von Zuschauern durch bereits bestehende Einstellungen konzipiert: Einstellungen würden den kausalen Zusammenhang zwischen unabhängiger und abhängiger Variable, also der Medienbotschaft und den Reaktionen der Zuschauer, verzerren (Schenk 1987: 38). In einem zweiten Entwicklungstrend wurde von der Annahme eines direkten Kausalzusammenhangs zwischen den Inhalten der Massenmedien und dem Verhalten und der Einstellung massenmedialer Nutzer abgerückt. Gerade in der Forschung zur politischen Meinungsbildung wurden theoretische Konzepte entwickelt, die eine reflexive Struktur des Kommunikationsprozesses berücksichtigen: Man nimmt an, dass Medieninhalte vielmehr durch Dritte und soziale Netzwerke vermittelt werden. Dadurch wird die Ursache der Wirkung vom eigentlichen Medieninhalt auf soziale und gesellschaftliche Faktoren verlagert, die damit ins Zentrum der Analyse geraten. Der "Two-Step-Flow of Communication", die Schweigespirale oder die Agenda-Setting Forschung sind nur drei der bekanntesten Ansätze, die dieser Linie folgen. Nur in dem Teilbereich der Gewaltwirkungsforschung ist eine reflexive Struktur des Kommunikationsprozesses bis vor kurzem nicht berücksichtigt worden (vgl. aber Gunther 1995). In der Gewaltwirkungsforschung lassen sich hauptsächlich zwei Untersuchungsmethoden unterscheiden: Inhaltsanalyse und Experiment. Die einen gehen beim Messen der Effekte ausschließlich vom Programm aus, während die anderen typischerweise die vom Zuschauer tatsächlich wahrgenommene Gewalt zum Maßstab machen (vgl. Gunter 1985). Beide Methoden finden prinzipiell jenseits von Paradigma und Disziplin Verwendung. Experimente werden jedoch häufiger in der Psychologie durchgeführt, während sich Sozialwissenschaftler mehr auf Inhaltsanalysen verlassen. Unabhängig von den Ergebnissen sind es die inhaltsanalytischen Studien, die häufig größere Aufmerksamkeit auch jenseits der wissenschaftlichen Fachöffentlichkeit erlangen (vgl. Groebel und Gleich 1993; Gerbner und Gross 1978; Merten 1993). Im Sinne des wissenschaftlichen Erkenntnisfortschritts haben jedoch experimentelle Studien die anschlussfähigeren Ergebnisse erbracht. Bei der inhaltsanalytischen Klassifikation von Aggressionsdarstellungen und der Messung ihrer Wirkung werden je nach Studie unterschiedliche Aspekte der Darstellung berücksichtigt. Die wichtigste Differenzierung wird mit realfiktional gemacht. Je 'realer', das heißt authentischer, das Gezeigte, desto eher sind dann auch experimentell Effekte bei Rezipienten nachzuweisen. Neben den Dimensionen real-fiktional, werden die Differenzen legitimeillegitime Gewalt, beabsichtigte-unbeabsichtigte, aktive-passive, destruktivekonstruktive und natürliche-künstliche Gewalt gemacht. Kepplinger und Dah-

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lem (1990) haben erhoben, dass die natürliche, fiktionale Gewalt den meistuntersuchten Typus darstellt. "Natürlich" meint dabei eine realistische Darstellung, wodurch der Bedeutung des Wirklichkeitscharakters der Darstellung für die Effekte auf Rezipienten durch die Forschung Rechnung getragen wurde. In Überblicksdarstellungen zur Gewaltwirkungsforschung werden in Deutschland immer mehr oder weniger dieselben sieben '"Thesen" wiedergegeben: Neben der Katharsisthese, die Stimulationsthese, die Erregungsthese, die Habitualisierungsthese, die Nachahmungsthese, der Uses-and-Gratifications Ansatz (dynamisch-transaktionaler Ansatz) und die These ängstlicher Weltbilder (Kultivierungsthese). Ursprünglich stammt diese Aufstellung von Michael Kunczik. Seine Dissertation "Gewalt im Fernsehen", die 1975 erschien, stellte Forschungsansätze mit sehr unterschiedlichem theoretischen Anspruch in eine Reihe. Seine Darstellung wurde in der Folge immer wieder aufgegriffen oder von ihm selbst im Überblick präsentiert (vgl. Kunczik 1989; 1994; 1995a; 1995b; Krüger 1996; Krebs 1994; Gottberg 1995; Drescher et al. 1990). Gerade weil sie so große Verbreitung gefunden hat, wird dieser Darstellung hier gefolgt. Drei der sieben Ansätze - die auf die Theorie sozialen Lernens von Bandura rekurrierende Nachahmungsthese, der Uses-and-Gratifications Ansatz und die Kultivierungsthese - werden im Verlauf der Darstellung jedoch vertieft und kritisch gewürdigt, weil sie innerhalb des gesellschaftlichen Mediengewalt-Diskurses den größten Einfluss entwickelt haben. Die Katharsisthese ist die einzige von Kunczik vorgestellte Position, die einen positiven Einfluss dargestellter Gewalt propagierte. Ihr Hauptvertreter Seymor Feshbach argumentierte, dass das Miterleben fiktiver Gewalt individuelle Aggressionspotentiale abbaue und so zu einer Verringerung individueller Gewaltbereitschaft führe. Heute argumentiert Feshbach abgewandelt, dass Gewaltdarstellungen zunächst eine aggressive Reaktion beim Zuschauer bewirken, "die dann allerdings durch eine gelernte Angst vor Strafe" gehemmt würde (Feshbach 1989). Nachdem die Katharsisthese im Zuge des Einfluss' der Psychoanalyse lange Zeit auch für viele Medientheoretiker die Grundlage für eine positive Wirkung von Gewaltdarstellung lieferte, gilt sie heute einhellig als überholt (vgl. Groebel und Gleich 1990; Kunczik 1995a). Praktisch keine Einführung in das Mediengewaltthema lässt dabei unerwähnt, dass die Katharsisthese widerlegt ist und dass selbst ihr Hauptvertreter Feshbach sie heute nicht mehr vertritt. Dies weist einerseits auf den bedeutenden Stellenwert hin, den die Katharsisthese einmal in der Diskussion über Wirkung von Gewaltdarstellung hin. Andererseits verifiziert die Falsifikation der Katharsisthese gewissermaßen

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die übrigen Thesen, die im Gegensatz einen negativen, aggressionsfördernden Effekt behaupten. Die Stimulationsthese geht von einer anregenden Wirkung medialer Gewalt aus, allerdings unter der Voraussetzung, dass die Zuschauer bereits erregt sind.11 Im engen Zusammenhang mit der Stimulationsthese steht die Arousal(=Erregungs-)these. Die Erregungsthese besagt, dass Fernsehkonsum generell - nicht nur gewalthaltige Programme - zu einer erhöhten Erregung führt, die dann unter bestimmten Randbedingungen zu aggressivem Verhalten führen kann. Beide Thesen sind weitergeführt worden, jedoch unter zunehmender Vernachlässigung aggressionsfördernder Effekte (vgl. Kap. 1.2.2). Stattdessen rückten positive mediale Effekte wie der der Unterhaltung in den Vordergrund (vgl. Zillmann 1994). Die Habitualisierungsthese behauptet, dass die Gewöhnung an fiktionale Gewalt zur Abstumpfung auch gegenüber realer Gewalt führe (vgl. Bandura 1989: 19, 22). Dieser Abstumpfungseffekt tritt nicht beim Sehen eines einzelnen Films auf, sondern erst bei wiederholtem Konsum in Verbindung mit Bedingungen der sozialen Umwelt, die diesen Effekt begünstigen. Die Habitualisierungsthese gilt keinesfalls als bewiesen (Kunczik 1995a: 37). Unter dem Stichwort "Summeneffekt" haben sich in den von mir beobachteten Prüfsituationen sowohl bei der FSF als auch bei den LMAs Prüfer in der Beurteilung von Gewaltdarstellung vielfach auf die Habitualisierungsthese bezogen. Die Nachahmungsthese besitzt in der Mediengewaltdebatte die höchste Glaubwürdigkeit: "The most common argument is that children imitate violence" (Felton 1996: 104). Als wissenschaftliche Absicherung wird sich dabei auf Ergebnisse der Lerntheorie gestützt (Bandura 1977; 1989). Da die Gefahren dargestellter Gewalt am häufigsten mit der Nachahmungsthese begründet werden, wird sie im folgenden ausführlicher dargestellt und kritisch gewürdigt. Die Nachahmungsthese sieht in Medienangeboten ein Modell für reales Verhalten:
Praktisch kann sogar alles Lernen, das aus direkter Erfahrung resultiert, auch stellvertretend durch die Beobachtung des Verhaltens von anderen und dessen Konsequenzen geschehen (Bandura 1989: 11f.).

In dieser Sicht bestimmen die Medien, ihre Form und Verhaltensgesetze, alle Lebensbereiche des lebensweltlichen Daseins.
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Bei der Überprüfung dieser These durch Laborexperimente in den 60er Jahren wurde die eine Probandengruppe vor der Vorführung gewalthaltiger Programme vom Forscherteam geärgert, die Kontrollgruppe dagegen neutral behandelt. Im Anschluss an die Vorführung verhielt sich die zuvor geärgerte Gruppe gegenüber dem Forscherteam wesentlich aggressiver als die Kontrollgruppe.

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Der Nachahmungsthese wird gerade von Pädagogen große Bedeutung beigemessen. Der Geschäftsführer der FSF hat sich in Gesprächen mehrmals explizit auf Albert Bandura und Ergebnisse der Lerntheorie bezogen, die er als jahrzehntelang erfahrener Prüfer bei der FSK heute an die jungen Prüfer der FSF weitergibt. Für Erzieher besitzt sie wegen derer beruflichen Alltagserfahrung hohe Plausibilität. In der Debatte um die amerikanische Kinder-Serie 'Power Rangers' wurde die große Überzeugungskraft der Nachahmungsthese besonders deutlich (vgl. Czaja, Hrsg., 1997). Die Nachahmungsthese spielt aber auch in der Terrorismusdebatte sowie bei den medieninternen Diskussionen um professionelle Standards, bei der Berichterstattung über Banküberfälle oder Ausschreitungen bei Sportereignissen eine Rolle. Die Nachahmungsthese ist diejenige Wirkungsthese, die in der öffentlichen Diskussion die größte Glaubwürdigkeit und Überzeugungskraft besitzt. 12 Wie gelingt es, mit Hilfe der Nachahmungsthese eine Bestätigung für negative Gewaltwirkung zu finden? Die Medienwirkungsforschung ist, wie der Name ja bereits deutlich macht, dem ontologischen Kausalprinzip verpflichtet (Giesen und Schmid 1976: 52). Es wird davon ausgegangen, dass die Realität von kausalen Zusammenhängen bestimmt und dass im Prinzip alles als Wirkung bestimmter Ursachen erklärt werden kann.13 So wie in Rational-Choice-Theorien wird dann aber auch in der Medienwirkungsforschung für die Erklärung gesellschaftlicher Zusammenhänge der theoretische Kern der Kausalität allmählich durch zusätzliche Annahmen wie Randbedingungen und intervenierende Variablen immer weiter relativiert. Eine Vielzahl zusätzlicher Annahmen kompliziert das ursprüngliche Erklärungsmodell zu einer eigentlich nur noch komplexen Beschreibung sozialer Vorgänge. Dabei wird der nomologische Kern der Theorie, die Erklärung menschlichen Verhaltens durch kausale Gesetze, jedoch niemals gänzlich aufgegeben, um den Theorieanspruch nicht zu gefährden. Auch die auf die Theorie sozialen Lernens rekurrierende Nachahmungsthese (Bandura 1977; 1989) berücksichtigt in die Rezeptionssituation intervenierende Variablen, rekurriert aber im Kern auf das Stimulus-Response-Schema. Banduras Theorie sozialen Lernens ist eine Verhaltenstheorie, die Lernen als Basis menschlicher Vergesellschaftung sieht. Die klassische Variante einer
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Von wissenschaftlicher Seite wird die Bedeutung der Nachahmungsthese im Fall negativer Wirkung von Gewaltdarstellung dagegen gering eingeschätzt. Das Resümee des Berichts der "Gewaltkommission" der Bundesregierung zu Nachahmungstaten lautet: "Da Gewaltdarstellungen nur bei wenigen Beobachtern eine direkte gewaltauslösende Wirkung haben, sind Nachahmungstaten oft ohnehin gewaltorientierter Menschen wohl nicht das eigentliche Problem der Gewalt in den Medien" (Schwind et al., Hrsg., 1990: 96). Wilbur Schramm nannte das einmal die "Bullet Theory of Communication" (vgl. Merten 1994: 294).

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Verhaltenstheorie ist der Behaviorismus, der davon ausgeht, dass ein bestimmter Reiz kausal eine bestimmte Reaktion bedingt. Man denke an Pawlows klassische Konditionierungsexperimente. Beim Übertrag dieses Reiz-Reaktions-Modells auf menschliches Verhalten bleibt im Behaviorismus die Person als 'Wirkfaktor' dann jedoch systematisch ausgeblendet. Ihre inneren Zustände, Gefühle, Wahrnehmungen und Bedürfnisse werden innerhalb der behavioristischen Theorien grundsätzlich nicht berücksichtigt (Schmid 1979: 92). Der Mensch wird zur Black Box, weil es letztlich uneinsichtig bleibt, warum es zu einer Koppelung von Reiz (Gewaltdarstellung) und Reaktion (aggressivem Verhalten) kommt. Dieser Zustand war für die Forschung auf Dauer inakzeptabel. Daher wurden innerhalb der Theorie sozialen Lernens Zustände der Person und. personenbezogene Variablen als intervenierende Variablen miteinbezogen. In kognitiven Verhaltenstheorien, zu denen Banduras Theorie zählt, werden Ursachen des Verhaltens in erster Linie innerhalb der Person und nicht allein in äußeren Reizen gesehen. Es wird ein gegenüber dem Behaviorismus komplizierterer Reizbegriff eingeführt, bei dem Reize als Informationen gelten, die sowohl von außen kommen als auch auf innere Zustände wie zum Beispiel Wünsche zurückgeführt werden. Auch die Person wird komplexer modelliert: Eine Person wird als ein System von mentalen Zuständen begriffen, die teilweise durch Informationen von außen erst entstehen, also durch Lernen. Entscheidend ist, dass die sozial-kognitive Lerntheorie, trotz der Ausdifferenzierung des theoretischen Modells sowie der Berücksichtigung intervenierender Umweltvariablen (Bandura 1989: 7), an dem gesetzartigen Zusammenhang von Reiz und Verhalten festhält. Die Zusatzannahmen bleiben letztlich ohne Bedeutung für das Auftreten des Verhaltens, weil der Anspruch, menschliches Verhalten mit Hilfe von Gesetzen kausal zu erfassen, nicht aufgegeben wird. Die Wirkung wird damit letztlich am Stimulus festgemacht. Darin ist die Annahme enthalten: Gleicher Stimulus erzeugt gleiche Wirkung und je stärker der Stimulus, desto stärker die Reaktion. Mit dem Rekurs auf die Nachahmungsthese wird dadurch das Argument untermauert, dass dargestellte Gewalt aggressives Verhalten auslöst und dass diese Reaktion um so wahrscheinlicher wird, je mehr Gewalt gezeigt wird. Anfang der 70er Jahre verlagerte sich das Interesse der Medienwirkungsforschung zunehmend auf Untersuchungen des Publikums. In der Forschungsperspektive des Uses-and-Gratifications Ansatzes (vgl. Katz, Blumler und Gurevitch 1974) werden Medienangebote zu den Bedürfnissen der Rezipienten in Beziehung gesetzt. Die Frage lautet nicht mehr: "What do the media do to the

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people?", sondern "What do people do with the media?" Diese Perspektive stellt damit zwar das klassische Reiz-Reaktions-Modell auf den Kopf, bleibt aber wie die Nachahmungsthese auf Kausalwirkungen von Medieninhalten fixiert. Eine spezielle Ausformung hat der Uses-and-Gratifications Ansatz in Deutschland mit dem dynamisch-transaktionalen Ansatz von Werner Früh und Klaus Schönbach (1982) gefunden. Sie integrieren das einfache Stimulus-Response Modell mit dem Uses-and-Gratifications Ansatz:
Medienwirkungen sind ... Produkte sowohl von Kommunikator- als auch Rezipientenaktivitäten. Triebfeder dieser Aktivitäten im Wirkungsprozeß ist das Interesse aller Teilnehmer an der Optimierung des Nutzens, der aus der Kommunikation zu ziehen ist (Schönbach 1992: 109).

Der Ansatz definiert Wirkung nicht mehr als reinen Stimulus, sondern als zwei Prozesse der Relativierung (=Transaktion) dieses Stimulus durch zwei Typen von Kontextvariablen: Erstens vollzieht sich eine Intertransaktion. Das ist die Wahrnehmung des Kommunikators beim Rezipienten und die Wahrnehmung vom Rezipienten beim Kommunikator. Zweitens gibt es eine Intratransaktion, das ist die subjektive psychische Verfassung des Rezipienten. Im Sinne dieses Forschungsansatzes berücksichtigt Früh in einer Studie zur Gewaltwirkung etwa, dass diejenigen, die Programme experimentell vorgeführt bekommen, zunächst dargestellte 'Gewalt' auch selbst als Gewalt deuten müssen (Früh 1995). Unberücksichtigt bleibt aber, dass trotz dieser differenzierten inhaltsanalytischen Herangehensweise aus den Ergebnissen immer noch keinerlei Schlussfolgerung auf aggressionsfördernde Effekte gezogen werden kann. Die Kultivierungsthese/These der ängstlichen Weltbilder wie sie im amerikanischem Raum von George Gerbner und in Deutschland von Jo Groebel vertreten wird, geht davon aus, dass kumulierte Fernsehgewalt zur Verstärkung ängstlicher Weltbilder führt. Jo Groebel und Uli Gleich haben in ihrer Studie im Auftrag der nordrhein-westfälische Landesmedienanstalt (LfR) Gerbners langjährige Forschungsperspektive übernommen. Gerbner und sein Team hatten schon 1967 im Auftrag der "National Commission on the Causes and Prevention of Violence" einen "Violence Index" entwickelt, um inhaltsanalytisch den Gewaltgehalt von Fernsehprogrammen quantitativ zu erfassen.14 Mitte der 70er
14

"So kam es, daß der Forschergruppe um George Gerbner aufgrund ihrer jährlichen 'Messung' der Fernsehgewalt im Laufe der 70er Jahre fast der Status einer Wächter- und Aufsichtsinstitution in der amerikanischen Fernsehunterhaltung zuerkannt wurde" (Burdach 1987: 345). Das letzte und 11. "Violence Profile" erschien 1980. Ein "Violence Index" für Deutschland ist auch in den Vorschlägen der "Gewaltkommission" enthalten (vgl. Kepplinger und Dahlem 1990).

Die Definition des Problems in der Medienforschung

51

Jahre erweiterte Gerbner sein theoretisches Konzept, das er Kultivierungsanalyse nennt. Die Kultivierungsthese beruht auf der Annahme, Fernsehen kultiviere ein bestimmtes Weltbild in dem Sinne, dass die Welt angsterregender erscheine, als sie in Wirklichkeit sei. Zuschauer fühlten sich dadurch bedrohter, als es tatsächlich angemessen sei. Es wird angenommen, Kultivierungseffekte zeigten sich vor allem bei Vielsehern, weil sie der Fernsehwelt stärker ausgesetzt sind und das dort vermittelte Weltbild daher auch stärker internalisieren. Die Kultivierungsanalyse besteht aus zwei Schritten: erstens der inhaltsanalytischen, quantitativen Erfassung dargestellter Gewalt, zweitens der Analyse des Kultivationseffekts auf Zuschauer. Der Indikator für die Kultivationseffekte wird aus einer Gegenüberstellung der Ansichten von Viel- und Wenigsehern gewonnen - die erhobene Differenz liefert den Indikator. Da Gewalt das dominierende und kennzeichnende Merkmal der Fernsehunterhaltung sei, konzentrierten sich Gerbners Analysen auf diesen Aspekt. Groebel und Gleich (1993) orientieren ihr Vorgehen an diesen beiden Schritten der Kultivierungsanalyse. Die Veröffentlichung von 1993 vollzieht dabei aber nur den ersten Schritt, während der zweite, theoretische Teil, der die eigentliche Einschätzung von Wirkungen vornimmt, einer zweiten Veröffentlichung vorbehalten bleiben sollte. Dazu ist es jedoch nie gekommen. In der methodischen wie theoretischen Kritik an Gerbners Kultivierungsanalysen (vgl. Hirsch 1981; Gunter 1985: 27ff.; Burdach 1987) zeigt sich erneut das generelle Problem der Medienwirkungsforschung: Lineare kausale Beziehungen zwischen Medieninhalten und Rezipientenverhalten sind empirisch verlässlich kaum nachzuweisen. Selbst wenn man davon ausgeht, dass sich Viel- und Wenigseher tatsächlich im Sinne des Kultivierungsdifferentials unterscheiden (dagegen Hirsch 1981), so wäre damit immer noch nicht die ausschlaggebende Rolle des Fernsehens beim Aufbau und der Veränderung von Einstellungen bewiesen. Denn Wenigseher unterscheiden sich von Vielsehern sicherlich in einer Reihe von weiteren Merkmalen, die möglicherweise eher als Ursache, denn als Wirkung der unterschiedlichen Fernsehnutzung anzusehen sind. Für den Nachweis von kausalen Beziehungen zwischen Konsum und Einstellungsstruktur wäre die Kontrolle all jener Merkmale notwendig, die - vom Fernsehkonsum abgesehen - die Unterschiede von Viel- und Wenigsehern erklären könnten (Burdach 1987: 363f.). Trotz solcher Kritik führten Groebel und Gleich gut zehn Jahre später ihrerseits für Deutschland eine einfache Inhaltsanalyse von Gewaltdarstellungen durch. Dabei machen sie die Vorannahme, es bestehe prinzipiell ein "Wirkungsrisiko": "Inhalte führen noch nicht zwangsläufig zu Wirkungen, sie stellen aber

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Das Problem der Mediengewalt

ein Potential dar, aus dem sich mögliche Wirkungen ergeben können" (Groebel und Gleich 1993: 13). Auch die nicht nur im Fall Gerbners laut gewordene generelle Kritik gegenüber Inhaltsanalysen, dass hier von Forschern 'objektive' Gewalt- und Aggressionsdefinitionen festgelegt werden, bleibt unberücksichtigt. Das obwohl Inhaltsanalysen, die vom Handlungskontext gezeigter Szenen abstrahieren, noch gar nichts über mögliche Wirkungen bei Zuschauern aussagen können (Morrison 1993). Im Gegensatz zum Bereich der Gewaltwirkungsforschung wird in der modernen Wirkungsforschung eine isolierte Betrachtung nur weniger Variablen heute kaum mehr unternommen:
Neben individuellen Faktoren (Dendenz, Selektion, Aufmerksamkeit, Aktivität, Informationsverarbeitung, Gratifikationsversuche usw.), lokalen und interpersonalen Gegebenheiten (Primärkommunikation, direkter Zugang) spielen nämlich auch sozial-strukturelle Bedingungen (Bedingungen der Berichterstattung, Systemdifferenzierung etc.) eine erhebliche Rolle im Wirkungsprozeß (Schenk 1987: 441).

In der neueren Wirkungsforschung setzte sich schließlich die Auffassung durch, dass die Massenmedien bereits bestehende Verhaltensdispositionen verstärken:
So scheint bei bestimmten Personen ein sich selbst verstärkender Prozeß in dem Sinne vorzuliegen, daß der Konsum violenter Medieninhalte die Wahrscheinlichkeit des Auftretens aggressiven Verhaltens, (aggressiver) Einstellungen und/oder (aggressiver) Phantasien erhöht (Kunczik 1995: 47).

Aber auch diese vorsichtigen Einschätzungen behalten im Kern das Reiz-Reaktions Schema bei. Es wird zwar zugestanden, dass die Wirkung - sogar entscheidend - von intervenierende Variablen wie der psychischen Disposition abhängt. Dennoch bleibt die Überzeugung, dass durch die Medien etwas auf Menschen einwirkt, das einen eher negativen als positiven Effekt hat. Groebel und Gleich fassen in diesem Sinne zusammen:
[Wirkungen sind] eine Grundfunktion der Beziehung zwischen Medien und Nutzern. Wenn ich nach einer Nachrichtensendung mehr weiß als vorher, wenn ich mich nach einer Show besser (oder schlechter) fühle, wenn ich durch das Telekolleg gebildet bin oder auch, wenn mein Kind nach einem brutalen Trailer nicht schlafen kann: gewirkt hat's, auch wenn diese Wirkung unterschiedlich lange anhält (Groebel und Gleich 1993: 16).

Aber die Widerlegung einer Nullwirkung bedeutet eben nicht, eine negative Wirkung sei bewiesen, wie Groebel und Gleich es nahe legen wollen. Wendet man sich zum Schluss von der Theorie der Gewaltwirkung den gesicherten Ergebnissen der Forschung zu, lassen sich in der Zusammenfassung der Ergebnisse weltweiter Studien zur Gewaltwirkungsforschung vier Faktoren bestimmen, von denen die Wirkung dargestellter Gewalt nachweislich beein-

Die Definition des Problems in der Medienforschung

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flusst wird. Im Zusammenhang mit der Regulation der Gewalt in den Medien, deren Maßnahmen vorrangig am Medieninhalt ansetzen, ist festzuhalten, dass überhaupt nur einer dieser Faktoren am Programminhalt festzumachen ist: Es macht einen Unterschied, ob Mediendarstellungen als realistisch und authentisch wahrgenommen werden, oder ob sie Zuschauern als Fiktion erkennbar werden. Ob sich dieser Unterschied aber tatsächlich auf eine erhöhte Gewaltbereitschaft auswirkt, ist nicht geklärt. Die Fähigkeit, Fiktion und Realität zu unterscheiden, wächst mit zunehmenden Alter. Das heißt, das Alter der Zuschauer ist eine zweite Variable, die Wirkungen - nicht nur aggressionsfördernde - bestimmt (van der Voort 1986: 330). Drittens besteht eine Geschlechterdifferenz: Mädchen und Jungen nehmen mediale Gewaltdarstellungen in dem Sinne unterschiedlich wahr, dass weibliche Jugendliche ängstlicher sind als männliche (Luca 1993). Paradoxerweise erscheinen aber durch den Angsteffekt gerade Mädchen weniger empfänglich für gewaltfördernde Effekte als Jungen - dazu mehr im folgenden Abschnitt. Viertens spielt der sozioökonomische Status eine Rolle. Kinder und Jugendliche mit niedrigem Status scheinen eher gefährdet als Kinder aus einem Milieu mit gehobenem Bildungsniveau (van der Voort 1986: 334). Vielsehertum erscheint in diesem Licht wiederum eher als Symptom der sozioökonomischen Lage denn als ursächlich wirksame Variable.

1.2.2 Fernsehen und Angst statt Fernsehen und Gewalt Das Verhältnis von Emotionen und Fernsehen rückte in den 80er Jahren zunehmend ins Zentrum der empirischen Medienforschung, zuerst in den Vereinigten Staaten und in der Folge auch in Deutschland (vgl. Zillmann 1994; Sturm 1991). Diese Untersuchungen stehen in der Tradition vorliegender Ergebnisse zu Arousal- bzw. Stimulationseffekten und dem Uses-and-Gratifications Ansatz, deren Interesse sich ursprünglich allein auf aggressionsfördernde Effekte konzentriert hatte. Diese Forschung hat zu der Einsicht, geführt, dass fernsehvermittelte emotionale Eindrücke das eigentlich Medienspezifische sind (Sturm 1991; Grimm 1994). So hält die emotionale Verkoppelung mit einer Serie zum Beispiel länger an, als die kognitive Erinnerung an sie. Fernsehvermittelte Inhalte werden viel leichter vergessen, als die mit Fernseherlebnissen verbundenen Gefühle (Sturm 1991). Dies spricht gegen Banduras Theorie, wir würden in einer immer stärker mediengeprägten Welt auch zunehmend an medienvermittelten Modellen Verhalten erlernen (Bandura 1989: 11f.).

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Das Problem der Mediengewalt

Emotionales Fernseherleben ist von der Forschung lange Zeit ignoriert worden. Friedrich Krotz spricht in diesem Sinne von einer "kognitivistisch verkürzte[n] Kommunikationswissenschaft" (1993: 478). Das von ihr vorausgesetzte Menschenbild werde allein auf ein kognitives reduziert. Unterhaltung als Effekt der Handlung Fernsehen sei jedoch nicht mit rationaler Wahl, das heißt Informationsverarbeitung zu erklären. Dadurch kommt es nur zu mangelnden Erklärungen für die Wirkung gerade von neuen Unterhaltungsformaten wie Infotainment oder Reality-TV (Krotz 1993: 478f.). Neuere amerikanische Arbeiten haben sich der Bedeutung von positiven wie negativen Gefühlen beim Fernsehen zugewandt. Einen der interessantesten Ansätze vertritt Dolf Zillmann, der davon ausgeht, Menschen würden mit Fernsehen "mood management" betreiben. Er vertritt die These, Menschen würden sich vor allem solchen Mediendarbietungen zuwenden, von denen sie emotional profitieren (Zillmann 1994: 43). Fernsehen werde tendenziell für eine Normalisierung der Stimmungslage benutzt. Dabei sei eine Erregungsunverträglichkeit zwischen der eigenen Stimmung und den durch das Medienangebot vermittelten Gefühlen wirksamer als eine Erregungsverträglichkeit:
Die größtmögliche Unverträglichkeit zwischen den Emotionen, die in den Sendungen dargeboten werden, und den Emotionen, die der Rezipient zum Medienkonsum mitbringt, hat die größte Chance, störende Affektionen zu drosseln. Emotionelle Verträglichkeit (oder semantische Affinität) zwischen Erlebtem und Sendung hat offensichtlich die geringste Chance dazu (Zillmann 1994: 48).

Auf diesem Hintergrund belegen Experimente hinsichtlich der Wirkung von Gewaltdarstellung, dass Mediengewalt nicht etwa bestehende Gefühle des Ärgers erhöht, sondern diese lediglich aufrechterhalten kann. Das eindeutigere und damit bedeutendere Ergebnis lieferte jedoch die umgekehrte Herangehensweise: Filme ohne Aggression verringern Aggressivität (Zillmann 1994: 49). Für die Bedeutung der Angsterregung durch Gewaltdarstellung können daraus einige Ergebnisse abgeleitet werden, die derjenigen Argumentation widersprechen, mit der Jugendschutzprüfer in ihren Gutachten die Zensur von Gewaltdarstellung begründen: Kinder und Jugendliche, die ängstlich sind, vermeiden angstmachende Medienangebote eher, als dass sie sie suchen (vgl. van der Voort 1986: 341). Dies spricht für eine natürliche Selbstregulation und nicht für die mögliche Gefahr einer auftretenden "Schockwirkung" beim Umschalten. Fernsehbilder werden beim Senderwechseln in Sekundenbruchteilen nach Angebotstyp und Genre eingeordnet. Nur wer Reize wahrnimmt, die gesucht werden, verweilt. Andererseits werden diejenigen Kinder und Jugendliche, die aufgrund ihrer Prädisposition mit Langeweile und Frustration zu kämpfen haben, gezielt nach stimulierenden Medienangeboten suchen. Das ist durch Zensur-

Die Definition des Problems in der Medienforschung

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maßnahmen im Fernsehbereich nicht zu verhindern. Videofilme und Computerspiele bieten ausreichende und bessere Ausweichmöglichkeiten. Jedenfalls ist ein negativer Effekt durch angstmachende Mediendarstellungen nur bei denjenigen Kindern und Jugendlichen zu befürchten, bei denen eine gefährdete Prädisposition bereits besteht, wobei Fernsehwirkung dann wiederum nicht für ein sozialschädliches Verhalten verantwortlich gemacht werden kann, weil es nur eine völlig untergeordnete Rolle als Wirkfaktor spielt. Der prominenteste Vertreter der These eines positiven Effekts der Angsterregung ist der Psychologe Bruno Bettelheim. Anders als Seymour Feshbachs Katharsisthese findet seine Position in der am Jugendschutz orientierten Diskussion jedoch keine Berücksichtigung. Bettelheim argumentierte, Menschen hätten schon immer ein gewisses Maß an gewalttätiger Phantasie gebraucht, wie die Gewalttätigkeit von Volksmärchen, Mythen und biblischen Geschichten beweisen würde, wo blutiger Familienzwist, Mord, selbst Elternmord und Inzest üblich seien (Bettelheim 1988: 5). Viele Kinder würden aggressive Phantasien nicht nur genießen, sondern sie brauchten sie auch. Für das Ausleben von Tagträumen und aggressiven Phantasien sei das Fernsehen ein ideales Medium, da es dem Kind gestattet, unverzüglich aus der Phantasiewelt ins wirkliche Leben zurückzukehren, und auch ebenso schnell in die Phantasiewelt zu entfliehen, wenn die Wirklichkeit nicht mehr zu bewältigen ist (Bettelheim 1988: 6).15

Für ihn sind die entscheidenden Faktoren "nicht die verschiedenen Typen von Ereignissen, die auf dem Bildschirm gezeigt werden, sondern es ist die Persönlichkeit eines Kindes (die zu Hause unter dem Einfluss der Eltern geprägt wird) und in geringerem Maße die Situation, in der es sich gerade befindet." (Bettelheim 1988: 5). Damit ist Bettelheims Position zwar einerseits differenzierter als die traditionelle Gewaltwirkungsforschung, andererseits wurde sie von ihm selbst aber auch nicht empirisch untermauert. In der deutschen Gewaltwirkungsforschung wird die Angsterregung durch Fernsehbilder nicht als konkurrierender Erklärungsansatz begriffen, der eher auf positive Effekte der Gewaltdarstellung als auf negative schließen lässt. Stattdessen werden die Ergebnisse als Ergänzung einer negativen Wirkung interpretiert mit der Begründung, dass hier eben nicht nur eingeschränkt nach aggressionsfördernden Effekten gefragt wird (z.B. Krebs 1994). Die Forschung, die in die Richtung negativer Effekte der Angsterregung denkt, greift auf einen erweiterten Gewaltbegriff zurück. Galtungs Begriff der "strukturellen Gewalt"
15

Damit berücksichtigt Bettelheim einen Aspekt, der in der Mediengewaltdebatte oft unterschlagen wird: Kinder können ein Fernsehgerät an- und ausstellen.

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Das Problem der Mediengewalt

eröffnet diese Möglichkeit, Angsterregung als Gewalt zu interpretieren. Der Begriff der strukturellen Gewalt hat vielfach in die Medienwirkungsforschung Einzug gehalten (vgl. Krebs 1994: 358; Kunczik 1995: 34; Groebel und Gleich 1993: 42; Früh 1995: 184). Diejenigen, die Gewaltdarstellung kontrollieren und begutachten sollen, beziehen sich auf diese wissenschaftliche Forschung.

1.2.3 Kulturwissenschaftliche Forschung Der Uses-and-Gratfications Ansatz wird oft mit anderen Arbeiten in Verbindung gebracht, die ebenfalls Publikumsforschung betreiben, empirisch jedoch auf qualitative Methoden setzen. Michael Charlton und Klaus Neumann-Braun, die einen subjekt- bzw. handlungstheoretischen Ansatz vertreten, wollen sich jedoch keinesfalls im Rahmen des Uses-and-Gratifications Ansatzes verortet wissen (Charlton und Neumann-Braun 1992: 21f.). Ian Ang arbeitet ihrerseits für die Cultural Studies die Gründe für diese Abgrenzung heraus. Sie streicht die epistemologischen Unterschiede hervor und die theoretische und politische Absicht, die mit der Forschung im Rahmen des Uses-and-Gratifications Ansatzes verbunden sei:
Rather than dissecting 'audience activity' into variables and categories in order to be able to study them one by one, so that we could ultimately have a complete and generalizable formal 'map' of all dimensions of 'audience activity', which seems to be the drive behind the uses and gratifications project, the aim of cultural studies ... is to arrive at a more historicized insight into the ways in which 'audience activity' is related to social and political structures and processes (Ang 1991b: 101).

Wie die Ergebnisse, die die Angsterregung durch Fernsehen belegen, erfährt auch die kulturwissenschaftliche Forschung, die sich intensiv mit dem Fernsehverhalten von Kindern befasst hat, in dem Mediengewalt-Diskurs eine spezifische Deutung: Kulturwissenschaftliche Studien aus den letzten zwei Jahrzehnten entwerfen ein anderes Bild des Fernsehverhaltens von Kindern, als populärwissenschaftliche Veröffentlichungen wie Neil Postmans "Das Verschwinden der Kindheit" (1987) und Mary Winns "Die Droge im Wohnzimmer" (1979), die die Beziehung zwischen Kind und Fernsehen als trancegleiche Passivität beschreiben. Obwohl Kinder aus Sicht kulturwissenschaftlicher Forschung keineswegs als 'unfertige' Menschen den negativen Einflüssen schutzlos ausgeliefert erscheinen, werden ihre Ergebnisse häufig zum Anlas, aufgrund der Gefahren von Gewaltdarstellung Maßnahmen der Medienpädagogik zu intensivieren. Exemplarisch seien hier die Ergebnisse einer deutschen Variante kulturwissenschaftlicher Medienforschung (Charlton und Neumann-Braun 1992) sowie

Die Definition des Problems in der Medienforschung

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eine australische Studie aus dem Feld der Cultural Studies vorgestellt (Palmer 1988). Michael Charlton und Klaus Neumann-Braun berichten aus einer Längsschnittuntersuchung, die seit 1979 insgesamt 33 zwei- bis achtjährige Kinder im Umgang mit Medien beobachtet hat. Da sie mit einer sprach- und handlungstheoretischen Methodologie (Oevermann; Habermas) arbeiten, die sehr aufwendig ist, arbeiten sie mit kleinen Fallzahlen, aus denen sie typische Verlaufsmuster des Rezeptionsverhaltens gewinnen. Insgesamt 200 Rezeptionssituationen wurden aufgezeichnet, teilweise transkribiert und einzelne Situationen sequenzanalytisch rekonstruiert. Ihre Ergebnisse belegen, dass Kinder sich gezielt solchen Medieninhalten zuwenden, die ihre eigene "Thematik"16 ansprechen. Kinder regulieren die Intensität der Auseinandersetzung mit Themen durch Pausieren oder Abbruch einer Medienrezeption. Sie entwickeln bedürfnisspezifische Lesarten, auch entgegen der 'objektiven' Lesart. Insgesamt zeigten sich die untersuchten Kinder "sehr kompetent und selbstverantwortlich auch im Umgang mit bedrohlichen Medienaussagen" (Charlton und Neumann-Braun 1992: 22). Im Rahmen der Cultural Studies versucht man, die Rezeptionssituation nicht als Einwegkommunikation von Informationen und Effekten zu konzeptualisieren, sondern als einen Kommunikationsprozess, in dem die eigenen Definitionen und Erfahrungen von Rezipienten beim Fernsehen berücksichtigt werden (vgl. Hall 1996). Die Ergebnisse weisen insgesamt darauf hin, dass sich Kinder genau wie Erwachsene - keineswegs dem Medium hilflos ausliefern, sondern einen aktiven und bewussten Umgang mit Fernsehen haben. In einer australischen Studie (Palmer 1988) wurden mit einem dreistufigen Untersuchungsdesign 8 bis 9jährige und 11 bis12jährige Schulkinder auf ihren Umgang mit Fernsehen hin untersucht. Mit 64 Kindern wurden offene Interviews geführt, 23 wurden zu Hause einen Tag lang beim Fernsehen beobachtet und abschließend wurden die qualitativ erhobenen Ergebnisse quantitativ abgesichert, indem 486 durch Zufallsstichprobe ausgewählte Kinder einen pädagogisch vorbereiteten Fragebogen zu beantworten hatten. Als Ergebnis wird festgehalten, dass Kinder eindeutige Programmvorlieben haben, die sie auch sehr genau benennen können: Neben bestimmten Sendungen wurden als Genre Cartoons, Spielfilme und bei der älteren Gruppe auch Serien, darunter vor allem Science-Fiction Serien, genannt. Kinder assoziieren
16

Der "Themen"-Begriff ist der psychologischen Persönlichkeitsforschung entnommen und bezeichnet die Anforderung einer wahrgenommenen Situation (Medien) im Zusammenhang mit persönlichen Erfahrungen und Bedürfnissen in ähnlichen Situationen (Rezipienten).

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Das Problem der Mediengewalt

vor allem ihre bevorzugten Programme, bei denen sie Vergnügen empfinden, mit dem Fernsehen. Diese Verbindung von Vergnügen und Fernsehen wird in Untersuchungen über Kinder und Fernsehen oft nicht berücksichtigt. Kinder selbst sind sich dieser Diskrepanz zwischen der eigenen, positiven, Meinung und den vornehmlich negativen Ansichten von Erwachsenen über Fernsehen sehr bewusst (Palmer 1988: 143). Das Fernsehverhalten der Kinder war sozial17 in zweierlei Hinsicht: Erstens, die Art wie Kinder sich aufs Fernsehen bezogen war immer Bestandteil ihres sonstigen alltäglichen Sozialverhaltens und nicht passiv. Zweitens, Fernsehen war oft Teil der Beziehungen innerhalb der Familie. Die Kinder versuchten möglichst mit anderen gemeinsam fernzusehen und ihr Vergnügen zu teilen oder auch Dritte als Live-Publikum für ihre Kommentare zu nutzen. Die Aufmerksamkeit, die die Kinder dem Fernsehen schenkten war "selective and deliberate" (Palmer 1988: 150). Die Ergebnisse der kulturwissenschaftlichen Medienforschung werden insgesamt weniger vom politischen System wahrgenommen als die Beiträge der Medienwirkungsforschung. Dies hat eine Ursache darin, dass qualitative Forschung notgedrungen auf kleine Fallzahlen angewiesen ist und gegenüber den großen Samples quantitativer Studien immer dem Vorwurf mangelnder Repräsentativität ausgesetzt ist. Soweit kulturwissenschaftliche Medienforschung aber wahrgenommen wird, führt dies nicht dazu, die Wirksamkeit der Medieninhaltskontrolle (Schnitte, Sendezeitbegrenzung), wie sie die LMAs und die FSF durchführen in Frage zu stellen. Dies obwohl die Ergebnisse Zweifel an der Wirksamkeit aufkommen lassen müssen:

1.2.4 Der "Third-Person-Effect" in der Kommunikation Zuletzt soll auf ein Ergebnis eingegangen werden, das auch im Bereich der Gewaltwirkung eine reflexive Struktur des Kommunikationsprozesses berücksichtigt: Unabhängig davon, dass viele Leute eine stärkere Kontrolle von Gewalt- und Sexdarstellungen befürworten, haben dieselben Personen kein Problem damit, die betroffenen Programme selbst anzuschauen. Die Wirkung von Medienaussagen auf Dritte wird insgesamt höher eingeschätzt als ihr Einfluss
17

Das Bedürfnis, sich intensiv auf die Bildschirmgeschehnisse einzulassen, erscheint Außenstehenden oftmals unsozial, weil Kinder zeitweilig überhaupt nicht mehr ansprechbar sind. Tatsächlich konnten aber reichhaltige Formen expressiver und nichtexpressiver Formen der Interaktion von Kindern mit dem Gerät beobachtet werden: Kommentare, Selbstgespräche, Reinszenieren von Szenen u.v.m. (vgl. Palmer 145f.).

Die Definition des Problems in der Medienforschung

59

auf das eigene Verhalten. Diese Diskrepanz ist als "Third-Person-Effect" der Kommunikation bezeichnet worden (Davison 1983). Menschen tendieren dazu, den Einfluss der Massenkommunikation auf die Ansichten und das Verhalten anderer zu überschätzen. Der von ihnen erwartete Effekt auf andere kann sie dabei veranlassen, selbst zu handeln. Die Wirkung der Kommunikation ist damit nicht dem Einfluss auf das eigentliche Publikum zuzuschreiben, sondern denjenigen, die Effekte auf andere zu beobachten glauben oder diese erwarten. Das Phänomen des Third-Person-Effects in der Medienkommunikation hat sich in Untersuchungen unterschiedlichster Bereiche bestätigt: Sowohl bei der Beurteilung fiktionaler Programme wie Serien oder Pornographie (Thompson et al. 1990), als auch in der politischen Berichterstattung über Demonstrationen oder in der Partei- und Produktwerbung. Auch für jugendschutzrelevante Programme ("X-rated programs") ist der Effekt bestätigt worden (Hoffner et al. 1999; Gunther 1995). Albert C. Gunthers Untersuchung basierte auf einer repräsentativen Telefonumfrage von 648 Erwachsenen in den Jahren 1989 und 1990. Die Untersuchungshypothesen lauteten erstens, bei den Befragten bestehe ein "perceptual bias", der den Glauben beinhalte, dass andere durch Medien stärker beeinflusst werden als sie selbst. Die zweite Hypothese folgert daraus, je größer dieser perceptual bias, desto mehr werden als Reaktion darauf verschärfte Zensurmaßnahmen unterstützt. Im Ergebnis zeigte sich, dass tatsächlich 61 Prozent der Befragten davon ausgingen, andere seien den Gefahren der Medienkommunikation stärker ausgesetzt als sie selbst. Zu dieser Auffassung neigten insbesondere Personen mit höherem Bildungsniveau (Gunther 1995: 35). Auch die zweite Hypothese wurde bestätigt: Die vorgefasste Meinung eines negativen Einflusses auf Dritte korrelierte mit der Befürwortung von Zensurmaßnahmen. (ebenso Hoffner et al. 1999). Einschränkend muss erwähnt werden, dass lediglich Meinungen erfasst werden, die noch nichts über das tatsächliche Verhalten aussagen. Aber selbst wenn der Einzelne in seinen Handlungen nicht seiner erklärten Meinung folgt, gewinnt die entstehende öffentliche Meinung Einfluss auf das politische System und die Gesetzgebung. Bestätigung findet der Third-Person-Effect auch darin, dass bei Befragungen von Zuschauern der hohe Gewaltgehalt von Fernsehprogrammen zwar fast immer genannt wird, dass Zuschauer aber dennoch große Schwierigkeiten haben, sich an einzelne Beispiele zu erinnern, bei denen sie dargestellte Gewalt innerhalb des Kontexts als fragwürdig empfunden haben (Morrison 1993). Die Forderungen nach einer Zensur von Sex- und Gewaltdarstellungen erscheinen durch den Nachweis eines Zusammenhangs zwischen dem Third-Person-Effect

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Das Problem der Mediengewalt

und der Befürwortung von Zensurmassnahmen in einem anderen Licht. Zensurbefürworter fühlen sich selbst vor negativen Einflüssen sicher, während Kinder und Jugendlich oder 'die Öffentlichkeit' (vgl. Davison 1995: 14) vor ihnen geschützt werden muss.

1.2.5 Schlussfolgerung Der Stand der Medienforschung im Hinblick auf die negativen Folgen von Gewaltdarstellung lässt sich weder mit Nein noch mit Ja beantworten. Im Licht heutiger Erkenntnisse könnte man behaupten, dass es sich dabei um die falsche Fragestellung handelt. Es wäre aber falsch zu behaupten, die Medienforschung habe in ihrem Bemühen, befriedigende Antworten auf die Gewaltfrage zu finden, keinen Erkenntnisfortschritt erreicht. Es bleibt allerdings die Frage, ob das Bemühen im Ausmaß von "industrial proportions" (Morrison 1993: 124) in einem angemessenen Verhältnis zu diesen Ergebnissen steht. Die Erweiterung des Forschungsinteresses im Hinblick auf die emotionalen Effekte von Fernsehen haben die Lösung des Gewaltproblems dabei eher erschwert, als erleichtert. Viele Eltern sind besorgt, wenn ihre Kinder emotionalisiert werden durch Medienangebote. Die Ergebnisse der Forschung legen dabei nahe, dass gerade diejenigen Eltern beruhigt sein können, deren Kinder durch gewalthaltige Programme gefühlsmäßig besonders erschüttert werden: "There is more reason for concern if children let program violence roll off them like water off a duck's back" (van der Voort 1986: 341). Das Dilemma ist jedoch, dass diejenigen Kinder, die gefährdeter sind für die Effekte von Gewaltdarstellung, in der Regel Eltern haben, die sich weniger um sie sorgen oder sorgen können:
This finding casts doubts upon projects aiming at having parents help their children acquire and use critical viewing skills. These projects may very well reach those parents that need them least (van der Voort 1986: 342).

In der Medienwirkungsforschung, die nicht auf die Gewaltfrage fokussiert ist, herrscht eine Tendenz, weg von strikten Kausalmodellen hin zu Ansätzen, die die Einstellungen von Individuen und die Rolle der Medien als Formgeber öffentlicher Meinung berücksichtigen. Annahmen speziell über Gewaltwirkungen sollten kompatibel sein mit diesen allgemeinen Entwicklungen in der Theorie. Reflexive Kommunikationsstrukturen wie die Rolle des 'Third-Person-Effects' für die Mediengewaltdebatte sind von der deutschen Gewaltwirkungsforschung

Die Definition des Problems in der Medienforschung

61

bislang unberücksichtigt geblieben.18 Die aus den eigenen Reihen der Medienwirkungsforschung geäußerte Kritik einer mangelnden theoretischen Einbettung (vgl. Deutsche Forschungsgemeinschaft 1986; Merten 1994: 296) trifft damit insbesondere auf den Teilbereich der Gewaltwirkungsforschung zu. Die eher kulturwissenschaftlich orientierte Medienforschung kann demgegenüber auf eine bessere theoretische Ausarbeitung des Verhältnisses von Medien und Rezipient verweisen. Aus den Ergebnissen der kulturwissenschaftlichen Forschung wird die Notwendigkeit medienpädagogische Maßnahmen abegeleitet. In Deutschland hat es in den letzten Jahren - auch von seiten der LMAs und der FSF - zahlreiche medienpädagogische Initiativen gegeben. Solche Initiativen sind jedoch mit dem Dilemma konfrontiert, dass gerade diejenigen mit medienpädagogischen Maßnahmen erreicht werden, die es am wenigsten brauchen. Im Rahmen der Medienwirkungsforschung lässt sich eine Antwort auf die Gewaltfrage nur unter vielfachen Einschränkungen und zahllosen zusätzlichen Bedingungen geben. Angesichts dieser Lage müsste von der Theorie die Vorannahme einer linearen Kausalität zwischen Mediendarstellung und menschlichem Verhalten eigentlich aufgegeben werden. Der im Ergebnis unbefriedigende Stand der Medienwirkungsforschung wird daher auf das Festhalten am Stimulus-Response-Modell zurückgeführt (Merten 1994: 296). Aus wissenschaftstheoretischer Sicht kann die Medienwirkungsforschung aufgrund dieses Festhaltens am Reiz-Reaktions-Schema als Theorie mit degenerativem Programm gekennzeichnet werden: Der nomologische Kern der Theorie eines linearen Kausalzusammenhangs zwischen Medieninhalt und menschlichem Verhalten wird durch zusätzliche Annahmen über intervenierende Variablen immer weiter aufgelöst. Die Behauptung der Kausalität wird als solche jedoch aufrechterhalten, um den allgemeinen Theorieanspruch nicht zu gefährden. Die Gesetzgebung war und ist folgenreich auf die Eingaben seitens der Wissenschaft angewiesen. Im nächsten Abschnitt wird untersucht, wie die Rechtssetzung mit der problematischen Situation verfahren ist, dass seitens der Wissenschaft hinsichtlich der Gewaltwirkungsfrage keine verlässlichen Ergebnisse vorliegen.

18

In Großbritannien gehören Zuschauerbefragungen dagegen zum Standard der Broadcasting Standards Commission (BSC).

62

Das Problem der Mediengewalt

1.3

Die Definition des Problems durch das Recht

In der Rechtssetzung und -sprechung wird diejenige Problemdefinition geprägt, die in der Folge größte Relevanz für die Verfahren der Rundfunkkontrolle entwickelt. Das Recht stellt eine Form politischen - und auch symbolischen - Diskurses dar. Dies wird am Beispiel des Gewaltproblems besonders offensichtlich. Ob es sich um die symbolische Behandlung einer Problematik oder um die rechtliche Regulation mittels erheblicher Strafandrohungen handelt - keinesfalls durchläuft ein öffentlich als regelungsbedürftig erkanntes Problem den Prozess der Rechtssetzung unverändert. Rechtssetzung stellt einen sozialen Definitionsprozess ersten Ranges dar, in dem andere Problemsichten unterdrückt oder zumindest ihrer Realisierungschance beraubt werden. Recht ist damit ein entscheidender Mechanismus in der Definition und der Lösung öffentlicher sozialer Probleme (Gusfield 1981: 113). Das empirische Phänomen der Gewaltdarstellung muss im Recht innerhalb eines normativ auf Geschlossenheit beruhenden Sinnsystems erfasst werden. Im Rechtssystem geht es darum, empirische Problemzusammenhänge in Übereinstimmung mit ihren übrigen Regelungszusammenhängen zu erfassen. Dies führt im Kontakt mit dem Rechtssystem aus alltagsweltlicher Sicht oftmals zu Gerichtsurteilen, die eben nicht an alltäglichen Maßstäben von 'Gerechtigkeit' oder 'Schuld' zu messen sind. Das macht es mit Gerichten unerfahrenen Menschen manchmal schwer, solche Gerichtsurteile zu akzeptieren. Das Rechtssystem ist vorrangig an der Kohärenz seines Regelungszusammenhangs orientiert und nicht an der Sinnhaftigkeit der Alltagswelt. Der erste Schritt einer juristischen Beurteilung ist immer, einen dokumentierten empirischen Problem- oder Handlungszusammenhang innerhalb des Sinnsystems Recht zu erfassen bzw. in dieses zu überführen. Beim Übertrag des Problems der Gewaltdarstellung sind ganz allgemein nicht nur Verfassungsrecht, Strafrecht, die Jugendschutzgesetze und die Rundfunkgesetzgebung, sondern im Hinblick auf die Regulationsorganisationen auch das Verwaltungsrecht betroffen. Die juristische Problemerfassung darf nicht zu Widersprüchen innerhalb der Regelungsvorgaben dieser unterschiedlichen Rechtsbereiche führen. Im folgenden geht es darum, die Rechtsauffassung des Problems zu rekonstruieren. Welche Aspekte des empirischen Phänomens werden durch die Rechtssetzung hervorgehoben, welche vernachlässigt? Wie ist das Recht an der Definition des Problems 'Mediengewalt' und den gesellschaftlichen Problemlösungsstrategien, die sich entwickelt haben, beteiligt? Dabei interessiert, wieweit die juristische Problemerfassung mit Hilfe (medien-)wissenschaftlicher Exper-

Die Definition des Problems durch das Recht

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tise geschieht und insbesondere, welche Aspekte Berücksichtigung gefunden haben: Bleibt die kognitive Struktur der Kausalität in den juristischen Regelungszusammenhängen, die den sozialschädlichen Gefahren des Fernsehens vorbeugen sollen, erhalten? Obwohl gerade das einfache kausale Medienwirkungsmodell für die unbefriedigenden Ergebnisse der Gewaltwirkungsforschung verantwortlich gemacht werden kann? Einen weiteren Hintergrund bildet die Frage nach denjenigen gesellschaftlichen Gruppen, die sich letztlich als die erfolgreichen, das heißt als die wirklichkeitsbestimmenden Definierer des Problems erweisen: Medien- und Kommunikationswissenschaft oder Rechtswissenschaft? Bei Gewalt- und Sexdarstellung geht es offensichtlich immer um Fragen sowohl der individuellen wie der kollektiven Moral und des Geschmacks. Das Recht transportiert diese Moral in seinen Regelungszusammenhängen orientiert an den Werten der Gemeinschaft. Diese normativen Grenzen können in der Rechtssetzung aber nicht festgesetzt werden, da sowohl die individuelle wie die kollektive Moral einem Wandel unterliegen. Rechtsbegriffe, die diesen normativen Rahmen beschreiben, müssen also zwangsläufig auslegungsbedürftig bleiben (Kreile und Detjen 1994: 78). Dabei, so wird aus rechtswissenschaftlicher Sicht betont, kommt den Verfahren, durch die diese Rechtsbegriffe ausgelegt und verwendet werden, eine um so stärkere Bedeutung zu (Kreile und Detjen 1994: 78). Die erste hier vertretene Hypothese lautet nun, dass selbst durch eine im Sinne prozeduralen Rechts in einem flexiblen Rahmen gehaltene Rechtssetzung die vermutete Ursache und damit auch die Lösung des Problems der Gewaltdarstellung festgeschrieben werden. Der Kausalitätszusammenhang, der in bestimmten Aspekten der Mediendarstellung die Problemursache und folglich bei inhaltlichen Schnitten solcher Szenen die Problemlösung sieht, wird zu einer selbstverständlichen Voraussetzung der auf die Problembeseitigung zielenden Maßnahmen. Die zweite Hypothese ist, dass die ausschließliche Wahrnehmung des Mediengewaltproblems unter dem Aspekt des Jugendschutzes, die für Deutschland kennzeichnend ist, auf die rechtliche Problemerfassung zurückzuführen ist. Ein Erwachsenenschutz im Sinne eines allgemeinen Zuschauerschutzes wird in Deutschland nicht diskutiert, obwohl die Voraussetzungen durchaus gegeben wären. Demgegenüber wird der Medienpädagogik erhöhte Bedeutung beigemessen, obwohl durch medienpädagogische Maßnahmen erwiesenermaßen gerade die Gruppe gefährdeter Jugendlicher sowie ihrer Eltern nicht erreicht werden.

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Das Problem der Mediengewalt

Im Prinzip gäbe es durchaus Alternativen zu den bestehenden Maßnahmen, die zumindest ebenso gut dazu beitragen könnten, die vom Gesetzgeber formulierte Zielvorgabe zu realisieren, die Integration der Gemeinschaft und den öffentlichen Frieden zu sichern (Deutscher Bundestag 1984, Drucksache 10/2546). Das könnte beispielsweise eine Zuschauerforschung sein, die sich nicht an Einschaltquoten, sondern an den Interessen und Bedürfnissen von Rezipienten ausrichtet, oder die Möglichkeit für Zuschauer, sich über das Programmgeschehen beschweren zu können. Das Zustandekommen solcher Alternativen wird aber durch den selbstverständlich angenommenen Kausalzusammenhang und die Betonung des Jugendschutzaspekts verhindert.

1.3.1 "Wirkungsrisiko" und "Jugendschutz" als Ansatzpunkte Die Rechtsquellen für die Rundfunkordnung umfassen die Mediengesetzgebung der Länder19 und darüber hinaus maßgeblich die den Rundfunk betreffenden Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG), die die wesentlichen Richtlinien für die Landesgesetzgebung vorgeben. Zentral für die rundfunkrechtliche Regelung der Gewaltproblematik ist der § 3 Rundfunkstaatsvertrag (RfStV) "Unzulässige Sendungen, Jugendschutz"20, in den die nicht rundfunkspezifischen Gesetze des Strafgesetzbuchs und die Jugendschutzgesetze durch Verweis und Inhaltsangleichung übernommen wurden. Anhand ausgewählter Kommentare zum Strafgesetzbuch (StGB), dem RfStV und der Rechtssprechung des BVerfG, wird untersucht, welche empirischen Annahmen aus der Medienforschung die juristische Problemdefinition geprägt haben. Welche wissenschaftlichen Ergebnisse stützen einerseits die Maßnahmen zur Gewährleistung der demokratischen Funktion des Fernsehens und andererseits der Eindämmung der vom Fernsehen ausgehenden Gefahren? Durch den 1973 in Kraft getretenen § 131 StGB Gewaltdarstellung, der bestimmte Formen von Gewaltdarstellung unter Strafe stellt, entsteht eine Verbindung zwischen Medienrecht und Strafrecht, da die Formulierungen des Strafrechts in die Rundfunkgesetzgebung übernommen wurde. Der § 3 RfStV sieht

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Das sind neben den Landesmediengesetzen (LMGs) die Pressegesetze der Länder, die Rechtsgrundlagen für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk in den Landesgesetzen und die Staatsverträge der Länder. Genau: "Staatsvertrag über den Rundfunk im vereinten Deutschland. Artikel 1 Rundfunkstaatsvertrag" vom 31.08.1991, in Kraft getreten am 01.01.1992, zuletzt geändert durch den Vierten Rundfunkänderungsstaatsvertrag vom 16.07 bis 31.08.1999, gültig ab 01.04.2000.

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ein absolutes Sendeverbot für Sendungen vor, die den Tatbestand § 131 StGB erfüllen:
"Wer Schriften (§ 11 Abs. 3), die grausame oder sonst unmenschliche Gewalttätigkeiten gegen Menschen in einer Art schildern, die eine Verherrlichung oder Verharmlosung solcher Gewalttätigkeiten ausdrückt oder die das Grausame oder Unmenschliche des Vorganges in einer die Menschenwürde verletzenden Weise darstellt" oder durch Rundfunk verbreitet, kann mit einer Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe bestraft werden (§ 131 StGB Abs. 1 und 2).21

Der § 131 StGB stellt nicht die Darstellung von Gewalt schlechthin unter Strafe, sondern verlangt eine Auslegung der Intention dieser Darstellung: Sie muss eine "Verherrlichung oder Verharmlosung" ausdrücken oder in einer "die Menschenwürde verletzenden Weise" erfolgen. Über Wirkungen trifft der Gesetzestext keine Aussagen.22 Für die Verfolgung dieses Straftatbestands sind die Staatsanwaltschaften zuständig.23 Die 1973 an der Gesetzesnovellierung des § 131 StGB beteiligten Bundespolitiker haben in der Frage, ob Mediengewalt reale Gewalt bewirkt, im wesentlichen über denselben Wissensstand verfügt, wie sie es heute täten. In der Zusammenfassung der Ergebnisse der 1971 vom wissenschaftlichen Dienst des Bundestages erstellten Dokumentation heißt es:
Gewaltdarstellungen, wenn sie beim Zuschauer auf bestimmte Prädispositionen treffen, [können] zum handlungsauslösenden Moment für kriminelles Verhalten werden ... Gewaltdarstellungen der Medien sind insoweit also nicht alleinige Ursache für kriminelles Verhalten, aber sie gehen nachweislich als einer von mehreren Faktoren in den Wirkungszusammenhang ein ... Noch nicht mit Sicherheit geklärt werden konnte die Frage, ob Mediengewalt generell, d.h. auch ohne Hinzutreten weiterer Faktoren aggressive Tendenzen der Zuschauer stimuliert (Deutscher Bundestag 1971: 16).
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Dies gilt nicht, "wenn die Handlung der Berichterstattung über Vorgänge des Zeitgeschehens oder der Geschichte dient" oder, "wenn der zur Sorge für die Person Berechtigte handelt" (§ 131 Abs. 3, 4 StGB). Bei Gewaltdarstellung im Zusammenhang mit Pornographie kann auch § 184 Abs. 3 StGB zur Anwendung kommen: "Wer pornographische Schriften (§ 11 Abs. 3), die Gewalttätigkeiten ... zum Gegenstand haben", verbreitet, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft. Formulierungen wie "grausam", "unmenschlich", "Verherrlichung" oder "Verharmlosung" sind auslegungsbedürftig und gehören damit zu den sogenannten unbestimmten Rechtsbegriffen. Im Hinblick auf solche Formulierungen gegenüber dem verfassungsrechtlich formulierten Bestimmtheitsgebot (Art. 103 Abs. 2 GG) sind rechtswissenschaftlich Bedenken geäußert worden (vgl. Schulz 1993: 353f.; Schönke et al. 1997: 1117f., Rz. 2). Das BVerfG hat dem § 131 StGB in einem Urteil vom 20.10.92 jedoch hinreichende Bestimmtheit bescheinigt (BVerfGE 87, 209 - "Tanz der Teufel"). Vgl. als Beispiel den Einstellungsbeschluss des Ermittlungsverfahrens der Kölner Staatsanwaltschaft gegen RTLplus aufgrund der Ausstrahlung von insgesamt 10 Spielfilmen zwischen 1991 und 1993, darunter "Rambo II - Der Auftrag"(JMS-Report, 1, 1995: 7-9).

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Das Problem der Mediengewalt

Bis heute, also rund 25 Jahre später, ist der Nachweis eines kausalen Zusammenhangs zwischen Gewaltdarstellung und Gewaltausübung - ohne das Vorhandensein zusätzlicher Faktoren wie zum Beispiel der psychischen Disposition als dem eigentlich auslösenden Faktor - nicht erbracht. Der Gesetzgeber musste also davon ausgehen, dass Zusammenhänge zwischen Gewaltdarstellung in Film und Fernsehen und später begangener Gewalttätigkeit nicht wissenschaftlich einwandfrei belegt sind (Deutscher Bundestag 1972, Drucksache VI/3521: 5; Rudolphi et al. 1978: 41 Rz. 2). Nach dem Stand der Wirkungsforschung sei jedoch von einer mindestens möglichen, das heißt nicht auszuschließenden Verstärkung einer latent vorhandenen Aggressionsbereitschaft und damit der Auslösung sozialschädlicher Folgen auszugehen. An dieses "Risiko" hat der Gesetzgeber bei dem strafrechtlichen Verbot angeknüpft (Rudolphi et al. 1978: 40, Rz. 2; Jescheck et al. 1988: 80, Rz. 1). Der Zweck des Gesetzes, bzw. das Normziel, war dabei von Beginn auch als "plakative Mißbilligung" exzessiver Gewaltdarstellung gedacht, die über die Grenze der möglichen Rechtsanwendung hinaus ein Signal gegen zunehmende Brutalisierungstendenzen in der Gesellschaft setzen soll (Deutscher Bundestag 1973, Drucksache 7/514: 4; 1984, Drucksache 10/2546: 22; Rudolphi et al. 1978: 41, Rz. 2). Geschütztes Rechtsgut ist damit abgesehen von der individuellen Komponente vorrangig der öffentliche Friede und den Schaden auf das Zusammenleben in der Gemeinschaft abzuwenden (Deutscher Bundestag 1984, Drucksache 10/2546: 21; Jescheck et al. 1988: 80, Rz. 2). Daneben wird spezifisch nicht nur der Jugendschutz, sondern auch der Schutz Erwachsener bezweckt (Löffler 1973: 17; Deutscher Bundestag 1984, Drucksache 10/2546: 21). Die geringe Strafandrohung von nur einem Jahr bei einem Verstoß gegen § 131 StGB - eine geringeres Strafmaß kennt das StGB nicht - sowie die "plakative Mißbilligung", die der Gesetzgeber mit dem § 131 StGB bezweckte, verweisen auf die symbolische Funktion der Strafrechtsnorm. Das Rechtssystem hat mit der Einführung des § 131 StGB das getan, was das politische System von ihm erwartet hat: eine symbolische Beschäftigung mit dem Thema. Im Hinblick auf die absehbaren Beweisschwierigkeiten wurde der Tatbestand bewusst nicht an Folgen wie tatsächliches Auslösen von Gewalttätigkeit oder sozialschädliche Verrohung geknüpft. Der Tatbestand wird als "Risikodelikt" eingestuft und das heißt:
[N]ach dem Stand der einschlägigen Wissenschaft [kann] lediglich nicht ausgeschlossen werden ... , daß doch Kausalgesetze existieren, denen zufolge sie sozialschädliche Wirkungen unter bestimmten Voraussetzungen auslösen (Rudolphi et al. 1978: 42, Rz. 3; Jescheck et al. 1988: 80, Rz. 2).

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Das mit der Strafandrohung angestrebte Ziel ist den Kommentaren zufolge vorrangig der öffentliche Friede und der Schutz der Allgemeinheit, aber nicht die Verhinderung der Gewalttätigkeit Einzelner - wiederum ein Hinweis auf die symbolische Funktion der Rechtsnorm. Jenseits dessen ist festzuhalten, dass Rechtspolitiker und Rechtskommentare in der Behandlung des Sachverhalts übereinstimmend von einem Wirkungsrisiko ausgehen. Welche Annahmen bestimmen die Anwendung des Gesetzes durch die Staatsanwaltschaften und Gerichte? In der Praxis ist man im Unterschied zur Interpretation der Kommentare durchaus gezwungen, Urteile aufgrund der Einschätzung spezifischer Wirkungen zu treffen: Ist beispielsweise der Film "Rambo II - Der Auftrag", der am 17.02.1992 um 23.10 Uhr und in der Wiederholung um 2.25 Uhr morgens von RTL ausgestrahlt wurde, geeignet, Jugendliche "sittlich schwer zu gefährden"?24 Eine Einschätzung dieser Frage muss unter der Voraussetzung eines bestehenden Kausalzusammenhangs erfolgen. Erschwert wird die Anwendung des einfachen Gesetzesrechts durch die Gerichte dann nicht nur durch ein fehlendes Wissen über diese Wirkzusammenhänge, sondern auch durch die notwendige Berücksichtigung des Verfassungsrechts und der dort geforderten komplizierten Abwägung zum Beispiel zwischen Kunstfreiheit und Jugendschutz. Die daraus resultierenden Unsicherheiten und Unwägbarkeiten führen dann tatsächlich nur äußerst selten zu Verurteilungen durch die Gerichte.25 Einerseits wird die Kausalitätsannahme nun durch das Rechtssystem stabilisiert, indem von einem "Wirkungsrisiko" ausgegangen wird. Andererseits wird diese Kausalitätsannahme aber durch das Verfassungsrecht auch wieder relativiert. Das für den demokratischen Bestand einer Gesellschaft äußerst hohe Risiko der Maßnahmen, die auf einer Kausalitätsannahme zwischen Medieninhalt und menschlichem Verhalten beruhen, wird insbesondere durch das Verfassungsrecht auf ein Feld verwiesen, wo entsprechende Maßnahmen kaum Schaden anrichten können: auf den Jugendschutz. Die Zuständigkeit des BVerfG im Hinblick auf die Gewaltproblematik beruht auf Art. 5 GG :

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Einstellungsbeschluss der Kölner Staatsanwaltschaft gegen RTLplus (JMS-Report, 1, 1995: 7-9). Nach dem Erlass des Gesetzes kam es zwischen 1974 und 1983 insgesamt nur zu 22 Verurteilungen nach § 131 StGB (Deutscher Bundestag 1984, Drucksache 10/2546: 21; vgl. Lackner et al. 1997: 678, Rz. 1).

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Das Problem der Mediengewalt 1 Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt. 2 Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre. 3 Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.

Gewährleistet wird das Recht auf freie Meinungsäußerung in zweifacher Hinsicht. Für die Rundfunkveranstalter bedeutet sie Programmfreiheit, das heißt die Freiheit zu senden, was sie wollen und was nicht. Die Rezipienten haben das Recht auf Informationsfreiheit (Art. 5 GG Abs. 1). Eingeschränkt werden Programm- und Informationsfreiheit in Bezug auf Gewaltdarstellung insbesondere durch das StGB und die Jugendschutzgesetze (Art. 5 GG Abs. 2). Darüber hinaus hat auch Absatz 3, der die Kunstfreiheit sichert, Bedeutung für die Kontrolle von Gewaltdarstellung, da auch Fernsehsendungen Kunst darstellen können.26 Schließlich kommt in der Gewaltproblematik noch der in Art. 1 GG formulierte Schutz der Menschenwürde "als der Mittelpunkt des Wertsystems der Verfassung" zum tragen (BVerfGE 35, 202 (225)). Die Verletzung der Menschenwürde durch Gewaltdarstellung wurde 1985 in den Tatbestand des § 131 StGB und damit später auch in den RfStV übernommen (vgl. Deutscher Bundestag 1984, Drucksache 10/2546). Diese Erweiterung des § 131 StGB muss aber wohl genauso wie seine ursprüngliche Fassung aus dem Jahr 1973 als symbolische Regelung aufgefasst werden, weil die Änderung die Zugriffsmöglichkeiten auf problematische Darstellungen weder konkretisiert noch erleichtert hat. Die Feststellung dieses Tatbestands hat sich als ebenso schwierig erwiesen wie die Beurteilung einer durch die Sendung beabsichtigten "Verherrlichung oder Verharmlosung" von Gewalt (vgl. Gottberg 1995: 7). Weiter einschränkend hat das BVerfG klargestellt, dass Gewalttätigkeit in Filmen für sich genommen die Menschenwürde nicht verletzt; es könne auch "weder die Häufung noch die aufdringliche und anreißerische Darstellung von Gewalttätigkeit für sich allein den Tatbestand erfüllen" (BVerfGE 87, 209 (229)). Es reicht nicht aus, dass die
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Aus jugendschützerischer Sicht wurde von seiten der LMAs eine in der Rechtswissenschaft vertretene Position aufgegriffen, dass die Kunstfreiheit nichts anderes sei als ein Sonderfall der Meinungsfreiheit, daher seien die Schranken des Jugendschutzes auch hier anzuwenden: "Würde diese Auffassung zutreffen, wäre unsere Arbeit im Jugendschutz erheblich leichter, weil man dann unmittelbarer sagen könnte, die Kunstfreiheit finde ihre Schranke im Jugendschutz" (Rödding 1994: 333). Das BVerfG ist dieser Auffassung jedoch nicht gefolgt (Herkströter 1992; BVerfGE 30, 173 (191f.); 33, 52 (70f.); 35, 202 (244)).

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Darstellung die Würde eines oder mehrerer bestimmter Menschen verletzt, da es immer die Würde eines Menschen berühre, Gewaltopfer zu sein. Die Darstellung muss hingegen den Eindruck erwecken, die Verletzung der Menschenwürde durch Gewalt sei ein normaler, erlaubter Akt, das heißt die Darstellung muss gegen die Würde des Menschen schlechthin gerichtet sein (BVerfGE 87, 209 - "Tanz der Teufel"). Das BVerfG sieht seinen Auftrag darin, zu untersuchen, ob die angefochtenen Entscheidungen auf einer grundsätzlich unrichtigen Auffassung von der Reichweite und Wirkkraft eines der geltend gemachten Grundrechte beruhen oder ob das Entscheidungsergebnis selbst ein solches Grundrecht verletzt (BVerfGE 35, 202 (219)).

Das BVerfG ist daher gemeinhin nicht dafür zuständig, die Auslegung und Anwendung einer Rechtsvorschrift durch die Gerichte als solche zu überprüfen. Für das Rundfunkrecht und die Gewaltproblematik gewinnt die Rechtssprechung des BVerfG aber herausragende Bedeutung, da hier mit Art. 5 GG sehr grundrechtssensible Bereiche betroffen sind. Das BVerfG geht daher in Bezug auf seine Prüfung der Verletzung der in Art. 5 GG formulierten Grundrechte sehr weit und entgegen seiner offiziellen Diktion zum Teil bis in die Einzelheiten der Normauslegung. Die eigenen Feststellungen des BVerfG sowie die Anhörung von Sachverständigen, die das Gericht als Grundlage seiner verfassungsrechtlichen Beurteilung macht (BVerfGE 35, 202 (219)), gewinnen dadurch eine weitreichende Rolle. Neben Stellungnahmen von Sachverständigen enthalten die publizierten Urteile des BVerfG auch hin und wieder Verweise auf wissenschaftliche Veröffentlichungen, obwohl die Urteile nicht immer Auskunft über die herangezogenen Quellen geben. In denjenigen Urteilen, die auf die ein oder andere Art mit der Wirkung von Medieninhalten befasst sind, gibt es nachvollziehbar nur eine einzige von einem ausgewiesenen Kommunikationswissenschaftler eingeholte Expertenmeinung: In dem Urteil um das ZDF Dokumentarspiel "Der Soldatenmord von Lebach" vom 05.06.1973 wurde als Sachverständiger aus Sicht der Kommunikationswissenschaft Professor Kurt Lüscher gehört (BVerfGE 35, 202 (216ff.)). In dem Urteil um das ZDF-Dokumentarspiel geht es vorrangig um die mögliche Verletzung der Persönlichkeitsrechte der in dem Dokumentarfilm dargestellten Personen nach einem wahrem Fall. Der Sachverständige Lüscher hebt in seiner Stellungnahme hinsichtlich der möglichen Wirkungen auf die Bestätigungshypothese ab, dass durch Mediendarbietungen bereits vorhandene Einstellungen beim Zuschauer verstärkt würden. Unter Rückgriff auf die Bestätigungshypothese, "sei es von großer Wichtigkeit zu wissen, was bestätigt

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Das Problem der Mediengewalt

werde" (BVerfGE 35, 202 (217)). Mit der Bestätigungshypothese verbunden sei das Problem der "selektiven Wahrnehmung". Damit ist die Tendenz des Zuschauers gemeint, "aus dem Kommunikationsangebot unbewußt nur die den eigenen Auffassungen oder Voreingenommenheiten entsprechenden Aussagen auszuwählen und wahrzunehmen." (BVerfGE 35, 202 (230)). Daneben spiele die Glaubwürdigkeit des Kommunikators eine ausschlaggebende Rolle, da Fernsehsendungen unter den Massenkommunikationsmitteln die größte Glaubwürdigkeit genießen (BVerfGE 35, 202 (229)). Im Kontext der Gewaltproblematik wird das Urteil dadurch relevant, dass der besondere Realitätsaspekt des Dokumentarspiels behandelt wird, das eine dem Reality-TV verwandte Sendeform darstellt. Die Sendeform des Dokumentarspiels bringe "spezifische Gefahren" mit sich wie zum Beispiel auch die Sendung "Aktenzeichen XY". Zuschauer, die nicht schon eine fixierte Auffassung zu den dargestellten Personen und Ereignissen hätten, neigten dazu, "die realistische Darstellung des Dokumentarspiels mit der Wirklichkeit zu verwechseln und die Interpretation des Geschehens durch die Sendung als richtige, objektive Bewertung zu übernehmen" (BVerfGE 35, 202 (230)). Die Bestätigungshypothese und die Gefahr der Verwechslung dargestellter und realer Ereignisse besitzen vermutlich durch diese Erwähnung einen unangezweifelten Status in der Mediengewaltdebatte. Seit dieser Sachverständigenauskunft im Jahre 1973 wurde niemals wieder explizit die Stellungnahme eines Kommunikations- oder Medienwissenschaftlers eingeholt. Durch die herausragende Bedeutung der Rechtssprechung des BVerfG gerade für das Rundfunkrecht ist Lüschers Stellungnahme daher bis heute von größter Bedeutung (BVerfGE 35, 202 (216ff., 228, 229, 230, 240)). Im Jahr 1990 in dem Urteil um den Roman "Josefine Mutzenbacher", das den Kunst- und den Pornographiecharakter des Romans gegeneinander abwägt, wurde erneut auf den 1971 eingeholten Expertenbericht zurückgegriffen (vgl. Deutscher Bundestag 1971). Dessen empirisch-wissenschaftliche Bestandsaufnahme habe gezeigt, "daß die Möglichkeit einer Jugendgefährdung durch Schriften zwar nicht erhärtet, trotz überwiegend in die Gegenrichtung weisender Stellungnahmen aber auch nicht ausgeschlossen werden kann" (BVerfGE 83, 130 (141)). Der Sonderausschuss zur Strafrechtsreform habe allerdings trotz umfangreicher Anhörung von Sachverständigen die Jugendgefährdung nicht eindeutig klären können. Bei aller Uneinigkeit sei man sich im übrigen aber einig gewesen,

Die Definition des Problems durch das Recht daß die Beurteilung der eingeholten wissenschaftlichen Stellungnahmen über mögliche Wirkungszusammenhänge von Lektüre und psychischer Entwicklung durch das Fehlen von systematischen Untersuchungen und Langzeitstudien erschwert werde (BVerfGE 83, 130 (141); vgl. Deutscher Bundestag 1972, Drucksache VI/3521: 5).

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Aus dem "Mutzenbacher"-Urteil des BVerfG spricht insgesamt eine große Vorsicht hinsichtlich der Einschätzung eines Wirkungszusammenhangs. Dennoch scheint das Gericht fast 20 Jahre nach der empirisch-wissenschaftlichen Bestandsaufnahme zur Strafrechtsreform aus dem Jahr 1971 keinen grundlegenden Zweifel gehabt zu haben, dass von einem Kausalzusammenhang auszugehen sei; nur, dass dieser auch in den vergangenen 20 Jahren aufgrund methodischer Schwierigkeiten wissenschaftlich nicht erwiesen sei. Die Argumentation auf Grundlage der erkanntermassen schwachen Ergebnisse der Medienwirkungsforschung wird auch in der rechtlichen Problemdefinition zusätzlich mit dem Jugendschutzaspekt verknüpft. So plädiert zum Beispiel Rupert Scholz für eine weitere Eindämmung gewalthaltiger Medieninhalte, weil es erforderlich sei, "aus den erkennbar gewordenen Risiken, auch wenn ihre Intensität nicht einheitlich beurteilt wird, Konsequenzen zu ziehen"; es beständen insgesamt "unkalkulierbare Risiken" (Scholz und Joseph 1993: 160). Das Argument lautet, dass zumindest die Möglichkeit bestehe, dass vor allem bei Kindern und Jugendlichen Entwicklungsschäden durch das vorhandene Fernsehangebot verursacht werden (Ring 1988ff.: C-01, 6). Die zunehmende Gewaltbereitschaft von Kindern und Jugendlichen in vielen gesellschaftlichen Bereichen verlange nach Gegenmaßnahmen (Ring et al. 1988ff.: C-01, 5). Durch seine Aufnahme in Art. 5 Abs. 2 GG gilt der Jugendschutz als Wert von Verfassungsrang (BVerfGE 83, 130 (139f.)). Maßnahmen gegen Gewaltdarstellung werden dadurch plausibilisiert, dass ein erhöhter Schutz keinesfalls schaden könne. Hinzu kommt, dass der Gesetzgeber auch dann Bestimmungen des Jugendschutzes erlassen kann, wenn nicht wissenschaftlich gesichert feststeht, dass sich eine bestimmte Art der Darstellung schädlich auf die Entwicklung von Kindern oder Jugendlichen auswirkt. Das BVerfG hat diese Frage, ob die Freiheit aus Art. 5 Abs. 1 GG durch Regelungen eingeschränkt werden dürfe, von denen nicht eindeutig feststeht, ob und wieweit sie eine reale Gefahr für Jugendliche tatsächlich beseitigen, eindeutig mit Ja beantwortet (BVerfGE 83, 130 (140ff.)).

72 1.3.2 Schlussfolgerung

Das Problem der Mediengewalt

Das Rechtssystem nimmt an der Medienwirkungsforschung vorwiegend die Widersprüchlichkeit ihrer Ergebnisse wahr. Trotz andauernder Bemühungen der Medienwirkungsforschung, das Verhältnis von dargestellter und realer Gewalt jenseits eines schlichten Stimulus-Response-Modells durch weitere Faktoren und Variablen empirisch zu bestimmen, hat dies keinen Einfluss auf die juristische Problemerfassung gehabt. Wohlgemerkt trifft dies nicht nur auf die neuere durch die Cultural Studies initiierte Forschung und auf diejenigen Ansätze zu, die sich von einem kausalen Wirkungsmodell zugunsten eines auf Sinn rekurrierenden Zusammenhangs von Medien und Realität abgewendet haben. Schwerer wiegt, dass die Ergebnisse derjenigen Forschung, die an einem Kausalmodell der Medienwirkung festhält, dabei jedoch zunehmend die Rolle der Zuschauer und der Emotionen beim Wirkungsprozess miteinbezieht - wie im Rahmen des Uses-and-Gratifications Ansatzes und der Kultivationsforschung - unberücksichtigt bleiben. So kommt es, dass die Gesetze, die auf Grundlage eines "Wirkungsrisikos" beruhen, das in der Medienforschung seit Jahrzehnten überholte einfache Reiz-Reaktions-Schema der Medienwirkung aufrechterhält und stabilisiert. Dies wiederum hat zur Folge, dass in den Regulationsverfahren zur Verminderung der Mediengewalt ausschließlich an der vermeintlich verursachenden Quelle des Übels angesetzt wird: an den Medieninhalten. Die politische Dimension dieser Ursachenbestimmung liegt darin, dass Ursachentheorien über ein Problem gleichzeitig auch politische Verantwortlichkeit zuweisen (vgl. Gusfield 1981: 16). In diesem Fall wird durch die Gesetzeslage die Verantwortlichkeit von der (Rundfunk-)Politik praktisch ausschließlich den Medienorganisationen zugewiesen, obwohl auch die Politik - über bestehende Kontrollen hinaus - weiter an der Problembewältigung mitwirken könnte. Die Stabilisierung des kognitiven Reiz-Reaktionsschemas innerhalb des Rechtssystems trägt dazu bei, dass sich dieses Kausalschema in dem gesellschaftlichen Diskurs über Mediengewalt als ein 'Masterframe der Kausalität' etablieren kann: eine Struktur, die das soziale Verhalten im Umgang mit dem Problem in allen gesellschaftlichen Bereichen maßgeblich bestimmt.

2

Die Regulation des Problems der Mediengewalt

Wie sieht die gesellschaftspolitische Reaktion auf das Problem der Mediengewalt aus? Im folgenden geht es darum, die rundfunkpolitischen Maßnahmen zu beschreiben, die auf das Mediengewaltproblem zielen, und sie in den Kontext der Rundfunkregulation insgesamt einzuordnen. Die Kontrolle von Gewaltdarstellung bildet ein typisches Regelungsfeld, so dass sich an ihrem Beispiel Rückschlüsse auf die Grundproblematik rundfunkregulatorischer Maßnahmen insgesamt ziehen lassen. Im weiteren wird die Bedeutung der organisierten Selbstkontrolle gegenüber der staatlichen Fremdkontrolle erläutert, die auf der Zensurgefahr staatlichen Eingreifens beruht. Fremd- und Selbstkontrolle werden von der Forschung gleichermaßen kritisch beurteilt. Das Scheitern der Mechanismen der Fremd- und der Selbstkontrolle wird dabei letztlich auf dieselbe Ursache zurückgeführt: Die staatlichen Regulierer tendieren zu einer Übernahme der Interessen der Regulierten, während der Selbstkontrolle diese Gefahr einer mangelnden Rollendifferenzierung zwischen Kontrolleuren und Kontrollierten bereits inhärent ist. Im Anschluss wird die Beurteilung der Rundfunkaufsicht unter hergebrachten Effektivitätskriterien problematisiert. Aus organisationsanalytischer Sicht stellt sich dann nicht die Frage, warum die regulatorischen Maßnahmen formal ineffektiv sind, sondern warum die zuständigen Regulierungseinrichtungen unverändert weiter existieren, obwohl ihnen die Forschung in historischer wie international vergleichender Sicht immer wieder und mit auffälliger Einhelligkeit mangelnde Effektivität attestiert.

2.1

Rundfunkaufsichtsaufgaben

Der internationale Vergleich belegt, dass der Schutz vor Gewaltdarstellung heute ein fester Bestandteil der Rundfunkaufsichtsaufgaben in allen westlichen Rundfunksystemen ist (vgl. Hoffmann-Riem 1996; Robillard 1995; Bertelsmann Stiftung und Europäisches Medieninstitut 1995: 465). Rundfunkaufsicht erfolgt durchgehend durch staatsunabhängige Instanzen (regulatory bodys). Sie weist

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Die Regulation des Problems der Mediengewalt

insgesamt eine organisationelle Uniformität auf. Der Vergleich über nationale und kulturelle Grenzen hinweg "uncovers structures that indicate that there are tools, procedures and effects that are typical of broadcasting supervision" (Hoffmann-Riem 1996: 6; vgl. Robillard 1995: 267). Die Kontrolle über Programme (Programmaufsicht) und die Vielfaltsicherung (Lizenzierung und Medienkonzentrationskontrolle) bilden grundsätzlich die beiden Schlüsselbereiche der Aufsicht. Alle direkt oder indirekt auf das Mediengewaltproblem zielenden Regulierungsmaßnahmen gehören in den umfassenden Aufgabenbereich der Programmaufsicht: "The power to supervise enjoys a certain uniformity throughout all regulatory bodies. It focuses mainly on program content" (Robillard 1995: 277). Insgesamt nimmt die Programmaufsicht über Medieninhalte im Rahmen rundfunkregulierender Tätigkeit einen immer größeren Raum ein (Levy 1999: 147). Die Programmaufsicht überwacht neben Gewalt- und Sexdarstellungen auch die Einhaltung von Werberichtlinien und von Quoten für Informations- oder Eigenproduktionsanteile (vgl. Robillard 1995: 277; Holgersson 1995: 16ff.). Zur Unterstützung dieser Aufgaben umfasst die Programmaufsicht darüber hinaus die Programmforschung (vgl. Breunig 1994: 574). Im Rahmen des umfassenden Aufgabenbereichs der Programmaufsicht wird das Gewaltproblem allerdings unterschiedlich benannt und verortet: Am häufigsten wird es unter dem Aspekt des Kinder- und Jugendschutzes behandelt wie in Deutschland (Hoffmann-Riem 1996: 314-317; Holgersson 1995). Der Schutz vor Gewaltdarstellung ist aber auch Bestandteil eines allgemeinen Verbraucherschutzes wie in Großbritannien (Gunter und Wober 1988; BSC 1994; Hoffmann-Riem 1996: 317f.). Auch wenn über die Sicherung der Qualität öffentlicher Kommunikation unter den Bedingungen der Kommerzialisierung des Rundfunks nachgedacht wird, ist damit immer das Ziel einer Verminderung dargestellter Gewalt verbunden (vgl. Bertelsmann Stiftung und Europäisches Medieninstitut, Hrsg., 1995: 5; Blumler, Hrsg., 1992; Hoffmann-Riem 1996: 274f.). Schließlich existieren Aufsichtsorganisationen, die gesetzlich dazu verpflichtet sind, Regeln und Kodizes aufzustellen sowie beratende und quasi-gerichtliche Aufgaben zu übernehmen (Robillard 1995: 268).27 Auch in solchen Richtlinien und Kodizes spielt das Thema Gewaltdarstellung immer eine Rolle. Die Vergabe der Lizenzen unter dem Primat der Vielfaltsicherung bildet neben der Programmaufsicht die zweite regulative Hauptaufgabe der "regulatory
27

Vgl. auch Broadcasting Standards Council (1994); Canadian Broadcast Standards Council: Voluntary Code Regarding Violence in Television Programming (www.cbsc.ca/english/codes/violence.htm).

Rundfunkaufsichtsaufgaben

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bodys". Traditionell ist die Frequenzknappheit - neben hohen Investitionskosten, die erforderlich sind, um ein Fernsehprogramm zu veranstalten - die Hauptrechtfertigung für die Notwendigkeit einer Regulation des Rundfunks. Eine derartige Rechtfertigung ist insbesondere deshalb erforderlich, da die Printmedien im Gegensatz zu Hörfunk und Fernsehen den Kräften des freien Marktes überlassen sind (vgl. BVerfGE 57, 295; Robillard 1995: VIII; Gardbaum 1993: 375; Hoffmann-Riem 1996: 6f.). Das Argument der Frequenzknappheit wird mit den durch die Digitalisierung neu entstehenden Übertragungswegen jedoch obsolet werden. Hinzu kommt, dass die Lizenzvergabe in der Regel - wie z.B. nach der Einführung des privaten Rundfunks 1984 in Deutschland - nach einer kurzen, intensiven Konsolidierungsphase abgeschlossen ist. Die Lizenzierung wird also im Rahmen der praktischen Tätigkeit der Aufsichtsorganisationen gegenüber der Programmaufsicht in Zukunft an Bedeutung verlieren. Die Konzentrationskontrolle, die das Entstehen verfassungswidriger Meinungs- und Eigentumsmonopole zu verhindern sucht, bildet eine weitere, der Lizenzierung beigeordnete Regulationsaufgabe. Maßnahmen zur Verhinderung der Konzentration im Rundfunk leiten sich jedoch zunehmend aus dem Wirtschaftsrecht ab und immer weniger aus dem Rundfunkrecht (HoffmannRiem 1996: 344f.; Marcinkowski 1993: 207). Das Ziel, publizistische und ökonomische Machtkonzentration im Rundfunk durch die Rundfunkaufsicht zu verhindern, ist - international - deutlich von einem Scheitern gekennzeichnet (vgl. Hoffmann-Riem 1996: 307f.; für die FCC Streeter 1983: 255). In Deutschland wird das Scheitern der Konzentrationskontrolle durch die Rolle belegt, die die LMAs bei der Konzentrationsentwicklung im privaten Fernsehen gespielt haben: Rückblickend haben eine Reihe relevanter Lizenzierungsentscheidungen der LMAs den intermedialen Konzentrations- und Verflechtungsprozess Ende der 80er Jahre nicht verhindert, sondern geradezu gefördert (Lange 1989: 273). Als eine Folge wurde schließlich 1997 versucht, die Konzentrationskontrolle durch das Einsetzen der "Kommission zur Ermittlung der Konzentration im Medienbereich" (KEK) aus dem Aufgabenbereich der LMAs auszugliedern.28 Auch in Deutschland zeichnet sich damit eine Tendenz ab, von der die europäische Medienpolitik bereits ganz bestimmt ist: Rundfunk wird als Ware zunehmend unter wettbewerbsrechtlichen Gesichtspunkten beurteilt, nicht mehr unter medienrechtlichen. Die Medienkonzentrationskontrolle
28

Die KEK besteht aus 5 Sachverständigen des Rundfunk- und Wirtschaftsrechts, die auf 5 Jahre berufen werden. Die KEK fällt eine abschließende Beurteilung bei der Lizenzierung bundesweiter Fernsehprogramme. Nur wenn sich die Direktorenkonferenz der LMAs (DLM) mit einer Dreiviertelmehrheit gegen dieses Votum ausspricht, ist eine Abänderung möglich.

76

Die Regulation des Problems der Mediengewalt

wird verstärkt aus dem Aufgabenbereich der Rundfunkregulation herausgelöst. Die LMAs suchen diese Entwicklung verständlicherweise zu verhindern, wie es bei Lizenzierungsentscheidungen an den Kompetenzstreitigkeiten zwischen den LMAs und der KEK deutlich wird (vgl. Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 05.02.1999: "KEK: Premiere digital und Pro Sieben genehmigt"). Nimmt man das Beispiel der Kontrolle von Gewalt- und Sexdarstellungen im Fernsehen, hat man es keinesfalls zu tun mit nur einer Tätigkeit unter vielen im Rahmen der Rundfunkaufsicht, sondern im Gegenteil mit einem typischen Regelungsfeld (vgl. Levy 1999: 148). Gleichgültig, welche Abweichungen sich in der organisatorischen Verfasstheit, den Kompetenzzuweisungen und der Umsetzung der Kontrollfunktion im internationalen Vergleich ergeben, bildet die Kontrolle von Gewaltdarstellung doch immer einen zentralen Bestandteil der Aufsichtsfunktion. Das Problem der Mediengewalt zum Gegenstand der Organisationsanalyse zu machen, ermöglicht dadurch Schlussfolgerungen in Bezug auf die strukturimmanente Problematik, die der Rundfunkregulation insgesamt unterliegt. Dies betrifft nicht nur die staatlich initiierte Aufsicht, sondern auch die insbesondere in Deutschland (vgl. Bundschuh 1999: 206) als Alternative oder Ergänzung betrachtete organisierte Selbstkontrolle.

2.2

Fremd- und Selbstkontrolle

Unter Fremdkontrolle versteht man allgemein die auf einer Gesetzesgrundlage beruhende Aufsicht durch staatliche Behörden wie durch die LMAs oder die Federal Communications Commission (FCC) in den Vereinigten Staaten. Zu den Mechanismen der Fremdkontrolle zählen darüber hinaus aber auch die Rundfunk- und Fernsehräte des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, die im Gegensatz zur externen Kontrolle durch die Landesmedienanstalten jedoch eine interne Kontrolle ausüben. Das Konzept der 'Selbst'kontrolle zielt dagegen auf Autonomie der Kontrolle gegenüber staatlichen Steuerungsansprüchen. Idealtypisch findet Selbstkontrolle mit der Zustimmung der Kontrollierten, also freiwillig statt, Fremdkontrolle dagegen unabhängig von deren Zustimmung. In Deutschland haben die im "Verband Privater Rundfunk und Telekommunikation" (VPRT) organisierten privaten Fernsehanstalten im November 1993 die Freiwillige Selbstkontrolle Fernsehen (FSF) gegründet. Die FSF befasst sich ausschließlich mit Gewalt- und Sexdarstellungen, um einen besseren Kinder- und Jugendschutz zu gewährleisten. Im Vorfeld hatten Politiker glaubhaft die Drohung vermittelt, zu rechtlichen Lösungen zu gelangen, wenn die

Fremd- und Selbstkontrolle

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privaten Veranstalter nicht selbstverantwortlich Abhilfe schaffen würden. Dieser politische Druck ging vor allem von der nordrhein-westfälischen SPD und dem Bonner Familienministerium aus. Staatliche Interventionen wurden aber auch im Bundestag, unter anderem im Rechtsausschuss, diskutiert (vgl. Lilienthal 1993: 3; Gehrmann und Kostede 1993: 17). Selbst seitens der LMAs hatte man mehrfach die Einrichtung einer Selbstkontrolle gefordert (Rödding 1989: 650). Nicht nur in Deutschland, sondern international, wird als Ergänzung staatlicher Aufsicht an die Selbstverantwortung der Fernsehveranstalter appelliert, Selbstkontrolle zu üben. So hat die amerikanische FCC mehrfach die Interessenvertretung der Industrie, die National Association of Broadcasters (NAB), sowie direkt die Veranstalter darin unterstützt, im Hinblick auf Gewaltdarstellung Kodizes und Richtlinien zu formulieren, die die FCC dann zeitweise wiederum zur Grundlage ihrer eigenen Aufsicht machte (Hoffmann-Riem 1996: 33f.). Auch die australische Aufsichtsbehörde, das Australian Broadcasting Tribunal (ABT) und ihre Nachfolgeorganisation, die Australian Broadcasting Authority (ABA), haben immer wieder Druck auf die Industrie ausgeübt, ihrer Selbstverantwortung nachzukommen (Hoffmann-Riem 1996: 249f., 326; ABT 1990: 88).29 Die Bedeutung der Selbstkontrolle beruht darauf, dass in einer Demokratie die Chancen einer Regulation des Gewaltproblems durch Fremdkontrolle auf dem Hintergrund des verfassungsrechtlichen Zensurverbots eng begrenzt sind: Schriften dürfen staatlicherseits keiner systematischen Kontrolle unterworfen werden. Beim Zensurverbot ist erstens zwischen einer Vor- und einer Nachkontrolle zu unterscheiden und zweitens, ob die Kontrolle von staatlicher Seite aus oder freiwillig durchgeführt wird. Über das Verbot einer staatlichen Vorkontrolle herrscht Einigkeit im Rechtsverständnis. Jedoch sowohl im Hinblick auf eine Nachkontrolle staatlicherseits, wie sie etwa die LMAs durchführen, als auch bezogen auf eine freiwillige Vorkontrolle durch nicht-staatliche Einrichtungen, wie bei der FSF oder der FSK, sind im Rechtsverständnis immer wieder Einwände erhoben worden.30 Beide Formen erfüllen in jedem Fall das die Zensur kennzeichnende Kriterium der systematischen Prüfung.

29

30

Die von den Fernsehveranstaltern geübte Selbstkontrolle wurde dann 1992 von der australischen Regierung als unzureichend erachtet und in der Folge durch gesetzliche Regelungen ergänzt (Minehan 1993: 218). Für die Kontrolle durch die LMAs vgl. Hoffmann-Riems Argument der "Gefahr vorauseilenden Gehorsams" (Hoffmann-Riem 1994: 142); für die FSK und die nach ihrem Vorbild gestaltete FSF vgl. immer noch grundlegend Noltenius (1958).

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Die Regulation des Problems der Mediengewalt Measures to limit depictions of violence in television easily come into conflict with freedom of communication and broadcasting's duty to provide information. Even when only the 'excessive' use of violence is forbidden and the prohibition does not apply to informational programming whose depiction of violence is within the scope of the public interest, the delineation still remains difficult (Hoffmann-Riem 1996: 318).

Jegliche verschärfte Maßnahmen, die auf das Mediengewaltproblem zielen seien es Sendeverbote, eine stichprobenhafte Vorzensur, aber auch eine systematische Nachzensur - laufen Gefahr, gegen das Zensurverbot zu verstoßen und die Programmfreiheit der Rundfunkveranstalter einzuschränken.

2.3

Die Ineffektivität der Regulation

Ein Scheitern der Rundfunkregulierung "can be observed everywhere" (Hoffmann-Riem 1996: 350). Kritisch zu beurteilen ist an erster Stelle die Leistungsfähigkeit staatlicher Regulationsbehörden wie der LMAs (vgl. Hellstern et al. 1989a; 1989b; Marcinkowski 1993; Holgersson 1995) und der amerikanischen FCC (vgl. Edelman 1948; Streeter 1983; Cole und Oettinger 1978; Kleinsteuber 1993). Auf die Programmaufsicht trifft die Erfolglosigkeit in besonderem Maße zu: "Particularly in the case of program content, supervision has been relatively helpless and unsuccessful" (Hoffmann-Riem 1992: 200). Selbst wenn die Programmkontrolle durch die Gesetzgebung abgesichert ist - wie durch die Jugendschutzbestimmungen in Deutschland (§ 3 RfStV) -, bevorzugen die (staatlichen) Regulateure dennoch informelle Lösungsstrategien: Dazu gehören interne Gespräche mit den Fernsehveranstaltern oder das Formulieren von Richtlinien, die aber keine rechtliche Verbindlichkeit besitzen - ein Vorgehen, das insgesamt als "Politik der hochgezogenen Augenbrauen" bezeichnet worden ist (Hoffmann-Riem 1996: 325). Kennzeichnend dafür ist, dass bestehende formale Handlungsoptionen bei weitem nicht ausgeschöpft werden: Die LMAs verhalten sich zum Beispiel im Jugendschutz "auch dort informell, wo sie prinzipiell bürokratisch restriktiv handeln könnten" (Holgersson 1995: 171). Wie Hellstern et al. aufgrund von Gesprächen mit den Fernsehanbietern berichten, wird dabei der Effekt eines weichen Einwirkens der Regulation auf die Fernsehveranstalter von den Regulateuren "deutlich überschätzt" (Hellstern et al. 1989b: 52). Das weiche Regulationsverhalten trifft nicht nur auf den Jugendschutzbereich zu, sondern macht ein allgemeines Strukturmerkmal der Rundfunkaufsicht insgesamt aus.

Die Ineffektivität der Regulation The conflict between strict, normative specification of supervisory powers and their effectiveness is present in all media orders. In many cases, supervisory bodies have consequently begun to work with 'soft' regulations as far as possible (Hoffmann-Riem 1996: 290, vgl. 324f.).

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Die Gründe mangelnder Effektivität sind dabei immer wieder denselben Hauptursachen zugeschrieben worden: Schon in den 40er Jahren, als Murray Edelman die Lizenzpolitik der FCC untersuchte, war das Ergebnis eine Divergenz der politischen Zielvorgaben und ihrer praktischen Anwendung, also die Ineffektivität der von der FCC verfolgten Lizenzpolitik. Die Hauptursache der Ineffektivität sah Edelman darin, dass die FCC einen zu engen Kontakt mit der Industrie pflege, die sie zu regulieren habe, und dagegen den Kontakt mit Vertretern der Öffentlichkeit vernachlässige (Edelman 1948: 21; vgl. Streeter 1983). Am Beispiel der LMAs ist man gleichermaßen zu dem Ergebnis gekommen, dass die Gremienmitglieder und Direktoren sich mit den Erfolgsinteressen des privaten Rundfunks zu identifizieren pflegen (Hoffmann-Riem 1989c: 227f.), so dass die LMAs sich "immer stärker in einen Interessenverbund mit der Rundfunkwirtschaft begeben" (Hoffmann-Riem 1989c: 273). In der laufenden Kontrolle entwickele sich ein zunehmend "kooperatives Verhältnis zwischen Kontrolleuren und Kontrollierten", so dass "die faktische institutionelle Symbiose zu einer Schwächung der Kontrollkraft" führe (Hellstern et al. 1989a: XX). Als Ausweg aus dieser unbefriedigenden Situation wurde nicht nur immer wieder gefordert, die Unabhängigkeit der Aufsicht von Staat und Wirtschaft zu sichern, sondern auch, die Rundfunkaufsicht mit abgestuften und stärkeren Sanktionen auszustatten. Möglichst soll der Lizenzentzug nicht als einzige Sanktion zur Verfügung stehen und insbesondere hohe Geldbußen sollen ein wirksameres Sanktionspotential geltend machen (vgl. Hellstern et al. 1989b: 52; Bertelsmann Stiftung und Europäisches Medieninstitut 1995: 17, 476). Solche Vorschläge lassen jedoch die Tatsache außer acht, dass in der Aufsichtspraxis bereits die bestehenden Sanktionsoptionen gar nicht genutzt werden:
It is particularly evident in the field of day-to-day activities that supervisory bodies make an effort to avoid employing their formal sanctioning instruments, and if so, only as a last resort (Hoffmann-Riem 1996: 325).31

Wenn nach Maßnahmen in Bezug auf das Gewaltdarstellungsproblem gesucht wird, weist die Tendenz unter Berücksichtigung der gegenwärtig international zu beobachtenden Entwicklung der Rundfunkaufsicht aus zweierlei Gründen in
31

Auch bei einem Blick auf die unterschiedlichen Formen der europäischen Rundfunkaufsicht ist der konsequente Gebrauch von Sanktionsmitteln ganz unabhängig von ihrer jeweiligen Verfügbarkeit "nur marginal erkennbar" (Bundschuh 1999: 215).

80

Die Regulation des Problems der Mediengewalt

Richtung Selbstkontrolle. Zum einen wegen der Zensurgefahr, die auf das Gewaltdarstellungsproblem in besonderem Maße zutrifft, wenn die Lösung des Problems auf eine Kontrolle von Medieninhalten abzielt. Zum zweiten wegen der grundsätzlichen Problematik, dass Rundfunkkontrolleure über kurz oder lang mit den durch sie Kontrollierten ein Verhältnis der "close cameraderie" (Hoffmann-Riem 1996: 325) eingehen, das sich in einem weichen Regulationsverhalten ausdrückt. Wie ist nun gegenüber der staatlichen Fremdkontrolle die Wirksamkeit der Medienselbstkontrolle zu beurteilen? Es mag sein, wie Wolfgang HoffmannRiem anmerkt (1996: 352), dass Selbstkontrolleinrichtungen bislang nicht mit ähnlichem Aufwand und nach ähnlichen Effektivitätskriterien untersucht worden sind wie die staatlich initiierte Rundfunkaufsicht. Soweit jedoch Einzelanalysen insbesondere der weltweit existierenden Presseräte vorliegen, zeigt sich, dass die Medienselbstkontrolle praktisch als genauso ineffektiv beurteilt wird (vgl. Pekurny 1977; O'Malley 1987; Bermes 1991; Wiedemann 1992; Eisermann 1993; 1997). Die Leistungsfähigkeit organisierter Selbstkontrolle wird von Beginn an durch einen 'Konstruktionsfehler' begrenzt, da die Freiwilligkeit, auf der ihre Wirksamkeit im Gegensatz zur Fremdkontrolle beruhen soll, von vorneherein eingeschränkt ist: National wie international wurde bislang keine Selbstkontrolleinrichtung gegründet, ohne dass dem von staatlicher Seite die Drohung vorausgegangen wäre, bei Nichterfüllung gesetzliche Lösungen oder Organisationen auf Gesetzesgrundlage zu schaffen. Ebenso wie die FSF unter einem erheblichen politischen Druck entstand, sind auch die Presseräte als prominenteste Beispiele organisierter Medienselbstkontrolle durchweg das Ergebnis staatlicher Drohungen: Nur auf Drängen des britischen Parlaments wurde 1953 der "General Council of the Press', heute Press Complaints Commission, gegründet (Musialek 1980: 22), ähnlich wie drei Jahre später der Deutsche Presserat (DPR 1956-1959: 25). Durchweg alle Organisationen, die in Deutschland im Medienbereich den Anspruch auf Selbstkontrolle erheben, haben sich in ihrer Entstehungsgeschichte gegen eine staatliche Kontrolle abgegrenzt: neben der FSF und dem Deutschen Presserat (DPR) die Freiwillige Selbstkontrolle der Filmwirtschaft (FSK) (Noltenius 1958: 11), der Deutsche Werberat (Zentralausschuss der Werbewirtschaft 1990: 9) und die 1969 aufgelöste Selbstkontrolle Illustrierter Zeitschriften (SIZ) (Löffler und Hébarre 1968: 64). Auch das jüngste deutsche Beispiel freiwilliger Selbstkontrolle, die Freiwillige Selbstkontrolle Multimedia-Dienstanbieter (FSM), wollte gesetzlichen Regelungen zum Ju-

Die Ineffektivität der Regulation

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gendschutz zuvorkommen (vgl. Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 13.11.1996). Den Konstruktionsbedingungen der 'Selbst'kontrolle ist die Gefahr einer mangelnden Rollendifferenzierung zwischen Kontrolleuren und Kontrollierten von Beginn an inhärent. Sie wird aber durch die nur eingeschränkte Freiwilligkeit der Kontrolle noch verstärkt. Es ist keine Überraschung, dass die Analyse des DPR als Hauptursache mangelnder Effektivität eine zu geringe Rollendifferenzierung zwischen Kontrolleuren und Kontrollierten vermuten lässt und eine Tendenz der Interessenübernahme feststellt (Eisermann 1993: 20). Der DPR ist durch seine Zusammensetzung, die Auflösungsregelung des Vereins und interne Abstimmungsverfahren übermäßig an jene gebunden, über die er urteilen muss (Eisermann 1995: 159). Genau wie bei der staatlich initiierten Rundfunkaufsicht wird daher gefordert, die Selbstkontrolle mit stärkeren Sanktionen auszustatten (vgl. Groebel et al. 1994: 131f.; Hamm, Hrsg., 1996: 16; Wiedemann 1996). Diese Forderungen lassen wiederum unberücksichtigt, dass bei der Selbstkontrolle wie bei der staatlichen Fremdkontrolle die bestehenden Sanktionspotentiale gar nicht genutzt werden, wie am Beispiel des DPR gezeigt werden konnte (Eisermann 1993). Vergleicht man die Forschungsbeiträge zur staatlichen Fremdkontrolle mit den vorliegenden Ergebnissen über Beispiele der Selbstkontrolle, werden als Gründe geringer Effektivität für die Fremd- wie für die Selbstkontrolle auffälligerweise dieselben Ursachen genannt: mangelnde Rollendifferenzierung zwischen Kontrolleuren und Kontrollierten und das Fehlen abgestufter, aber starker Sanktionen. Gemessen an ihren grundlegenden Schwierigkeiten besteht also kein Unterschied zwischen Selbst- und Fremdkontrolle. Ihre Grundproblematik scheint dieselbe zu sein. Die im Zusammenhang mit der Organisationsanalyse dieser Untersuchung zu ziehende analytische Trennlinie verläuft demzufolge nicht zwischen Fremd- und Selbstkontrolle, sondern zwischen dem privat-kommerziellen und dem öffentlich-rechtlichen Aufsichtsbereich. Die Differenz zwischen dem öffentlich-rechtlichen und dem privat-kommerziellen Fernsehen ist an drei Strukturmerkmalen festgemacht worden: an der inneren Funktionslogik (öffentlicher Programmauftrag vs. Profitinteresse), an der Organisationsform (Intendantenprinzip vs. Geschäftsleitung) und am Finanzierungsmodus (Mischfinanzierung aus staatlichen Mitteln und Werbung vs. ausschließliche Finanzierung aus Werbung). Marcinkowski (1993: 166) spricht in der Folge von zwei strukturell eigenständigen Subsystemen mit je spezifischer Systemrationalität.

82

Die Regulation des Problems der Mediengewalt

Insbesondere die Aufsichtsprobleme und die Sanktionsmöglichkeiten im öffentlich-rechtlichen Rundfunk, wo die Kontrolle intern durch die Rundfunkund Fernsehräte ausgeübt wird, sind nicht zu vergleichen mit denjenigen des privat-kommerziellen Fernsehens: "The private sector is generally not monitored in the same way as the public sector. In particular, the sanctions available are not comparable" (Robillard 1995: 278; vgl. Hoffmann-Riem 1996: 331). Dies spricht dafür, in der Organisationsanalyse das öffentlich-rechtliche Fernsehen als Sonderfall zu vernachlässigen, während Fremd- und Selbstkontrolle des privat-kommerziellen Fernsehens gemeinsam betrachtet werden müssen, da ihre Problematik eine hohe strukturelle Ähnlichkeit aufweist.

2.4

An die Regulation gebundene Ziele und Interessen

Eine kurze Diskussion der Problematik, Non-Profit-Organisationen (NPOs) wie die Organisationen der Rundfunkregulation am Maßstab ihrer Effektivität zu beurteilen, soll helfen, die Fragestellung der anschließenden Organisationsanalyse zu explizieren. Während "Effektivität" ein Maß für Zielerreichung darstellt, ist "Effizienz" ein Maß für Wirtschaftlichkeit. Effizienz bezeichnet die InputOutput-Relation in einer bestimmten Dimension, nämlich der finanziellen. Bei der Beurteilung der Effektivität organisationellen Handelns wird dagegen lediglich die Output-Seite betrachtet und das Ziel, dessen Erreichen nach Effektivität bemessen werden soll, ist nicht auf Profit beschränkt. Die Schwierigkeit, die Effektivität von NPOs wie Einrichtungen der Rundfunkregulation zu beurteilen, liegt darin, dass sie soziale und moralische Werte als ihre Ziele formulieren, die wiederum in umfassendere gesellschaftliche Werthorizonte eingebettet sind. Der Erfolg oder Misserfolg ihres Handelns lässt sich nicht in Profit ausdrücken. Der Begriff der Effektivität ist in der Organisationsanalyse zunehmend problematisiert worden. Insbesondere am Beispiel von NPOs konnte gezeigt werden, wie unangemessen es ist, solche Organisationen an Hand von Effektivitätskriterien zu beurteilen, die einfach von For-Profit-Organisationen übernommen werden (vgl. Kanter und Summers 1987).32 Das Konzept der Effektivitätsbeurteilung des Organisationshandelns beruht auf der Annahme, dass die wichtigsten Zielsetzungen sowie spezifische Kriterien des Erfolgs sachgerecht definiert und gemessen werden könnten. Die dabei prinzipiell auftretenden Schwierigkeiten lassen sich in zwei Punkten zusammenfassen: Es ist problema32

Dabei erscheint die Kategorie der "Effektivität" nicht nur in Bezug auf NPOs problematisch, sondern auch bei FPOs (vgl. Scholz 1992; Etzioni 1967: 20-23).

An die Regulation gebundene Ziele und Interessen

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tisch zu entscheiden, wessen Interessen das Ziel einer Organisation vorgeben (Zielbestimmung) und die zugrundegelegten Indikatoren müssen messbar sein (Messbarkeit). Welches sind die satzungsgemäßen Ziele der LMAs und der FSF? Die Regulationsaufgabe der LMAs geht auf die Rechtssprechung des BVerfG zurück, das 1971 erstmals entschied, der Rundfunk könne wegen seiner weitreichenden Wirkung sowie der Gefahr des Missbrauchs "nicht dem freien Spiel der Kräfte überlassen werden" (BVerfGE 31, 325). Als Voraussetzung für die Veranstaltung privater Programme wurde eine effektive Kontrolle gefordert (BVerfGE 57, 295). Es gibt insgesamt 15 LMAs, eine in jedem Land, nur Berlin und Brandenburg sind in der Medienanstalt Berlin Brandenburg (MABB) zusammengeschlossen. Die föderale Struktur des Rundfunks hat unterschiedliche Organisationsmodelle der LMAs hervorgebracht. Alle LMAs sind jedoch staatsunabhängige Anstalten des öffentlichen Rechts, die für Zulassung und Aufsicht über die privaten Rundfunkveranstalter zuständig sind (Bumke 1995; Schuler-Harms 1995; Hege 1994; Wagner 1990). Die Aufsicht erstreckt sich auf alle kommerziellen Programme - Hörfunk und Fernsehen - die terrestrisch, über Kabel oder Satellit verbreitet werden. Länderübergreifend sind im RfStV unter anderem Vielfaltanforderungen, Jugendschutz und Werberichtlinien festgesetzt. Für den Jugendschutz haben die LMAs daher die Gemeinsame Stelle Jugendschutz und Programm (GSJP) gebildet, um bundesweit einheitliche Verfahren zu gewährleisten. Grundlage ihrer Tätigkeit ist der § 3 RfStV "Unzulässige Sendungen, Jugendschutz". Das satzungsgemäße Ziel der GSJP ist der Jugendschutz im privaten Rundfunk. Auch das Ziel der FSF ist die Förderung des Jugendschutzes im deutschen Fernsehen. Man will "die Darstellung von Gewalt und Sexualität derart ... begrenzen, daß Kinder und Jugendliche in ihrer seelischen, moralischen und geistigen Entwicklung nicht beeinträchtigt werden" (FSF Satzung § 2 Abs. 2). Betrieben wird die FSF e.V. von den privaten Fernsehveranstaltern. Studien, die die Organisationen der Rundfunkregulation zum Thema haben, gehen zumeist instrumentell vor. So wurde die Rundfunkaufsicht durch die LMAs auch von sozial- und kommunikationswissenschaftlicher Seite durchgehend am Maßstab rechtlicher Zielvorgaben untersucht (Bundschuh 1999; Hellstern et al. 1989a; 1989b; Holgersson 1995; Marcinkowski 1993). Gerade hinsichtlich des Kinder- und Jugendschutzes wird aber nun immer wieder konstatiert, dass hier "unbestimmte Rechtsbegriffe" des regulativen Gesetzesprogramms den Vollzug erschweren (Bundschuh 1999: 212; Holgersson 1995: 170; Weiss 1994; Hesse 1993; Kreile und Detjen 1994).

84

Die Regulation des Problems der Mediengewalt

Die Forderung nach einem "effektiven Jugendschutz" (z.B. Füger 1994: 115; Stock 1993: 379; Thaenert 1990: 40ff.) besitzt keinerlei konkrete Bedeutung - ebenso wenig wie die Forderung nach einer "effektiven Rundfunkregulierung" insgesamt (z.B. Hoffmann-Riem 1989c; Schuler-Harms 1995: 120f.). Das gesetzte Ziel des Schutzes vor Gewaltdarstellung, das im § 131 StGB und den Jugendschutzgesetzen formuliert und im § 3 RfStV zusammengeführt wird, ist von Anfang an vom Gesetzgeber so abstrakt gehalten, dass sich die Zielerreichung, die sich an diesen rechtlichen Zielvorgaben orientiert, niemals in objektiven Kriterien ausdrücken lassen wird. Es erscheint entsprechend aussichtslos, die Effektivität der LMAs und der FSF am Maßstab dieser rechtlichen Zielvorgaben beurteilen zu wollen. Ließe sich die Effektivität der Gewaltkontrolle theoretisch noch an anderen als den rechtlichen Zielvorgaben messen? Bereits Robert Michels hat mit dem "ehernen Gesetz der Oligarchie" beschrieben, dass in einer Organisation langfristig - nach seiner Auffassung zwangsläufig - die Interessen der Führungskräfte über die ursprünglich mit der Organisation verbundenen Ziele die Oberhand gewinnen (Michels 1973). Durch die Unabhängigkeit von einer Klientel, die nicht wie im Markt die Finanzierung sichern muss, werden bei NPOs leicht die Interessen der Geldgeber ausschlaggebend. Effektivität lässt sich auch am Maßstab dieser Interessen beurteilen. Die Betreiber der FSF, die privaten Fernsehveranstalter, verbinden mit den Kontrollen der FSF das Interesse, ein Eingreifen seitens des Staates zu verhindern. Das zeigen deutlich die Umstände ihrer Entstehung (Lilienthal 1993): Die FSF wurde 1993 auf dem Höhepunkt einer Welle der Mediengewaltdebatte ins Leben gerufen, in deren Zentrum die Diskussion um das Reality-TV stand. Allgemeiner möchten die Privaten mit der FSF sicherlich eine Imageverbesserung erreichen. Aus dem Blickwinkel ihrer Betreiber muss die FSF den ersten Punkt betreffend als effektiv gelten, weil es seither keine neuen Gesetzesinitiativen gegeben hat. Was die Imageverbesserung angeht, lässt sich dies nur schwer ermessen. Jedenfalls muss die FSF langfristig ihre Existenz durch Ressourcenbeschaffung sichern, so dass die Interessen ihrer Betreiber bei der Beurteilung ihrer Tätigkeit unbedingt zu berücksichtigen sind. Die Finanzierungsart spielt bei der FSF eine wichtigere Rolle als bei den LMAs. Der finanzielle Aufwand, den die FSF benötigt, aber vor allem die wirtschaftlichen Einbußen, die die Sender durch die Kontrollen der FSF hinzunehmen gezwungen sind, muss in einem Verhältnis zu dem von ihren Betreibern erwarteten Output stehen, etwa

An die Regulation gebundene Ziele und Interessen

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einer Imageverbesserung der Privaten oder der langfristigen Verhinderung staatlichen Eingreifens. Wenn man die organisierten Kontrollen unter dem Aspekt ihrer Wirtschaftlichkeit analysiert, entfällt das Problem, wessen Interessen primär als Maßstab der Effektivitätsbeurteilung heranzuziehen sind. Man erhebt die Interessen der Geldgeber und beurteilt daran ihre Effektivität. Problematisch wird diese Vorgehensweise jedoch, wenn die Finanzierung wie bei den LMAs im öffentlichen Interesse geleistet wird: Die LMAs erhalten einen Zwei-ProzentAnteil aus den öffentlich-rechtlichen Rundfunkgebühren ("Aufsichtsgroschen") - Wer bestimmt, was das öffentliche Interesse ist? Beim Studium der Forschungsliteratur zur Rundfunkregulation fällt auf, dass das Gewaltproblem und die dazugehörigen Maßnahmen nicht systematisch als eigenständiger Bereich dargestellt und untersucht worden sind (vgl. HoffmannRiem 1996; Bertelsmann Stiftung und Europäisches Medieninstitut 1995; Wiesner 1991; Marcinkowski 1993; Blumler, Hrsg., 1992; Hellstern et al. 1989a; 1989b; Schuler-Harms 1995; Bumke 1995). Dies reflektiert zum einen die große Unterschiedlichkeit der Maßnahmen, die auf eine Lösung des Gewaltproblems zielen, sowie die Vielfalt des Kontexts, die das Problem berührt.33 Andererseits wird dadurch ersichtlich, dass die Rundfunkregulation zumeist als abgeschlossene organisationelle Einheiten untersucht worden sind, ohne deren gesellschaftlichen Kontext zu berücksichtigen. Die Regulationsverfahren und -praktiken sind zwar am Maßstab rechtlicher Zielvorgaben analysiert worden, aber nicht in einen Zusammenhang mit den von der Politik und der Öffentlichkeit formulierten Anforderungen gestellt worden. Nur im anglo-amerikanischen Raum kann man durchaus von einem eigenständigen politischen Issue "TV Violence" sprechen, über den in Verbindung mit seiner Regulation gesondert nachgedacht wird (ABT 1990; Brown 1994; Cunningham 1992; Gerbner 1994; Gunter 1985; Price 1998; Rowland 1983). Bei der Analyse von Regulationsinstanzen wie den LMAs und der FSF muss ein Untersuchungsansatz gewählt werden, der den gesellschaftlichen Kontext und die beteiligten Interessen berücksichtigt. Dabei tritt der Anspruch, solche Organisationen am Maßstab formaler Effektivität beurteilen zu wollen, gegenüber einem anderen Erkenntnisinteresse zurück:

33

Anja Bundschuh (1999) hat in ihrer Untersuchung den Jugendschutz im Fernsehen in Europa verglichen. Sie fasst zusammen, dass es für die 15 von ihr untersuchten Mitgliedsländer der EU auch 15 verschiedene Problemlösungen gibt (Bundschuh 1999: 204).

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Die Regulation des Problems der Mediengewalt The key thrust of institutional analysis is neither to expose the inefficiency of organizational practices nor to celebrate the nonoptimality of institutional arrangements ... The point is not to discern whether institutions are efficient, but to develop robust explanations of the ways in which institutions incorporate historical experiences into their rules and organizing logics (DiMaggio und Powell 1991: 31).

Es geht darum, Gründe für die auffällig stabilen Muster zu finden, die sich bei der Betrachtung der Rundfunkregulation ergeben: Wie lässt sich erklären, dass Organisations- und Verfahrensweisen der Rundfunkregulation, trotz ihrer immer wieder festgestellten Ineffektivität, in ihrer Grundstruktur, auch international, recht unverändert bleiben? Wie kommt es zu dieser hohen Persistenz bei einer offenbar nur geringen Leistung? Die Gründe werden im folgenden in dem Verhältnis zwischen den Regulationsorganisationen und ihren institutionalisierten Umwelten gesucht.

3

Die neo-institutionalistische Perspektive

Die neo-institutionalistische Organisationsanalyse ermöglicht die Synthetisierung unterschiedlicher Theorieperspektiven, die die symbolische und kulturelle Dimension des gesellschaftlichen Kontexts der Regulation des Mediengewaltproblems sowie die Eingebundenheit der betroffenen Akteure in diesen Kontext berücksichtigt. Bereits in den das Paradigma etablierenden Beiträgen (Meyer und Rowan 1977; Meyer und Scott 1983) wurde über die Herausstellung der Bedeutung der Umwelten von Organisationen einer Integration organisationssoziologischer Forschung und einer kulturtheoretischen gesellschaftsanalytischen Perspektive die Tür geöffnet (vgl. Grendstad und Selle 1995). Eine Integration der organisationsanalytischen mit einer kultur- und gesellschaftstheoretischen Perspektive wird im folgenden insbesondere mit derjenigen soziologischen Forschung gesucht, die sich der Analyse sozialer Probleme widmet. Die Untersuchung sozialer Probleme wie der Mediengewalt steht in der Tradition bestimmter Forschungszweige der Sozialwissenschaften. Sie sind unter anderem das Thema der Soziologie sozialer Probleme, der Soziologie sozialer Bewegungen, der politischen Soziologie, der Agenda-Setting-Forschung oder der Diskursanalyse. Obwohl immer wieder proklamiert wird, dass die Analyse sozialer Probleme nicht mit ihrer Etablierung auf der öffentlichen Agenda beendet sei, sondern dass auch die Konsequenzen der spezifischen Definition und Rahmung des Problems für die gesellschaftliche Problembearbeitung Thema sein müsse34, ist die Zahl der Beiträge zu diesem Aspekt der Karriere sozialer Probleme deutlich geringer, als die zu ihrem Erscheinen auf der öffentlichen Agenda. Mit dem Neo-Institutionalismus in der Organisationsanalyse (Powell und DiMaggio, Hrsg., 1991) hat sich seit Ende der 70er Jahre ein Forschungsparadigma entwickelt, das wie diejenigen Disziplinen, die sich der Analyse sozialer
34

Vgl. die Stufen 3 und 4 des von Spector und Kitsuse vorgeschlagenen "natural-history"Modells für die Analyse sozialer Probleme (1987: 151-154); Gusfield (1981) zur Institutionalisierung des "drinking-driving" Problems; Goode und Ben-Yehudas "Epilogue: The Demise and Institutionalization of Moral Panics" (1994: 224-229).

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Die neo-institutionalistische Perspektive

Probleme widmen, eine konstruktivistische Grundperspektive einnimmt. Auch der Neo-Institutionalismus beruft sich - vor allem bei der Präzisierung des Institutionenbegriffs - auf wissenssoziologische, respektive phänomenologische und ethnomethodologische Konzepte. Damit hat die soziologische Analyse sozialer Probleme sozusagen 'auf der anderen Seite' der Problemkarriere - in der Phase, in der sich Organisationen der Problembearbeitung annehmen - ein wissenschaftliches Äquivalent gefunden. Zwischen denjenigen Disziplinen, deren Analyseinteresse auf die Definition, Rahmung und Karriere öffentlicher sozialer Probleme zielt, und dem Neo-Institutionalismus in der Organisationsanalyse gibt es sinnvolle Anknüpfungspunkte. Eine Gegenüberstellung des Neo-Institutionalismus und der Diskursanalyse soll dies verdeutlichen.35 Diskursanalyse fragt nach den historisch sich verändernden Deutungsschemata, die mit einem Problem verbunden sind, und versucht diesen Wandel zu erklären: "The central task of a theory of public discourse ... is to explain package careers" (Gamson und Modigliani 1987: 144).36 Bei Gamson und Modigliani, die für die Diskursanalyse das Konzept des "kulturellen Package" formuliert haben, geht in diese Überlegungen die Annahme ein, ein Package werde kulturell verfügbar, wenn "there is any organization or advocacy network within society that sponsors it" (Gamson und Modigliani 1987: 144). Daraus wird ersichtlich, dass in die Diskursanalyse das Wissen über deutungspropagierende soziale Netzwerke und Organisationen eher als Kontextwissen eingeht, während das Analyseinteresse vorrangig der Rekonstruktion kollektiv verfügbarer Deutungsmuster und ihrem historischen Verlauf gilt. Sich über Diskursanalyse methodisch gezielt den Produzenten und Trägern von Bedeutungen zuzuwenden, ist dagegen schwierig. Hier erscheint der empirische Zugang über die Seite der Organisationen der Rundfunkregulation besser geeignet. Die Diskursanalyse muss empirische Fragen, die hier interessieren, unbeantwortet lassen: Welche langfristigen institutionellen Konsequenzen hat die spezifische Rahmung eines Problems wie der Mediengewalt in den rechts- und medienwissenschaftlichen Spezialdiskursen sowie auf der öffentlichen Agenda konkret für die mit der Problembearbeitung beauftragten Organisationen? Welche sozialen Gruppen und Organisationen sind die Träger spezifischer Deutungen, die verbunden mit
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Die Gegenüberstellung der beiden Forschungsperspektiven, beruht auf einer stark typisierenden Vereinfachung, die der realen Vielfalt der Beiträge nicht gerecht werden kann. Vgl. für den Neo-Institutionalismus DiMaggio und Powell (1991), Zucker (1988a) und March und Olsen (1989); für die Diskursanalyse Gamson und Modigliani (1987), van Dijk (1997), Keller (1997) und Gusfield (1981). Vgl. DiMaggio und Powell (1991: 31), die die Aufgabe des Neo-Institutionalismus darin sehen, "to develop robust explanations of the ways in which institutions incorporate historical experiences into their rules and organizing logics".

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materiellen und ideologischen Interessen ihre Sicht der Dinge gegenüber anderen durchsetzen können? Gemeinsam ist der Diskursanalyse wie der neo-institutionalistischen Organisationsanalyse, dass sich das Analyseinteresse auf die kollektive Ebene von Prozessen gesellschaftlicher Wirklichkeitskonstruktion richtet. Warum gewinnt ein bestimmtes Problemverständnis Dominanz, während andere Sichtweisen unterdrückt werden? Während die Diskursanalyse in der Regel durch Textanalyse methodisch-empirisch am öffentlichen Diskurs ansetzt, beginnt die neoinstitutionalistische Organisationsanalyse bei Organisationsform und -verfahren. Gegenüber dieser methodisch unterschiedlichen Herangehensweise jeweils 'von der anderen Seite' her, teilen beide Perspektiven aber das Erkenntnisinteresse, Prozesse der Objektivation, Kommunikation und Legitimation von Sinnstrukturen auf der Ebene kollektiver Akteure zu rekonstruieren und wiederum die sozialen Folgen dieser Prozesse zu analysieren. Murray Edelman ist vor über 50 Jahren am Beispiel der amerikanischen Regulationsbehörde FCC zu Ergebnissen gelangt, die auch heute mühelos auf die Aufsichtstätigkeit der LMAs und der FSF zu übertragen sind. Edelman und andere prominente Autoren haben angesichts ihrer auffälligen Erfolglosigkeit der Rundfunkregulation einen symbolisch-rituellen Charakter zugeschrieben (Edelman 1976: 39; Hoffmann-Riem 1981: 78; Streeter 1983: 255; HoffmannRiem 1996: 333; Hoerrner 1999). Edelman hat seinen Ansatz der "Symbolic Uses of Politics" (deutsch: "Politik als Ritual" (1976)) sogar ursprünglich am Beispiel der amerikanischen FCC entwickelt (Edelman 1948). Insofern könnte man die Regulation des Rundfunks wissenschaftshistorisch eigentlich als das "Urfeld" symbolischer Politik bezeichnen. Deutlich geworden ist, dass die Rundfunkregulation im internationalen Vergleich sehr ähnliche Grundstrukturen und Problemstellungen aufweist. Es besteht eine hohe Homogenität der Struktur, der Kultur und des organisationellen Outputs. Die Untersuchung beginnt nun nicht von vorne, sondern macht diese Homogenität zum Ausgangspunkt der Analyse. Am Beispiel der Regulation des Mediengewaltproblems geht es um eine detaillierte Klärung der Frage, warum die Ineffektivität der Rundfunkregulation den Bestand der Regulationsinstanzen nicht zu gefährden scheint. Die Gründe werden in dem symbolisch-zeremoniellen Charakter der Regulation gesucht: "Formal structures that celebrate institutionalized myths differ from structures that act efficiently" (Meyer und Rowan 1977: 312). Dies verweist darauf, dass die Rundfunkregulation ihren Bestand durch ihren symbolisch-zeremoniellen Charakter sichert und nicht durch die Effektivität organisationeller Arbeitsabläufe.

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Die neo-institutionalistische Perspektive

Die Perspektive des Neo-Institutionalismus befasst sich mit der Frage, warum sich die Realität in Organisationen von den formalen Vorgaben unterscheidet. Der Neo-Institutionalismus in der Organisationsanalyse beschreibt ein Auseinanderfallen der organisationellen Darstellung und der innerorganisationellen Verfahrensabläufe und versucht, diese Divergenz zu erklären. Ausgangspunkt neo-institutionalistischer Überlegungen sind also gerade solche "empirischen Anomalien" (March und Olsen 1984: 741; DiMaggio und Powell 1991: 3), wie sie die Rundfunkregulation kennzeichnen. Im Kern wird die Untersuchung zwei Erklärungsfaktoren heranziehen: Erstens wird die Bedeutung institutionalisierter Strukturen in der Organisationsumwelt für das Regulationshandeln analysiert; zweitens wird auf die Interessen der beteiligten Akteure in und außerhalb der organisierten Rundfunkregulation rekurriert. Zunächst erscheint es jedoch notwendig, den zentralen Begriff der "Institution" weitgehend zu klären und für den Verwendungszusammenhang der Organisationsanalyse handhabbar zu machen.

3.1

Institution: eine Begriffsklärung

Der Institutionenbegriff gehört zu denjenigen Begriffen, die in den letzten zwei Jahrzehnten eine große wissenschaftliche Konjunktur erfahren haben. In den unterschiedlichsten sozialwissenschaftlichen Forschungstraditionen beruft man sich (wieder) auf einen institutionellen Ansatz: in der politischen Soziologie (March und Olsen 1989; Nedelmann, Hrsg., 1995; Göhler, Hrsg., 1997), der Organisationsanalyse (Zucker, Hrsg, 1988; Powell und DiMaggio, Hrsg., 1991), der Wissenschaftssoziologie (Schimank 1995) wie auch in der Ökonomie (Granovetter 1985).37 Die Verwendung des Institutionenbegriffs ist dabei selbst in denjenigen Beiträgen, die sich eindeutig mit dem Neo-Institutionalismus identifizieren, nicht immer eindeutig (vgl. Göhler und Schmalz-Bruns 1988; Jepperson 1991). Um im folgenden einen eindeutigen Institutionenbegriff zugrundezulegen, muss zunächst das, was als "Institution" im Neo-Institutionalismus in der Organisationsanalyse verstanden wird, gegenüber dem abgegrenzt werden, was der alte Institutionalismus (vgl. Stinchcombe 1997) und diejenigen Beiträge der politi37

Es erscheint an dieser Stelle entsprechend aussichtslos, auch nur für die jüngeren Ansätze einen umfassenden Überblick zu geben. Ein solcher Vergleich wäre dennoch ein guter Ansatzpunkt, mit Blick auf die geforderte Einheit der Sozialwissenschaften, zu einer gemeinsamen Begrifflichkeit zu gelangen, die die Voraussetzung für eine bessere gegenseitige Wahrnehmung der Disziplinen ist.

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schen Soziologie, die zu einer Erneuerung der institutionalistischen Perspektive in diesem Bereich beigetragen haben (vgl. March und Olsen 1989: 2; Göhler und Schmalz-Bruns 1988: 319f.), darunter verstehen. Der Neo-Institutionalismus greift, worauf der Name verweist, Ergebnisse einer 'alten' institutionalistischen Schule wieder auf.38 Die Leistung des Institutionalismus in der Organisationstheorie gegenüber traditionellen organisationsanalytischen Ansätzen lässt sich unter zwei Gesichtspunkten kennzeichnen: Der Institutionalismus hat erstens das Augenmerk darauf gerichtet, dass Organisationen ein Eigenleben entwickeln, das sich den Steuerungsbemühungen derjenigen, die doch die Kontrolle innehaben müssten, entzieht. In gewissem Maß gilt dies für alle Organisationen, "but for some this fact is dominant" (Perrow 1986: 165). Zweitens hat die institutionalistische Schule auf der Suche nach Erklärungen für solche Auffälligkeiten das Hauptaugenmerk auf die Umwelt von Organisationen gerichtet (Stinchcombe 1965). Kein anderes Organisationsmodell bezieht den gesellschaftlichen Kontext so sehr in die Analyse mit ein wie der Institutionalismus. Der Neo-Institutionalismus in der Organisationsanalyse grenzt sich insbesondere über den Institutionenbegriff, gegenüber dem alten Institutionalismus und der Politikwissenschaft ab. Der Neo-Institutionalismus hat die begriffliche Nähe von Institution und formaler Organisation bzw. der traditionellen Bezeichnung "politische Institution" für Parlament und Verfassungsgericht radikal aufgelöst.39 Es wird ein weiter Begriff der sozialen Institution zugrundegelegt, der so weit geht, Frames, kognitive Schemata und routinisierte Handlungsabläufe in der externen Organisationsumwelt als erklärende Variablen miteinzuschließen. Eine Institution wird im erweiterten Sinne verstanden als "a rule-like, social fact quality of an organized pattern of action" (Zucker 1987: 444);40 der Neo-Institutionalismus "taps taken-for-granted assumptions at the core of social action" (Zucker 1987: 443). Der Institutionenbegriff des Neo-Institutionalismus basiert damit im eigentlichen Sinne auf Legitimationsstrukturen.
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An dieser Stelle können die Unterschiede zwischen dem neuen und dem alten Institutionalismus nicht eingehend behandelt werden. Vgl. aber DiMaggio und Powell (1991: 9-13), March und Olsen (1989: 2) bzw. Stinchcombe (1997). Klassische Vertreter des alten Institutionalismus sind neben Stinchcombe (1965; 1997) Starbuck (1965), Dickson (1968) und Selznick (1948; 1957). Als Beispiel, was unter "politischen Institutionen" in der Politikwissenschaft verstanden wird, an dem zugleich die Vielfalt vertretener Auffassungen deutlich wird, vgl. insbesondere den von Nedelmann (1995) herausgegebenen Sammelband. Vgl. Jepperson (1991: 145): "Institution represents a social order or pattern that has attained a certain state or property ... By order or pattern, I refer, as is conventional, to standardized interaction sequences."

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Die neo-institutionalistische Perspektive

Verwirrung bei der Verwendung des Institutionenbegriffs schafft insbesondere die Nähe zum Begriff der Organisation und zwar nicht nur, wie er im alltäglichen Sprachgebrauch auftaucht, sondern auch, wie er in der Rechts- und Politikwissenschaft gebraucht wird (vgl. Göhler und Schmalz-Bruns 1988). Obwohl der Begriff "Institution" auch im Laufe dieser Untersuchung schon häufig verwendet wurde, war damit niemals einfach eine formale Organisation gemeint.
[W]hile we may wish to consider formal organization as an institution, or argue that formal organization can carry or generate institutions (e.g., Zucker 1987), or that some organizations have become institutions (the Red Cross), it is arbitrary to identify institutionalization with formal organization. We have good reasons to consider voting and marriage to be institutions, for example, and they are not formal organizations (Jepperson 1991: 149).

So sind der 'Staat' oder das 'Recht' als Institutionen zwar häufig in organisiertes Handeln gefasst, aber wenn man etwa ein Gericht als Untersuchungsgegenstand wählt, würde niemand behaupten, damit das Recht als Institution zum primären Gegenstand zu machen: "institutionalization is better reserved as an abstract property that can characterize many forms of social coordination" (Jepperson 1991: 150). Gemeinsam ist dem Neo-Institutionalismus in der Organisationsanalyse und dem Neo-Institutionalismus in der Politikwissenschaft die Konzeption von Institutionen als unabhängige, erklärende Variable (vgl. Zucker 1987: 444; March und Olsen 1989: 16ff.; Göhler 1996: 22; Göhler und Schmalz-Bruns 1988: 320). Die ersten beziehen sich jedoch auf den Begriff der sozialen Institution, die zweiten auf den der politischen Institution. Gerhard Göhler als Vertreter eines neuen Institutionalismus in der politischen Soziologie hat auf die Notwendigkeit einer definitorischen Unterscheidung zwischen sozialer und politischer Institution verwiesen (Göhler 1996: 27). Soziale Institutionen werden als "relativ auf Dauer gestellte, durch Internalisierung verfestigte Verhaltensmuster und Sinngebilde" bestimmt (Göhler 1996: 28). Während es diese allgemeine Bestimmung im Hinblick auf die Organisationsanalyse im weiteren wesentlich zu präzisieren gilt, hält Göhler fest: "Politische Institutionen sind grundsätzlich soziale Institutionen" (Göhler 1996: 28). Jedoch ist die Eigenart politischer Institutionen im Vergleich zu sozialen Institutionen über den zugrundegelegten Politikbegriff zu beschreiben: Politik wird verstanden als "Handlungsraum der Herstellung, Ordnung und Durchführung verbindlicher, gesamtgesellschaftlich relevanter Entscheidungen" (Göhler 1996: 28). Darauf aufbauend definiert Göhler politische Institutionen als "Regelsysteme der Herstellung und Durchführung verbindlicher, gesamtgesellschaftlich relevanter Entscheidungen und

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Instanzen der symbolischen Darstellung von Orientierungsleistungen einer Gesellschaft" (Göhler 1996: 29). Während die neo-institutionalistisch beeinflusste Politikwissenschaft wie die politische Soziologie unter "Institution" die politische Institution verstehen, bauen die Neo-Institutionalisten in der Organisationssoziologie dagegen auf den Begriff der sozialen Institution. Diese Unterscheidung ist wichtig, da sie eine unterschiedliche Richtung in der Erklärung einschlägt: Die genaue Unterscheidung zwischen abhängiger und unabhängiger Variable hat sich in der neo-institutionalistischen Forschung als ein notwendiges theoretisches Erfordernis erwiesen (vgl. Zucker 1987: 444). Den Ergebnissen droht sonst die Gefahr der Tautologie, Institutionen durch Institutionalisierungsprozesse zu erklären.41 Die Organisationen der Rundfunkregulation können zwar auch als politische Institutionen aufgefasst werden, dies entspricht aber zunächst nicht der organisationsanalytischen Fragestellung. Vielmehr werden hier soziale Institutionen als Bestandteile der Organisationsumwelten aufgefasst und ihr Einfluss auf Organisationsstruktur und -verfahren untersucht. Die Perspektive des Neo-Institutionalismus in der Organisationsanalyse findet seine gesellschaftsanalytische Entsprechung in all denjenigen wissenschaftlichen Disziplinen und Forschungstraditionen, die eine konstruktivistische Sichtweise adaptiert haben: unter anderem in der Soziologie sozialer Probleme, der Agenda-Setting-Forschung, der Soziologie sozialer Bewegungen und der Diskursanalyse. Für die Zwecke dieser Untersuchung gilt es also, dasjenige Institutionenkonzept zu rekonstruieren, auf das der Neo-Institutionalismus und die konstruktivistisch geprägte Soziologie rekurrieren.42 In all diesen Disziplinen wird sich, insbesondere um sich von älteren Forschungstraditionen der eigenen Disziplin abzugrenzen, auf Berger und Luckmanns "Social Construction of Reality" berufen (Berger und Luckmann 1980, zuerst 1966). Auch die Neo-Institutionalisten verwenden den Institutionenbegriff von Berger und Luckmann (vgl. Meyer und Rowan 1977; Zucker 1983; Scott 1994; DiMaggio 1997). DiMaggio und Powell, als zwei der prominentesten Vertreter des Neo-Institutionalismus, betonen zwar, dass die Entwicklung der konstrukti41

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Zum Beispiel, dass Persistenz gleichzeitig definiert und indiziert, was institutionalisiert ist, oder dass eine Organisation um so fester institutionaliert ist, je besser sie sich legitimiert. Für einen begriffshistorischen Überblick vgl. Schülein (1987), bei dem die Renaissance des Institutionalismus innerhalb der letzten Jahrzehnte jedoch nicht erfasst ist. Ein Grund dafür ist vielleicht, dass der Institutionalismus auch in seiner Phase der Wiederentdeckung niemals als Theorie ausgearbeitet wurde, sondern eher als grundlegende Perspektive verwendet wird.

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Die neo-institutionalistische Perspektive

vistischen Perspektive43 im Neo-Institutionalismus unabhängig von einer zunehmenden Betonung dieser Perspektive in der allgemeinen soziologischen Theorie erfolgt sei (vgl. DiMaggio und Powell 1991: 33, Anm. 11). In ihrer Einleitung zu dem Sammelband über den Neo-Institutionalismus in der Organisationsanalyse verweisen sie dann jedoch für den soziologischen Institutionenbegriff auf Lynne Zucker (DiMaggio und Powell 1991: 7), die den Begriff wiederum von Berger und Luckmann bezieht (Zucker 1983: 2). Damit wird auf die bis heute offenbar eindeutigste soziologische Konzeption dessen, was eine soziale Institution sei, zurückgegriffen. Berger und Luckmanns Institutionenbegriff (vgl. 1980: 57-65) wird im folgenden daher kurz wiedergegeben und erläutert:
Institutionalisierung findet statt, sobald habitualisierte Handlungen durch Typen von Handelnden reziprok typisiert werden. Habitualisierung und Typisierung sind Voraussetzung für Institutionalisierung, weil sie einen Handlungszusammenhang oder eine Situation jenseits bestimmter Personen oder Akte objektivieren. Jede Typisierung, die auf diese Weise vorgenommen wird, ist eine Institution (Berger und Luckmann 1980: 58).

Die Typik sowohl der Akte als auch der Handelnden werden besonders betont, weil nur durch sie eine Loslösung aus aktuellen Situationen, von individuellen Handlungen und konkreten, diese Akte vollziehenden Akteuren erreicht wird. Die Typisierungen werden so zum Allgemeingut. Neben der Typik ist die zweite Voraussetzung für den Beginn eines Institutionalisierungsprozesses die Habitualisierung von Handlungen, deren Voraussetzung wiederum die Dauerhaftigkeit einer Interaktionssituation ist: "Institutionalisierung steht am Anfang jeder gesellschaftlichen Situation, die ihren eigenen Ursprung überdauert" (Berger und Luckmann 1980: 59). Vorrangig "muß in jedem Falle der Vorgang der Kommunikation" habitualisiert werden (Berger und Luckmann 1980: 61).44 Die enge Verbindung zur Sprache verweist wiederum auf die von Douglas (1986) und DiMaggio (1997) als notwendig erachtete kognitionstheoretische Ergän-

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Die Autoren positionieren ihre Perspektive im Rahmen einer allgemeinen "cognitive revolution" der soziologischen Theorie (DiMaggio und Powell 1991: 33, Anm. 11). Mir erscheint die Übersetzung "konstruktivistisch" statt "kognitiv" angemessen, da die deutsche Bedeutung von 'konstruktivistisch', im Gegensatz zu 'kognitiv', sowohl auf die geisteswissenschaftliche Strömung als auch auf die Entwicklung in der naturwissenschaftlich dominierten Kognitionswissenschaft verweist. "By cognition we refer to both reasoning and the preconscious grounds of reason: classification, representation, scripts, schemas, production systems, and the like" (DiMaggio und Powell 1991: 33, Anm. 10). Vgl. Gehlen (1981: 100): "Institutionen wie Ehe, Familie, Recht, Wissenschaft ähneln der Sprache insofern, als sie ein automatisches Schonverständigtsein bewirken".

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zung einer Institutionenanalyse.45 Wenn diese habitualisierten (Kommunikations-)Regeln an nachfolgende Generationen weitergegeben werden, ist ihre Institutionalisierung vollzogen. Durch Tradierung werden Regeln aus ihrem ursprünglichen Interaktionszusammenhang herausgelöst und erhalten dann einen eigenen Wirklichkeitscharakter. Sie werden 'objektiv' oder, wie Durkheim es nennt, sie werden zu sozialen Tatsachen. Institutionen erhalten "eine Wirklichkeit, die dem Menschen als äußeres zwingendes Faktum gegenübersteht" (Berger und Luckmann: 1980: 62). Es ist wichtig, sich Klarheit über die theoretischen Implikationen zu verschaffen, weil die Erklärungen letztlich auf den theoretischen Kern der Theorien zielen, die man verwendet: Wie der Neo-Institutionalismus in der Organisationsanalyse sind die konstruktivistisch geprägten Disziplinen entweder als Ganzes oder aber in sich durch eine Über- bzw. Unterbetonung entweder der Mikroebene sozialer Interaktion oder der Makroebene sozialer Strukturen gekennzeichnet. Die analytische Unterscheidung der empirischen Wirklichkeit in Mikro- und Makroebene geht häufig jeweils mit der Betonung des Einflusses von Akteuren oder Strukturen einher.46 Dies hat mit dem Institutionenbegriff zu tun. Es erscheint notwendig, die charakteristische 'Doppelgesichtigkeit' des Institutionenbegriffs zu erläutern. Sowohl die Entstehung als auch die Aufrechterhaltung von Institutionen erfolgt auf der Mikroebene von Interaktionen. Die spezifische Eigenart von Institutionen liegt jedoch in ihrem objektiven Wirklichkeitscharakter: "Institutionen wirken gegeben, unveränderlich und selbstverständlich" (Berger und Luckmann 1980: 63). Analytisch werden Institutionen daher in der Regel auf der Ebene sozialer Strukturen - der Makroebene - angesiedelt. Uwe Schimank (1992) hat gezeigt, dass eine theoretische Voraussetzung soziologischen Denkens - die "Weltoffenheit" des Menschen - in der soziologischen Theoriebildung typisch zu zwei unterschiedlichen Betonungen in der Konzeption menschlicher Sozialität geführt hat. Die "Weltoffenheit" bildet unter
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Douglas plädiert entschieden für eine kognitionstheoretische Ergänzung der Institutionenanalyse, um deren Schwächen auszugleichen: "[A] cognitive theory to supplement the weaknesses of institutional analyses is needed" (Douglas 1986: IX). Die Unterscheidung gesellschaftlicher Wirklichkeit in Mikro- und Makroebene scheint in der soziologischen Disziplin ein Merkmal geworden zu sein, das auch jenseits allgemeiner theoretischer Differenzen sehr unterschiedliche soziologische Ansätze (potentiell) miteinander verbindet (vgl. Alexander und Giesen 1987). Vgl. zum Beispiel die angestrebten Untersuchungsebenen für moralische Gattungen bei Bergmann und Luckmann (1993: 22f.) und Gerhards' und Neidhardts Differenzierung von drei Öffentlichkeitsebenen in encounters, öffentliche Veranstaltungen und massenmediale Kommunikation (1993: 63-67).

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Die neo-institutionalistische Perspektive

Bezug auf Gehlen47 auch bei Berger und Luckmann die anthropologische Konstante, aus der die Notwendigkeit der Generierung sozialer Ordnung einschließlich der Entstehung von Institutionen abgeleitet wird (Berger und Luckmann 1980: 50). Ausgehend von der theoretischen Voraussetzung der Weltoffenheit betonen in der soziologischen Theorie die einen den Mangel aufgrund der Instinktarmut des Menschen und der daraus resultierenden Notwendigkeit der Aufrechterhaltung von Erwartungssicherheit; die anderen sehen in derselben Voraussetzung für den Menschen vornehmlich die Chance freier Wahl und unbeschränkter Zielverfolgung gegeben (Schimank 1992).48 Beide Seiten ein und derselben Medaille - gesellschaftlicher Wirklichkeit - haben Berger und Luckmann gekennzeichnet, indem sie ihre Theorie der Entstehung der Institutionen beschließen: "Gesellschaft ist ein menschliches Produkt. Gesellschaft ist eine objektive Wirklichkeit. Der Mensch ist ein gesellschaftliches Produkt" (1980: 65).49 Die Beiträge der neo-institutionalistischen Perspektive sind durch dieselbe Über- bzw. Unterbetonung der einen oder anderen Seite gesellschaftlicher Wirklichkeit geprägt wie der Institutionenbegriff selbst. Die Neo-Institutionalisten gehen in der Regel von der Makro-Ebene aus und untersuchen die Einflüsse institutionalisierter Umwelten wie des Staats oder des Rechts auf Organisationen. Wie wirken Institutionalisierung und Objektivierung, haben sie einmal Wirklichkeit erzeugt, auf organisationelle Vorgänge zurück? Der Neo-Institutionalismus sucht nach Indikatoren für den Einfluss institutionalisierter Umwelten auf bestimmte Aspekte der Organisationsstruktur und organisationellen Handelns. Angesichts der augenfälligen Einflusskraft von Institutionen auf Organisationen sind dabei die "microlevel foundations" von Institutionen sowie der Einfluss von Akteuren eher vernachlässigt worden (selbstkritisch: Zucker 1991: 105; DiMaggio 1988).50 Durch die Orientierung an der Makroebene, die
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Arnold Gehlen hat den Mensch als "weltoffen, aber instinktarm" gekennzeichnet (Gehlen 1986: 69). Daher beziehen sich auch ausschließlich vom Akteur ausgehende Rational-Choice-Ansätze (z.B. Esser 1993) - die damit einer rein institutionalistischen Perspektive traditionell entgegenstehen - auf das Berger und Luckmannsche Konzept der Entstehung von Institutionen. Auf dem Hintergrund von Parsons Einfluß auf die amerikanische Soziologie zum Zeitpunkt der Veröffentlichung der "Social Construction of Reality" merken die Autoren an, die amerikanische Soziologie neige dazu, das erste Moment außer acht zu lassen: Es werden "'dingliche' Kategorien in sie [die gesellschaftliche Wirklichkeit] hineingesehen, die wenn überhaupt, nur zur Welt der Natur passen" (Berger und Luckmann 1980: 65, Anm. 30). Der Widerstand der Neo-Institutionalisten gegen akteursorientierte Erklärungsansätze entpuppt sich bei genauerer Betrachtung aber vor allem als entschiedene Abgrenzung gegenüber dem methodologischen Individualismus und Theorien rationaler Wahl (vgl. DiMaggio und Powell 1991: 2; March und Olsen 1984).

Institution: eine Begriffsklärung

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die neo-institutionalistische Perspektive bestimmt, ist die Rolle der Akteure für das Organisationshandeln tendenziell aus dem Blick geraten. Ein großer Vertreter des alten Institutionalismus merkt in dieser Hinsicht kritisch an, den NeoInstitutionalisten sei die starke Einsicht des Institutionalismus verlorengegangen "that somebody somewhere really cares to hold an organization to the standards and is often paid to do that" (Stinchcombe 1997: 17). Aus den eigenen Reihen der neo-institutionalistischen Organisationssoziologie hat insbesondere Lynne Zucker immer wieder darauf hingewiesen, welche analytischen Konsequenzen eine ausschließliche theoretische Orientierung an der Makroebene hat. So wird häufig mehr der Inhalt als der Prozess der Institutionalisierung in Augenschein genommen (vgl. Friedland and Alford 1991: 252). Zucker fordert, unbedingt zu berücksichtigen, wie sozial objektivierte Phänomene im organisationellen Handlungsraum entstehen (Zucker 1977; 1983; 1987; 1991).
Without a solid cognitive, microlevel foundation, we risk treating institutionalization as a black box at the organizational level, focusing on content at the exclusion of developing a systematic explanatory theory of process, conflating institutionalization with resource dependency, and neglecting institutional variation and persistence (Zucker 1991: 105).

Entscheidend ist jedoch, dass eine institutionalistische Perspektive grundsätzlich beide Sichtweisen ermöglicht, die einander weder ausschließen, noch widersprechen: "microinstitutionalism is largely complementary to, rather than competitive with, macroinstitutionalism" (Zucker 1991: 104). Der gemeinsame Gegenstandsbereich organisationellen Handelns gewährleistet den Zusammenhalt der Disziplin und die Überprüfbarkeit der Ergebnisse. Der besondere theoretische Anspruch dieser Untersuchung besteht in diesem Sinne darin, den Einfluss institutionalisierter Strukturen auf die Organisationen zu untersuchen, dabei aber die Ebene sozialer Interaktion, in denen Institutionen entstehen und aktualisiert werden, sowie die Interessen der beteiligten Akteure nicht zu vernachlässigen.

3.2

Institutionalisierte Umwelten von Organisationen

Die theoretische Perspektive des Neo-Institutionalismus in der Organisationsanalyse ermöglicht die Integration einer kulturanalytischen Gesamtsicht auf das Mediengewaltproblem mit dem eher praxisorientierten Anliegen der Organisationsanalyse der Rundfunkregulation. Das zentrale Konzept dieser zugleich organisations- und kulturanalytischen Perspektive bildet die Berücksichtigung

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der Organisationsumwelten und des Organisationsfelds: "The notion of organizational field functions to link the study of organizations to an examination of wider societal issues" (Scott 1994: 203). Am Beispiel der LMAs hat Wolfgang Hoffmann-Riem auf das "bei allen Organisationen beobachtbare Überlebensinteresse" hingewiesen (HoffmannRiem 1994: 138). In bestimmten Bereichen der Organisationsanalyse (resource dependency theory, population ecology) wird das Überleben von Organisationen als Erfolgsindikator herangezogen:
Profit ... is not a major factor in the operation of non-profit organizations like governmental agencies, hospitals, trade associations, or labor unions. One suspects that, over long periods of time and in informal ways, the 'profit' from such organizations does get measured in the sense that organizations which cost more than they are worth disappear (Starbuck 1965: 457).

Das Überleben als Erfolgsindikator zu nehmen, hat den Vorteil, ein ebenso konkreter Indikator zu sein wie 'Profit'. Häufig wird nun aber die Finanzierung von NPOs auch dann aufrechterhalten, wenn sie als ineffektiv gelten.
The worthiness of a nonprofit's activities may tend to be assumed, so that its mere existence is seen as indicative of 'good works' or 'social-moral contributions' and there is no need to show returns and results (Kanter und Summers 1987: 164).

Auch Langlebigkeit kann also nicht als Zeichen einer hohen formalen Leistung gewertet werden. Viele Organisationen existieren weiter mit nur geringer Leistung. Behörden und Bildungseinrichtungen sind häufig zitierte Beispiele. Grundsätzlich gilt, dass die 'Sterblichkeitsrate' von NPOs, aber auch von FPOs abnimmt, je länger sie existieren, während sich ihre Leistung nicht entsprechend erhöht (Meyer und Zucker 1989: 19). Dieses paradoxe Phänomen wird als ein Zeichen für den Institutionalisierungsgrad einer Organisation gesehen (Meyer und Zucker 1989: 19). Langlebigkeit wird vor allem als ein Indikator für die Anpassungsfähigkeit der Organisation an ihre institutionalisierten Umwelten gewertet ("adaptive capacity", Starbuck 1965). Organisationen, die in hoch institutionalisierten Umwelten existieren, leben mit großer Wahrscheinlichkeit länger (Meyer und Rowan 1977: 61). Organisationen müssen sich an ihre technischen und institutionalisierten Umwelten anpassen, um zu überleben. In der neo-institutionalistischen Perspektive werden Form und Outcomes von Organisationen bestimmt durch institutionalisierte Strukturen. In institutionalisierten Umwelten werden Organisationen dafür belohnt, 'korrekte' Strukturen und Prozeduren zu etablieren, nicht jedoch für die Quantität oder Qualität ihres Outputs (Scott und Meyer 1983: 149). Das heißt, Institutionen werden als unabhängige Variablen begriffen, die die Struktur von Organisationen bestimmen. Die Aufmerksamkeit richtet sich

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dabei auf die Persistenz von Institutionen, die das Arbeiten der Organisationen formen und vor allem behindern (DiMaggio und Powell 1991: 9). Institutionen komplizieren und konstituieren gleichzeitig die Pfade, auf denen Organisationen nach Lösungen für ihre Probleme suchen. Aus diesem analytischen Blickwinkel ist der Ort der Institutionen vorrangig nicht die Organisation selbst, sondern vielfältige, institutionalisierte Umwelten. Diese Umwelten werden nicht wahlweise von Organisationen angenommen, sondern drängen förmlich in Organisationen und schaffen die 'Brille', durch die die Welt wahrgenommen wird:
Environments ... rather than being co-opted by organizations, they penetrate the organization, creating the lenses through which actors view the world and the very categories of structure action and thought (DiMaggio und Powell 1991: 11).

Die Bedeutung institutionalisierter Umwelten für das organisationelle Handeln schließt jedoch nicht aus, auch andere kollektive Akteure in der Umwelt der Organisationen als wichtige Quelle für Institutionalisierungsprozesse einzubeziehen (Zucker 1987: 446). In dieser Untersuchung wird entsprechend der Einfluss der FSK auf die LMAs und die FSF analysiert werden. Wie gewinnen institutionalisierte Umwelten einschließlich des vorherrschenden Wertsystems (belief system) Einfluss auf die Organisation? John W. Meyer und Brian Rowan (1977; 1991) haben entscheidend auf die Rolle von Legitimationsprozessen verwiesen, durch die institutionalisierte Strukturen rationalisierte Mythen, institutionalisierte Regeln und Kognititionsschemata Eingang in die Organisationswirklichkeit finden. Institutionen wirken durch Legitimationsprozesse. Regeln und Verfahren besitzen dadurch Legitimation, dass sie als rational und effektiv gelten - und dass dieser Status unhinterfragt und selbstverständlich ("taken-for-granted"), besteht. Als Beispiele zweier hoch abstrakter "rationalisierter Mythen" nennen Meyer und Rowan den Vertrag und die Expertise (Meyer und Rowan 1991: 48). Eine der einflussreichsten Quellen der Legitimation und dadurch der Verbreitung institutionalisierter Regeln ist das Recht:
The stronger the rational-legal order, the greater the extent to which rationalized rules and procedures and personnel become institutional requirements (Meyer und Rowan 1977: 48).

Dies trifft auf unser Anwendungsbeispiel in besonderem Maße zu, da es sich ja nicht etwa um private Unternehmen handelt, sondern um Regulierungseinrichtungen, die ihre Existenz der Gesetzgebung verdanken, und verpflichtet sind, regulatives Recht umzusetzen sowie dessen Einhaltung zu überwachen.

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Die neo-institutionalistische Perspektive

Es gilt, in den nachfolgenden Kapiteln der Untersuchung die sozialen Prozesse zwischen der organisierten Rundfunkregulation und ihren relevanten Umwelten zu analysieren, durch die institutionalisierte Strukturen Legitimation und selbstverständliche Geltung in der Organisationswirklichkeit erhalten. Bevor in diesem Kapitel auf die Rolle des Interessehandelns der Akteure eingegangen wird, soll zuvor noch der Einfluss des als "Masterframe der Kausalität" bezeichneten kognitiven Schemas für das Organisationsfeld erläutert werden. An anderer Stelle (Kap. 1) ist die Kausalstruktur aus den Beiträgen der Medienwissenschaft als das den Problemzusammenhang bestimmende Deutungsmuster herausgearbeitet worden. Trotz mangelnder Ergebnisse, den Kausalzusammenhang von dargestellter und realer Gewalt zu belegen, hat das Ursache-Wirkungs-Denken in der wissenschaftlichen Forschung überlebt. Die Gründe für das Fortdauern der Frage, ob dargestellte Gewalt aggressives Verhalten bewirkt, sind aber weder ausschließlich, noch ausschlaggebend innerhalb des Teilsystems Wissenschaft zu suchen. Innerhalb der Wissenschaft sind ja angesichts fehlender Nachweisbarkeit durchaus anderslautende Problemdefinitionen entwickelt worden. Die Frage nach einem direkten Kausalzusammenhang ist zwar innerhalb bestimmter Bereiche des Wissenschaftssystems immer wieder reproduziert, aber vor allem immer wieder von der Öffentlichkeit und der Politik an die Wissenschaft herangetragen worden. Wie kommt es zu der Dominanz des kausalen Frames in Bezug auf das Mediengewaltproblem, der sich nicht zuletzt in dem Regulationsverfahren der Medieninhaltskontrolle manifestiert? Die Ursache liegt in den Fundamenten sozialer Wirklichkeitskonstruktion begründet. Mary Douglas hat daraufhingewiesen, dass die Legitimation institutionalisierter Strukturen notwendig in der menschlichen Kognition verankert ist: "To acquire legitimacy, every kind of institution needs a formula that finds its rightness in reason and in nature" (Douglas 1986: 45). Das Bedürfnis des Einzelnen nach Ordnung und Kohärenz in der Welt verweist den Verstand auf die Gesetzmäßigkeiten der Natur. 'Kausalität' ist so ein grundlegender kognitiver Frame, der ebenso wie 'Ähnlichkeit' und 'Identität' (Douglas 1986: 55) an den Grundfesten menschlicher Sozialität ansetzt.51 Jede Institution mit einem dauerhaften Bestand besitzt dadurch Legitimation, dass sie sich auf die Natur und das Denken gründen kann (Douglas 1986: 112). Institutionen sind verankert in Analogieschlüssen von der Natur und damit in der menschlichen Kognition
51

Es gilt dabei die positive Funktion sozial geteilter Kognitionsschemata für den sozialen Zusammenhalt hervorzuheben. Douglas' Plädoyer gilt der Bedeutung der Kognition für die soziale Ordnung: "the role of cognition in forming the social bond" (1986: 19). In diesem Sinne unterstützt die Konstruktion von Natur-Analogien die Aufrechterhaltung des sozialen Gefüges.

Institutionalisierte Umwelten von Organisationen

101

(Douglas 1986: 52; vgl. Zucker 1991; DiMaggio 1997). 'Kausalität' gehört zu den fundamentalsten Ordnungsstrukturen, die unser Denken und Handeln leiten. In diesem Sinne ist der bestimmende Einfluss und die Persistenz des Masterframes der Kausalität in dem Mediengewalt-Diskurs zu begreifen. Neben der Überzeugung, es bestehe ein Zusammenhang zwischen Mediengewalt und gesellschaftlicher Gewalt, muss auch die Idee der Effektivität rundfunkpolitischer und -rechtlicher Steuerung letztlich als ein rationaler Mythos betrachtet werden, der auf dem Kausalitätsdenken gründet. Die Forderung nach einem "effektivem Jugendschutz" (vgl. für viele andere Beispiele Füger 1994: 115; Stock 1993: 379; Thaenert 1990: 40ff.) ist dabei nur ein Teilstück des rationalen Mythos' einer "effektiven Rundfunkregulierung" insgesamt. Auf die Notwendigkeit einer effektiven Regulierung wird dabei gleichermaßen von Politikern, Praktikern und Wissenschaftlern verwiesen: "control is sensible only if it is effectively excercised. Weak controls lead to counter-productive results" (Bertelsmann Stiftung und Europäisches Medieninstitut 1995: 476; vgl. Hoffmann-Riem 1989c; Schuler-Harms 1995: 120f.). Moderne Gesellschaften verfügen über ein Repertoire institutionalisierter Regeln, die als Mythen fungieren und bestimmte rationale Strukturen wie die einer effektiven Kontrolle vermitteln als "rational means to the attainment of desirable ends" (Meyer und Rowan 1977: 304).

3.3

Das Interessehandeln der Akteure

Der hier vertretene Erklärungsansatz sucht am Beispiel der Regulation des Mediengewaltproblems innerhalb einer gesellschaftsanalytischen Perspektive sowohl institutionelle als auch interessebestimmte Faktoren zu berücksichtigen.52 In den Erklärungen des Neo-Institutionalismus wird der Einfluss von Interessehandeln häufig zugunsten institutionalisierter Strukturen marginalisiert (Stinchcombe 1997; DiMaggio 1988; Zucker 1987).
The normal sociological posture for thinking about institutions is either to leave out the individuals altogether, or to start with an individual threatened by, or controlled by institutions. There is no room for the idea that there may be some individuals who are setting up and maintaining the institutions as part of a process of incorporating other individuals in their own life projects (Douglas 1992: Xf.).

52

Auch Gusfield hat für die Berücksichtigung beider Faktoren plädiert, wenn er fordert, die Analyse sozialer Probleme müsse stärker berücksichtigen, "how social movements and institutions affect ... seeing a situation as a social problem" (Gusfield 1989: 439).

102

Die neo-institutionalistische Perspektive

Aus der Sicht der neo-institutionalistischen Organisationsanalytiker tendieren institutionalisierte Strukturen dazu, sich zu verdinglichen, während Akteure als die eigentlichen Träger und Produzenten von Bedeutungen in den Hintergrund treten.53 In der politischen Soziologie ist es dagegen akzeptiert, dass Deutungsprozesse mit den Interessen individueller und kollektiver Akteure verbunden sind. Politische Issues werden forciert, propagiert, in Kampagnen vorangetrieben. Dazu benutzen kollektive Akteure Frames (Snow et al. 1986)54 und Cultural Packages (Gamson und Modigliani 1987: 143). Themen und Probleme sind demnach umkämpft von Bedeutungsproduzenten. In der Soziologie sozialer Probleme und abweichenden Verhaltens, in der der symbolische Interaktionismus und eine konstruktivistische Perspektive früh größere Bedeutung erlangt haben, sind die Interessen der Akteure in Verbindung mit den von ihnen propagierten Deutungen ebenfalls nicht aus den Augen verloren worden. In der konstruktivistisch geprägten Soziologie sozialer Probleme wird durch die systematische Fokussierung auf "claims-making activities" (Spector und Kitsuse 1987: 76) gerade der Einfluss von Akteuren auf die Wahrnehmung, Karriere und organisierte Bearbeitung eines sozialen Problems besonders hervorgehoben. Warum werden bestimmte Bedingungen als soziale Probleme definiert und andere nicht (Spector und Kitsuse 1987: 86; Blumer 1971)? Die Antwort zieht nicht die jeweiligen objektiven Bedingungen zu Rate, sondern nimmt die Aktivitäten der "claims-maker" in den Blick. Der Kern der Erklärung wird damit letztlich in den Interesselagen der claims-maker gesucht. Diese können materieller sowie moralischer Art sein: "We define interest as any real and material advantage or stake that an individual or group claims, or is imputed by others to have, in the outcome of activity" (Spector und Kitsuse 1987: 87). Es geht nicht um die 'realen' Bedingungen, die einem Problem zugrunde liegen, sondern um die Aktivitäten derjenigen, die von der Existenz eines Problems profitieren, ohne unbedingt selbst betroffen zu sein: Politiker, Journalisten, Wissenschaftler, Medienschaffende der öffentlich-rechtlichen wie der privat-kommerziellen Sender, ebenso wie die Regulierer oder erklärte Jugendschützer.

53

54

Die Rolle der Akteure bleibt aber nicht unerwähnt: "institutions are not only constraints on human agency; they are first and foremost products of human actions" (DiMaggio und Powell 1991: 26). Die Ursache eines institutionalen Isomorphismus wird im Staat und den Professionen gesehen, den "great rationalizers of the second half of the twentieth century" (DiMaggio und Powell 1983: 147). Vgl. Snow et al. (1986: 464); Gamson und Modigliani (1987: 143); Gerhards (1993: 128ff.). Es wird mit dem Rahmenkonzept von Erving Goffman (1980) gearbeitet.

Das Interessehandeln der Akteure

103

Die Durchsetzung politischer Maßnahmen in Bezug auf soziale Probleme, also die Verabschiedung von Gesetzen oder die Schaffung von Organisationen, die Probleme bearbeiten sollen, ist häufig durch ideologische und materielle Interessen der beteiligten Akteure erklärt worden: In einer klassischen Untersuchung hat Howard S. Becker die Durchsetzung eines Gesetzes der amerikanischen Drogenpolitik, der Marihuana Tax Act, mit den Interessen eines "moralischen Unternehmers" erklärt (Becker 1973, zuerst 1963). Solchen Überlegungen folgend hat Joseph R. Gusfield in seiner Untersuchung der amerikanischen Prohibitionsbewegung gezeigt, dass die Versuche, soziale Probleme auf der öffentlichen Agenda voranzubringen und in einer bestimmten Weise zu deuten, mit den Interesselagen bestimmter gesellschaftlicher Gruppen verbunden sind. Demnach diente die Prohibition keineswegs ausschließlich gesundheitlichen Zwecken. Die Prohibitionsbewegung wurde gestützt durch traditionsbestimmte soziale Gruppen mit einem ländlichen, protestantisch-asketischen Lebensstil. Deren Interesse war gerichtet gegen die hedonistische Kultur der später Eingewanderten in den Städten. Die Prohibition konnte den Machtverlust und den sozialen Abstieg dieser Gruppen durch das Verbot des Alkohols, der den städtischen hedonistischen Lebensstil beförderte, zwar nicht verhindern, aber verlangsamen. Auf dem Hintergrund dieser Analyse hat Gusfield die Prohibitionsbewegung als "moralischen Kreuzzug" gekennzeichnet (Gusfield 1963). Im Rahmen historischer Studien fällt es uns heute leichter, Ideen wie die eines moralischen Unternehmers oder einer Klasse "kultureller Kapitalisten" zu akzeptieren, die ihrem Wertekanon allgemeingültige soziale Verbindlichkeit verschaffen wollen. Paul DiMaggio etwa führt die Abgrenzung zwischen Hochkultur und Populärkultur auf das Handeln einer Klasse kultureller Kapitalisten zurück:
The sacralization of art, the definition of high culture and its opposite, popular culture and the institutionalization of this classification, was the work of men and women whom I refer to as cultural capitalists (DiMaggio 1986b: 43).

DiMaggio rekonstruiert die Entstehung des (hoch-)kulturellen Wertsystems und seiner institutionellen Absicherung gegenüber der Trivialkultur am Beispiel der Bostoner Oberschicht des 19. Jahrhunderts:
To create an institutional high culture, Boston's upper class had to accomplish three concurrent, but analytically distinct, projects: entrepreneurship, classification, and framing. By entrepreneurship, I mean the creation of an organizational form that members of the elite could control and govern (DiMaggio 1986b: 44).55
55

DiMaggio verweist als Quelle seines Unternehmerbegriffs ("entrepeneurs of popular culture"; 1986b: 59, Anm. 11) auf Bourdieus Konzept des kulturellen Kapitals (DiMaggio 1986b: 43f.), während Beckers "moralischer Unternehmer" unerwähnt bleibt.

104

Die neo-institutionalistische Perspektive

Peter L. Berger kommt am Beispiel der Nichtraucherbewegung zu dem Schluss, dass diese der Versuch einer "Wissensklasse" (Bell 1979) sei, ihre Werte des Kulturprotestantismus sozial verbindlich durchzusetzen (Berger in: Kellner und Heuberger, Hrsg., 1992; Knoblauch 1993). Gusfield hat für unsere Zeit den Begriff der "troubled persons professions" (Gusfield 1989: 432) geprägt und damit Berufsgruppen bezeichnet, die unter Verweis auf ihre professionelle Qualifikation Lösungen für soziale Probleme anbieten. Insbesondere im sozialpolitischen Bereich sind solche "troubled persons professions" entstanden, die immer aufs Neue soziale Probleme definieren, um damit ihre Berufsgruppe und deren professionelle Zuständigkeit zu legitimieren (Gusfield 1989: 42). Im folgenden wird nicht vereinfacht argumentiert, dass es in Bezug auf das Problem der Mediengewalt einem einzelnen moralischen Unternehmer gelingt, seine mit individualökonomischen Interessen verknüpften Lebensstilvorstellungen durchzusetzen. Die mit den hier angeführten Untersuchungen geteilte Annahme ist jedoch, dass öffentliche soziale Probleme wie das der Mediengewalt durch ideologische und ökonomische Interessen bestimmter sozialer Gruppen gefördert werden - wenn auch nicht durch sie verursacht werden. Howard Beckers Untersuchung über "Außenseiter" weist für die Berücksichtigung interessenbestimmter Faktoren entscheidend auf die Rolle von Organisationen und ihren Mitarbeitern bei der Definition sozialer Problemlagen hin: Becker hat die Durchsetzung der 1937 verabschiedeten Marihuana Tax Act durch die Interessen eines "moralischen Unternehmers" erklärt. Die Marihuana Tax Act war demnach nicht die Reaktion auf eine vorausgegangene allgemeine öffentliche Betroffenheit und Empörung über Marihuanakonsum, sondern das Ergebnis des Handelns einer Organisation und insbesondere des Leiters des "Federal Bureau of Narcotics" des US Treasury Departments. Ohne Beckers Erklärung des individuellen moralischen Unternehmers für die Marihuana Tax Act abzulehnen, argumentierte Donald Dickson (1968) ergänzend, dass auch andere, organisationsanalytische Gründe für die Erklärung des Phänomens angeführt werden müssen: Die Marihuana Tax Act sei auch ein Ergebnis des "bureaucratic response to environmental pressure" des von Becker untersuchten Bureau of Narcotics gewesen (Dickson 1968: 143). Die Motive schlossen sowohl die Interessen eines einzelnen moralischen Unternehmers, als auch die Anpassungsfähigkeit (adaptive capacity) der Organisation an ihre technischen und institutionalisierten Umwelten mit ein: "some combination of both moral and bureaucratic factors exist in any given crusade" (Dickson 1968: 156). Die Bedeutung des Bureau of Narcotics konnte durch die

Das Interessehandeln der Akteure

105

Gesetzesinitiative, die zur Marihuana Tax Act führte, erhöht und dadurch vor drohenden Stellenstreichungen bewahrt werden. Wenn Organisationen entstehen, die für die Bearbeitung eines Problems wie dem der Mediengewalt zuständig sind, dann entwickeln deren Mitarbeiter ein materielles Interesse daran, das Problem weiterhin problematisch erscheinen zu lassen, sowie die richtigen Problemlösungen zur Verfügung zu haben. Organisationsmitarbeiter haben ein Interesse am Erhalt ihrer Stellen. Staatliche Instanzen sind in diesem Sinne als "social problems entrepeneurs" (Schneider 1985) bezeichnet worden und Gusfield (1981) hat die Rolle des National Institute on Alcohol Abuse and Alcoholism (NIAAA) für die Definition des Problems 'Fahren unter Alkohol' rekonstruiert. Wer treibt das Thema Mediengewalt voran? Wer entwickelt mit der Zeit ideologische und auch handfeste materielle Interessen an der fortdauernden Problematisierung der Mediengewalt und folglich an immer neuen Maßnahmen, das Problem in den Griff zu bekommen? Wie der Ausdruck "moralischer Unternehmer" anzeigt, gehen solche materiellen Interessen mit moralischen Interessen einher. Moral-Unternehmungen müssen auf alltäglichem Moralisieren aufbauen können, um eine Wirkung zu erzielen. Moralische Kommunikation beinhaltet durch ihre Tendenz zur Emotionalisierung, Generalisierung und Personalisierung des Konfliktstoffs Risiken für die Sprecher. Diese Risiken bewirken, dass sich moralisches Unternehmertum oftmals in Expertise kleidet. Die Expertise schützt Sprecher davor, in Ideologieverdacht oder in die Rolle eines Moralapostels zu geraten. "[P]ublic moral argument naturally invites participation by field experts and is dominated by the rational superiority of their arguments" (Fisher 1984: 12). Die Absicherung moralischer Aussagen durch Expertenschaft darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass es auch in den Äußerungen von Experten zum Thema Mediengewalt darum geht, Normen, Werte und Lebensstilvorstellungen zu vermitteln. "Public moral argument, which is oriented toward what ought to be, is undermined by the 'truth' that prevails at the moment" (Fisher 1984: 12). Ein Beispiel:
Reality-TV ist eine zusätzliche Eskalation der Verwilderung der Sitten in den Medien. Aus ethischen Gründen lässt sich das nicht vertreten, es ist verwerflich. Wenn die Medienselbstkontrolle darüber hinwegsieht, muß man diese Selbstkontrolle in Frage stellen (Hans-Dieter Schwind im Kölner Express vom 21.01.1993).56

56

Zum Zeitpunkt dieser Äußerung bestand im Fernsehbereich noch keine Selbstkontrolleinrichtung.

106

Die neo-institutionalistische Perspektive

Diese öffentliche Äußerung stammt von einem der Herausgeber des Endgutachtens der von der Bundesregierung berufenen "Gewaltkommission" (vgl. Schwind et al. 1990). Der Sprecher trifft eine Wortwahl, die den meisten wahrscheinlich nur noch im institutionellen Rahmen der Kirche vertraut ist. Er spricht von einer "Eskalation der Verwilderung der Sitten" und bezeichnet Reality-TV als "verwerflich". Seine ausgewiesene Expertenschaft in Bezug auf die Gewaltproblematik gewährleistet, dass sein moralisches Urteil veröffentlicht wird und schützt ihn gleichzeitig davor, lächerlich zu erscheinen. Es geht in dem Mediengewalt-Diskurs um Lebensstilvorstellungen, die "preferred patterns of living" (Fisher 1984: 12; Gusfield 1963). Diese Lebensstilvorstellungen werden von sozialen Gruppen vertreten, die nicht die Mehrheit darstellen. Dem Mediengewalt-Diskurs liegt eine negative Bewertung des Mediums Fernsehen zugrunde. Deutlich richtet sich der Mediengewalt-Diskurs gegen jegliche Form der Kommerzialisierung des Fernsehens. Die Vorstellung, etwas zu unternehmen, um die Gewalt in den Medien zu reduzieren, löst beim Publikum Befriedigung aus. Mit den Maßnahmen gegen Gewaltdarstellung im Fernsehen wird die Hoffnung verbunden, durch die Verminderung von Mediengewalt etwas gegen die insgesamt fortschreitende Kommerzialisierung der Gesellschaft zu tun. Die Folgen des profitorientierten Handelns der Medienunternehmen sollen gemildert und die Unternehmen im Hinblick auf ihre Sozialverantwortlichkeit in die Pflicht genommen werden. Innerhalb des Mediengewalt-Diskurses gelingt es einer Wissensklasse, die Hegemonie ihrer Werte über ihre sozialen Grenzen hinaus auszudehnen. Berücksichtigt man, wie beliebt Fernsehen gerade bei jungen Menschen ist und Eltern dieses Verhalten aber negativ bewerten (Palmer 1988; Kübler und Swoboda 1998), kann der Mediengewalt-Diskurs wie die Auseinandersetzung um Pop-Musik (Gray 1989) auch als ein Ordnungsdiskurs mit kontrollierender Funktion gegenüber der jungen Generation und ihrer besonderen Vorliebe für das Populäre verstanden werden.

4

Das soziale und kulturelle Organisationsfeld der Regulation

Welchen Einfluss haben institutionalisierte Umwelten auf die Rundfunkregulation? Das häufig als einerseits vage und andererseits als zu statisch kritisierte Umweltkonzept des Neo-Institutionalismus hat W. Richard Scott anknüpfend an DiMaggio und Powell (1983: 143) in dem Konzept des Organisationsfelds präzisiert. Wie ist ein Organisationsfeld zu bestimmen?
All begin with identifying a group of organizations, producing similar products or services ... but include as well their critical exchange partners, sources of funding, regulatory groups, professional or trade associations, and other sources of normative or cognitive influence. Nonlocal as well as local connections, vertical as well as horizontal ties, cultural and political influences as well as technical exchanges are included within the organizational field of forces viewed as relevant (Scott 1991: 173f.; Hervorhebung JE).57

Welchen kulturellen, normativen und politischen Einflüssen ist die Regulation der Gewaltdarstellung in den Medien ausgesetzt? Mit welchen Organisationen teilen die LMAs und die FSF die Aufgabe des Jugendschutzes, die ebenfalls als Quelle für Institutionalisierungsprozesse innerhalb des Organisationsfelds in Betracht gezogen werden müssen (vgl. Zucker 1987: 446)? Mit wem stehen die Jugendschützer in regelmäßigem Kontakt? Welche professionellen Gruppen sind in dem Organisationsfeld vertreten? Wie ist unter den oben genannten Voraussetzungen das "Organisationsfeld relevanter Einflusskräfte" der Regulation der Mediengewalt zu beschreiben? In negativer Abgrenzung muss zunächst betont werden, dass es sich nicht um dasselbe Organisationsfeld handelt, das für die privat-kommerziellen Sender zu entwerfen wäre, sondern um das ihrer Regulateure. Die Forschung hat bei der Rundfunkregulation eine Tendenz zur Übernahme der Rolle der Regulierten festgestellt (Kap. 2; vgl. auch Edelman 1976: 53f.). Dieses Ergebnis zeigt ja
57

Das Konzept des Organisationsfelds ist vergleichbar mit anderen analytischen Konzepten aus der Organisationssoziologie und der Politikwissenschaft wie dem "societal sector" (Scott und Meyer 1983) oder der "policy domain" (Burstein 1991).

108

Das soziale und kulturelle Organisationsfeld der Regulation

zugleich an, dass bei Regulierern und Regulierten typisch von gegensätzlichen Interessen auszugehen ist: Während die einen an Profit orientiert sind, versuchen die anderen, die sozialschädlichen Folgen dieses Profitstrebens zu mäßigen. Für die Beschreibung des Organisationsfelds ist es zentral, ein gemeinsames Set kultureller Werte und Normen zu bestimmen. Es ist die grundlegende Sicht der Dinge, die ein Organisationsfeld spezifizieren: "Organization fields are defined and shaped by the presence of particular belief systems that guide and orient the behavior of field participants" (Scott 1994: 208). Die Wertorientierung und die normativen Überzeugungen der Rundfunkregulateure sind denjenigen der Betreiber privat-kommerzieller Sender wie RTL oder Pro 7 typischerweise konträr. RTL will durch seine Programmstrategien möglichst hohe Einschaltquoten in einer bestimmten demographischen Zielgruppe erreichen:
Das ideale Publikum für uns sind: Jungverheiratete, die zwei Kinder haben, gerade ein Haus bauen und sich einen Zweitwagen kaufen wollen ... den idealen kaufkräftigen Zuschauer sollten drei Punkte auszeichnen: Höhe des Einkommens, Kinderhaushalt, Hauseigentümer (Marc Conrad, RTL Programmdirektor).58

"Qualität des Programms" bedeutet für einen kommerziellen Sender in diesem Sinne kontinuierlich hohe Reichweiten in den für die Werbewirtschaft interessanten Zielgruppen:
I'm not interested in culture. I'm not interested in pro-social values. I have only one interest. That's whether people watch the program. That's my definition of good, that's my definition of bad (Arnold Becker, vice-president for television research bei CBS).59

Diesem Profitinteresse, das der Programmdirektor von RTL und der Medienforscher des amerikanischen Networks CBS hier auf den Punkt bringen, steht seitens der Regulateure die Auffassung entgegen, dass sich die Qualität des Fernsehens noch an anderen Maßstäben auszurichten habe als an Zuschauerreichweiten und Marktanteilen. So erklärt es der Direktor der LfR, Norbert Schneider:
Die Breite und die Vielfalt eines Programms werden nicht davon beeinträchtigt, daß ein Spielfilm erst nach 22.00 Uhr ausgestrahlt wird oder eine Gewaltorgie, die ebenfalls als Spielfilm angekündigt wird, schließlich nicht gezeigt werden darf (Schneider 1994: 22).

58 59

Interview mit Marc Conrad. In: FUNK-Korrespondenz Nr. 47, 19.11.1992, S. 2. Zitiert nach Gitlin (1983: 31).

Das soziale und kulturelle Organisationsfeld der Regulation

109

Es geht den Rundfunkregulateuren neben der Breite und Vielfalt eines Programms und der Einhaltung der Jugendschutzkriterien explizit um "Wertentscheidungen" (Rödding 1989: 651)60 und um "Programmqualität" (Schneider 1994: 17). Diese Qualitätsmaßstäbe sind nicht an der Quote orientiert.61 Das Organisationsfeld der Rundfunkregulation unterscheidet sich in dieser Hinsicht von dem der durch sie kontrollierten Rundfunkveranstalter. Die kommerzielle Unternehmensphilosophie eines privaten Senders steht offensichtlich im Kontrast zu denjenigen Qualitätsanforderungen, die mit dem Jugendschutzinteresse einhergehen. Neben dem vorherrschenden Wertsystem wird das Organisationsfeld als weiteres Definitionsmerkmal an den Austauschbeziehungen mit anderen Organisationen festgemacht:
The notion of field connotes the existence of a community of organizations that partakes of a common meaning system and whose participants interact more frequently and fatefully with one another than with actors outside the field (Scott 1994: 208f.).

Institutionalisierte Strukturen werden durch Austauschbeziehungen und die Dichte des Beziehungsnetzwerks in dem jeweiligen Organisationsfeld vermittelt (Meyer und Rowan 1977; 1991). Ein intensiver Kontakt sowie der Personalaustausch zwischen einzelnen Organisationen fördern die Verbreitung institutionalisierter Regeln und Verfahren. Die relevanten Akteure, mit denen die FSF und die Gemeinsame Stelle Jugendschutz und Programm (GSJP) der LMAs in regelmäßigem Austausch stehen, unterscheiden sich von denjenigen eines Senders wie RTL oder Pro 7. Die Austauschbeziehung zwischen Regulateuren und Regulierten ist in spezifischer Weise eingeschränkt: Ein direkter Kontakt der Regulateure mit den Verantwortlichen der Sender ist eher selten. Ein routinemäßiger Austausch besteht nur mit den jeweiligen Jugendschutzbeauftragten der Sender. Die sendereigenen Jugendschützer nehmen nun aber kennzeichnenderweise innerhalb der alltäglichen Arbeitsabläufe eines Senders oft eine abseitige Sonderstellung ein. Die senderinternen Jugendschutzbeauftragten sind zunehmend als Spezialrollen
60 61

Gerhard Rödding ist der der erste stellvertretende Direktor der LfR. Das Interesse, jenseits der Quote Kriterien der Programmqualität zu formulieren, teilen die Regulateure des privat-kommerziellen Fernsehens mit den öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten. Solche Qualitätskriterien sind, in Abgrenzung gegen das kommerzielle Fernsehen, ein zentraler Bestandteil der Legitimationsstrategien des öffentlich-rechtlichen Rundfunks sowie der Rundfunkregulation. Daher existieren auch zahlreiche wissenschaftliche Beiträge, die versuchen, objektivierbare Standards für Programmqualität zu explizieren (beispielsweise Schatz und Schulz 1992; Blumler, Hrsg., 1992; Belsey und Chadwick, Hrsg., 1992; Limburg 1994; Wunden, Hrsg., 1996; Hasebrink 1997).

110

Das soziale und kulturelle Organisationsfeld der Regulation

innerhalb der Unternehmen ausdifferenziert. So bleibt ein Jugendschützer offenbar immer ein Jugendschützer und wechselt nicht in andere - programmverantwortliche - Abteilungen des Unternehmens (vgl. Pekurny 1977). Jugendschützer sind heutzutage in der Medienpädagogik oder der Kommunikationswissenschaft eigens für die Rolle als Jugendschützer qualifiziert. Bei den kleinen Fernsehveranstaltern übernehmen zum Teil die Justitiare die Jugendschutzaufgabe. Das heißt, wenn die Programm- und Jugendschutzreferenten der LMAs in Kontakt mit den Veranstaltern treten, sprechen sie in der Regel mit ihresgleichen: mit Juristen, Kommunikationswissenschaftlern oder Medienpädagogen, nicht jedoch mit den Programmverantwortlichen aus der Programmplanung und -entwicklung, dem Programmeinkauf oder den Redaktionen. In dem Organisationsfeld des Jugendschutzes herrscht Austausch unter Jugendschützern vor, ohne den Kontakt zu anderen Berufszweigen oder Organisationen aus den Medien, die eine andere Sicht der Dinge als den Jugendschutzaspekt einbringen würden. Anhand der beiden Definitionskriterien, die das Organisationsfeld des Jugendschutzes spezifizieren - das gemeinsame Set kultureller Normen und Werte und die Austauschbeziehungen, die in dem Organisationsfeld vorherrschen - sind die Fernsehveranstalter nur am Rande des Organisationsfelds der Regulation zu positionieren. Das, was im Jugendschutzbereich geschieht, bleibt tatsächlich weitgehend unbeeinflusst durch die Medienunternehmen. Eine ähnliche Grenzposition wie sie die Medienunternehmen in dem sozialen und kulturellen Handlungsraum, der mit dem Organisationsfeld des Jugendschutzes beschrieben wird, einnehmen, kommt den Gerichten zu: Wird einem Beschluss der Jugendschutzreferenten der LMAs seitens der Sender widersprochen, wird die Regelung dieses Konflikts an die Gerichte weiterverwiesen. Vor Gericht wird dann aufgrund der den Jugendschutzauftrag begrenzenden verfassungsrechtlichen Einschränkungen aber eher im Sinne der Fernsehveranstalter geurteilt. Die Jugendschützer vermeiden systematisch formale Maßnahmen, um einer Beurteilung ihrer Entscheidungen durch die Gerichte aus dem Weg zu gehen (vgl. Kap. 5, 6). Das Rechtssystem ist an der inneren Kohärenz seiner Regelungszusammenhänge orientiert. Daher ist vor Gericht der Jugendschutzauftrag immer gegen die verfassungsrechtlich garantierten Freiheitsrechte abzuwägen. Die an der Kohärenz rechtlicher Regelungen ausgerichtete Handlungsorientierung der Gerichte grenzt sich wie die an Profit ausgerichtete Handlungsorientierung der Fernsehsender von derjenigen der Jugendschützer ab. Die Sender und die Gerichte markieren aufgrund ihrer kulturellen und so-

Das soziale und kulturelle Organisationsfeld der Regulation

111

zialen Handlungsorientierung die Grenzen des Organisationsfelds der jugendschützerischen Gewaltkontrollen. Im folgenden wird zunächst die interorganisationelle Umwelt am Beispiel der wichtigsten Organisation dargestellt, mit der die FSF und die LMAs das Organisationsfeld teilen: der Freiwilligen Selbstkontrolle der Filmwirtschaft (FSK). Im Anschluss werden die relevanten institutionalisierten Umwelten dahingehend analysiert, wie sie die Regulations- und Organisationswirklichkeit prägen. Diese das Organisationsfeld beherrschenden institutionalisierten Umwelten sind die öffentliche Meinung, die Wissenschaft und das Recht.

4.1

Interorganisationelle Umwelt: Die Freiwillige Selbstkontrolle der Filmwirtschaft (FSK)

Es gibt eine Parallele des Mediengewalt-Diskurses der ausgehenden 80er und beginnenden 90er Jahre zum Schmutz-und-Schund-Diskurs der 50er Jahre: Als gesellschaftspolitische Reaktion auf die öffentliche Diskussion wurden Zensurinstanzen gegründet (vgl. König 1990: 207-213). Bereits die im Juli 1949 als Nachfolge der Filmzensur der Besatzungsmächte eingerichtete FSK gewann ihr Ansehen in den Anfangsjahren nicht zuletzt durch die Debatte um Schmutz und Schund im Film und den Illustrierten. Als das sogenannte "Schmutz-undSchund-Gesetz", das Gesetz über die Verbreitung jugendgefährdender Schriften (GjS), am 9. Juni 1953 in Kraft trat, nahm auch die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften (BPjS)62 ihre Arbeit auf. Die FSK ist die älteste Einrichtung, die in der Bundesrepublik mit Zensur im Sinne des Jugendschutzes beauftragt ist. Die in der Spitzenorganisation der Filmwirtschaft e.V. (SPIO) zusammengeschlossenen einzelnen Sparten der Filmwirtschaft (Produktion, Verleih, Filmtheater, Videoprogrammanbieter) haben sich verpflichtet, keinen Film aufzuführen, der nicht durch die FSK geprüft worden ist.63 Die FSK kann die Freigabe von Filmen mit Auflagen versehen (Bildschnitte, Textänderungen); Verstöße können durch Liefer- und Abnahmesperren oder Geldstrafen geahndet werden. Als 1993 die Freiwillige Selbstkontrolle Fernsehen (FSF) geschaffen wurde, hat man die Grundstruktur der FSK aus dem Film- in den Fernsehbereich
62 63

Vgl. zur BPjS Seim (1997: 180-188; 229ff.) und Schneider (1996). Ein Arbeitsausschuss ist zuständig für die laufende Prüfung, der Hauptausschuss dient als Berufungsinstanz. Er hat 25 Mitglieder. Die einfache Mehrheit von 13 Vertretern stellt die Filmwirtschaft. Die übrigen Vertreter setzen sich gesellschaftlich repräsentativ zusammen.

112

Das soziale und kulturelle Organisationsfeld der Regulation

übertragen. Andere Vorbilder der organisierten Selbstkontrolle wie der Deutsche Presserat (DPR) blieben unberücksichtigt. Heute ist die Struktur der Prüfsituationen bei der FSK, der FSF, aber auch der BPjS prinzipiell gleich: Geprüft wird in Gruppen von drei bis sieben unabhängigen und im Jugendschutz qualifizierten Prüfern. Nach der gemeinsamen Sichtung eines Films werden Darstellungsweisen und Inhalte am Maßstab der Altersgrenzen diskutiert. Der/Die Vorsitzende erstellt im Anschluss ein schriftliches Gutachten, das eine Inhaltsangabe des Films, die als problematisch empfundenen Stellen und das abschließende Votum des Prüfgremiums umfasst. Das Votum enthält Angaben über die Altersfreigabe des Films oder über Sendezeitbeschränkung und eventuell über Schnittauflagen, die mit einer Freigabe verbunden sind. Für den zunehmenden Isomorphismus - die zunehmende Ähnlichkeit der Organisationsstrukturen in einem Organisationsfeld - haben DiMaggio und Powell (1983) Institutionalisierungsprozesse zwischen den Organisationen und ihren Umwelten verantwortlich gemacht. Einzelne Organisationen eines Produktions- oder Servicebereichs werden sich häufig mit der Zeit ähnlicher, obwohl sie dadurch nicht effektiver werden. Wenn sie dadurch nicht effektiver werden, lässt sich der organisationelle Isomorphismus aber nicht durch den Wettbewerb zwischen einzelnen Anbietern erklären - sonst würden sich ja effektivere Arbeitsverfahren durchsetzen -, sondern nur durch Institutionalisierungsprozesse zwischen den Organisationen und ihren Umwelten. DiMaggio und Powell haben drei Mechanismen institutionellen Wandels von Organisationen unterschieden, die einen zunehmenden Isomorphismus bewirken: erstens durch Zwang, zweitens mimetisch und drittens normativ (DiMaggio und Powell 1983: 150). Isomorphismus durch Zwang entsteht, wenn sich Organisationen den Anforderungen einflussreicher externer Akteure, zum Beispiel staatlicher Regulationsbehörden oder den Gesetzen, anpassen müssen. Normativer Isomorphismus wird durch die Organisationsmitglieder vermittelt, die ihre professionellen Standards und Sichtweisen in die Organisationen importieren. Isomorphismus wird also beispielsweise durch die zunehmende Professionalisierung innerhalb eines Organisationsfelds gesteigert. Der mimetische Isomorphismus schließlich ist die Standardreaktion von Organisationen auf eine unsichere Umwelt. Wenn Unternehmen neue Produkte und Serviceleistungen anbieten, oder wenn sozialpolitische Akteure angewiesen sind, neuartige Probleme zu bearbeiten, dann entstehen Organisationen, die andere Organisationen mit ähnlichen Aufgabenstellungen nachahmen. Der Einfluss der FSK in dem Organisationsfeld des Jugendschutzes ist vorrangig als normativ und mimetisch zu kennzeichnen.

Interorganisationelle Umwelt: Die Freiwillige Selbstkontrolle der Filmwirtschaft (FSK)

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Der normative Isomorphismus, der durch die FSK veranlasst wird, beruht auf ihrer Rolle als Sozialisationsinstanz im Jugendschutz. Auf der Personalebene erfüllt die FSK im Jugendschutzbereich eine Ausbildungs- und Sozialisationsfunktion. Die FSK verfügt über 50 Jahre Routine und bei wechselnden Prüfern als Vertreter der öffentlichen Hand in ihren Gremien hat die FSK Generationen von Jugendschützern hervorgebracht. Die meisten deutschen Jugendschützer sind mit den Prüfungen der FSK durch eigene Erfahrungen vertraut: So haben fast zwei Drittel der heute bei der FSF tätigen Prüfer vorher bereits bei der FSK geprüft oder tun es noch. Der Geschäftsführer der FSF hatte zuvor bei der FSK die Position des ständigen Vertreters der obersten Landesjugendbehörden inne. Auch die Programm- und Jugendschutzreferenten der LMAs haben zum Teil selbst bei der FSK geprüft (Schober 1990). Die für die Fernsehsender gesetzlich vorgeschriebenen Jugendschützer rekrutieren sich ebenfalls zunehmend aus dem Kreis der Prüfer von FSK und FSF (z.B. Premiere, Pro 7, Kabel 1). Die Rolle der FSK als Sozialisationsinstanz wird noch deutlicher, wenn klar ist, dass man sich nicht formal zum Jugendschützer qualifizieren kann, sondern letztlich nur dadurch, dass man prüft. Jugendschutz ist "the kind of job that you learn by doing"64 (vgl. Schober 1990: 40). Die Berufsbezeichnung "Jugendschützer" ist überhaupt erst durch die Tätigkeit der FSK aufgekommen zuvor sprach man von "Zensoren". Die FSK hat ein berufsrollenbezogenes Vokabular geschaffen und Kategorien vorgegeben. Im Gegensatz zu den Jugendschutzpraktiken der öffentlich-rechtlichen Rundfunk- und Fernsehräte, hat die FSK auch früh begonnen, ihre Prüfgrundsätze zu explizieren sowie Verfahren zu formalisieren. An diesen terminologischen wie verfahrensspezifischen Vorgaben haben sich dann später wiederum die Prüfgrundsätze der LMAs, der FSF und der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten orientiert. Die von der FSK erstellten Prüfgutachten haben sozusagen das Genre dieser Textform konstituiert. Jeder deutsche Jugendschützer kennt die Gutachten der FSK. Die FSF-Gutachten orientieren sich in Form und Aufbau zum Beispiel gänzlich an den FSK-Gutachten. Darüber hinaus sind die FSK-Gutachten in den Prüfungen der GSJP und der FSF eine wichtige Entscheidungsgrundlage, da die Prüfer die FSK-Gutachten lesen müssen, bevor sie ein Programm selbst beurteilen. Mehrmals kam es in den von mir teilnehmend beobachteten Prüfungen bei der FSF und der GSJP in urteilsbildenden Diskussionen zu Auseinandersetzungen der Prüfer mit Positionen, die sie nicht selbst entwickelt hatten, sondern
64

Richard Kirschner, Chef des Program Practices Department bei CBS (zitiert bei Levin 1981: 322).

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Das soziale und kulturelle Organisationsfeld der Regulation

die aus den FSK-Gutachten stammten. Die FSK ist die wichtigste Sozialisationsinstanz im deutschen Jugendschutz und hat erheblich zur Professionalisierung dieses Bereichs beigetragen. Der mimetische, nachahmende, Isomorphismus, der von der FSK im Organisationsfeld der Jugendschutzkontrolle ausgeht, beruht auf dem hohen Ansehen, das die FSK aufgrund ihres Status' als Selbstkontrolle der Filmwirtschaft genießt. Der Status der FSK als Selbstkontrolle ist dabei aber nur deswegen niemals wirklich kritisch beurteilt worden, da die FSK den gemeinsamen Interessen von Staat und Wirtschaft dient. De facto entspricht das Begutachtungsverfahren der FSK, auch im juristischen Sinne (Noltenius 1958), durchaus einer Vorzensur. Die Arbeit der FSK wird deshalb nicht als Verstoß gegen das Zensurverbot gewertet, da sie formal auf dem freien Willen der Filmwirtschaft beruht. Dem widerspricht aber zum Beispiel die Einschätzung des Presserechtsstandardkommentars, dass die FSK eine halbstaatliche Einrichtung sei (Löffler 1983: 111). Diese Einschätzung beruht zum einen darauf, dass der Staat an der FSK durch Vertreter der öffentlichen Hand beteiligt ist. So kommt es, dass die FSK als eingetragener Verein zwar dem bürgerlichen, nicht dem Staatsrecht unterliegt, dass die Struktur der FSK jedoch derjenigen staatlicher Prüfstellen in der Weimarer Republik "auffällig ähnlich" ist (Fischer et al. 1994: 162). Zum zweiten prüft die FSK im gesetzlichen Auftrag, erfüllt also eine öffentliche Aufgabe: Nach dem Jugendschutzgesetz (JÖSchG) ist der FSK die Jugendprüfung übertragen. Gestärkt worden ist die Position der FSK zusätzlich durch den § 3 RfStV, da der Gesetzgeber dort die Sendezeitbeschränkungen an die FSKAltersfreigaben65 gebunden hat. Entscheidungen der FSK haben dadurch den Status einer Rechtsvorschrift und besitzen auch für die LMAs Verbindlichkeit.66 Trotz dieser Sachlage hat ihr Status als Selbstkontrolle die FSK vor Kritik geschützt. So ist die FSK in ihrer Geschichte kaum Kritik ausgesetzt gewe65

66

"Freigegeben ohne Altersbeschränkung, ab 6 Jahren, ab 12 Jahren, ab 16 Jahren", "Nicht freigegeben unter 18 Jahren". Filme, die ab 16 freigegeben sind dürfen ab 22 Uhr, Filme, die nicht unter 18 freigegeben sind nur zwischen 23 Uhr und 6 Uhr morgens gezeigt werden. Bei denjenigen Filmen die eine Freigabe ab 12 Jahren besitzen, muss bei der Wahl der Sendezeit immer noch dem Wohl jüngerer Kinder Rechnung getragen werden (vgl. § 3 RfStV). Das bedeutet insgesamt für die Veranstalter, dass lediglich bereits von der FSK gekennzeichnete Spielfilme, die entweder keine Altersbeschränkung oder ab 6 Jahre freigegeben sind, ganz ohne Rücksicht auf Sendezeitbeschränkungen programmiert werden dürfen. Bevor die LMAs und die FSK eine entsprechende Vereinbarung trafen, gingen die Privaten daher zur FSK, wenn die LMAs einen Film für die beantragte Sendezeit nicht freigegeben hatten. Bei der FSK konnten sie entgegen dem Votum der LMAs noch auf eine Zustimmung für die geänderte Sendezeit hoffen (vgl. Lilienthal 1993).

Interorganisationelle Umwelt: Die Freiwillige Selbstkontrolle der Filmwirtschaft (FSK)

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sen, wie sie immer wieder gegenüber staatlichen Zensurinstanzen wie der BPjS oder auch den LMAs geübt worden ist. Unter anderem ist die FSK seit einer aus den 50er Jahren stammenden Monographie (Noltenius 1958) nicht mehr Gegenstand einer wissenschaftlichen Untersuchung gewesen. Da die FSK aber eigentlich keine Selbstkontrolle der Medien ist, muss die Interessenkonstellation, auf der ihre Tätigkeit beruht, erläutert werden: Die FSK basiert auf einem Einklang einerseits staatlicher, andererseits wirtschaftlicher Interessen. Die FSK wird nur von einer Seite innerhalb des Herstellungs- und Verbreitungsbereichs Film getragen, durch Produktion, Verleih und Vertrieb. Die Seite der Filmschaffenden, Regisseure, Autoren und Schauspieler, ist nicht vertreten - man stelle sich entsprechend vor, im DPR wären nur die Verleger, jedoch nicht die Journalisten vertreten. Durch die von der FSK durchgeführte Vorkontrolle vermeidet die Filmwirtschaft eine Nachzensur durch Polizei und Gerichte, bei der die Produzenten und Verleiher mit hohen finanziellen Einbußen zu rechnen hätten. Die FSK schafft also wirtschaftliche Sicherheit für die in der SPIO vertretenen Interessenverbände. Die von der FSK geübte Vorzensur mindert das wirtschaftliche Risiko der Produzenten und Verleiher und entspricht gleichzeitig staatlicher Deregulierungspolitik. Das hohe Ansehen, das die FSK ungeachtet ihrer Ähnlichkeit mit staatlichen Zensurinstanzen als Selbstkontrolle der Medien genießt, macht verständlich, warum bei der Schaffung der FSF einfach die Grundstruktur der FSK in den Fernsehbereich übertragen worden ist. Das Vorbild des DPR ist dagegen unberücksichtigt geblieben, obwohl der DPR durch seine Zusammensetzung mit Journalisten und Verlegern und sein für jedermann zugängliches Beschwerdeverfahren viel eher mit der eigentlichen Idee der Selbstkontrolle in den Medien übereinstimmt als die FSK. Da die Selbstkontrolle des DPR nicht wie die der FSK auf Zwang beruhen kann, sondern nur auf symbolischer Kontrolle, wird auch die Effektivität des DPR gegenüber derjenigen der FSK gering eingeschätzt. Die FSK gilt als die wirksamste Selbstkontrolle der Medien (Koszyk und Pruys 1981: 289; Fischer 1976: 321). Diese Einschätzung verkennt den staatsautoritären Charakter der FSK, die durch die zugrundeliegende Interessenkoalition zwischen Staat und Filmwirtschaft ermöglicht wird. Dennoch erlangen die Verfahren der FSK dadurch zusätzliche Legitimation, dass sie als effektiver gegenüber anderen Selbstkontrollverfahren gelten können, die der demokratischen Idee der Selbstkontrolle entsprechen. Somit gewinnt das Verfahren der Medieninhaltskontrolle, das bei der FSK, geduldet vom Staat, der Wirtschaft und der Rechtslehre, auf Zwang beruhen darf, die ausschlaggebende Rolle gegenüber dem Vorbild anderer Selbstkontrollverfahren.

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Das soziale und kulturelle Organisationsfeld der Regulation

Hätte man 1993 bei der Gründung der FSF neue Strukturen geschaffen oder andere Selbstkontrollverfahren wie das der Beschwerdeeingabe von Zuschauern berücksichtigt, wäre die FSF einer wesentlich härteren Kritik ausgesetzt gewesen.67 Die FSF musste legitimierte Struktur- und Verfahrenselemente aus der Organisationsumwelt übernehmen, um sich selbst damit dauerhaft Legitimation zu sichern:
[O]rganizations that omit environmentally legitimated elements of structure or create unique structures lack acceptable legitimated accounts of their activities. Such organizations are more vulnerable to claims that they are negligent, irrational, or unnecessary (Meyer und Rowan 1977: 308).

Die FSF steht in dem Organisationsfeld des Jugendschutzes unter dem Anpassungsdruck, die vorherrschenden normativen Elemente des Organisationsfelds zu adaptieren. Durch die Übernahme vorgeschriebener Strukturelemente demonstriert die FSF ihren Wert. Mangels objektiver Kriterien ist der Erfolg der Jugendschutzmaßnahmen der FSF und der LMAs abhängig davon, wie gut sie sich an die vorherrschenden Strukturen in ihrer Umwelt anpassen. Wird diese Anpassung vernachlässigt oder nur ungenügend umgesetzt, setzen sich solche Instanzen verschärft Kritik aus oder erscheinen gar überflüssig. Für die Regulation der Mediengewalt, aber auch für die Rundfunkregulation insgesamt, gilt, dass die Regulateure mit einer komplexen und unsicheren Umwelt konfrontiert sind: Die zunehmend zentrale Stellung der Medien im gesellschaftlichen Gefüge und der durch den technologischen Fortschritt ermöglichte rasante Wandel erhöhen permanent die Anforderungen an die Steuerungsleistung der Regulation. Dabei mangelt es aber gleichzeitig insbesondere hinsichtlich inhaltlicher Anforderungen (Information, Bildung, Qualität) und Verbote (Gewalt, Sex) an verbindlichen und objektivierbaren Kriterien. Das Vorherrschen eines einzigen Verfahrens - der Medieninhaltskontrolle - im gesamten Bereich des Jugendschutzes, das von einer Vielzahl von Instanzen durchgeführt wird (LMAs, FSK, FSF, BPjS, senderinterne Jugendschützer), ist zu verstehen als eine Reaktion auf diese unsicheren Umweltbedingungen. Angesichts einer unsicheren Umwelt suchen die Regulierungseinrichtungen durch Anpassung an etablierte und legitimierte Strukturen Stabilität zu erreichen.

67

Vgl. die heftige Kritik gegenüber dem Vorschlag einer Stiftung Medientest, der für den Rundfunk am Verbraucherschutz orientierte Verfahren vorsieht (Krotz 1996 und nachfolgende Diskussionsbeiträge in: RuF Nr. 2. 1996). Am Zuschauer bzw. Verbraucher orientierte Verfahren sind in Deutschland ohne Vorbild.

Öffentliche Meinung und Öffentlichkeit

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4.2

Öffentliche Meinung und Öffentlichkeit

Die auf das Problem der Gewaltdarstellung zielenden Regulierungsmaßnahmen sind als gesellschaftspolitische Reaktion auf die Sensibilisierung der öffentlichen Meinung zu verstehen. Als rundfunkpolitische Akteure legitimieren die Aufsichtsinstanzen ihr Handeln unter Rückbezug auf die öffentliche Meinung über Mediengewalt. Aus organisationsanalytischer Sicht wird daher im folgenden das Öffentlichkeit herstellende Massenkommunikationssystem selbst als organisationsrelevante Umwelt der Rundfunkregulation begriffen. Welche Bedingungen schaffen die spezifischen Bedingungen öffentlicher Kommunikation für die Regulation des Mediengewaltproblems? Da die organisationssoziologischen Beiträge des Neo-Institutionalismus sich bislang nicht systematisch mit dem Einfluss befasst haben, den das institutionalisierte Kommunikationsfeld Öffentlichkeit auf die Legitimation und praktische Zielsetzung organisierten Handelns besitzt, wird im folgenden auf Bereiche der politischen Soziologie, der Soziologie sozialer Bewegungen und der Soziologie sozialer Probleme zurückgegriffen. In diesen Disziplinen ist die massenmediale Öffentlichkeit, ihre Legitimationsfunktion und ihr Einfluss auf politisches Handeln, ein klassisches Thema. Die Ausführungen basieren auf einer analytischen Trennung zwischen verschiedenen, sich tatsächlich gleichzeitig vollziehender Prozesse und miteinander in Zusammenhang stehender Bedingungen: Erstens wird Öffentlichkeit als ein Vermittlungssystem begriffen (vgl. Gerhards und Neidhardt 1990; 1993; Gerhards 1993). Zwischen den beteiligten Akteuren werden Informationen ausgetauscht und es wird argumentiert, gedroht und verhandelt. Für die Regulateure stellt die öffentliche Meinung insofern einen wichtigen Bezugspunkt dar, als dass die durch die Massenmedien und die Umfrageforschung veröffentlichte Meinung über Gewaltdarstellungen eine Quelle der Legitimation ihres Handelns sind. Die organisierte Kontrolle von Gewaltdarstellungen ist vor allem als gesellschaftspolitische Reaktion auf die Wahrnehmung der öffentlichen Meinung zu verstehen. Zweitens wird öffentliche Kommunikation als ein Diskursfeld aufgefasst (vgl. Gusfield 1981; Bourdieu 1993; 1982). Für die Rundfunkregulation ist mediale Kommunikation nicht nur Gegenstand der Regulation, sondern zugleich bilden massenmediale Diskurse über die Medien einen wichtigen Bestandteil der kulturellen Umwelt, die das Organisationsfeld prägen. So wird das Gewaltdarstellungsproblem öffentlich zum Beispiel als von den Medien verursacht wahrgenommen. Dies hat mit dem den Diskurs dominierenden Masterframe der

118

Das soziale und kulturelle Organisationsfeld der Regulation

Kausalität zu tun. Bei diesen Überlegungen steht - grundsätzlicher angesetzt als beim ersten Punkt - der wirklichkeitskonstruierende und deutende Charakter öffentlicher Kommunikation im Vordergrund. Drittens werden die spezifischen Bedingungen öffentlicher Kommunikation im Hinblick auf das Mediengewaltproblem untersucht. Insbesondere durch seinen Bezug zu dem, was Gewalt in unserer Gesellschaft bedeutet, besitzt der Mediengewaltdiskurs eine ausgeprägte moralische - und das heißt gefühlsbetonte - Dimension (vgl. Fisher 1984). Darüber hinaus ist auch ein weiterer thematischer Bezug des Diskurses moralbestimmt, auch wenn er weniger auffällig ist - der der Zensur. Moralische Kommunikation birgt durch ihre charakteristische Gefühlsgeladenheit für die Akteure immer bestimmte Risiken und Gefahren, die sich unter den Bedingungen öffentlicher Kommunikation gegenüber denen direkter Interaktion verändern. Mit den Risiken öffentlicher moralischer Kommunikation und den dadurch bedingten Diskursregeln sind auch die LMAs und die FSF konfrontiert.

4.2.1 Die Vermittlung des Problems in der Öffentlichkeit In der Konzeption einer Soziologie der Öffentlichkeit, die auf Luhmanns systemtheoretischer Begrifflichkeit beruht, steht die Funktion öffentlicher Kommunikation als Vermittlungssystem im Vordergrund (Gerhards und Neidhardt 1990; 1993; Gerhards 1993). In dieser Sicht erfüllt die massenmedial konstituierte Öffentlichkeit eine vermittelnde Funktion zwischen den Bürgern einerseits und dem politischen System andererseits.
Öffentlichkeit ... vermittelt zwischen Interessen und Wünschen der Staatsbürger sowie den Interessengruppen der Bürger auf der einen Seite und den politischen Entscheidungsträgern ... auf der anderen Seite (Gerhards 1993: 22).

Ergänzend zu dieser Konzeption vermittelt Öffentlichkeit nicht nur in diesem engen politischen Sinne zwischen den Wählern bzw. Staatsbürgern einerseits und dem politischen System andererseits, sondern auch zwischen den Zuschauern und den Medienveranstaltern. Angeleitet durch diese einfachen theoretischen Voraussetzungen werden im folgenden in typisierender Weise die Informationsvermittlungsprozesse rekonstruiert, die zur Kontrolle der Gewaltdarstellung durch die LMAs und die FSF geführt haben.68 Dadurch werden erstens die beteiligten Akteure expliziert,
68

Um der Klarheit willen liegt der Argumentation an dieser Stelle das einfache Sender-Empfänger-Kommunikationsmodell zugrunde. Die vom Sender geäußerte Information erreicht

Öffentliche Meinung und Öffentlichkeit

119

an denen sich rundfunkregulatorisches Handeln orientieren muss; darüber hinaus werden die sozialen Strukturen öffentlicher Kommunikation verdeutlicht, die das Regulationshandeln prägen. Beides, die Rollen der Hauptakteure und die Bedingungen öffentlicher Meinungsbildung, bilden Bestandteile des Organisationsfelds der Regulation (vgl. Scott 1991: 173f.; Meyer et al. 1983: 46f.). Um die Entwicklung, die zur Entstehung der LMAs und der FSF geführt haben, zu rekonstruieren, wird im folgenden analytisch einerseits unterschieden zwischen einer Medienöffentlichkeit, bei der eine Dreieckskonstellation zwischen den Zuschauern, den Sendeanstalten und der Werbewirtschaft besteht, und andererseits einer im engen Sinne politischen Öffentlichkeit, die zwischen den Staatsbürgern und dem politischen System vermittelt. Materiell fällt dabei nur dem Publikum eine Doppelrolle zu: Je nach Perspektive sind sie bloß Zuschauer oder aber Staatsbürger, deren Votum politisches Handeln legitimiert. Im Raum dieser beiden typisch unterschiedenen Öffentlichkeiten sind wiederum vier Vermittlungsprozesse zu differenzieren, die am Zustandekommen der Regulation des Gewaltproblems beteiligt gewesen sind. Tabelle 1: Öffentliche Zustimmung zu einem Verbot von Gewalt im Fernsehen
Frage: Es wird ja darüber diskutiert, ob man die Darstellung von Gewalt im Fernsehen verbieten oder einschränken soll oder nicht. Dazu gibt es unter anderem zwei gegensätzliche Meinungen: Die einen möchten die Darstellung von Gewalt im Fernsehen ganz verbieten, weil diese Gewalt einen schlechten Einfluß auf die Zuschauer hat, die anderen sind gegen ein Verbot oder eine Einschränkung, weil jeder die Freiheit haben soll, das im Fernsehen zu sehen, was er möchte. Was kommt Ihrer Meinung am nächsten, sind Sie eher für ein Verbot, eine Einschränkung oder eher dagegen? Gewalt im Fernsehen Bevölkerung insgesamt % 72 16 12 100 Männer % 64 22 14 100 Frauen % 80 11 9 100

eher für Verbot, Einschränkung eher dagegen unentschieden

Basis: N=2.000 Befragte, Februar 1993 Quelle: Allensbacher Jahrbuch der Demoskopie (1997: 429)

unverändert den Empfänger, in einem Verhältnis eins zu eins, so als ob Information in einen Container verpackt von einem Ort zum anderen gelangen könnte (daher auch "Container-Modell der Kommunikation").

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Das soziale und kulturelle Organisationsfeld der Regulation

In einem ersten Prozess wird den Sendern über die öffentliche Meinung eine kritische Haltung der Zuschauer am Übermaß von Gewaltdarstellung vermittelt. Das Umfrageergebnis des Allensbacher Instituts aus dem Jahr 1993 macht die äußerst kritische Haltung der öffentlichen Meinung gegenüber zuviel Gewalt und Sex auf den Bildschirmen deutlich. In derselben Befragung des Allensbacher Instituts wurde in einer repräsentativen Parallelgruppe auch nach Sex im Fernsehen gefragt. Das Ergebnis fällt weniger eindeutig aus. Damit wird die herausragende Bedeutung des Gewaltbezugs für die Jugendschutzargumentation unterstrichen. Tabelle 2: Öffentliche Zustimmung zu einem Verbot von Sex im Fernsehen
Sex im Fernsehen Bevölkerung insgesamt % 43 38 19 100 Männer % 31 49 20 100 Frauen % 53 29 18 100

eher für Verbot, Einschränkung eher dagegen unentschieden

Basis: N=2.000 Befragte, Februar 1993 Quelle: Allensbacher Jahrbuch der Demoskopie (1997: 429)

Zwischen der veröffentlichten Meinung zu Gewaltdarstellung im Fernsehen und dem in Einschaltquoten erhobenen individuellen Zuschauerverhalten muss genauso unterschieden werden, wie zwischen veröffentlichter Meinung, die die 'öffentliche Meinung' repräsentiert, und der Aggregation individueller Meinungen, die mit den Mitteln der Meinungsforschung als 'öffentliche Meinung' erhoben wird (vgl. Gerhards und Neidhardt 1993: 80):
In der Umfrageforschung werden politische Meinungen aggregiert und als öffentliche Meinung konstruiert. Dieser Produktionsprozeß öffentlicher Meinung kann auch noch besondere Legitimität beanspruchen, weil sie wissenschaftlich erzeugte öffentliche Meinung ist (Eder 1996: 146).

Die als öffentliche Meinung veröffentlichte Meinung kann gegenüber den Fernsehveranstaltern keinen unmittelbaren Einfluss gewinnen, weil die Sendeanstalten nicht an die öffentliche Zustimmung der Zuschauer gebunden sind. Die Zuschauer sind gegenüber den Medien vor allem in einer passiven Konsumentenrolle.

Öffentliche Meinung und Öffentlichkeit

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Zusätzlich entwerfen Einschaltquoten ein anderes Bild der individuellen Akzeptanz von Gewalt im Fernsehen als die öffentliche Meinung. Zum Beispiel waren die erfolgreichsten Sendungen der Osterfeiertage 1999 ausschließlich Action- und Katastrophenfilme: "The Rock – Fels der Entscheidung", "Independence Day" und "Twister".69 Erschwerend kommt hinzu, dass die als reales Zuschauerverhalten konstruierten Einschaltquoten ebenso wie die in der Umfrageforschung erhobene öffentliche Meinung wissenschaftlich erzeugt sind. Damit kann auch die Wirklichkeit der Quoten zusätzlich Legitimität beanspruchen (vgl. Ang 1991a). Selbst bei einer anhaltenden öffentlichen Kritik gegenüber zuviel Gewalt im Fernsehen wird diese Kritik also durch die Realität guter Quoten und den mit ihnen verbundenen Profiterwartungen beständig delegitimiert. Die öffentliche Meinung hat jedoch innerhalb eines zweiten Vermittlungsprozesses Einfluss auf die Werbewirtschaft, die fürchten muss, dass sich ein durch die öffentliche Meinung negativ bewertetes Programm auch negativ auf die im Umfeld platzierte Werbung auswirkt:
[Kommerzielle Rundfunkveranstalter respektieren] Toleranzgrenzen in ihren Publika, sie achten auf ihr Image und sie fürchten das öffentliche Gerede über unverantwortliches Programmverhalten. Zwar wollen sie mit ihren Programmen Aufmerksamkeit erregen, aber nicht eine, die das Publikum auf Dauer abstößt oder den Wünschen der Werbewirtschaft nach einem geeigneten (etwa harmoniefördernden) Programmumfeld widerspricht (Hoffmann-Riem 1993b: 16).

Hohe Einschaltquoten sind eben nicht unbedingt mit hohen Werbeeinnahmen gleichzusetzen. So setzte RTL zum Beispiel als größter kommerzieller Veranstalter sein im Januar 1994 gestartetes Reportermagazin "Tag X" nach kurzer Zeit im März 1994 wieder ab, obwohl in der Zielgruppe der 14-49jährigen Zuschauerreichweiten bis zu 2,47 Mio. und Marktanteile bis zu 27,5% erreicht wurden (im Durchschnitt 1,86 Mio., 21,0%) - die Werbeeinnahmen waren ausgeblieben. Das überzeugendste Argument gegen Gewalt im Fernsehen kommt in diesem Zusammenhang aus der amerikanischen Forschung. Es könnte dazu führen, Action und Gewalt im Fernsehen mehr zu reduzieren, als jegliche Regulierungsmaßnahme: "TV violence kills off ads". Werbespots, die einen Action69

Alle drei Filme führten die Hitlisten der Osterfeiertage an: Am Karfreitag um 20.15 Uhr auf RTL "The Rock – Fels der Entscheidung" (7,78 Mio. Zuschauer ab 3 Jahre, 25,9% Marktanteil); am Ostersonntag um 20.15 Uhr auf Pro7 "Independence Day" (8,58 Mio. Zuschauer ab 3 Jahre, 28,6% Marktanteil); am Ostermontag zuerst die Tagesschau in der ARD (10,04 Mio. Zuschauer ab 3 Jahre, 33,4% Marktanteil) gefolgt von "Twister" um 20.15 Uhr auf RTL (8,18 Mio. Zuschauer ab 3 Jahre, 23,9% Marktanteil).

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film wie "Die Hard" ("Stirb langsam") unterbrechen, haben nur eine geringe Chance, im Gedächtnis der Zuschauer zu bleiben. Die Ergebnisse aus drei Experimenten mit 700 Probanden belegen, dass die Verstimmung durch Bildschirmgewalt die Gedächtnisleistung von Zuschauern wesentlich beeinträchtigt (Bushman 1998). In einem dritten typisch gekennzeichneten Vermittlungsprozess übernimmt die Politik gegenüber den Fernsehveranstaltern die Anwaltsrolle für die öffentliche Meinung, hinter der sich für die Politik nicht Zuschauer, sondern Staatsbürger und Wähler verbergen. Als in der Zeit der Einführung des kommerziellen Rundfunks 1984 die Debatte um Sex und Gewalt im Fernsehen einen Höhepunkt erreichte, wurden zunächst die LMAs als Aufsichtsinstanzen für den privaten Rundfunk eingerichtet. 1987 wurde dann im ersten RfStV, der wichtigsten Rechtsgrundlage der Aufsicht, auch zum ersten Mal für Deutschland der Jugendschutz im Fernsehen formal geregelt.70 Die kritische Haltung der öffentlichen Meinung gegenüber zuviel Gewalt und Sex auf den Bildschirmen hielt jedoch an, wie ein weiteres Umfrageergebnis aus dem Jahr 1994 zeigt: Tabelle 3: Zuviel Gewalt im deutschen Fernsehen
Frage: Werden im deutschen Fernsehen zu viele Gewalt- und Sexszenen gezeigt? Gewalt % zuviel zuwenig genau richtig 76 1 17 Sex % 39 7 32

Basis: 1.000 Befragte; fehlende Prozente keine Angabe Quelle: Repräsentative Umfrage des Sample-Instituts für Focus im Januar 1994 (Focus Nr. 5, 31.01.1994)

In Folge der anhaltend kritischen öffentlichen Meinung übernimmt viertens die Politik ein weiteres Mal die Anwaltsrolle für den Staatsbürger, leitete das Problem aber diesmal direkt weiter an die privat-kommerziellen Veranstalter als
70

"Staatsvertrag über die Neuordnung des Rundfunkwesens (Rundfunkstaatsvertrag)" von den Ländern geschlossen 01./03.04.1987. Die zunehmende Bedeutung des Jugendschutzes für die Regulation zeigt sich auch darin, dass er zunächst unter § 10, in weiteren Neufassungen dann weiter vorne unter § 3 geregelt wurde.

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zuständige Adressaten für die Problembearbeitung. Vom Publikum in der Rolle als Zuschauer konnte ja kein wirksamer öffentlicher Druck auf die Sender ausgeübt werden. Die Politik, auch vertreten durch die LMAs selbst, adressierte diesmal an die privaten Veranstalter glaubhafte Drohungen, bei einer andauernden Untätigkeit, gesetzliche Maßnahmen zu ergreifen:
"Letzte Warnung" Medienanstalten fordern Private auf Gewalt im Fernsehen zu reduzierenMit einer "letzten Warnung" hat die Direktorenkonferenz der Landesmedienanstalten am vergangenen Freitag in Hannover die privaten Fernsehsender aufgefordert, Gewaltdarstellungen erheblich zu reduzieren. Der Vorsitzende der Stelle für Jugendschutz und Programm der Landesmedienanstalten, Friedrich-Wilhelm Raasch, erklärte, die Sender müssten ihre im April beschlossene und wortreich angekündigte "Konvention der Verantwortung" in Zukunft auch wirklich umsetzen. Andernfalls kündigte er eine Verschärfung der Jugendschutzrichtlinien und die Schaffung wirkungsvollerer Sanktionsmaßnahmen an. (Süddeutsche Zeitung vom 07.06.1993)

Den privaten Sendern gelang es schließlich, angesichts des ausgeübten Drucks eine Lösung zu finden: Sie gründeten im November 1993 die FSF. Festzuhalten ist, dass in dem Entstehungsprozess, der zur Einrichtung der Jugendschutzkontrollen durch die LMAs und die FSF geführt hat, keine direkte Vermittlung zwischen Publikum und Medienveranstaltern stattgefunden hat. Der einzige Weg, bei kommerziellen Veranstaltern wirksam Einfluss auf die Programmqualität zu nehmen, scheint über die werbetreibende Wirtschaft zu gehen. Der mangelnde Einfluss, den Zuschauer besitzen, und dass sie eigentlich nur durch Druck auf die werbetreibenden Unternehmen etwas gegen Gewalt im Fernsehen tun könnten, hat jedoch nicht dazu geführt, im Rahmen der Regulation Zuschauer- und Verbraucherinteressen stärker zu berücksichtigen. Die fehlenden direkten Einflussmöglichkeiten der Zuschauer führen dazu, dass die öffentliche Meinung einen zentralen orientierenden Stellenwert erhält. Hier ist es nun die Politik, der aufgrund ihrer Abhängigkeit vom Votum der Bürger, bei der Vermittlung der Interessen der Zuschauer die entscheidend verantwortliche Rolle zufällt.

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4.2.2 Mediengewalt als öffentliches soziales Problem Ist die Gewalt im Fernsehen dafür verantwortlich, dass es immer mehr jugendliche Gewalttäter gibt und dass Gewalt in der Familie und auf den Straßen zunimmt? Diese Fragestellung setzt eine Ordnung der Dinge voraus, etwa eine Deutung sozialer Sachverhalte dahingehend, dass Gewalthandlungen tatsächlich zunehmen. Der Fragestellung implizit ist auch der Glaube, man könne etwas gegen Gewalt in der Gesellschaft tun und Gewaltdarstellung im Fernsehen reduzieren. Die einem sozialen Problem zugrundeliegenden Sachverhalte sind aber nicht bloße Tatsachen, sondern können prinzipiell ganz unterschiedlich wahrgenommen und gedeutet werden. Öffentliche soziale Probleme stehen für eine Deutung sozialer Wirklichkeit, die nur eine Möglichkeit aus einer Vielfalt möglicher Deutungen sozialer Sachverhalte darstellt:
Public problems have a shape which is understood in a larger context of a social structure in which some versions of 'reality' have greater power and authority to define and describe that 'reality' than do others (Gusfield 1981: 13).

Der kollektive Prozess öffentlicher Meinungsbildung ist an der Definition des Gewaltproblems entscheidend beteiligt. Solche an der Definition eines Problems beteiligten Deutungsprozesse sind das Thema der Soziologie sozialer Probleme (Gusfield 1981; 1989; Spector und Kitsuse 1987).71 Die theoretische Voraussetzung der Soziologie sozialer Probleme ist die Trennung der objektiven Bedingungen eines Problems und des kollektiven Definitionsprozesses, der öffentliche soziale Probleme hervorbringt:
[S]ocial problems are fundamentally products of a process of collective definition instead of existing independently as a set of objective social arrangements with an intrinsic makeup (Blumer 1971: 298).

Stattdessen wird die Definition eines Problems, die die Teilnehmer an dem Prozess für selbstverständlich nehmen, aus forschungstheoretischer Sicht problematisiert (vgl. Gusfield 1981: 6). Dabei ist es unwesentlich, ob die von den Akteuren vorgebrachten "claims" wahr oder falsch sind, respektive sich auf wahre oder falsche Grundlagen stützen. Es ist in dieser theoretischen Perspektive zum Beispiel gar nicht von Interesse, ob dargestellte Gewalt reale Gewalt bewirkt oder ob die Gewaltbereitschaft in der Gesellschaft tatsächlich zunimmt.
71

Vgl. Giesen (1983: 232); Gusfield (1981: 3): "The problems connected with most public issues emerge long after events and processes have been set in motion"; Gerhards und Neidhardt (1993: 68): "Soziologie kommt erst zu ihrem eigentlichen Handwerk, wenn sie den sozialen Bedingungen der öffentlichen Themenkarrieren und Meinungskonjunkturen nachgeht und als gesellschaftlich produziert begreift"; Hilgartner und Bosk (1988: 53): "social problems as products of a process of collective definition".

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Die zentrale Aufgabe einer Theorie sozialer Probleme ist, die Entstehung, Natur und Aufrechterhaltung von "claims-making and responding activities" zu erklären (Spector und Kitsuse 1987: 76). Als Hauptvertreter dieses Ansatzes nennen Spector und Kitsuse diese Forschungsperspektive entsprechend auch "definitional approach to social problems" (Spector und Kitsuse 1987: 73). In einer klassischen Studie hat Joseph R. Gusfield am Beispiel des Autofahrens unter Alkohol die Beziehung analysiert zwischen der Eigentümerschaft öffentlicher Probleme (ownership), der im Diskurs implizierten Kausalität (causation) und der Folgen, die sich aus der kausalen Schuldzuschreibung für die politische Verantwortlichkeit der Problembearbeitung ergeben (political obligation): "The crux of the political issue of drinking-driving lies in the choices of one or another theory of cause and one or another locus of political responsibility" (Gusfield 1981: 16, 13). Wie wird dementsprechend das Mediengewaltproblem zu einem öffentlichen Problem? Welche Mechanismen sind mit dem kollektiven Prozess der Problemdeutung verbunden? Welche Verantwortungszuweisungen ergeben sich aus der diskursiven Deutung des Problems? Es gibt im Aufstieg von privaten zu sozialen zu öffentlichen Problemen Selektionsmechanismen, die sich analytisch an bestimmten Ebenen festmachen lassen. Die erste Selektion findet bereits beim Übergang von privaten zu sozial anerkannten Problemen statt. Wenn ich es persönlich für beklagenswert halte, dass ich mit meinem Geld nicht auskomme, erhalte ich von meinen Freunden zwar einen bedauernden Kommentar, dennoch sehen sie die Ursache meines Problems bei mir: Ich gebe eben zuviel Geld aus. Es handelt sich also um ein privates oder schlimmer, um ein persönliches Problem. Ich kann meinen Freunden oder meinen Geldgebern nicht klarmachen, dass es sich um ein soziales Problem handelt, solange ich ihnen nicht die soziale Relevanz des Problems vermittle. Argumentiere ich in diesem Sinne jedoch, dass mein Geldmangel nicht auf persönlichem Versagen beruht, sondern dass ich als Frau und junge Wissenschaftlerin benachteiligt werde, dann kann sich unter Umständen ein sehr lebhaftes Gespräch unter Frauen oder unter Wissenschaftlern ergeben. Eine erste Selektion findet also bereits beim Übergang von privaten zu sozial anerkannten Problemen statt. Nicht jeder problematische Sachverhalt verfügt über die Eigenschaften, auch sozial anerkannt zu werden. Die Argumentation muss den Erfahrungshorizont meines Gesprächspartners miteinbeziehen und die Ursache des Problems sozialen Bedingungen zuweisen, die außerhalb meines individuellen Einflussbereichs stehen. Ich kann nicht den Schmutz in meinem Haus zum sozialen Problem machen. Die Frage "how situations become problems" (Gusfield 1981: 1) richtet sich darauf, wie Bedeutung und Realität konstituiert sind. Schon

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Das soziale und kulturelle Organisationsfeld der Regulation

wenn private zu innerhalb sozialer Interaktion anerkannten Problemen werden, verändern sich die Wahrnehmung und die soziale Definition des Problems. Für das Beispiel der Wirkung von Gewaltdarstellung bedeutet dies, dass der zugrundeliegende Sachverhalt nicht etwa als ein Mangel an persönlicher Kompetenz des kindlichen oder jugendlichen Zuschauers gedeutet wird. Das Problem wird nicht als ein individuelles Persönlichkeitsproblem wahrgenommen, bei dem es dem einzelnen Zuschauer an der nötigen Selbstdisziplin fehlt, aus- und umzuschalten oder die Darstellung unbeschadet zu ertragen. Seine soziale Relevanz erlangt das Phänomen erst durch seine Thematisierung im Zusammenhang mit einem kindlichen Status des Zuschauers. Daher kann man zum Beispiel unter Erwachsenen Gewaltdarstellung, ohne den Verweis auf die Verantwortung von Eltern gegenüber ihren Kindern, legitim nur als eine Geschmacksfrage oder im Hinblick auf die Qualität des Fernsehens insgesamt diskutieren. Der Versuch, gegenüber einem anderen Erwachsenen die für ihn bestehenden Gefahren der Übernahme aggressiver Verhaltensweisen anzusprechen, gewinnt schnell den experimentellen Charakter einer Garfinkelei. Der Verweis auf die Verantwortung von Erziehungsberechtigten für ihre nicht ausgewachsenen und damit hilfs- und schutzbedürftigen Kinder macht Gewaltdarstellung zu einem sozial anerkannten Problem. Ein eventuelles Scheitern der Erziehungsaufgabe wird aber nicht den Eltern angelastet. Man stelle sich vor, der Umgang mit dem Fernseher würde als ein ähnliches Problem konstruiert, wie der Umgang mit anderen potentiell gefährlichen Haushaltsgeräten wie Messern, heißen Herdplatten oder Elektrizität. Auf solche Gefahren müssen Kinder vorbereitet werden und bei einem Unfall wird man fragen, ob die Eltern ihre Kinder tatsächlich auf diese Gefahren vorbereitet haben. Dennoch wird der Umgang mit Elektrizität im Haushalt nicht zu einem öffentlichen Problem gemacht. Zum öffentlichen Problem wird Mediengewalt erst, wenn die Verantwortungszuweisung aus dem familiären Zusammenhang gelöst und die Quelle auftretender Gefahren als außerhalb der Einflussmöglichkeiten von Erziehungsberechtigten thematisiert werden kann. Gusfield argumentiert, die Idee sozialer Probleme sei ein Charakteristikum moderner Gesellschaften: "The idea of 'social problems' is unique to modern societies" (Gusfield 1989: 431). Viele menschliche Probleme, die in einfachen und vorindustriellen Gesellschaften in der Institution der Familie bewältigt worden seien, würden heute als Probleme konstruiert, die in den Aufgaben- und Verantwortungsbereich staatlicher Stellen fallen (vgl. Schetsche 1996: 125ff.). Es vollzieht sich also eine weitere Selektion und erneute Umdeutung von Problemen, die als sozial anerkannt gelten dürfen,

Öffentliche Meinung und Öffentlichkeit

127

wenn sie zu öffentlichen Problemen werden. Lange nicht alle Sachverhalte können als Probleme konstruiert werden, die eine massenmedial konstituierte Öffentlichkeit auf Dauer beschäftigen. Wenn soziale Probleme zu öffentlichen Problemen werden, muss der Erfahrungshorizont eines Massenpublikums einbezogen sein. Darüber hinaus dürfen Schuld und Verantwortungszuweisung für den Sachverhalt nicht individualisierbar hinsichtlich einer bestimmten Person oder Gruppe sein. Die Verantwortung muss der sozialen Gemeinschaft als Ganzes zugewiesen werden können. Alternativ müssen der oder die Verantwortlichen außerhalb und nicht innerhalb der sozialen Gemeinschaft stehen, da sie sonst zur Rechenschaft gezogen werden können und damit auch das öffentliche Interesse an dem Problem erlischt. Die Ursache des Übels muss externalisiert sein. Dazu eignen sich Sündenböcke und Außenseiter, aber auch gesellschaftliche Strukturen die als unveränderbar gegeben erfahren werden, wie zum Beispiel die zunehmende Kommerzialisierung der Gesellschaft. In diesem Sinne wird etwa immer wieder argumentiert, die Zunahme an Gewaltdarstellungen sei das Ergebnis gesteigerten Wettbewerbs (vgl. Groebel et al. 1995: 38; Stock 1993: 380). Sowohl das Ansteigen der Zahl der Gewaltdarstellungen als auch ihrer Intensität sei eine (ungewollte) Folge des Marktmechanismus. Die Verantwortung für die für Kinder schädliche Mediengewalt wird damit, trotz der durch die Kausalstruktur naheliegenden Schuldzuschreibung an die Medienunternehmen, nicht den Medienunternehmen als Verursachern angelastet, sondern abstrakten Bedingungen des gesellschaftlichen Zusammenlebens. Wenn die Ursache eines Problems letztlich in abstrakten als unveränderbar erfahrenen Strukturen gesehen wird, also weder sozial externalisiert noch personalisiert wird, dann bleibt das Problem akut. Das Problem der Mediengewalt wird zum symbolischen Ausdruck grundlegender Konflikte in der Gesellschaft.

4.2.3 Die moralische Dimension des Problems der Mediengewalt Für die Analyse öffentlicher Probleme hat Joseph R. Gusfield die kognitive und die moralische Dimension unterschieden (Gusfield 1981: 9f.). Während die kognitive Dimension in dem Glauben an die Faktizität der Problemlage und der das Problem umfassenden Ereignisse besteht, umfasst die moralische Dimension das, was Menschen an dem Problem emotional bewegt, und was sie es verurteilen lässt: "Without both a cognitive belief in alterability and a moral judgement

128

Das soziale und kulturelle Organisationsfeld der Regulation

of its character, a phenomenon is not at issue, not a problem" (Gusfield 1981: 10). Für die kognitive Dimension sind beim Mediengewaltproblem die durch rationale Diskursregeln angeleiteten Definitionsprozesse des Rechts und der Wissenschaft verantwortlich. Die juristische sowie die wissenschaftliche Problembehandlung sind grundsätzlich daran orientiert, dass die Problemlage zu verändern ist. Die moralische Dimension umfasst dagegen das, was das Problem regelrecht schmerzhaft macht und als verwerflich erscheinen lässt. Das ist zum Beispiel die Schutzlosigkeit, mit der Kinder dargestellter Gewalt ausgesetzt sind, oder das schlechte Vorbild, das die häufige Gewaltanwendung im Fernsehen für die Lösung von Konflikten bietet. Moralisieren tendiert zur Generalisierung und Personalisierung des Konfliktstoffs (Bergmann und Luckmann 1993; Luhmann 1978). Moralisieren ist daher nahe am Streit. Letztlich geht es darum, wer seine Definitionen und Wirklichkeitsentwürfe durchsetzt:
Public moral argument is moral in the sense that it is founded on ultimate questions - of life and death, of how persons should be defined and treated, of preferred patterns of living (Fisher 1984: 12).

Beim Reden über Mediengewalt wird auf Regeln und Werte verwiesen, deren Definition als gültig und nicht zu hinterfragen vermittelt wird. Moralisches Wissen teilt ein in das, was sein soll, und das, was nicht sein darf. Das Reden über Gewalt im Fernsehen ist moralische Kommunikation gleichgültig, ob ich mit einer Freundin darüber spreche, ob ein Fernsehprogramm in den Gremien der LMAs und der FSF verhandelt wird oder ob sich Experten öffentlich zu dem Problem äußern: "Was sich auch bei uns im Fernsehen an Hetze, Schmutz und Gewalt abspielt, das darf den Gesetzgeber nicht untätig lassen"72; "Schützt die Kinder vor TV-Verführern"73. Wodurch verändert sich moralische Kommunikation, wenn sie öffentlich stattfindet? Öffentliche Kommunikation weist besondere Strukturen auf und ist Kommunikation unter besonderen Bedingungen. Die Qualität moralischer Kommunikation wandelt sich, sobald sie die Ebene einfacher Interaktion verlässt und öffentlich wird. Allgemein unterscheidet sich öffentliche Kommunikation von einem vernunftgeleiteten Diskurs dadurch, dass sie nicht - wie zum Beispiel in der Wissenschaft, im theologischen Disput oder vor Gericht - räumlich begrenzt und an Zugangsbedingungen gebunden ist:
72

73

Rita Waschbüsch, Vorsitzende des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, im Kölner Express vom 24.10.1993. Kölner Express vom 15.12.1994

Öffentliche Meinung und Öffentlichkeit [P]ublic moral argument is a form of controversy that inherently crosses fields. It is not contained in the way that legal, scientific, or theological arguments are by subject matter, particular conceptions of argumentative competence, and well recognized rules of advocacy (Fisher 1984: 12).

129

Das Publikum öffentlicher Äußerungen ist durch eine "prinzipielle Unabgeschlossenheit" (Habermas 1990) gekennzeichnet. Die Unabgeschlossenheit öffentlicher Diskurse ist von Sprechern zu berücksichtigen, wenn sie argumentativ überzeugen wollen: "[Public moral argument] is aimed at what Aristotle called 'untrained thinkers', or, to be effective, it should be" (Fisher 1984: 12). Klaus Eder (1996) trifft ähnlich wie Gusfield eine Unterscheidung der kognitiven und der moralischen Dimension öffentlicher Kommunikation, wenn er mit Blick auf die "Logik des sozialen Feldes Öffentlichkeit" den Vorschlag macht, analytisch drei Ebenen der Sinnorientierung des Öffentlichkeitssystems zu differenzieren: die kognitive Ebene der Argumentationen, die Ebene der moralisch-politischen Identifizierung und schließlich die Ebene des Wiedererkennens symbolischer Kommunikationen. Eder hebt hervor, die notwendige Voraussetzung des Gelingens öffentlicher Kommunikationen sei die Reduktion kognitiver Argumente auf moralische Perspektiven (Eder 1996: 150). Die moralische Dimension beinhaltet demnach diejenigen Qualitäten, durch die ein Problem überhaupt erst dauerhaft öffentliche Aufmerksamkeit erfahren kann. Die Mediengewaltthematik besitzt eine starke moralische und das heißt emotionale Komponente. Emotionen sind neben Kognition und Instinkt ein Modus der Konstruktion sozialer Wirklichkeit - der Weltdeutung. Ebenso wie die Kognition reduzieren Emotionen Komplexität. Im Gegensatz zur Kognition bedeuten sie aber nicht sequentielle, sprachliche Welterfassung, sondern simultane Welterfassung, gleichzeitig und gestalthaft (Gerhards 1988). Den Gefühlen haftet dabei ein besonderer Wahrheitscharakter an, weil sie zu unmittelbaren körperlichen Reaktionen führen. Worauf gründet die moralische und emotionale Dimension des Mediengewaltproblems? Ein charakteristisches Merkmal des Mediengewaltproblems ist, dass es so einheitlich wahrgenommen wird. Soziale Probleme werden in konsensbestimmte oder konfliktdominierte unterschieden (vgl. Gusfield 1989: 437; Schetsche 1996; Beckett 1986). Bei konfliktdominierten Issues stehen unterschiedliche Deutungen sozialer Wirklichkeit im Widerstreit miteinander, zum Beispiel Abtreibung verstanden als Selbstbestimmungsrecht von Frauen über ihren Körper, gegenüber Abtreibung als Mord an ungeborenem Leben. Im Kontrast dazu erscheint der Status konsensbestimmter Probleme wie dem der Mediengewalt unumstritten und unhinterfragbar (Gusfield 1989: 435).

130

Das soziale und kulturelle Organisationsfeld der Regulation

In der öffentlichen Meinung (sowie im Recht und in der Wissenschaft) herrscht die einhellige Überzeugung, dass Gewaltdarstellungen einen negativen sozialen Einfluss haben und dass zuviel Gewalt auf den Bildschirmen gezeigt wird. Diese einheitliche Sichtweise lässt praktisch keine Denkalternativen zu. So kann Seymour Feshbach, der lange Zeit an der These einer kathartischen Wirkung von Gewaltdarstellungen festhielt, als letzter Vertreter einer diskursiven Gegenposition gesehen werden. In der Regel rufen nun Themen, die in dieser Weise als unumstritten gelten können, auch jenseits der Grenzen von Alter, Bildung, Geschlecht oder ideologischer Einstellung ein besonders starkes Gefühl hervor. Dass dies beim Thema Mediengewalt so ist, liegt vor allem am Gewaltbegriff:
'Gewalt' ist vielleicht das wichtigste Verdichtungssymbol unserer Gesellschaft überhaupt. Alles was mit Gewalt zu tun hat (oder richtiger: so bezeichnet wird), lässt Gefahr, Bedrohung und gesellschaftliche Unordnung assoziieren. Als immer auch moralische Kategorie lässt 'Gewalt' keinerlei Nachfragen über die Ursachen und die Bewertung einer Handlung zu (Schetsche 1996: 118).

Aufgrund des Bezugs zu Gewalt und seiner einheitlichen Wahrnehmung, ist die öffentliche Thematisierung des Mediengewaltproblems auch immer in der Lage, Zustimmung zu sichern. Mediale Gewaltdarstellung wird daher häufig von der Politik als ein Zustimmung sicherndes Erklärungsmuster im Zusammenhang mit anderen gesellschaftlichen Problemstellungen herangezogen, die sich um Gewalt zentrieren, wie zum Beispiel beim Thema Innere Sicherheit: Politiker des gesamten politischen Spektrums problematisieren Gewaltdarstellungen in den Medien als Ursache gesellschaftlicher Gewalt. Der sozialdemokratische Bundesinnenminister Otto Schily verweist mit derselben Vehemenz darauf wie sein Vorgänger Manfred Kanther. Nach den Ursachen gesellschaftlicher Gewalt gefragt, insbesondere der Jugendkriminalität, äußert sich Schily im Zeitungsinterview:
[M]an darf schon auch an die Medien denken, die ein Gesellschaftsbild vermitteln, wonach derjenige am meisten Achtung verdient, der das dickste Konto hat oder den größten Wagen fährt. Und vergessen wir nicht die suggestive Kraft des Fernsehens und die Brutalität, die dort vorgeführt wird (Interview mit Otto Schily in Süddeutsche Zeitung 13.10.1997, S. 11)

Der damalige Bundesinnenminister Kanther forderte etwa zur gleichen Zeit in seinem 10-Punkte-Programm "Deutschland kann sicherer werden!" gleich zu Beginn:

Öffentliche Meinung und Öffentlichkeit Aufgrund ihrer Multiplikatorwirkung kommt den Medien bei der Gewaltbekämpfung eine zentrale Bedeutung und Verantwortung zu. Es muß deshalb das Ziel aller verantwortungsbewußt Handelnden in Politik und Medien sein, - die Gewaltdarstellung vor allem im Fernsehen weiter einzuschränken, - auf besonders brutale Darstellungen auch dann zu verzichten, wenn sie innerhalb der Grenzen des rundfunkrechtlich Erlaubten liegen (Pressemitteilung des Bundesministerium des Innern vom 19.08.1997, S. 2; vgl. Bundesministerium des Innern 1996: 5).

131

Das Mediengewaltproblem unterscheidet sich hinsichtlich seiner einheitlichen Wahrnehmung von anderen öffentlichen Problemen, die weniger eindeutig wahrgenommen werden und dadurch auch weniger gefühlsbetont sind. Problemen wie der Verschwendung von Steuergeldern oder der Armut, die keinen Bezug zu Gewalt herstellen, wird insgesamt weniger öffentliche Aufmerksamkeit zuteil. Wenn man soziale Probleme analytisch-vergleichend betrachtet, ist die eindeutige Problemwahrnehmung nicht etwa die Regel, sondern es ist die "Ausnahme, wenn ein Problemmuster allein im öffentlichen Diskurs präsent ist" (Schetsche 1996: 96). In solchen Fällen ist im massenmedialen Diskurs keine konkurrierende Deutung auszumachen, obwohl prinzipiell alternative Deutungen des Sachverhalts denkbar wären. Schetsche spricht für solche Fälle von "ideeller Hegemonie" (1996: 86). Die einheitliche Wahrnehmung des Mediengewaltproblems im öffentlichen Diskurs trägt zum Erhalt der Regulierungseinrichtungen bei. Da im massenmedialen Diskurs keine konkurrierenden Deutungen des Mediengewaltproblems erkennbar werden, sind auch keine Alternativen zur bestehenden Form der Regulation denkbar. Das Problem wird als so drängend empfunden, dass auch eine Veränderung oder gar die Abschaffung bestehender Regulationsformen undenkbar erscheint. Prinzipiell ist im Fall der Mediengewalt und seiner Regulation als alternative Deutungsvariante das der Zensur denkbar. Alle Einrichtungen, die in Deutschland Gewaltdarstellungen durch Medieninhaltskontrollen regulieren, sind Zensurinstanzen: die BPjS, die FSK, die LMAs, die FSF sowie die sendereigenen Jugendschützer. Unabhängig von dem juristischen Zensurbegriff - der sich von dem sozialwissenschaftlichen schon deshalb unterscheidet, da er die Kriterien eines Straftatbestands explizieren muss - lässt sich Zensur aus sozialwissenschaftlicher Sicht wie folgt definieren: Zensur ist die autoritäre Kontrolle öffentlich zugänglicher Aussagen, die vervielfältigt, weiterverarbeitet, kurz, bei denen die Adressaten nicht benannt werden können. Das entscheidende Merkmal dieser Kontrolle ist die systematische Prüfung (vgl. Fölsing 1994: 516f.;

132

Das soziale und kulturelle Organisationsfeld der Regulation

Otto 1968: 5f.). Legt man diese Zensurdefinition zugrunde, ist klar, dass auch in der Bundesrepublik Zensur stattfindet, obwohl das Zensurverbot zu den obersten Grundsätzen unserer demokratischen Verfassung zählt. Der Vorwurf der Zensur beruht, wie der Vorwurf, illegitim Gewalt auszuüben, auf einem fest verankerten Tabu. Die Norm 'keine Gewalt' gilt ebenso wie 'keine Zensur'. Genau wie eine Verletzung des Gewalttabus hat auch ein erkennbarer Verstoß gegen das Zensurverbot mit heftigen öffentlichen Sanktionen zu rechnen, die von der charakteristischen Emotionalität moralischer Kommunikation gekennzeichnet sind. Um also dem öffentlichen Vorwurf, Zensur auszuüben, zu entgehen, müssen Zensurmaßnahmen überzeugend gerechtfertigt sein:
Die vorgebliche Notwendigkeit zur religiösen, politischen oder moralischen Zensur wird in der Praxis meist polemisch umschrieben und Zensur als Antwort auf 'Häresie', 'Subversion', 'Staatsgefährdung', 'Obszönität', 'Pornographie', 'Jugendgefährdung' usw. ausgegeben (Fölsing 1994: 519).

Schlagworten wie Obszönität, Pornographie oder Jugendgefährdung, mit denen die Notwendigkeit einer Zensur begründet wird, fehlt zwar eine präzise Definition, aber sie sind eng mit Emotionen und Wertvorstellungen assoziiert und daher in der Lage Konsens zu sichern. Trotz der konsensuellen Wahrnehmung des Mediengewaltproblems, durch die mit einer breiten öffentlichen Unterstützung gerechnet werden kann, bleibt für die Aufsichtsinstanzen die Notwendigkeit bestehen, besonders gegenüber einer kritisch eingestellten Öffentlichkeit dem Zensur-Vorwurf vorzubeugen. Der Gebrauch des Zensurbegriffs im Zusammenhang mit der Rundfunkregulation hätte eine delegitimierende Wirkung. Niemand will als Zensor dastehen. Wenn es dagegen gelingt, die Kontrollen ganz im Sinne des Jugendschutzes verständlich zu machen, können sie auf einen breiten gesellschaftlichen Konsens bauen. Die Gefahr des Zensur-Vorwurfs bleibt latent bestehen und wird bei Änderungen der Kontrollverfahren seitens der Fernsehveranstalter auch wieder vorgebracht. Die Regulateure begegnen dem Vorwurf in der Regel unter Verweis auf die Rechtslage und das dort vorherrschende Verständnis, nur die Vorzensur, nicht aber die Nachzensur durch staatliche Instanzen oder die freiwillige Vorzensur, werde vom Zensurverbot des Grundgesetzes erfasst. Die Feinheiten des juristischen Zensurbegriffs sind jedoch öffentlich kaum zu vermitteln. Damit wird einmal mehr deutlich, welche entscheidende Rolle die Jugendschutzargumentation für den Erfolg, im Sinne des Fortbestands, der Regulation, spielt.

Öffentliche Meinung und Öffentlichkeit

133

Dem Umdefinitionsprozess entsprechend wird der Begriff der Zensur im Zusammenhang mit der Regulation nicht mehr verwendet. So taucht zum Beispiel seit 1967 das Stichwort Zensur in den "Jahrbüchern der öffentlichen Meinung" bzw. den "Allensbacher Jahrbüchern der Demoskopie" nicht mehr auf, obwohl die Zustimmung für Medieninhaltskontrollen auch in den letzen drei Jahrzehnten regelmäßig abgefragt wurde (siehe oben). Hier ist ein gelungener Umdefinitionsprozeß abzulesen. In kulturvergleichender Sicht wird an dieser Stelle ein Unterschied zum Mediengewalt-Diskurs in den Vereinigten Staaten deutlich. Dort werden die Begriffe "censorship" und "censor" nach wie vor verwendet, um Jugendschutzmaßnahmen und Jugendschützer zu bezeichnen (vgl. Gunther 1995; Weispfennig 1994; Zoglin 1988; Cole 1981; Levin 1981; Winick 1961). Ein Vergleich des deutschen mit dem amerikanischen Mediengewalt-Diskurs wäre gut geeignet, die politisch-demokratische Kultur in beiden Gesellschaften zu untersuchen. Hier muss allerdings der Hinweis ausreichen, dass einer Ausweitung der Zensur im Namen des Jugendschutzes durch den zentralen Stellenwert des Zensurverbots in dem First Amendment der Verfassung der Vereinigten Staaten wohl eher Grenzen auferlegt sind, als in Deutschland. Nicht für den Film, aber für den Bereich des Fernsehens gilt, dass in keinem anderen Land eine ähnlich umfassende, systematische Prüfung von Programminhalten wie in Deutschland existiert.

4.3

Die Wissenschaft als Umwelt

Während für den öffentlichen Mediengewalt-Diskurs die moralisch-emotionale Dimension der Problemwahrnehmung bestimmend ist, entstehen im Wissenschafts- und im Rechtssystem die rational-kognitiven Grundlagen für die Legitimation des Regulationshandelns. Grundlegende Bedeutung für die soziale Konstruktion des Problemzusammenhangs in seiner kognitiven Dimension besitzt die Wissenschaft. Sie rahmt die Sicht auf den Sachverhalt. Die Problemsicht wird innerhalb des Wissenschaftssystems produziert und gerät zur selbstverständlichen Voraussetzung des weiteren Denkens und Handelns. Im Rechtssystem wird der Problemzusammenhang in Form wissenschaftlicher Ergebnisse dann wiederum in den juristischen Kontext regelgerecht übersetzt. Dieser 'Übersetzungsvorgang' bleibt durch die Notwendigkeit der inneren Kohärenz juristischer Regelungen keinesfalls folgenlos. Es ist jedoch die Wissenschaft, die bereits im Vorfeld das soziale Wissen über den Problemzusammenhang organisiert und eine selbstverständliche Ordnung der Fakten vorgibt. Indem die Wissenschaft dann auch die Glaubwürdigkeit des wissenschaftlichen Arbeitens auf

134

Das soziale und kulturelle Organisationsfeld der Regulation

die Auslegung ihrer Ergebnisse überträgt, liefert sie unhinterfragbare Fakten über einen Sachverhalt. Die Legitimationsfunktion und der wirklichkeitssetzende Einfluss, den die Wissenschaft als institutionalisierte Umwelt auf die Regulation entwickelt, soll unter drei Aspekten beleuchtet werden: Mit Hilfe wissenschaftlicher Literaturdatenbanken kann man den Stellenwert des Problems der Mediengewalt im Vergleich zu anderen sozialen Problemen feststellen und den Verlauf der Problemkarriere beschreiben. Die Auswertung von insgesamt sechs Literaturdatenbanken macht einen Anstieg der wissenschaftlichen Publikationen kenntlich, der mit der Diskussion um das Reality-TV zusammenfällt (Kap. 4.3.1). Ein Grund dafür, dass ausgerechnet das Reality-TV derart in der Lage war, die Gewaltdebatte in Gang zu setzen, liegt darin, wie die Medienwissenschaft das Verhältnis von Fernsehen und Realität begreift. Dadurch wie in weiten Teilen der Medientheorie das Verhältnis von Medien- und Alltagswirklichkeit konzeptioniert ist, muss die Wirkung von Reality-TV als besonders gefährlich erscheinen (Kap. 4.3.2). Wissenschaftliche Ergebnisse verschaffen der Regulation eine ihrer legitimatorischen Grundlagen. Tatsächlich eignen sich jedoch nur ganz bestimmte Forschungsergebnisse, um die Regulierung öffentlichkeitswirksam zu rechtfertigen. Welche dies sind, hat wiederum mit den theoretischen Grundlagen der jeweiligen Zweige der Medienwissenschaft zu tun (Kap. 4.3.3).

4.3.1 Die Problemkarriere im Spiegel wissenschaftlicher Datenbanken In dem Bemühen, zunächst die Aktualität und darüber hinaus die Karriere des Problems quantitativ zu belegen, ist man ganz auf wissenschaftliche Literaturdatenbanken verwiesen, die eine Indexierung vornehmen. Wenn das Thema in Zeitschriften und Datenbanken als eigenes Schlagwort erscheint, kann aber davon ausgegangen werden, dass nicht nur die wissenschaftliche, sondern auch die öffentliche Problemwahrnehmung etabliert ist (Schetsche 1996: 23). Es ist der Beleg für eine konsistente Problemwahrnehmung, wenn "Gewalt und Medien", "Gewaltdarstellung" oder "Gewalt im Fernsehen" als eigene Begriffe indexiert werden. Wie häufig taucht der Begriff in den wissenschaftlichen Datenbanken auf, die fächerübergreifend Monographien und Periodika erfassen? Eindrucksvoll ist anfangs das Ergebnis der Freitextsuche in den "Dissertation Abstracts", wo die gesamten amerikanischen Dissertationen erfasst werden. Die Suche nach "television and violence", liefert von 1994 bis 1997 insgesamt 51 "hits". Das

Die Wissenschaft als Umwelt

135

heißt, in nur drei Jahren wurden allein in den Vereinigten Staaten und Kanada 51 Dissertationen erstellt, die das Thema Mediengewalt unter verschiedenen Aspekten behandeln. Hier ein paar Beispiele: "The Effects of Humorous Cartoon Violence on a Cognitive Learning Task" (McDaniel 1997); "Mediating 'Cops': An Analysis of Viewer Reaction to Reality TV" (Curry 1997); "The Short-Range Effect of Televised Hockey Violence on Violence in Amateur Hockey" (Westrup 1996). Eine deutsche Entsprechung zu den Dissertation Abstracts, die nicht nur Autoren und Titel erfasst, sondern auch kurze inhaltliche Beschreibungen bereitstellt, existiert leider nicht. Diejenige Bibliographie, die für Deutschland am umfassendsten nicht nur Monographien und Periodika in und außerhalb des Verlagsbuchhandels, sondern auch Hochschulschriften aufnimmt, ist die Deutsche Nationalbibliographie (DNB). Tabelle 4: Anzahl der Fundstellen für "Gewaltdarstellung" als Schlagoder Stichwort in der Deutschen Nationalbibliographie (DNB) 1991-1997 im Vergleich
Schlagwort (ss)1 bzw. Stichwort (st)2 Summe der Fundstellen (ss+st) n= 218 117 57 46 44 41 Schlagwort (ss) n= 192 94 34 43 24 0 Stichwort (st) n= 26 23 23 3 20 41

Drogenabhängigkeit Kindesmisshandlung Treibhauseffekt Gewaltdarstellung Pornographie Abtreibung
1

Schlagwortbegriff. Das bedeutet Stichwort aus dem Schlagwortbereich (als Ganzes abgespeicherte Schlagwortketten werden in Einzelbegriffe aufgelöst). 2 st Stichwort. Das bedeutet Nennung im Titel oder Untertitel. Basis: Summe aller Fundstellen (ss+st)=423, Doppelerfassungen möglich Quelle: Deutsche Nationalbibliographie (DNB), Jahrgänge 1991-1997

ss

Die bei weitem größte Summe an Fundstellen ergibt die Suche nach "Drogenabhängigkeit" (218), gefolgt von "Kindesmisshandlung" (117). Dies sind sichtlich zwei soziale Probleme, die in den 90er Jahren nicht nur auf der öffentlichen, sondern auch auf der wissenschaftlichen Agenda im Vordergrund standen. Die Anzahl der Fundstellen für "Treibhauseffekt" (57), "Gewaltdarstellung" (46), "Pornographie" (44) und "Abtreibung" (41) bewegen sich zwar auf einem nied-

136

Das soziale und kulturelle Organisationsfeld der Regulation

rigeren Niveau, belegen aber, dass auch diese Issues dauerhaft gesellschaftliche Aufmerksamkeit erfahren. Die 43 Fundstellen, die in der DNB dem Schlagwort "Gewaltdarstellung" zugeordnet werden, bedeuten, dass sich von 1991 bis 1997 durchschnittlich 6 Buchveröffentlichungen pro Jahr mit dem Thema auseinandergesetzt haben. Die Internationale Bibliographie der Zeitschriftenliteratur (IBZ) enthält Aufsatznachweise aus ca. 5.000 wissenschaftlichen Zeitschriften mit einem Schwergewicht auf den Geistes- und Sozialwissenschaften. Die Recherche in der IBZ zeigt, dass das Problem der Mediengewalt in den Sozialwissenschaften zwar keine Spitzenposition einnimmt, aber dass "Gewalt und Medien" zu den Standardthemen der Sozialwissenschaften zählt. Von 1994 bis einschließlich das 1. Quartal 1997 befassen sich pro Jahr durchschnittlich 24 Zeitschriftenaufsätze mit diesem Thema. Tabelle 5: Anzahl der Fundstellen für das Schlagwort "Gewalt und Medien" in der Internationalen Bibliographie der Zeitschriftenliteratur (IBZ) 1994-1997/1 im Vergleich
Schlagwort1 Kindesmisshandlung Drogenabhängigkeit Treibhauseffekt Abtreibung Gewalt und Medien Pornographie n= 346 246 152 89 79 64

1 Schlagwort-, Titel- und Autorenindex sind bei der Suche kombiniert. Basis: Fundstellen insgesamt n=976, Doppelerfassungen möglich. Quelle: Internationale Bibliographie der Zeitschriftenliteratur (IBZ) 1994-1997/1

In der sendereigenen Bibliothek des WDR werden seit 1975 jährlich Artikel aus den gesamten Zeitschriften und Sammelwerken des Bibliothekbestands verschlagwortet. Dieser Aufsatznachweis ist damit die einzige Bibliographie für die Kommunikations- und Medienwissenschaft, die im deutschsprachigen Raum nicht nur Monographien der medienwissenschaftlichen Disziplin systematisch erfasst, sondern auch zu einem recht frühen Zeitpunkt begonnen hat, Artikel aus Zeitschriften und Sammelbänden nachzuweisen.

Die Wissenschaft als Umwelt

137

Tabelle 6: Fundstellen für das Schlagwort "Gewaltdarstellung" in "WDRHörfunk und Fernsehen. Aufsatznachweis aus Zeitschriften und Sammelwerken" von 1975-1999
Anteil der Nennungen des Schlagworts 'Gewaltdarstellung' an der Zahl der Nachweise insgesamt in %
5 4,5 4 3,5 3 2,5 2 1,5 1 0,5 0 75* 77 78 79 80 81 82 83 84 85 86 87 88 89 90 91 92 93 94 95 96 97 98 99

Jahr

* Basis:

Im ersten Jahrgang wurden die Jahre 1975 und 1976 gemeinsam erfasst. Nachweise insgesamt N=29.725; Schlagwortnachweis "Gewaltdarstellung" n=381, Prozentuierung erfolgte pro Jahr. Quelle: WDR Hörfunk und Fernsehen. Aufsatznachweis aus Zeitschriften und Sammelwerken von 1975-1999

Diese Auswertung ermöglicht zum ersten Mal eine Beschreibung der Karriere des Mediengewaltproblems im Zeitverlauf. Die Kurve belegt Anstiege des Veröffentlichungsvolumens in den Jahren 1977, 1981, 1985 und 1989. Seit 1992 ist ein überproportionaler Zuwachs zu verzeichnen, dessen Höhepunkt das Jahr 1993 ist: Über 4 Prozent aller nachgewiesenen Veröffentlichungen in der Medien- und Kommunikationswissenschaft behandeln 1993 das Thema Gewaltdar-

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Das soziale und kulturelle Organisationsfeld der Regulation

stellung. In diesem Jahr befand sich die Diskussion um Reality-TV auf dem Höhepunkt. Tabelle 7: Auswertung der kombinierten Schlagwortsuche "Fernseh*" und "Gewalt*" in der Literaturdatenbank SOLIS 1970-1999

Anteil der Fundstellen 'Fernseh*' und 'Gewalt*' an der Zahl der Nachweise insgesamt in %
0,5 0,45 0,4 0,35 0,3 0,25 0,2 0,15 0,1 0,05 0
70 71 72 73 74 75 76 77 78 79 80 81 82 83 84 85 86 87 88 89 90 91 92 93 94 95 96 97 98 99

Jahr Literaturnachweise insgesamt N=238..600, kombinierte Schlagwortsuche "Fernseh*" und "Gewalt*" insgesamt n=315, Prozentuierung erfolgte pro Jahr Quelle: Literaturdatenbank SOLIS 1970-1999, IZ Bonn Basis:

Die Literaturdatenbank SOLIS weist Artikel aus Zeitschriften und Sammelwerken in den gesamten Sozialwissenschaften nach. Der prozentuale Anteil der Nachweise für die kombinierte Schlagwortsuche "Fernseh*" und "Gewalt*" an der Anzahl der insgesamt nachgewiesenen Quellen ist wesentlich geringer, als beim Aufsatznachweis des WDR. Er bewegt sich deutlich unter der 1-Prozentmarke. Dennoch ist auch hier deutlich ein An- und Abschwellen der Zahl wissenschaftlicher Veröffentlichungen zu erkennen. Die Höhepunkte der Verlaufs-

Die Wissenschaft als Umwelt

139

kurve liegen in den Jahren 1995 (67 Fundstellen absolut) und 1993 (50 Fundstellen). Der Verlauf der Themenkarriere in den Sozialwissenschaften entspricht damit insgesamt demjenigen in der Medien- und Kommunikationswissenschaft. Tabelle 8: Auswertung der kombinierten Freitextsuche "Fernseh*" und "Gewalt*" in der Datenbank sozialwissenschaftlicher Forschungsprojekte FORIS 1990-1999
Jahr ft , n=
1
1

‘90

‘91

‘92

‘93

‘94

‘95

‘96

‘97

‘98

‘99

0

1

2

0

1

8

10

4

4

3

ft Basis:

Freitextsuche, kombiniert nach "Gewalt*" und "Fernseh*" Nachweise von Dokumenten in FORIS insgesamt N=38.800; Fundstellen der Freitextsuche n=33 Quelle: Datenbank sozialwissenschaftlicher Forschungsprojekte FORIS 1990-1999, IZ Bonn

Effekte der öffentlichen Thematisierung zeigen sich im wissenschaftlichen Diskurs zuerst in Veröffentlichungen allgemeiner Art, ohne neue empirische Forschungsergebnisse zu liefern. Dann erst werden mit einiger Verzögerung, neue Forschungsvorhaben initiiert und finanziert. Auch die letzte Auswertung der Datenbank sozialwissenschaftlicher Forschungsergebnisse FORIS von 1990 bis 1999 bestätigt insofern den Verlauf der Karriere des Mediengewaltproblems mit einem deutlichen Höhepunkt der Karriere in den Jahren 1993 bis 1995. Im Vergleich zum Stellenwert anderer sozialer Probleme nimmt das Problem der Mediengewalt eine Position im Mittelfeld ein. Obwohl das Thema kein ähnlich großes allgemeines wissenschaftliches Interesse auslöst wie etwa das der Kindesmisshandlung, beschäftigt sich die Wissenschaft regelmäßig mit dem Thema. In der Medien- und Kommunikationswissenschaft besitzt das Thema Gewalt in den Medien jedoch einen zentralen Stellenwert. Die Karriere des Mediengewaltproblems ist 1993 zeitgleich mit der Reality-TV-Diskussion auf dem Höhepunkt. Es ist überraschend, dass das Jahr 1985, in dem das kommerzielle Fernsehen in Deutschland begann, keinen vergleichbaren Höhepunkt aufweist. Wie kam es, dass das Reality-TV den Diskurs über Gewalt in den Medien so sehr antreiben konnte?

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Das soziale und kulturelle Organisationsfeld der Regulation

4.3.2 Kognitive Grundlagen: Verhältnis von Fernsehen und Realität Die Auswertung der wissenschaftlichen Literaturdatenbanken hat gezeigt, dass der Höhepunkt der Karriere des Themas Mediengewalt mit der Entstehung des Reality-TV und dessen öffentlicher Diskussion zusammenfällt. Eine Ursache für die Rolle des Reality-TV als Auslöser ist darin zu sehen, wie in der Medien- und Kommunikationswissenschaft das Verhältnis von Medien und Realität beschrieben wird. Die Programmform Reality-TV stellt Unfall und Verbrechen mit dokumentarischen Mitteln nach, das heißt möglichst realitätsnah. Der Reizfaktor der Diskussion um Gewalt in den Medien steht und fällt mit der Beurteilung des Verhältnisses zwischen Fernsehen und Realität. Ausgehend von den Beiträgen der Medienwissenschaft lassen sich vier typische Sichtweisen des Verhältnisses zwischen Fernsehen und Realität rekonstruieren, die sich an der Bedeutungsdifferenz zwischen Medien und Realität auffächern: Drei dieser Typen gehen von der Differenz von Medien- und Alltagsrealität aus, nur der 'radikale Konstruktivist' (z.B. Schmidt 1993) begreift beides als Einheit. Nur die ersten drei dieser idealtypischen74 Sichtweisen finden sich auch in dem öffentlichen Diskurs über unverhältnismäßig viel Gewalt in den Medien wieder. Winfried Schulz (1989) hat in der Medien- und Kommunikationswissenschaft die 'ptolemäische' und die 'kopernikanische' Auffassung der Realität der Medien unterschieden. In der 'ptolemäischen' Auffassung werden die Medien als Spiegel der Wirklichkeit gesehen. Sie präsentieren ein Bild der Wirklichkeit, an der Menschen ihr Verhalten ausrichten. Das durch die Medien verbreitete Verhalten wird zu einem normativen Modell menschlichen Verhaltens. Dabei erscheint Fernsehen am Ende wirklicher als die Wirklichkeit. Bei der ptolemäischen Auffassung kann man, wie Angela Keppler (1994) festgestellt hat, zwei typische Ausformungen bei Medientheoretikern unterscheiden. Die Deskriptiven sagen schlicht nur: Es ist so. Die Normativen, darunter Neil Postman und Richard Sennett, gehen darüber hinaus: Es soll nicht so sein, wie die Deskriptiven behaupten, dass es ist. Diese Sicht der Medien und ihres Einflusses auf den Einzelnen und die Gesellschaft baut auf zwei Prämissen auf: Erstens werden die Medien und die Wirklichkeit strikt voneinander differenziert; Medien sind ein Fremdkörper,
74

"Idealtypus" wird hier ganz im Sinne Webers verstanden, im Gegensatz zu "Durchschnittstypen". Idealtypen sind aus der Wirklichkeit abgeleitete Abstraktionen, die als methodisches Instrument um so besser ihren Dienst "terminologisch, klassifikatorisch sowohl wie heuristisch" leisten, je schärfer und in diesem Sinne auch, je "weltfremder" sie sind (Weber 1964: 15).

Die Wissenschaft als Umwelt

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eine auf die Wirklichkeit aufgesetzte Technik. Die zweite, normative, Prämisse ist, dass Medien ein authentisches Bild der Wirklichkeit spiegeln sollen. Das bezieht sich einerseits auf den journalistischen Objektivitätsstandard in der Nachrichtenberichterstattung, andererseits setzen hier die Klagen der Medienkritik an, dass in den Medien unverhältnismäßig viel Gewalt dargestellt ist. Vor allem Kinder würden dadurch viel zu früh mit einer schlechten Welt konfrontiert. In dieser Version wird nicht behauptet, die Differenz zwischen alltäglicher Lebenswelt und medialer Musterwelt sei aufgehoben.75 Die Normativen, die der 'ptolemäischen' Auffassung anhängen, zielen daher in der Tendenz auf eine stärkere Kontrolle der Massenmedien, wenn nicht sogar auf Zensur. Zumindest liefert sie den verschiedenen Lobbies, Politikern und Klerikern, radikalen Minderheiten und 'Moral Majorities' die Argumente zur Durchsetzung ihrer Interessen und für ihren Kampf gegen individuelle Freiheiten (Schulz 1989: 141).

Die 'kopernikanische' Auffassung begreift die Medien dagegen als Weltbildapparate. Hier kann man wiederum über Schulz hinaus eine radikale und eine naive Variante unterscheiden: Für den radikalen Konstruktivisten besteht kein Gegensatz zwischen Medien und Wirklichkeit. Die Medien sind in dieser Sicht Teil der sozialen Realität. Eine Überprüfung der 'Medienrealität' an der 'reinen' Realität ist folglich nicht möglich. Daher können aus der Sicht des radikalen Konstruktivisten Gewaltdarstellungen kein Problem sein. Der zweite Typus, der die 'kopernikanische' Sichtweise vertritt, sieht die Medien als theoretisches Modell des Wirklichen. Dies ist der Typus des naiven Konstruktivisten, der die Medien unter dem Aspekt untersucht, dass Medien Wirklichkeit konstruieren, dabei aber 'naiv' vernachlässigt, dass jedes Erkennen bereits einen konstruktiven Zug aufweist. Es wird eine Differenz von Sein und Schein, Illusion und Realität, tatsächlichem und simuliertem Geschehen aufgebaut. In dieser Sicht werden Gewaltdarstellungen dann problematisch, wenn in den Medien mehr Gewalt gezeigt wird, als reale Gewalt herrscht. Menschen fühlen sich dadurch bedrohter, als es tatsächlich angemessen ist, weil die Welt angsterregender erscheint, als sie wirklich ist. In der Medienwissenschaft sind also mit der 'ptolemäischen' und der 'kopernikanischen' Auffassung zwei Grundtypen der Sicht auf das Verhältnis zwischen Fernsehen und Realität auszumachen. Für beide Grundtypen sind wiederum zwei Untertypen zu unterscheiden. In jeder Sicht außer der des radikalen Konstruktivisten muss die Wirkung von Gewaltdarstellung besonders
75

"Der normative Diskurs über die Medien hätte keinen Sinn, wenn nicht von einem Fortbestehen dieser Differenz ausgegangen würde" (Keppler 1994: 18).

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Das soziale und kulturelle Organisationsfeld der Regulation

gefährlich erscheinen, sobald eine Programmform wie das Reality-TV fiktionale Inhalte als real inszeniert.

4.3.3 Wissenschaftliche Ergebnisse als Legitimationsgrundlage Die Frage nach den direkten, kurz- und langfristigen Effekten von Gewaltdarstellung ist die beherrschende Fragestellung geblieben, die an die Medienwirkungsforschung gestellt wird. Die wissenschaftliche Forschung hat sich zwar keineswegs auf das Kausalmodell der Gewaltwirkung beschränkt. In Teilbereichen der Medienwissenschaft wird das Kausalmodell aber unter der Anforderung dieser gleichbleibenden Fragestellung weiterhin reproduziert. Dies ist zum einen auf die Art der Finanzierung der Medienwirkungsforschung durch die Sendeanstalten, politische Institutionen und Regulierungseinrichtungen zurückzuführen. Willard D. Rowland konstatiert für die amerikanische Situation ein nahezu symbiotisches Verhältnis der Forschung und ihrer öffentlichen Auftraggeber. Der politische Pay-Off für den von der Forschung dann nur mangelhaft belegten Kausalzusammenhang bestehe darin, dass die jeweils Regierenden Betroffenheit demonstrieren könnten, ohne jedoch angesichts des drohenden Zensurvorwurfs schwierige Maßnahmen veranlassen zu müssen:
The science of effects proved to be just sophisticated enough to lend credibility to the political claims of serious scrutiny, while yet proving to be sufficiently inconclusive to prevent any draconian measures (Rowland 1983: 297).

Dass an die Medien- und Kommunikationswissenschaft immer wieder die Frage nach der Wirkung von Gewalt gestellt wird, verweist darüber hinaus auf die Notwendigkeit der Legitimation politischen Handelns: Es herrscht ein Bedarf an 'objektivem' Wissen, das es der Politik, den Rundfunkveranstaltern und den Regulierern auch ermöglichen muss, auf dieses Wissen zu reagieren. Ansätze, die das Verhältnis von medialer Wirklichkeit und Alltagswirklichkeit nicht kausal bestimmen, existieren durchaus, werden jedoch in der politischen Praxis nicht aufgegriffen. So wird offenbar von der Seite kulturtheoretisch bestimmter Medienforschung ein 'objektives' Wissen, das es den an der Anwendung orientierten Rundfunkregulierern ermöglicht, auf dieses Wissen zu reagieren, nicht passend bereitgestellt. Kulturwissenschaftliche Beiträge haben immer mehr beschreibenden und verstehenden, als erklärenden Charakter. Sie eignen sich daher nicht als legitimatorische Grundlage für öffentlichkeitswirksame politische Aktion. Politisches

Die Wissenschaft als Umwelt

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Handeln muss sichtbar Problemursachen bekämpfen. Wenn Ansätze aus den Kultur- und Geisteswissenschaften jedoch keinen Erklärungsanspruch verfolgen, dann lassen sie im Ergebnis auch nicht die Bekämpfung der Problemursache zu. Für den Fall, dass die Ergebnisse der qualitativ orientierten Medienforschung dennoch Resonanz finden, werden sie für eine Befürwortung medienpädagogischer Maßnahmen herangezogen. Die Ergebnisse der kulturwissenschaftlich orientierten Medienforschung ermöglichen es dem politischen System nicht, für das Gewaltproblem eine öffentlichkeitsberuhigende Handhabe zu entwickeln. Das politische Programm läuft Gefahr, ein Legitimationsdefizit zu besitzen, wenn es sich auf kulturwissenschaftliche Forschungsergebnisse stützt. Als Legitimationsgrundlage am besten geeignet erscheinen die quantitativen Inhaltsanalysen der Medienwirkungsforschung. Bei Inhaltsanalysen wird implizit von der Quantität der Darstellung auf die Wirkung bei Rezipienten rückgeschlossen, ohne dabei allerdings die Rezipientenseite wie in der experimentellen psychologischen Forschung tatsächlich zu untersuchen. Die Experimente der Medienpsychologie beruhen zwar wie die Inhaltsanalysen der Medienwirkungsforschung im nomologischen Kern ihrer theoretischen Grundlagen auf dem Kausalprinzip, aber die medienpsychologischen, auf Rezipienten bezogenen Ergebnisse rechtfertigen einfach keine einschneidenden Regulationsmaßnahmen.

4.4

Das Recht als Umwelt

Der für das Organisationshandeln wichtigste Institutionalisierungsbereich, in den die empirischen Ergebnisse der Gewaltwirkungsforschung eingehen, ist das Recht. Das Recht gewinnt diese herausragende Bedeutung, weil es die entscheidende Quelle der Legitimation organisierten politischen Handelns darstellt. In Ländern wie Großbritannien und den Vereinigten Staaten hat die Kontrolle der Gewaltdarstellung eine andere Form gefunden. Wie kommt es, dass das Problem der Gewaltdarstellung in Deutschland ausschließlich unter dem Gesichtspunkt des Jugendschutzes abgehandelt wird, während man in Großbritannien allgemein von Zuschauerschutz spricht? Die Definition des Problems, hier Jugendschutz, dort Zuschauerschutz, legt andere Lösungsstrategien und Verantwortungszuweisungen nahe. Die Gründe für solche Unterschiede sind allgemein gesprochen kulturell bedingt. Sie lassen sich jedoch über den Einfluss kulturnationaler Differenzen, den Unterschied der Mediensysteme

144

Das soziale und kulturelle Organisationsfeld der Regulation

und der jeweiligen politischen Kultur hinaus unter Rückgriff auf institutionelle Faktoren innerhalb des Rechts genauer bestimmen. Edelman und Suchman (1997) haben in der Forschungsliteratur, die sich in dem Zwischenbereich von Rechts- und Organisationssoziologie bewegt, zwei typisch zu unterscheidende wissenschaftliche Herangehensweisen ausgemacht: Einerseits eine rational materialistische Auffassung und andererseits die kulturanalytische Perspektive. Ein instrumentell-materialistischer Ansatz sieht sowohl in den Unternehmen, die durch die Rundfunkaufsicht reguliert werden, als auch in ihren Regulateuren rationale Nutzenmaximierer. Die Funktion des Rechts ist aus dieser Sicht, normkonformes Verhalten durch ein System von Anreizen und Sanktionen zu bewirken. Dem entgegen richtet die kulturanalytische Perspektive, die der Neo-Institutionalismus vertritt, ihren Blick darauf, wie das Recht Organisationsformen konstruiert und legitimiert, die Normen organisationellen Handelns formt und die Identität und Handlungsoptionen organisationeller Akteure prägt. Das Kosten-Nutzen-Kalkül, das die Grundlage der instrumentell-materialistischen Vorgehensweise bildet, hat in dieser Sicht nur sekundäre Bedeutung:
Law constructs and legitimates organizational forms, inspires and shapes organizational norms and ideals, and even helps to constitute the identities and capacities of organizational 'actors' (Edelman und Suchman 1997: 493).

In den frühen Beiträgen des Neo-Institutionalismus wurde die Konformität mit regulativem Recht allgemein als Fall eines auf Zwang beruhenden institutionellen Isomorphismus gewertet und damit gegen einen normativen und einen mimetischen Isomorphismus abgegrenzt (vgl. DiMaggio und Powell 1983: 150). Jüngere Arbeiten verweisen jedoch darauf, dass sich im Einfluss des Rechts auf Zwang beruhende Anpassung gleichermaßen vollzieht wie mimetische und normative Anpassung. So dienen rechtliche Symbole nicht als negative Sanktionen, um unerwünschtes Verhalten zu unterbinden, sondern dazu, die erwünschte Normbindungen mittels Überzeugung zu erreichen: "Regulatory law, in this view, is less a threat than a sermon" (Edelman und Suchman 1997: 495). Aus neo-institutionalistischer Sicht ist es darüber hinaus die Legitimationsfunktion des Rechts, die Normkonformität bewirkt (Meyer und Rowan 1991). In den neo-institutionalistischen Arbeiten wird das Recht als ein System prozeduraler Regeln aufgefasst. Das Recht schafft Handlungsoptionen und vermittelt moralische Grundprinzipien sowie grundlegende kognitive Kategorien: "[O]rganizations conform because law makes certain forms of action seem more natural, proper, and fitting than others" (Edelman und Suchman 1997: 496). Organisationen nutzen nun ihrerseits rechtliche Symbole auch strategisch, um sich und ihr Handeln zu legitimieren (Friedland and Alford 1991;

Organisationsstruktur, Aufgaben und Finanzierung

145

"culture as 'tool-kit'" Swidler 1986). Bei der Beurteilung der Leistung der Selbstkontrolle durch die FSF gilt es dann zu unterscheiden, ob es sich bei ihrer Tätigkeit um das Anzeichen einer substantiellen Veränderung in der Handlungsorientierung der privat-kommerziellen Sender handelt oder um eine oberflächliche, zeremonielle Demonstration konformen Verhaltens. Formale Organisationsstrukturen symbolisieren für sich genommen bereits ein 'commitment' an rechtliche Zielvorgaben. Es könnte sein, dass sich die Rundfunkaufsicht an den Rechtsvorschriften orientiert, aber gleichzeitig eine Abkoppelung der organisationellen Praxis von der symbolischen Außendarstellung vollzieht (vgl. Edelman 1976: 39; Hoffmann-Riem 1981: 78; 1996: 333). Der Schutz vor Gewaltdarstellung, der im § 131 StGB und den Jugendschutzgesetzen formuliert und im § 3 RfStV zusammengeführt wird, ist vom Gesetzgeber so abstrakt gehalten, dass die Regelungen als symbolische Behandlung des Gewaltproblems durch das Rechtssystem aufgefasst werden müssen (vgl. Kap. 1.3). Diese Regelungen als symbolisch zu bezeichnen, bedeutet nun keineswegs, dass sie keine Wirkung entfalten, wie wir im alltäglichen Sprachgebrauch häufig etwas als 'nur' symbolisch beschreiben, von dem wir glauben, es sei überflüssig und wirkungslos. Die Formulierung des § 131 StGB schafft das Bewusstsein für eine normative Ordnung, die Gewaltdarstellung im Fernsehen als abweichendes Verhalten kennzeichnet. Die vom Gesetzgeber als "plakative Mißbilligung" (Deutscher Bundestag 1973, Drucksache 7/514: 4; 1984, Drucksache 10/2546: 22) gedachte Strafrechtsnorm erlangt ihre eigentliche Bedeutung jenseits konkreter Verurteilungen und Strafen durch die Justiz. Die Strafrechtsnorm stützt andere soziale Ordnungsmechanismen wie die öffentliche moralische Empörung über den als schädlich empfundenen Sachverhalt. Die Aufrechterhaltung des Normenhaushalts einer Gesellschaft wird durch eine Rechtsvorschrift auch ganz ohne tatsächliche Sanktionen der Justiz oder der Polizei gestützt. Darüber hinaus gewinnt die soziale Sanktion moralischer Empörung (eines Einzelnen oder einer in den Medien veröffentlichten Meinung) zusätzlich Gewicht, wenn sie sich durch den Verweis auf eine Rechtsvorschrift legitimieren kann, die anerkanntermaßen die Werte der Gemeinschaft repräsentiert. Der § 131 StGB Gewaltdarstellung ist als symbolische Rechtsvorschrift zu verstehen, die auf den Zusammenhalt des gesellschaftlichen Normgefüges zielt: "Much of the apparatus of law ... upholds a public version of acceptable behavior. It points to the sources of disorder, the threats to safety" (Gusfield 1981: 152) Joseph R. Gusfield argumentiert, dass in diesem Sinne ein Großteil

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Das soziale und kulturelle Organisationsfeld der Regulation

der Rechtssetzung dazu diene, eine öffentliche Version akzeptablen Verhaltens bereitzuhalten. Die Gesetzgebung verweist auf die gesellschaftlichen "sources of disorder", wie sie für sein Beispiel in der Bedrohung der öffentlichen Sicherheit durch betrunkene Autofahrer zu sehen ist (Gusfield 1981). Entsprechend verweist die auf Gewaltdarstellung bezogene Rechtssetzung symbolisch auf die Gefahren, der die Gesellschaft nicht nur durch Gewaltausübung, sondern auch durch die zunehmende Zentralität der Medien in der Gesellschaft ausgesetzt ist. Die konkreten Auswirkungen des § 131 StGB auf das Regulationshandeln sind in mehrfacher Hinsicht im Zusammenhang mit Art. 5 GG und seiner Auslegung durch das BVerfG zu sehen. Durch die Hervorhebung des Jugendschutzes, dem in Art. 5 Abs. 2 GG Verfassungsrang eingeräumt wird, verlagern sich Maßnahmen gegen Gewaltdarstellung auf den Bereich des Jugendschutzes und sind damit für eine demokratische Gesellschaft weniger riskant. Angesichts der für die Demokratie konstitutiven Bedeutung der Meinungsfreiheit laufen verschärfte Maßnahmen gegen Gewaltdarstellung als Jugendschutzmaßnahmen weniger Gefahr, diese konstitutiven Freiheiten zu verletzen. Bis auf wenige Ausnahmen werden durch den Jugendmedienschutz Unterhaltungsprogramme zensiert. Nur wenigen ist deutlich, dass Unterhaltungsangeboten heute neben den Informationsangeboten eine zunehmend wichtige Rolle für die demokratische Meinungsbildung zukommt. Das BVerfG hat als oberste richterliche Instanz bislang zu der besonderen Rolle der Fernsehunterhaltung noch in keinem Urteil ausdrücklich Stellung bezogen, es lässt aber in seiner Urteilspraxis eine Position deutlich werden: Nach der Auslegung des BVerfG garantiert das Grundgesetz die Rundfunkfreiheit in demselben Umfang wie die Pressefreiheit. Diese wird nun aber unabhängig vom Inhalt des Druckwerks gewährt (BVerfGe 62, 230 (243); BVerfGe 77, 74; BVerwGe 39, 163f.). Unterhaltungssendungen ständen folglich unter demselben Schutz der Verfassung wie Nachrichten- oder Dokumentarsendungen (BVerfGe 35, 202 (222); 60, 64; 73, 152). Dieser Schutz sollte für Rundfunkvollprogramme ebenso gelten wie für Spartenprogramme. So jedenfalls ist die Regelung im "inhaltsgleichen Schutzbereich" des Pressewesens, wo Anzeigenblätter ebenso verfassungsrechtlich geschützt sind wie Sensationsblätter und "offensichtlich schwer jugendgefährdende" Veröffentlichungen. Obwohl das BVerfG diese Auffassung für den Rundfunkbereich gegenüber den gedruckten Medien noch nicht ausdrücklich bestätigt hat, wird in der Rechtswissenschaft vertreten (Kreile und Detjen 1994: 78), dass Unterhaltungsprogramme eine ebenso große Bedeutung für die Freiheit der Medien haben wie Informationssendungen.

Organisationsstruktur, Aufgaben und Finanzierung

147

Eine Förderung der Medienpädagogik im Namen des Jugendschutzes mag nichts nutzen, weil tatsächlich gefährdete Kinder und Jugendliche gar nicht erreicht werden, aber sie richtet sicherlich auch keinen Schaden an. Eine Ausweitung der Inhaltskontrollen dagegen, die darauf abzielen, Zuschauer insgesamt, also auch Erwachsene zu schützen, würden eine erhebliche Bedrohung demokratischer Freiheiten bedeuten. Grundsätzlich hat die Regelung des StGB die Möglichkeit eines Erwachsenenschutzes offengelassen. Jedoch allein der Jugendschutz rechtfertigt bei einem angenommenen "Wirkungsrisiko" die Freiheiten des Art. 5 Abs. 1 GG einzuschränken, obwohl wissenschaftlich nicht gesichert feststeht, ob und wieweit eine reale Gefahr besteht (BVerfGE 83, 130 (140ff.)). Nur die Deutung des Gewaltdarstellungsproblems unter dem Gesichtspunkt des Jugendschutzes hat es also ermöglicht, Inhaltskontrollen zu schaffen. Diese wären unter dem Aspekt eines allgemeinen Erwachsenenschutzes gegenüber Art. 5 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich nicht zulässig gewesen. Das BVerfG hat durch seine Rechtssprechung aber gleichzeitig einer demokratiegefährdenden Ausweitung jugendschützerischer Kontrollen Grenzen auferlegt. Zu weit gehende Entscheidungen der Regulateure werden angesichts der hohen Bedeutung des Zensurverbots, des Kunstvorbehalts sowie der schwachen wissenschaftlichen Grundlagen spätestens vor Gericht revidiert.76 Durch die Dominanz des Jugendschutzaspekts erhalten jedoch Alternativen gegenüber der Inhaltskontrolle, wie ein verfahrensspezifischer Zuschauerschutz, keine Chance. Maßgeblich der Art. 5 GG und seine Auslegung durch das BVerfG sind für diese wirklichkeitssetzende Schwerpunktsetzung verantwortlich zu machen. Das Verfassungsrecht hat durch die Hervorhebung des Jugendschutzaspekts dazu beigetragen, für das Organisationsfeld der Rundfunkregulation das fundamentale Ordnungsschema 'Jugendschutz durch Zensur' zu institutionalisieren. Das Recht als unabhängige Variable zu konzipieren und Institutionalisierungsprozesse auf Organisationsstruktur und -verhalten zu untersuchen, ist eine der möglichen Fragestellungen. Dabei bleibt der umgekehrte Einfluss, den die Regulationsorganisationen in dem komplexen Prozess sozialer Wirklichkeitskonstruktion zwischen Recht und Organisation ausüben, unberücksichtigt. Aber: "organizations construct and configure legal regimes even as they respond to them" (Edelman und Suchman 1997: 484). Hinsichtlich regulativen Rechts

76

Vgl. Einstellungsbeschluß der Kölner Staatsanwaltschaft gegen RTLplus (JMS-Report, 1, 1995: 7-9).

148

Das soziale und kulturelle Organisationsfeld der Regulation

spezifizieren und konkretisieren Regulateure wie Regulierte die rechtlichen Vorgaben durch Kriterien und Verfahren. Die Regulationseinrichtungen besitzen in mehrfacher Hinsicht eine Filterfunktion. Die praktische Bedeutung einer Rechtsvorschrift entsteht in einem komplexen Prozess sozialer Konstruktion, an dem viele Akteure beteiligt sind. Unabhängig von den beteiligten Akteuren filtern bürokratische Strukturen per se und die innerorganisationelle Rechtskultur die praktische Umsetzung eines Gesetzestexts. Die Organisationsmitglieder selbst besitzen eine Filterrolle für die Deutung und Sinnauslegung der Gesetze. So sind es die professionellen Diskurse von Juristen, Jugendschützern, Kommunikationswissenschaftlern und Pädagogen, in denen unbestimmte Rechtsbegriffe, von denen die Jugendschutzregelungen gekennzeichnet sind (Holgersson 1995: 170; Weiss 1994; Hesse 1993; Kreile und Detjen 1994), praktisch umgesetzt werden müssen. Kommunikationswissenschaftler besitzen in diesem Deutungsprozess den geringsten Einfluss. Die Medienwissenschaft hat sich mit ihren gegenüber dem kausalen Wirkungsmodell mittlerweile wesentlich komplexeren Kommunikationsmodellen (vgl. Merten 1994) nicht bis in die Praxis der Rundfunkkontrolle durchsetzen können. Dies könnte auf die mangelnde Berücksichtigung kommunikationswissenschaftlicher Forschung seitens des Rechtssystems zurückzuführen sein. Das Festhalten an einem Ursache-Wirkungs-Zusammenhang zwischen dargestellter und realer Gewalt in der Rundfunkregulation muss aber auch mit den Eigeninteressen der Organisationsmitglieder begründet werden. Grundsätzlich entfaltet das Recht dann den größten Einfluss, wenn es mit den dominierenden Interessen der Organisationsmitglieder übereinstimmt (Edelman und Suchman 1997: 499).

5.

Staatsregulation: Die Landesmedienanstalten (LMAs)

Der empirische Ansatzpunkt der Untersuchung ist die organisierte Praxis der Kontrolle der Gewaltdarstellung in den Medien. Die Fallbeispiele bilden zum einen die auf Gesetzesgrundlage arbeitenden Landesmedienanstalten (LMAs) und zum anderen die selbstverantwortliche Freiwillige Selbstkontrolle Fernsehen (FSF). An erster Stelle gilt es, die organisierten Verfahren zur Verringerung der Mediengewalt zu erklären. Warum wird Gewaltdarstellung so und nicht anders kontrolliert? Welche Handlungsorientierungen und institutionalisierten Deutungsmuster bestimmen die Praxis der Regulation? Nach welchen Vorgaben werden Gewaltdarstellungen beurteilt? Was passiert, wenn Sendungen nach den Kriterien rechtlicher Vorgaben gemeinsam beurteilt - zensiert - werden müssen? Was bedeuten die organisationsinternen Erfahrungen bei der Kontrolle der Gewaltdarstellung wiederum für die Außendarstellung der Regulation? Die Analyse wird sich auf die Organisationsbereiche konzentrieren, für die das Thema Mediengewalt besondere Relevanz besitzt. Das sind die Maßnahmen zum Jugendschutz und die wissenschaftliche Auftragsforschung. Auf der Verfahrensebene spielen dabei die rechtlichen Rahmenbedingungen und das Vorbild der FSK die entscheidende Rolle. Für die Praxis der Jugendschutzprüfung sind darüber hinaus die wissenschaftlichen Grundlagen, auf die man sich bei der Begutachtung beruft, und die Bedingungen moralischer Kommunikation entscheidend. Die wissenschaftliche Auftragsforschung ist dadurch geprägt, dass ihre Ergebnisse kaum mit den Regulationsverfahren in Einklang zu bringen sind, so dass die Forschung besonders der Außendarstellung der LMAs zu Gute kommt. Neben der selbstverständlichen ("taken-for-granted") bestehenden Überzeugung eines kausalen Zusammenhangs von dargestellter Gewalt und gesellschaftlicher Gewalt, ist letztlich auch die Idee der 'Effektivität' rundfunkpolitischer und -rechtlicher Steuerung als ein rationaler Mythos zu betrachten. Der rationale Mythos einer "effektiven Rundfunkregulierung" (vgl. u.a. HoffmannRiem 1989c; Schuler-Harms 1995: 120f.) findet seinen Ausdruck entsprechend

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Staatsregulation: Die Landesmedienanstalten (LMAs)

in der Forderung nach "effektivem Jugendschutz"77. Es besteht die Vorstellung, dass man grundsätzlich eine effektive Rundfunkregulierung gewährleisten könne. "Steuerungsmängel" werden, wie Wolfgang Hoffmann-Riem bereits 1981 schrieb, "vielfach als bedauerliches, aber vermeidbares Versagen klassifiziert" (Hoffmann-Riem 1981: 73). Die Praxis der Regulation wird in der Folge durch Effektivitätserwartungen geprägt: Die Zahl beurteilter Filme, angeordneter Schnitte, verbotener Ausstrahlungen und erteilter Ausnahmegenehmigungen rückt in den Vordergrund. Nur mit Hilfe dieser ausgewiesenen 'Effektivität' ist der Bestand der Organisation zu rechtfertigen. Die hier verfolgte Fragestellung geht jedoch nicht den Ursachen mangelnder formaler Effektivität der Rundfunkregulierung nach, sondern verfolgt den Einfluss institutionalisierter Strukturen in den Organisationsumwelten auf die organisationelle Praxis der Regulation: Wie wird innerhalb der Organisation der Widerspruch eines Auseinanderfallens von Außendarstellung und inneren Verfahrensabläufen durch Routinen bewältigt? Wie werden in der Regulationspraxis institutionalisierte Strukturen aufrechterhalten? Empirisch gelangen zunächst die allgemeinen Organisations- und Verfahrensstrukturen, sodann die Praxis der Prüfung in den Blick: In Interaktionen werden institutionelle Ordnungen aktualisiert. Im Anschluss wird zunächst die Datengrundlage der Organisationsanalyse erläutert sowie die Organisationsstruktur, die Aufgaben und die Finanzierung der LMAs dargestellt. Es folgt die Analyse der Prüfpraxis der GSJP. Schließlich wird die Forschungspolitik der LMAs insbesondere im Hinblick auf die ihr unterliegenden organisationellen Legitimationsstrategien untersucht. Stellvertretend für alle Einrichtungen, die in Deutschland mit der Reduzierung von Gewaltdarstellungen in den Medien beauftragt sind, wurden als Fallbeispiele drei Regulierungsinstanzen ausgewählt: Die Landesanstalt für Rundfunk (LfR) in Düsseldorf, die Medienanstalt Berlin Brandenburg (MABB) und die Freiwillige Selbstkontrolle Fernsehen (FSF), beide mit Sitz in Berlin. Alle sind Organisationstypen im Rundfunk(regulations)bereich, die es noch nicht lange gibt: Die LMAs wurden 1985 geschaffen und sind im deutschen Rundfunkrecht "ihrer Art und Funktion nach ohne Vorbild" (Wagner 1990: 20). Die FSF wurde im November 1993 gegründet. Alle drei sind direkt mit der Kontrolle von Gewaltdarstellung im Fernsehen befasst, während andere Instanzen wie die Freiwillige Selbstkontrolle der Filmwirtschaft (FSK) oder die Bundesprüfstelle für
77

Vgl. für viele andere Beispiele Füger 1994: 115; Stock 1993: 379; Thaenert 1990: 40ff.; DLM, Pressemitteilung, 1993).

Staatsregulation: Die Landesmedienanstalten (LMAs)

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jugendgefährdende Schriften (BPjS) nur mittelbar an der Kontrolle von Fernsehsendungen beteiligt sind: Die FSK und die BPjS beurteilen ausschließlich Filme, die entweder im Kino gezeigt oder auf Videocassette verliehen oder verkauft werden. Die meisten dieser Filme sind zwar früher oder später auch im Fernsehen zu sehen, jedoch soll sich die Beurteilung bei der FSK und der BPjS an dem Verwertungskontext ausrichten, für den die Filme primär gedacht sind, also nicht an den Bedingungen einer Fernsehausstrahlung. Das Bundesverwaltungsgericht (BverwG) hat in diesem Sinne im sogenannten "Schwarzwaldklinik-Urteil" vom 29.05.1990 entschieden, das Gesetz über die Verbreitung jugendgefährdender Schriften (GjS), das die Grundlage der Tätigkeit der BPjS darstellt, sei auf Fernsehsendungen nicht anwendbar. Dagegen sind die für diese Untersuchung ausgewählten Fallbeispiele, die LfR, die MABB und die FSF, direkt für den Jugendschutz im Fernsehen verantwortlich. Insgesamt habe ich jeweils mehrere Wochen bei allen drei Einrichtungen verbracht und dort den Arbeitsalltag begleitet sowie Interviews mit den Mitarbeitern geführt. Außerdem konnte ich im Verlauf von 2 Jahren an insgesamt vier Sitzungen der GSJP teilnehmen. Bei den LMAs entsprach der Aufenthalt einer teilnehmenden Beobachtung, bei der FSF durch den höheren Teilnahmegrad einer beobachtenden Teilnahme. Bei den beiden LMAs hatte ich jeweils den entsprechenden Programmreferenten als Ansprechpartner. Mein Zugang zum Feld war an die Bereitschaft der Programmreferenten gebunden, mich auch tatsächlich an ihrer Tätigkeit teilhaben zu lassen, soweit es für mich von Belang war. Diese Bereitschaft war in einem Fall nur eingeschränkt gegeben. Die Gründe für diese Verweigerung waren jedoch ebenso aufschlussreich wie in dem anderen Fall, wo eine große Bereitschaft bestand, mich in weiten Teilen Einblick nehmen zu lassen. Die während dieser Aufenthalte gewonnenen ethnographischen Daten bestehen aus Feldnotizen und aus Erinnerungsprotokollen über die während dieser Aufenthalte geführten Interviews (vgl. Goffman 1989; Reichertz 1996; Emerson et al. 1995). Darüber hinaus konnte auf ein umfangreiches Quellenmaterial zurückgegriffen werden: Gesetze, Organisationsstatute, Jahrbücher, Sitzungsprotokolle, Pressemeldungen der Organisationen, Veröffentlichungen in Printmedien und Fachzeitschriften. Es war durchweg das Ziel, die Interpretation der Daten möglichst nicht nur auf einer, sondern auf mehrere Quellen unterschiedlicher Art zu stützen. Wenn sich etwa durch die teilnehmende Beobachtung Hypothesen über den Sinn, den die Mitarbeiter ihrer organisationsinternen Rolle zuschreiben, oder die Quelle für Konflikte innerhalb der Arbeitsabläufe

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Staatsregulation: Die Landesmedienanstalten (LMAs)

ergaben, wurde dies an Hand weiterer öffentlicher Äußerungen oder durch eine Rekonstruktion der satzungsgemäßen Verfahrensabläufe überprüft. Ausschlaggebend für den Weg, sich nicht nur auf öffentlich zugängliche Quellen und Experteninterviews mit den offiziellen Vertretern der jeweiligen Instanzen zu stützen, war der Wunsch, mit Mitarbeitern aus der Mitte der Hierarchie in Kontakt zu kommen, also mit denjenigen, die alltäglich prüfen. Die Spitzenvertreter der Regulation sind was Repräsentationsfunktionen angeht im Vergleich zu den übrigen Mitarbeitern geübter. An der Alltagspraxis der Programmprüfung jedoch, die hier interessieren muss, nehmen sie in der Regel gar nicht mehr teil. Außerdem stehen offizielle Stellungnahmen der Repräsentanten der LMAs und der FSF in ausreichendem Maß zur Verfügung, da sie eben häufig befragt werden, auch und gerade zu dem Aspekt der Gewaltdarstellung.78 Die Entscheidung, keine Interviews mit den jeweiligen Gremienmitgliedern der LMAs zu führen, fiel während der Feldarbeit. Ich gewann den Eindruck, dass die Gremien vor allem an der Routine der Programmkontrolle, aber auch bei der Auswahl und Entwicklung von Forschungsprojekten nur dann oder erst dann beteiligt werden, wenn es die Verfahrensordnung vorschreibt. Zu diesem Zeitpunkt sind die eigentlichen Entscheidungen aber in der Regel auf der Seite der Verwaltung bereits gefallen. Holgersson stimmt mit dieser Einschätzung überein:
Die Kompetenz der Gremien und ihre Bedeutung reduziert sich ... auf eine Abstimmung über Vorlagen, die sie selbst nicht unbedingt mitgestaltet haben und nur noch mit großem Aufwand verändern können (Holgersson 1995: 161).79

Die Wahrnehmung meiner Rolle durch die Organisationsmitarbeiter hat das Datenmaterial, das ich in Sitzungen und Interviews gewonnen habe, sicherlich beeinflusst. Bei den Mitarbeitern der LMAs bin ich zum Teil auf großes Misstrauen gestoßen. Mehrmals bin ich ausdrücklich gebeten worden, erteilte Auskünfte oder Gesprächspassagen nicht zu verwenden oder zumindest nicht kenntlich zu machen. Dies ist erwähnenswert, da es sich zum großen Teil um Informationen handelte, die auch aus dem offiziellen Quellenmaterial hervorgingen. Mein Status als Wissenschaftlerin war mir zugleich von Vor- und von Nachteil: Zum einen konnte ich ungehinderter am Alltag teilnehmen, ohne etwa den Verdacht zu erregen, die Mitarbeiter kontrollieren zu wollen. Zum anderen
78 79

Vgl. etwa Stellungnahmen des Direktors der LfR, Norbert Schneider: Lilienthal (1995); Schneider (1994). Ebenso Hochstein (1991: 91), Wagner (1990: 131) und Bumke: "In der Praxis scheint sich das Exekutivorgan zu dem 'eigentlichen Leitungsorgan' der LMAs zu entwickeln" (Bumke 1995: 488).

Staatsregulation: Die Landesmedienanstalten (LMAs)

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blieben mir aber aufgrund meines mangelnden Status' bei den LMAs bestimmte Quellen verschlossen. Dieselbe Erfahrung mussten aber selbst so renommierte Wissenschaftler machen wie die Autoren des von der Landesregierung NRW in Auftrag gegebenen Forschungsberichts "Rundfunkaufsicht". Auch sie waren mit einer "gelegentliche[n] Unzugänglichkeit von Dokumenten" konfrontiert (Hellstern et al. 1989: XI). Für die LMAs konnte auf bereits vorliegende wissenschaftlich-empirische Untersuchungen zurückgegriffen werden. Eine empirische Grundlage für die Untersuchung der LMAs haben zum ersten Mal die im Mai 1989 im Rahmen der Begleitforschung des Landes NRW zum Kabelpilotprojekt Dortmund erschienenen drei Bände "Rundfunkaufsicht" zur Verfügung gestellt (Hellstern et al. 1989a; Hoffmann-Riem 1989a; Hellstern et al. 1989b). Den theoretischen Hintergrund bildeten mit der Implementationsforschung und der Rechtstatsachenforschung zwei Ansätze aus der Verwaltungsforschung (Hellstern et al. 1989a: VI). Die zentrale Untersuchungsfrage zielte darauf, wie sich die rechtlichen Kriterien der verschiedenen LMGs in der Praxis der Aufsicht ausprägen. Im Ergebnis waren es dann allerdings nicht nur rechtliche Faktoren, die die Regulation und das Angebot an privatem Rundfunk beeinflussten:
[Es zeigte sich], daß medienökonomische Faktoren, teils auch unmittelbar Einflussnahmen aus der Medienwirtschaft, eine bedeutende Rolle spielen - aber auch politische Einflußnahmen waren immer wieder feststellbar (Hellstern et al. 1989a: VI).

Im Zentrum stand, wie das Untersuchungsergebnis zeigt, nicht die Programmaufsicht, sondern die Lizenzierung auf dem Hintergrund der Debatte um die Medienkonzentrationskontrolle. Im Anschluss unternommene wissenschaftliche Arbeiten wurden trotz unterschiedlicher Anwendungsfelder von der implementationstheoretischen Fragestellung dieser ersten Studie über die Rundfunkaufsicht entscheidend geprägt. Den Aspekt des Jugendschutzes hatten Hellstern et al. im Rahmen der Rundfunkregulierung nicht als zentral erachtet, im Gegenteil wurde die Bedeutung dieses Bereichs von den Wissenschaftlern gering eingeschätzt:
Der Jugendschutz in der Kontrolle privaten Rundfunks hat sich weitgehend auf das Verbot gewaltverherrlichender und pornographischer Darstellungen sowie auf die Einhaltung bestimmter Sendezeiten zurückgezogen. Infolge des derzeit liberalen Umfeldes stellt er kein zentrales Thema der Rundfunkaufsicht dar (Hellstern et al. 1989: XVI).

Angesichts der für die Sicherung der Demokratie als entscheidend zu wertenden Aufgabe der Konzentrationskontrolle, wird die Geringschätzung des Themas

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Staatsregulation: Die Landesmedienanstalten (LMAs)

Jugendschutz verständlich. Durch den Hinweis, infolge des "derzeit liberalen Umfeldes" sei der Jugendschutz kein Thema, zeigen die Autoren jedoch an, dass sie seine Aktualität mit Wert- und Moralvorstellungen verknüpft sehen. Dabei bleibt offen, ob mit "Umfeld" das politische System oder die gesamtgesellschaftliche Stimmungslage benannt ist. Im Gegensatz zu dieser Position wird hier die Ansicht vertreten, dass die Kontrolle von Sex- und Gewaltdarstellung sehr wohl ein zentrales Thema der Rundfunkaufsicht darstellt, das bei der Organisationsanalyse der Rundfunkregulation nicht vernachlässigt werden darf. In den Erwartungen der Öffentlichkeit und der Politik gegenüber den Aufsichtsinstanzen spielt gerade der Jugendschutz eine ausschlaggebende Rolle, der das Thema Konzentrationskontrolle während des zurückliegenden Jahrzehnts streckenweise sogar übertönt hat. Und hier ist vor allem die Lautstärke seiner öffentlichen Thematisierung gemeint.80 Seit dieser ersten Untersuchung wurden die LMAs insgesamt vier Mal zum Thema von Dissertationen. Drei von ihnen nehmen diesen neuen Organisationstyp der Rundfunkregulierung aus rechtswissenschaftlicher Perspektive in den Blick (vgl. Wagner 1990; Bumke 1995; Schuler-Harms 1995). Sie sind entsprechend des juristischen Selbstverständnisses an den Wirkungen von Recht orientiert, ohne aber die Verwirklichung dieser normativ gesetzten Ziele gleichermaßen mit den Methoden der Rechtswissenschaft an der Wirklichkeit überprüfen zu können. Allein die sozialwissenschaftliche Studie von Silke Holgersson (1995) unternimmt, ausgehend von der Notwendigkeit einer normativen Rundfunksteuerung, eine empirische Überprüfung der wirksamen Implementation politischer Programme am Beispiel der Programmaufsicht. Während Hellstern et al. die Lizenzierungspraxis in den Mittelpunkt ihres Forschungsinteresses rückten, widmet sich Holgersson der Programmaufsicht als dem zweiten Aufgabenschwerpunkt der Rundfunkregulierung. Dazu lagen zuvor keine empirischen Ergebnisse vor.81 Holgerssons Untersuchungsinteresse richtet sich erstens darauf, die tatsächlichen Verfahrensabläufe, insbesondere bei Verstößen, zu rekonstruieren, um dann zweitens die These einer Deregulierung der Rundfunkaufsicht, wie sie unter anderem in den Vereinigten Staaten feststellbar ist, auch für Deutschland zu belegen. Für diese Fragestellung konnte Holgersson als empirische Basis auf
80

81

Betrachtet man derzeit die Situation der Konzentrationskontrolle, könnte man sogar behaupten, dass das Thema Mediengewalt im Rahmen der Rundfunkregulation nicht nur die Konzentrationskontrolle, sondern vielleicht jedes andere Thema überdauern wird. Wohl weil Silke Holgersson (1995) als Referentin bei der Hamburger LMA (HAM) beschäftigt war, konnte sie auf die gesamten Sitzungsprotokolle der "Gemeinsamen Stellen" der LMAs von 1985 bis 1992 einschließlich der Aktenvermerke zugreifen.

Staatsregulation: Die Landesmedienanstalten (LMAs)

155

die gesamten Sitzungsprotokolle der "Gemeinsamen Stellen" der LMAs, Jugendschutz und Programm, Werbung sowie die Protokolle der Sitzungen der Direktorenkonferenz der Landesmedienanstalten (DLM) aus den Jahren 1985 bis 1992 zurückgreifen. Das Ergebnis ihrer Untersuchung zeigt:
[E]in eindeutiges deregulierendes Verhalten der LMA: Sie handeln auch dort informell, wo sie prinzipiell bürokratisch restriktiv handeln könnten (Holgersson 1995: 171).

Im Rahmen der Implementationsforschung sieht Holgersson deren Erkenntnis bestätigt, dass "unbestimmte Rechtsbegriffe" den Vollzug erschweren und dass das Gesetzesprogramm nicht geeignet sei, das Verhalten der Normadressaten zu steuern. Zur Voraussetzung einer erfolgreichen Aufsicht über Programmrichtlinien macht Holgersson in jedem Fall die Existenz eines "Rundfunkleitbildes":
Das Rundfunkleitbild stellt das gewünschte Bild in den Köpfen der Kontrolleure dar, an dem sich ihr Empfinden über Gesetzesverstöße und ihr nachfolgendes Handeln orientiert (Holgersson 1995: 50).

Folglich sieht sie die wesentlichen Probleme der Programmaufsicht nicht in Operationalisierungsproblemen oder mangelnden Sanktionsinstrumenten, sondern es fehle "an einer notwendigen Orientierung, einem Rundfunkleitbild für den privaten Rundfunk" (Holgersson 1995: 87). Gleichzeitig erscheint ihr aber die Erarbeitung eindeutiger Kontrollinhalte, aufgrund eines fehlenden gesellschaftlichen Normenkonsens als problematisch. Die eingangs von ihr formulierte Frage nach der generellen Steuerbarkeit des "Teilsystems Rundfunk" beantwortet sie angesichts der Ausdifferenzierung moderner Gesellschaften mit Skepsis. Eine generelle Steuerbarkeit erscheint ihr eher unwahrscheinlich (Holgersson 1995: 49). Holgersson präsentiert eine Fülle empirischer Einsichten, die sich auch für die hier verfolgten Fragen verwerten lassen. Auf die Ergebnisse wird im Einzelnen später noch einzugehen sein, insbesondere auf die Schlussfolgerungen aus den Protokollen der Gemeinsamen Stelle Jugendschutz und Programm (GSJP).

5.1

Struktur, Aufgaben und Finanzierung

In Deutschland gibt es insgesamt 15 Landesmedienanstalten (LMAs), in jedem Land eine, nur Berlin und Brandenburg sind in der Medienanstalt Berlin Brandenburg (MABB) zusammengeschlossen. Die LMAs sind "staatsunabhängige

156

Staatsregulation: Die Landesmedienanstalten (LMAs)

Anstalten des öffentlichen Rechts, die selbst kein Programm veranstalten, aber für Zulassung und Aufsicht zuständig sind" (Hege 1994: 220; vgl. Wagner 1990: 96; Bumke 1995; Schuler-Harms 1995)82. Nach dem Auftakt des kommerziellen Rundfunks 1985 haben sich in Deutschland auf Länderebene starke rechtliche und organisatorische Unterschiede bei der Regelung des privaten Rundfunks herausgebildet. Trotz einer internationalen Tendenz zur Standardisierung durch Regelungen der EU und dem Einfluss international operierender Medienkonzerne ist dieser föderalistischen Entwicklung nur durch die Rechtssprechung des BVerfG entgegengewirkt worden. Sie hat den Rahmen für die Entwicklung des privaten Rundfunks abgesteckt. Der Auftrag der LMAs geht auf die Rechtssprechung des BVerfG zurück. Das BVerfG legte 1971 erstmalig fest, dass der Rundfunk wegen seiner weitreichenden Wirkung und Möglichkeiten sowie der Gefahr des Missbrauchs "nicht dem freien Spiel der Kräfte überlassen werden kann" (BVerfGE 31, 325). Im dritten Rundfunkurteil 1981 forderte das Verfassungsgericht dann als Voraussetzung für die Veranstaltung privater Programme eine effektive Kontrolle (BVerfGE 57, 295). Hieraus leitet sich die Verpflichtung der Programmaufsicht her. Die föderale Struktur der Rundfunkregulierung in Deutschland hat unterschiedliche Organisationsmodelle der LMAs hervorgebracht. Die beiden Kernaufgaben aller LMAs bilden aber die Lizenzierung privater Veranstalter sowie die Kontrolle der gesetzlichen Bestimmungen durch die Programmaufsicht. Die unterschiedlichen Organisationsstrukturen der LMAs ergeben sich aus den jeweiligen Landesmediengesetzen (LMGs). Eine länderübergreifende Rechtsangleichung wie beim Presserecht ist bei den LMGs noch nicht erreicht. Kern der LMGs sind Regelungen zur Auswahl und Zulassung privater Rundfunkveranstalter, zu ihrer inneren Organisation, zur Aufsicht und deren Mitteln und zu den Anforderungen an das Programm. Die LMAs sind mit dem Recht auf Selbstverwaltung versehen. Ihre Unabhängigkeit soll die Staatsfreiheit des Rundfunks sichern. Die Aufsicht der LMAs erstreckt sich auf alle kommerziellen Programme - Hörfunk und Fernsehen - die terrestrisch, über Satellit oder Kabel verbreitet werden. Die Zuständigkeit ist unabhängig davon, ob die Ver82

Die bayerische Landesmedienanstalt (BLM) hat einen Sonderstatus unter den LMAs, der auf ein von FDP und SPD 1972/1973 initiiertes Volksbegehren zurückgeht, mit dem ein Zusatz in der bayerischen Verfassung durchgesetzt wurde, nach dem es Privatfunk in Bayern nicht geben darf. Juristisch gesehen ist die BLM daher ein öffentlich-rechtlich organisierter Rundfunkveranstalter. Wagner argumentiert, dass sich aus dieser Sonderstellung "erhebliche Abweichungen" gegenüber den anderen LMAs ergeben (Wagner 1990: 29). Die BLM wurde aufgrund dieses Sonderstatus nicht als Fallbeispiel herangezogen.

Struktur, Aufgaben und Finanzierung

157

breitung der Programme lokal, regional, landes- oder bundesweit erfolgt. Sowohl Pay-TV als auch Spartenprogramme sind miteingeschlossen.83 Neben den LMGs bildet der RfStV die wichtigste Rechtsgrundlage für die Tätigkeit der LMAs. Erst nach dem Niedersachsen-Urteil des BVerfG im November 1986 einigten sich die Länder im April 1987 in der ersten Fassung des RfStV über die Grundlagen einer dualen Rundfunkordnung. Das Urteil anerkannte eine duale Rundfunkordnung mit unterschiedlichen Anforderungen an privat-kommerzielle und öffentlich-rechtliche Veranstalter. Der RfStV legt Programmgrundsätze und Vielfaltanforderungen fest, die für alle Rundfunkprogramme, öffentlich-rechtliche wie privat-kommerzielle, gelten. Tabelle 9: Anzahl der Mitarbeiter der LMAs 1994, 1996 und 1997
Landesmedienanstalt Mitarbeiter 1994 alle Mitarbeiter 1996 alle ohne Offene Kanäle 21 21 59 59 13 12 10 6 22 12 30 17 18 10 20 20 49 49 32 18 15 8 19 19 9 9 34 16 17 13 Mitarbeiter 1997 alle ohne Offene Kanäle 19 19 61 61 12 12 11 6 23 13 33 17 18 10 21 21 49 49 35 20 17 10 19 19 11 11 34 16 19 14

Baden-Württemberg (LfK) Bayern (BLM) Berlin-Brandenburg (MABB) Bremen (BLA) Hamburg (HAM) Hessen (LPR) Mecklenburg-Vorp. (LRZ) Niedersachsen (NLM) Nordrhein-Westfalen (LfR) Rheinland-Pfalz (LPR) Saarland (LAR) Sachsen (SLM) Sachsen-Anhalt (LRA) Schleswig-Holstein (ULR) Thüringen (TLR) n=

17 49 24 19 21 15 10 17 49 29 18 15 8 34 9 334

368

289

382

298

Quelle: Landesmedienanstalten (1994); Arbeitsgemeinschaft der Landesmedienanstalten (1996; 1998).
83

Neben der Rundfunkkontrolle haben die LMAs zum Teil auch andere Aufgaben: die Förderung und Erprobung neuer Medien, die Verwaltung von Bürgerkanälen (offene Kanäle), die technische Unterstützung kommerzieller Veranstalter und den Ausbau von Übertragungskapazitäten.

158

Staatsregulation: Die Landesmedienanstalten (LMAs)

Insgesamt sind 1997 für die LMAs 382 Mitarbeiterstellen ausgezeichnet gewesen. Im Jahr 1994 waren es 334. Das bedeutet einen Stellenzuwachs von 14% in drei Jahren. Für den Bereich Programm ist nur ein Anteil von etwa 12% Stellen ausgezeichnet. Insgesamt waren 1994 39 der 334 Mitarbeiter der LMAs für den Bereich Programm zuständig. Tabelle 10: Stellen im Bereich Programm im Vergleich zur Stellenzahl insgesamt 1994
Landesmedienanstalt Baden-Württemberg (LfK) Bayern (BLM) Berlin-Brandenburg (MABB) Bremen (BLA) Hamburg (HAM) Hessen (LPR) Mecklenburg-Vorpommern (LRZ) Niedersachsen (NLM) Nordrhein-Westfalen (LfR) Rheinland-Pfalz (LPR) Saarland (LAR) Sachsen (SLM) Sachsen-Anhalt (LRA) Schleswig-Holstein (ULR) Thüringen (TLR) Mitarbeiter alle Mitarbeiter Programm

17 49 24 19 21 15 10 17 49 29 18 15 8 34 9 334

2 8 1 2 2 2 1 5 4 3 2 3 1 2 1 39

n=

Quelle: Landesmedienanstalten (1994); Breunig (1994: 577).

Überraschend ist, dass in den wesentlich größeren LMAs, wie etwa bei der LfR und der BLM in München, nicht auch wesentlich mehr Mitarbeiter für die Programmaufsicht verantwortlich sind. Bei der BLM und der LfR, mit jeweils 49 festen Stellen, sind 8 bzw. 4 Stellen für den Programmbereich ausgezeichnet (vgl. Breunig 1994: 577).84

84

Der Größenunterschied zwischen den LMAs ergibt sich aus den zum Teil unterschiedlichen Aufgaben: Wo etwa lokaler Rundfunk gesetzlich vorgeschrieben ist, wie in NRW, fällt mehr Arbeit an als dort, wo lokale Frequenzen zusammengeschaltet werden und die Lizenz dann für eine ganze Senderkette an einen einzigen Veranstalter vergeben wird.

Struktur, Aufgaben und Finanzierung

159

Während die LMAs über gemeinsame Aufgaben verfügen - Sendefrequenzen auszuschreiben, unter den Bewerbern auszuwählen, die Programmgrundsätze zu überwachen - bestehen in der Organisationsstruktur der LMAs bei der Umsetzung dieser Ziele zum Teil erhebliche Unterschiede. Dies betrifft insbesondere die Willensbildung in den Anstalten. Grundsätzlich gibt es für die von den Landesgesetzgebern festgelegten Organisationsstrukturen der LMAs zwei Modelle: Das Versammlungsmodell (auch "Repräsentationsmodell" vgl. Reese 1989: 5) entspricht dem Rundfunkratsmodell der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten. Solche Gremien setzen sich aus Vertretern der gesellschaftlich relevanten Gruppen zusammen. Das Ratsmodell sieht dagegen eine Zusammensetzung aus wenigen unabhängigen Persönlichkeiten vor. Die LfR entspricht dem Versammlungsmodell, die MABB dagegen dem Ratsmodell. Im Jahr 1998 umfassten die Gremien der Landesmedienanstalten insgesamt 452 Mitglieder. Die MABB mit nur 7 Vertretern im Medienrat bildet das kleinste Gremium, die LfR und die BLM haben mit 45 und 49 Vertretern die größten Gremien. Tabelle 11: Anzahl der Gremienmitglieder der Landesmedienanstalten 1998
Landesmedienanstalt Gremienmitglieder 1998 n=452

Baden-Württemberg (LfK) Bayern (BLM) Berlin-Brandenburg (MABB) Bremen (BLA) Hamburg (HAM) Hessen (LPR) Mecklenburg-Vorpommern (LRZ) Niedersachsen (NLM) Nordrhein-Westfalen (LfR) Rheinland-Pfalz (LPR) Saarland (LAR) Sachsen (SLM) Sachsen-Anhalt (LRA) Schleswig-Holstein (ULR) Thüringen (TLR)

38 49 7 23 13 28 11 43 45 42 31 29 25 44 24

Quelle: Arbeitsgemeinschaft der Landesmedienanstalten (1998)

160

Staatsregulation: Die Landesmedienanstalten (LMAs)

Rechtlich zulässig könnte die Finanzierung der LMAs auf mehrere Weisen erfolgen: durch Verwaltungsgebühren, durch die Erhebung von Veranstalterabgaben, durch staatliche Finanzzuschüsse oder Erträge (z.B. Zinserträge, Erlöse aus Veräußerungen). Tatsächlich finanzieren sich die LMAs aber über einen 2Prozent-Anteil aus den öffentlich-rechtlichen Rundfunkgebühren ("Aufsichtsgroschen"). Dieser darf nach § 29 RFStV (1994) für die Finanzierung der LMAs verwendet werden.85 Der 2-Prozent-Anteil der Rundfunkgebühren wird nach der Größe der Länder aufgeschlüsselt und verteilt. Aufgrund der Bevölkerungsgröße Nordrhein-Westfalens steht sich finanziell daher die LfR mit Einnahmen in Höhe von 24,5 Mio. DM86 neben der BLM mit 30,6 Mio. DM am besten (vgl. Tabelle 11). Im Februar 1994 erfolgte durch ein Urteil des BVerfG an den Gesetzgeber der Auftrag, das Verfahren der Festsetzung der Rundfunkgebühren zu ändern. Bis zu einer Neuregelung durch den Gesetzgeber gilt aber weiterhin: Die Länder schließen einen Staatsvertrag über die Rundfunkgebühren, der dann von den einzelnen Landtagen durch Beschluss oder Gesetz bestätigt werden muss. Da Einstimmigkeit erforderlich ist, kann ein einzelnes Land die Entscheidung verzögern oder sogar verhindern. Diese Form der gebührenfinanzierten Rundfunkaufsicht ist im internationalen Vergleich einzigartig (Hoffmann-Riem 1994: 140). Die Höhe der gesamten Einnahmen der LMAs aus dem 2-Prozent-Anteil der Rundfunkgebühren betrug 1997 170,3 Mio. DM. Diese Summe entspricht nicht dem gesamten Etat der LMAs, die auch andere Einnahmen als die Rundfunkgebühren haben. So ist zum Beispiel für die BLM über die Rundfunkgebühreneinnahmen von 30,6 Mio. DM für 1997 hinaus ein Gesamtetat von 57,5 Mio. DM im Jahrbuch verzeichnet. Die LMAs weisen in den Jahrbüchern in der Regel nur die Einnahmen aus den Rundfunkgebühren aus, daher können hier exakte Angaben zu den Finanzetats nicht gemacht werden.

85

86

Kritiker an dieser Finanzierungsart sehen es als verfassungsrechtlich geboten an, die Gebühren ausschließlich den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten zuzuweisen. Die Aufsicht über den privaten Rundfunk müsse dagegen anderweitig finanziert werden, zum Beispiel durch staatliche Haushaltsmittel oder die Beaufsichtigten selbst (Hoffmann-Riem 1994: 141). Der Landesrechnungshof hat die LfR wegen eines "Mangel an Belegwesens" gerügt. Eine lückenlose Kontrolle der Buchungen sei nicht möglich (vgl. Meyerhoff und Braunschweig 1995: 292).

Struktur, Aufgaben und Finanzierung

161

Tabelle 12: Einnahmen der Landesmedienanstalten 1993, 1994 und 1997
Landesmedienanstalt Baden-Württemberg (LfK) Bayern (BLM) Berlin-Brandenburg (MABB) Bremen (BLA) Hamburg (HAM) Hessen (LPR) Mecklenburg-Vorp. LRZ) Niedersachsen (NLM) Nordrhein-Westfalen (LfR) Rheinland-Pfalz (LPR) Saarland (LAR) Sachsen (SLM) Sachsen-Anhalt (LRA) Schleswig-Holstein (ULR) Thüringen (TLR) Summe
1 2 3 4

1993 in Mio. DM

1994 in Mio DM

1997 in Mio DM

20,7 30,0 15,3 2,7 4,7 7,3 3,4 15,6 24,0 8,9 3,4 7,8 5,2 6,1 4,6 159,7

21,2 37,1 15,0 3,1 4,5 7,3 3,9 15,4 24,0 9,4 3,7 8,7 5,4 6,6 5,2 170,5

13,61 30,6 15,1 3,7 4,32 8,31 4,9 17,83 24,54 11,2 3,6 12,6 7,2 6,12 6,8 170,3

entsprechend landesrechtlicher Regelung auf 1% begrenzter Anteil entsprechend landesrechtlicher Regelung auf 1,6% begrenzter Anteil entsprechend landesrechtlicher Regelung auf 1,8% begrenzter Anteil entsprechend landesrechtlicher Regelung auf 1,1% begrenzter Anteil

Quelle: Arbeitsgemeinschaft der Landesmedienanstalten (1996; 1998); für Etat 1994 Meyerhoff und Braunschweig (1995).

Die LfR und die MABB gehören zu den ältesten LMAs und verfügen auch über die meisten Erfahrungen, da in beiden Ländern durch die Kabelpilotprojekte früh der Startschuss für den privaten Rundfunk gegeben wurde. Während die LfR dem Versammlungsmodell entspricht, ist die MABB nach dem Ratsmodell gestaltet. Der Medienrat der MABB hat 7 Mitglieder. Bei der MABB entscheiden das Berliner Abgeordnetenhaus und der Brandenburgische Landtag über die Auswahl der Personen für das Sachverständigengremium Medienrat. Jedes Parlament wählt je drei Mitglieder und das siebte Mitglied, das den Vorsitz hat, wird von beiden Parlamenten gemeinsam gewählt.87

87

Dies ist als verfassungsrechtlich bedenklich bezeichnet worden (Bumke 1995).

162

Staatsregulation: Die Landesmedienanstalten (LMAs)

Die rechtlichen Grundlagen der LfR bilden neben dem RfStV und dem nordrhein-westfälischen LMG die Satzungen der LfR. Die "Organe" der LfR, wie es im Verwaltungsrecht heißt, sind die Rundfunkkommission und der Direktor. "Der Direktor" verweist im Sprachgebrauch der Mitarbeiter der LfR dabei nicht auf die Person des Direktors, sondern auf den "Direktor als Institution", d.h. die Verwaltung. Darauf wurde ich von einem Mitarbeiter explizit hingewiesen. Die Kommission stehe dabei immer gegen den Direktor, also gegen die Verwaltung. Die Rundfunkkommission der LfR hat 45 Mitglieder, deren Amtszeit 6 Jahre dauert. 13 Mitglieder werden vom Landtag gewählt, 32 werden durch die im nordrhein-westfälischen LMG festgelegten gesellschaftlichen Gruppen benannt. Die Rundfunkkommission hat 5 Ausschüsse gebildet, darunter der Ausschuss für Jugendschutz mit 8 Mitgliedern sowie der Ausschuss für Forschung mit 12 Mitgliedern (vgl. LfR-Hb August 1993: 5, 9).88 Die Ausschüsse haben die Beschlüsse der Rundfunkkommission vorzubereiten. Sitzungen der Rundfunkkommission müssen mindestens 6 Mal pro Jahr stattfinden, tatsächlich tagt sie etwa einmal monatlich, die Ausschüsse häufiger. Die 45 Gremienmitglieder der Rundfunkkommission der LfR erhalten eine monatliche Aufwandsentschädigung von 1.000 DM, ihre 45 Stellvertreter 500 DM. Der/Die Vorsitzende erhält die Entschädigung in doppelter, sein/ihr Stellvertreter in 1 1/2 facher Höhe. Damit summieren sich die fixen Kosten für die Rundfunkkommission ohne Tagesgelder in Höhe von 60 DM und ohne Reisekosten - auf monatlich 69.000 DM. In NRW sind im LMG dem Direktor bestimmte Aufgabengebiete zugewiesen, während alle übrigen Aufgaben der Rundfunkkommission obliegen. Im Unterschied zur MABB und anderen LMAs ist damit die Position des Direktors gegenüber dem Gremium nicht so stark gestaltet. Bei der MABB hat man umgekehrt dem Medienrat spezielle Aufgaben zugewiesen, um seine Position gegenüber dem Direktor zu stärken (vgl. Hochstein 1991: 90f.). Der leitend Direktor der LfR hat 2 Stellvertreter, die alle von der Rundfunkkommission auf 6 Jahre gewählt werden. Nur einer dieser drei Direktoren muss Jurist sein. So ist es auch: Die zweite Stellvertreterin Sabine Hadamek ist

88

Auch bei anderen LMAs haben die unterschiedlichen Gremien, der jeweiligen landesgesetzlichen Verpflichtung folgend, Ausschüsse für Jugendschutz und Medienpädagogik gebildet: Bei der LPR in Hessen sowie der LPR in Rheinland-Pfalz gibt es eigene Jugendschutzausschüsse; bei der baden-württembergischen LfK existiert ein Ausschuss für Medienpädagogik.

Struktur, Aufgaben und Finanzierung

163

Juristin, der Direktor Norbert Schneider ist ausgebildeter Publizist und Theologe, sein erster Stellvertreter Gerhard Rödding ebenfalls studierter Theologe.89 Als Organisationstyp sind die LMAs mit den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten vergleichbar: Wie diese sind sie durch Merkmale wie beschränkte Staatsaufsicht, weitreichende Autonomiebefugnisse, Finanzierung durch Rundfunkgebühren und eine ähnliche Gremienstruktur gekennzeichnet. Juristisch gesehen ist die externe Kontrolle durch die LMAs gegenüber der internen Kontrolle durch die öffentlich-rechtlichen Rundfunkräte dennoch "wesensverschieden" (Wagner 1990: 27). Die LMAs benötigen im Gegensatz zu den öffentlich-rechtlichen Rundfunkräten eine gesetzliche Ermächtigungsgrundlage und unterliegen der gerichtlichen Kontrolle. Die Programmkontrolle rückte als Aufgabe der LMAs neben der Lizenzierung erst nach der Vergabe aller Frequenzen Ende der 80er bzw. Anfang der 90er Jahre in den Vordergrund. Der Schutz vor Gewaltdarstellung spielt ganz offensichtlich nur eine Rolle beim Fernsehen, nicht für den Hörfunk, und dabei auch bislang fast nur bei den bundesweit verbreiteten Programmen, obwohl die Zahl lokaler und regionaler TV-Stationen in Deutschland im Ansteigen begriffen ist. Schwierigkeiten bei der Zuständigkeit für die Programmkontrolle und insbesondere, wenn Verstöße festgestellt werden, entstehen dadurch, dass bundesweit verbreitete Programme ihre Ursprungszulassung in verschiedenen Bundesländern haben und die Zuständigkeit immer bei derjenigen LMA liegt, die die Lizenz für ein Programm vergeben hat. Die lizenzierende LMA ist dann im Sinne des Gesetzes auch die entscheidend verantwortliche Kontrollinstanz für die Bestimmungen des RfStV (§ 30 Abs. 1 RfStV). Abschließende Entscheidungen trifft nur die zuständige LMA entsprechend den Verfahrensregelungen des jeweiligen LMG. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt sind in der Bundesrepublik 16 deutschsprachige private Programme zugelassen, davon 6 als Vollprogramme und die übrigen als Spartenprogramme. Die folgende Übersicht der für die bundesweit ausgestrahlten Programme zuständigen LMAs macht deutlich, dass nur 7 der insgesamt 15 LMAs tatsächlich für national ausgestrahlte Programme verantwortlich sind, bei denen Jugendschutzfragen relevant werden. Die MABB ist für
89

Sowohl der "Direktor" der LfR, also die Verwaltung, als auch die Rundfunkkommission stehen erkanntermaßen unter einem starken Einfluss der Parteien (Hellstern et al. 1989a: VI). So hat die LfR offenbar drei Direktoren, weil die Posten des Direktors und seiner Stellvertreter nach Parteiproporz entsprechend dem Prinzip rot-schwarz-rot vergeben werden. Einer der Direktoren wurde mit dem schönen rheinischen Ausdruck charakterisiert, "der wirft noch Schatten im Kohlenkeller".

164

Staatsregulation: Die Landesmedienanstalten (LMAs)

die Programmkontrolle bei Pro7 und n-tv verantwortlich, die LfR für VOX, VIVA, VIVA2 und SuperRTL.90

Tabelle 13: Private Fernsehprogramme und die Zuständigkeit der Landesmedienanstalten
Sender Kabel 1 Pro Sieben RTL RTLII SAT.1 VOX Bloomberg TV DSF n-tv Onyx-TV Premiere Super RTL tm3 VIVA VIVA2 VH-1 Deutschland zuständige LMA Bayern (BLM) Berlin-Brandenburg (MABB) Niedersachsen (NLM) Hessen (LPR) Rheinland-Pfalz (LPR) Nordrhein-Westfalen (LfR) Hessen (LPR) Bayern (BLM) Berlin-Brandenburg (MABB) Rheinland-Pfalz (LPR) Hamburg (HAM) Nordrhein-Westfalen (LfR) Bayern (BLM) Nordrhein-Westfalen (LfR) Nordrhein-Westfalen (LfR) Hamburg (HAM)

Quelle: Arbeitsgemeinschaft der Landesmedienanstalten (1998)

Um trotz dieser Unterschiede bei der Programmaufsicht ein bundesweit einheitliches Verfahren zu gewährleisten, sind die LMAs verpflichtet, in diesem Bereich zusammenzuarbeiten, indem sie 'Gemeinsame Stellen' wie die Gemein-

90

Bei der LfR werden bezogen auf die Werberichtlinien RTL, SAT.1 und Pro 7 systematisch mitbeobachtet. Diese Sender besitzen nur eine terrestrische Frequenz in Nordrhein-Westfalen und haben dort nicht ihre Erstlizenz erhalten. Dies geschieht nicht nur, um eine bessere Programmbeobachtung zu gewährleisten, sondern auch, um die Kontrollen der anderen LMAs zu kontrollieren. Die Programmkontrolle im Jugendschutz beschränkt sich dagegen ausschließlich auf den einzigen in Nordrhein-Westfalen als Vollprogramm zugelassenen Sender VOX sowie prophylaktische Kontrollen der in Nordrhein-Westfalen zugelassenen Spartensender.

Struktur, Aufgaben und Finanzierung

165

same Stelle Jugendschutz und Programm (GSJP) bilden (§ 30 Abs. 2 RfStV). 91 Die LMAs müssen sich bei der Programmaufsicht koordinieren, da für den Jugendschutz, die Werbung und die Vielfaltanforderungen bundesweit geltende Regelungen im RfStV formuliert worden sind.

5.2

Die Gemeinsame Stelle Jugendschutz und Programm (GSJP)

In einem Beitrag zum Jahrbuch 1992 der Landesmedienanstalten fasst der Programmreferent des Landesrundfunkausschusses Niedersachsen (LRA) drei Typen von "Instrumentarien" der Programmkontrolle zusammen (Volpers 1993: 35): Erstens würden eingehende Beschwerden der Zuschauer genutzt. Als ein zweites Instrument werden Hinweise genannt, die beim Fernsehgucken der ehrenamtlichen Mitglieder der Gremien entstehen. Drittens plädiert der Autor für eine "professionalisierte, systematische und kontinuierliche Programmbeobachtung", wie sie inzwischen zum Standardinstrument der meisten Landesmedienanstalten gehöre (Volpers 1993: 35). Aber, merkt der Programmreferent einschränkend an: "Kaum eine Landesmedienanstalt ist personell in der Lage[,] die Programme, die ihrer Aufsicht unterliegen, 'rund um die Uhr' zu beobachten" (Volpers 1993: 35). Wie die Jugendschutzprüfung in der Praxis vollzogen wird, wer daran beteiligt ist, und welche Beurteilungsmaßstäbe herangezogen werden, soll im folgenden gezeigt werden. Die Gesetzgebung ist zuvor im Hinblick auf die Eingaben seitens der Medienwissenschaft untersucht worden (vgl. Kap. 1.3). In diesem Abschnitt wird nun eine andere Perspektive gewählt: Nicht das Recht ist diesmal die untersuchte, abhängige Variable, wo ausgehend von den wissenschaftlichen Erkenntnissen der Medienwissenschaft Prozesse der Rechtssetzung nachverfolgt werden, sondern die rechtlichen Vorgaben bilden die unabhängige Variable, die die Regulation strukturell prägt. Die Gesetzgebung hat Verfahren geschaffen, die die Handlungs- und Legitimationsbasis der LMAs und ihrer 'Gemeinsamen Stelle Jugendschutz und Programm' sind. Diese Verfahrensvorgaben sollen zunächst dargestellt werden.

91

Für eine rechtswissenschaftliche Beurteilung der bislang entstandenen Koordinationsstrukturen der LMAs, die mit den Strukturen der ARD vergleichbar sind, siehe Schuler-Harms (1995).

166

Staatsregulation: Die Landesmedienanstalten (LMAs)

5.2.1 Grundlage der Auslegung: Gesetze und Richtlinien Im Verständnis des deutschen Verfassungsrechts steht die Entfaltungsfreiheit des Einzelnen als Grundrecht immer gegen die an den Staat gerichtete Aufgabe, gefährdete Freiheiten aktiv zu sichern und zu festigen.92 Daher sind Maßnahmen, die Gewaltdarstellungen mindern sollen, verboten, wenn dadurch eine freie Programmauswahl für die Allgemeinheit völlig verhindert werden würde. Maßnahmen zur Verringerung von Gewaltdarstellungen rechtfertigen sich ausschließlich, wenn sie als Jugendschutzmaßnahmen verstanden werden. Aber selbst mit dem Argument des Jugendschutzes lässt sich verfassungsrechtlich keine das gesamte Programmangebot umfassende Kontrolle rechtfertigen. Bei der Abwägung zwischen Jugendschutz und Rezipientenfreiheit findet der Jugendschutz seine Grenzen dort, wo auch Erwachsene vollständig vom Bezug bestimmter Programmangebote ausgeschlossen werden (vgl. Schulz 1993: 347; BVerfGE 21, 336 (348)). In Deutschland wird für Jugendschutz gesorgt, indem die Ausstrahlung von Programmen an bestimmte Sendezeiten gebunden werden. Die Grundlage der Sendezeitbeschränkungen sind die von der FSK für jeden Kino- oder Videofilm vergebenen Altersfreigaben93 sowie der von der BPjS verwaltete Index für jugendgefährdende Schriften.94 Sowohl Filme, die über eine Freigabe mit der Einschränkung "nicht unter 18 Jahren" verfügen, als auch indizierte Filme, die "nicht als schwer jugendgefährdend" angesehen werden können, dürfen zwischen 23.00 Uhr und 6.00 Uhr morgens gezeigt werden. So gesehen ist beim Fernsehen "kein absoluter Kinder- und Jugendschutz gegeben" formuliert es ein Programmreferent (Füger 1994: 116).95 Die für die Programmaufsicht ausschlaggebenden rundfunkrechtlichen Regelungen finden sich im RfStV. Der RfStV knüpft im § 3 "Unzulässige Sendungen, Jugendschutz" an bereits bestehende Gesetze an: Neben den Jugendschutzgesetzen JÖSchG und GjS, die durch die Bindung an FSK und BPjS Ent92 93

94

95

Dies wird als die "doppelte Stoßrichtung des Grundrechtesschutzes" bezeichnet (Hoffmann Riem 1994: 192). "FSK - nicht freigegeben unter 18 Jahren"; "FSK - freigegeben ab 16 Jahren"; "FSK freigegeben ab 12 Jahren"; "FSK - freigegeben ab 6 Jahren"; "FSK - ohne Altersbeschränkung" Indem der Gesetzgeber die Sendezeitbeschränkungen an die Entscheidungen der FSK und der BPjS bindet, schaltet der RfStV in formeller Hinsicht dem Prüfungsverfahren der GSJP die Verfahren der FSK nach dem JÖSchG und das der BPjS nach dem GjS vor (vgl. Kreile und Detjen 1994: 80). Die Möglichkeit einer Ausstrahlung in diesem Zeitrahmen bleibt aber - wie das gesamte Programm - durch die Gesetze eingeschränkt (§§ 131, 184 StGB).

Die Gemeinsame Stelle Jugendschutz und Programm (GSJP)

167

scheide integriert sind, ist das im wesentlichen das StGB, wo es im § 131 unter der Überschrift "Gewaltdarstellung" heißt:
"Wer Schriften ... , die grausame oder sonst unmenschliche Gewalttätigkeiten gegen Menschen in einer Art schildern, die eine Verherrlichung oder Verharmlosung solcher Gewalttätigkeiten ausdrückt oder die das Grausame oder Unmenschliche des Vorganges in einer die Menschenwürde verletzenden Weise darstellt" und durch Rundfunk verbreitet, kann mit einer Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe bestraft werden (§ 131 Abs. 1 und 2 StGB).96

Wichtig ist, dass das StGB über die Wirkungen von Gewaltdarstellungen keine Aussage trifft. Auch wird die Darstellung von Gewalt nicht per se unter Strafe gestellt, sondern es ist eine Auslegung der Intention dieser Darstellung gefordert: Sie muss eine "Verherrlichung oder Verharmlosung" ausdrücken. Offen bleibt auch, welche Interpretationseinheit bei dieser Auslegung zu Grunde gelegt werden soll: Muss etwa der gesamte Film in seiner Intention beurteilt werden oder nur einzelne Einstellungen, Sequenzen, Handlungsstränge? Zuständig für die Strafverfolgung bei Verstößen gegen § 131 sind an erster Stelle die Staatsanwaltschaften. An welchen nachvollziehbaren Maßstäben soll sich ein Staatsanwalt bei der Auslegung der Intention eines Films orientieren, wenn ihm seitens des Rechtssystems keine Kriterien zur Verfügung gestellt werden? Selbst innerhalb der Filmwissenschaft ist die objektivierbare Filmanalyse, die Einigkeit über die Intention eines Films erzeugt, ein heikles, weil immer umstrittenes Unternehmen. Und das obwohl die Filmwissenschaft hierfür zweifellos mehr formalisierte Interpretationskriterien kennt als die Rechtswissenschaft. Aufgrund dieser Schwierigkeiten, die die Strafverfolgung zwingen, die individuelle Rezeption zur Entscheidungsgrundlage zu machen, ist man über ein und denselben Film auch schon zu unterschiedlichen Einschätzungen gekommen.97 Insgesamt sind seit in Kraft treten des § 131 StGB im Jahr 1973 von den Staatsanwaltschaften auch nur rund 100 Filme beschlagnahmt worden (vgl. Meirowitz 1993). Der § 131 ist 1985 erweitert worden: "Gewaltdarstellung" wird auch unter Strafe gestellt wenn sie "das Grausame oder Unmenschliche in einer die Menschenwürde verletzenden Weise darstellt". Diese Erweiterung, die den § 131 in der Praxis handhabbarer und auf mehr Fälle anwendbar machen sollte,
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Bei Gewaltdarstellungen im Zusammenhang mit Pornographie kann auch § 184 Abs. 3 StGB zur Anwendung kommen: "Wer pornographische Schriften ..., die Gewalttätigkeiten ... zum Gegenstand haben" verbreitet, kann mit einer Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft werden. Der Film "X-Ray - Der erste Mord geschah am Valentinstag" wurde im Vertrieb einer Stuttgarter Firma bundesweit eingezogen, während er von einer Münchner Firma bundesweit weitervertrieben werden konnte (vgl. Gottberg 1995: 6).

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trifft jedoch auf dieselben Interpretationsprobleme. Zudem hat das BVerfG in einem Urteil anlässlich der Beschlagnahmung des Films "Tanz der Teufel" festgestellt, dass es nicht ausreiche, wenn ein Film gegen die Würde eines einzelnen oder auch mehrerer Menschen verstößt. Vielmehr müsse die Würde des Menschen schlechthin verletzt werden, indem die Darstellung vermittele, die Verletzung der Menschenwürde sei ein normaler und erlaubter Akt (BVerfGE 87, 209). Die Bestimmungen des § 131 und das Verbot der Pornographie § 184 StGB sind in den RfStV übernommen worden. Der RfStV geht dann über das StGB hinaus und erklärt Sendungen auch für unzulässig, wenn sie "zum Rassenhass aufstacheln", "den Krieg verherrlichen" oder "offensichtlich geeignet sind, Kinder oder Jugendliche schwer zu gefährden" (§ 3 Abs. 1 Nr. 1, 2, 4). Im RfStV von 1994 hat man versucht, die bereits in § 131 StGB untersagte Darstellung der Verletzung der Menschenwürde nochmals zu erweitern,98 um damit das umstrittene Genre Reality-TV erfassen zu können.99 Sendungen, die die Menschenwürde verletzen, sind jetzt auch untersagt, wenn ein tatsächliches Geschehen wiedergegeben wird, "ohne daß ein überwiegend berechtigtes Interesse gerade an dieser Form der Berichterstattung vorliegt". Eine Einwilligung - der dargestellten oder sich selbst darstellenden Personen - sei dabei "unbeachtlich" (§ 3 RfStV Abs. 1 Nr. 4). Immer dann, wenn die Programmplaner der privaten Sender Filme, die von der FSK "nicht unter 18 Jahren" oder "ab 16 Jahren" freigegeben sind,100 außerhalb der vorgegebenen Sendezeiten, also nicht nur zwischen 23.00 und 6.00 Uhr bzw. 22.00 und 6.00 Uhr zeigen möchten (§ 3 RfStV Abs. 4) ist die GSJP mit "Ausnahmegenehmigungen" von den im Abs. 2 RfStV festgelegten Sendezeitbeschränkungen befasst. Zusätzlich zu den Sendezeitbeschränkungen für Filme "nicht unter 18" und "ab 16", gelten weitere Beschränkungen auch für Filme mit
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Die Menschenwürde ist grundlegend im Artikel 1 GG geschützt, aber auch in einer weiteren Bestimmung des RfStV, § 23 Programmgrundsätze: "Die Rundfunkprogramme haben die Würde des Menschen sowie die sittlichen religiösen und weltanschaulichen Überzeugungen anderer zu achten." § 3 Abs. 1 Nr. 5 RfStV soll ausdrücklich nur solche Sendungen erfassen, die "nicht-fiktional" sind, wie das Reality-TV, "aber auch Sendungen dokumentarischen Inhalts und Nachrichtensendungen" (Jugendschutzrichtlinien der LMAs 7.2). Die Sendezeitbeschränkungen für Filme mit FSK Freigaben "nicht unter 18" und "ab 16" gelten auch für Trailer. Das sind kurze Programmankündigen, in denen ein Film beworben wird (§ 3 RfStV Abs. 4). Selbst wenn der Trailer über eine eigene FSK Kennzeichnung verfügen sollte, die einen früheren Ausstrahlungstermin erlauben würde, muß sich der Sender an der Kennzeichnung des mit diesem Trailer angekündigten Films orientieren (vgl. Jugendschutzrichtlinien der LMAs 3.2).

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Freigaben "ab 12", bei denen "dem Wohl jüngerer Kinder Rechnung zu tragen" ist (§ 3 RfStV Abs. 2). Auch Filme, die auf dem Index der BPjS stehen und zwischen 23 Uhr und 6 Uhr gezeigt werden könnten, dürfen nur dann gezeigt werden, "wenn die mögliche sittliche Gefährdung von Kindern oder Jugendlichen unter Berücksichtigung aller Umstände nicht als schwer angesehen werden kann" (§ 3 Abs. 3 RfStV). Immer dürfen aber auch einschneidendere zeitliche Beschränkungen auferlegt werden, "um den Besonderheiten der Ausstrahlung von Filmen im Fernsehen, vor allem bei Fernsehserien, gerecht zu werden" (§ 3 Abs. 7 RfStV). Für eine Beurteilung dieser Sachverhalte ist immer die GSJP zuständig.101 Der RfStV gibt der GSJP durch die Bindung von Sendezeiten an die FSK- und BPjS-Entscheide einen Kern an Aufgaben für die Programmkontrolle vor. An Hand des 6-Wochen-Programmvorlaufs der Sender und der Fernsehzeitschriften überprüfen die zuständigen Programmreferenten, ob vorgegebene Sendezeiten eingehalten werden. Bei den übrigen Regelungen des RfStV bleiben bei der Umsetzung aber weite Interpretations- und Handlungsspielräume offen. Das beginnt, wie bereits am Beispiel des StGB und der Beurteilung durch die Staatsanwaltschaften gezeigt, bei den in § 3 Abs. 1 aufgezählten Kriterien für unzulässige Sendungen im Zusammenhang mit der Verherrlichung und Verharmlosung von Gewalt und der Verletzung der Menschenwürde. Unter welchen Umständen kann "die mögliche sittliche Gefährdung von Kindern oder Jugendlichen ... nicht als schwer angesehen werden"? Was sind die "Besonderheiten der Ausstrahlung von Filmen im Fernsehen, vor allem bei Fernsehserien"? Die Kontrolleure sind in vielerlei Hinsicht gezwungen, Medienwirkungen direkt einzuschätzen und diese als Grund für die Ablehnung eines Ausnahmeantrags anzuführen - Medienwirkungen über die der Gesetzgeber im Hinblick auf die widersprüchlichen Ergebnisse der Medienwirkungsforschung keine Aussage machen wollte. Die LMAs sind auf eine Zusammenarbeit im Bereich der Aufsicht verpflichtet und müssen für die Bereiche Jugendschutz und Werbung gemeinsame Richtlinien verabschieden.102 Für den Erlass solcher Richtlinien tragen sie formaljuristisch eine "Ausgestaltungsverantwortung". Die LMAs müssen die Vorgabe "Jugendschutz" in den Jugendschutzrichtlinien präzisieren und handhabbar
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Für die Bewertung indizierter Filme, die vor ihrer geplanten Ausstrahlung zu treffen ist, muss eine Begründung des antragstellenden Senders vorliegen. Juristisch gelten solche Richtlinien nicht als Rechtsverordnungen, sondern als Satzungen (Bumke 1995: 490).

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machen (Bumke 1995: 490).103 Die Jugendschutzrichtlinien werden in der GSJP erarbeitet und bei einer Novellierung des RfStV entsprechend überarbeitet (GSJP 1994/95: 7). Im Unterschied zum RfStV sind die Jugendschutzrichtlinien aus der Praxis der Programmprüfung heraus formuliert und sind eine konkrete Handlungsanleitung für die GSJP. Sie bilden Erfahrungen sowie Probleme der Prüfpraxis ab: Wenn eine FSK-Freigabe nur "ab 12" und nicht etwa "ohne Altersbeschränkung" erteilt wurde, weil der Film "gewalthaltig" ist, sollte er erst nach 20 Uhr ausgestrahlt werden und nicht während des Tages (Jugendschutzrichtlinien 5.5). Filme dagegen, deren Freigabe "ab 16" aufgrund der Darstellung der Geschlechter getroffen wurde, dürfen bereits ab 20 Uhr gesendet werden, es sei denn, die Darstellung ist gleichzeitig durch Gewalt geprägt (Jugendschutzrichtlinien 4.1). Ausnahmegenehmigungen werden grundsätzlich einzeln für bestimmte Sendezeiten und Sendeplätze (Werktag, Wochenenden oder gesetzlicher Feiertag) vergeben. Soll ein Film also beim nächsten Mal früher oder statt werktags feiertags ausgestrahlt werden, dann muss ein neuer Antrag gestellt werden (Jugendschutzrichtlinien 4.2). Falls derselbe Film aber schon einmal in den Programmen der öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten außerhalb der vorgegebenen Sendezeit ausgestrahlt wurde, muss das in die Entscheidung einbezogen werden (Jugendschutzrichtlinien 4.4). Wenn ein Film abgelehnt wird, kann er bei "wesentlich geänderter Fassung oder bei wesentlich geänderten Umständen und Erkenntnissen" nochmals eingereicht werden (Jugendschutzrichtlinien 4.5). Betrachtet man alle Regelungen über Sendezeitbeschränkungen zusammen, kann ein Veranstalter nur dann annehmen, dass keine Zeitbeschränkung erforderlich ist, wenn eine Sendung von der FSK mit der Klassifizierung "ohne Alterbeschränkung" oder "ab sechs Jahren" gekennzeichnet ist (Jugendschutzrichtlinien 5.4). Im Endeffekt bedeutet dies, dass die Verfahrensvorgaben es ermöglichen, jeder Sendung, fiktionalem wie non-fiktionalem Programm, eingeschlossen Nachrichten und Informationssendungen, durch den Hinweis auf Gewaltdarstellung Beschränkungen aufzuerlegen, es sei denn, das Programm verfügt über die FSK-Kennzeichnung "ohne Altersbeschränkung" oder "ab 6". Bezüglich TV-Movies und Fernsehserien überlassen die Jugendschutzrichtlinien die Bewertung zunächst dem Veranstalter. Sie muss sachkundig be103

Direktorenkonferenz der Landesmedienanstalten (DLM) (1989): Richtlinien der Landesmedienanstalten zur Gewährleistung des Jugendschutzes (Jugendschutzrichtlinien). Die derzeit geltenden Richtlinien sind die dritte Fassung; Fassung vom 26.09.1989; Fassung vom 14.09.1992, in Kraft am 02.02.1993; Fassung vom 13.12.1994, in Kraft am 05.05.1995.

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gründet und dokumentiert sein. So beinhalten die Richtlinien eingangs einen Appell an die Veranstalter, die Kinder und Jugendeignung auch in eigener Verantwortung zu prüfen. Dies geschieht jedoch unter Vorbehalt: Die GSJP gibt die Bewertung nicht aus der Hand. Insbesondere, "wenn eine Fernsehserie bzw. eine einzelne Staffel einer solchen Serie auf eine längerfristige Identifikation der jugendlichen Zuschauer mit bestimmten, Gewalttätigkeit vermittelnden Verhaltensmustern angelegt" ist, seien Beschränkungen durch die GSJP gerechtfertigt. In diesem Fall ist "die Wirkung einer Serie bzw. einer einzelnen Staffel auf Kinder oder Jugendliche durch die Gesamtbewertung der Serie festzustellen und anhand mehrerer typischer Einzelfolgen zu überprüfen" (Jugendschutzrichtlinien 5.3). Hinsichtlich des Umgangs mit indizierten Filmen muss bei der Ausstrahlung zwischen 23 Uhr und 6 Uhr sichergestellt sein, dass sie keine "schwere" Gefährdung für das körperliche, geistige oder seelische Wohl von Kindern bedeuten. Dabei muss nicht nur "die Wirkung auf durchschnittliche, sondern auch auf gefährdungsgeneigte Jugendliche" berücksichtigt werden (Jugendschutzrichtlinien 6.1). Es fällt auf, dass sich Annahmen über Medienwirkungen oder die Anforderung, solche einzuschätzen, an vielen Stellen in den Jugendschutzrichtlinien der LMAs finden. Demgegenüber nennt der RfStV als Voraussetzung seiner Regelungen lediglich den Tatbestand, dass Gewaltdarstellungen auf Kinder und Jugendliche einen schädlichen Einfluss haben können. Auch geht durch das Mittel der Sendezeitbeschränkung indirekt Wissen über Sehgewohnheiten aus der Konsum- und Fernsehforschung in die Verfahrensvorgaben ein. Dennoch werden die Bedingungen eines potentiell negativen Effekts nicht expliziert, ganz im Sinne des Rechtsverständnisses, das sich im Kern allein auf die Annahme eines Wirkungsrisikos beschränkt. Das bedeutet, dass nicht an Erkenntnisse der Medienwissenschaft angeknüpft wird. Die Jugendschutzrichtlinien stellen allerdings mehrmals eindeutig Bezug zur Medienforschung her, zum Beispiel zu Banduras Theorie sozialen Lernens: "längerfristige Identifikation" mit "Gewalttätigkeit vermittelnden Verhaltensmustern". Mit der Formulierung "gefährdungsgeneigte Jugendliche" wird auf ein Einzelergebnis der Gewaltwirkungsforschung verwiesen (Kunzcik). Der Bezug auf einzelne Ergebnisse der Medienwirkungsforschung wird um so deutlicher, je näher man ausgehend von den Rechtsvorgaben der alltäglichen Prüfpraxis rückt. In den Jugendschutzrichtlinien ist der Bezug noch gemäßigt, da es sich schließ-

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lich um ein von Juristen ausgehandeltes Organisationsstatut handelt.104 In der Prüfpraxis beziehen sich die Programmreferenten dann aber eindeutig auf eine Reihe von Wirkungshypothesen aus der Gewaltwirkungsforschung.

5.2.2 Die Struktur der GSJP Die Gemeinsame Stelle Jugendschutz und Programm (GSJP) besteht heute einerseits aus der Geschäftsführung, die aus drei LMAs zusammengesetzt ist, von denen eine den Vorsitz übernimmt, und andererseits aus dem Arbeitskreis (AK), in dem die jeweiligen Programmreferenten aller LMAs gleichberechtigt Mitglied sind. Dem Wunsch einzelner Vertreter der Gremien der LMAs, auch an der GSJP als Vertreter ihrer LMA teilzunehmen, wurde niemals entsprochen (Holgersson 1995: 162). Zum Zeitpunkt der Untersuchung hatte den Vorsitz in der Geschäftsführung die LfR inne, unterstützt durch die HAM und die MABB. Die beiden als Fallbeispiele gewählten LMAs hatten bereits zuvor lange Jahre den geschäftsführenden Vorsitz inne.105 Es ist an Außenstehende nur schwer zu vermitteln, dass der AK und die GSJP nicht dasselbe sind. In Veröffentlichungen über die Jugendschutzmaßnahmen der LMAs und selbst in den Jahresberichten der LMAs ist austauschbar einmal von "AK" und dann wieder von der "Gemeinsamen Stelle" die Rede. Der AK wurde erst 1989 offiziell zur "Gemeinsamen Stelle Jugendschutz" erklärt. Der Grund für den ungenauen Gebrauch der Bezeichnung ist aber nicht etwa darauf zurückzuführen, dass die Mitglieder sich nicht an die veränderte Namensgebung gewöhnen konnten. Vor allem die Programmreferenten der ersten Stunde benutzen die Abkürzung "AK" für Arbeitskreis bzw. "GSJP" für die Gemeinsame Stelle bewusst differenziert. Die differenzierende Bezeichnung ist damit zum einen Ausdruck der komplizierten Zuständigkeiten innerhalb der Konstruktion "GSJP", andererseits wird dadurch aber auch gezielt Verantwortung zugewiesen und Kritik geübt.

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Gemeinsame Richtlinien wie die Jugendschutzrichtlinien müssen einstimmig in der ALM verabschiedet werden, wo jede LMA eine Stimme besitzt und üblicherweise durch den Direktor vertreten wird (vgl. § 5 Abs. 2 "Grundsätze zur Zusammenarbeit der Arbeitsgemeinschaft der Landesmedienanstalten"). Zum Direktor können bei fast allen LMAs nur Juristen ernannt werden. Ab 1988 AK Berlin/MABB (Vorsitz), LfR, LPR; ab 1993 NLM (Vorsitz), LRZ, LPR; ab 01.05.1995 LfR (Vorsitz), HAM, MABB.

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Die GSJP hieß anfangs schlicht "AK Jugendschutz" und war die erste "Gemeinsame Stelle" der LMAs überhaupt.106 Die Einrichtung eines ständigen Arbeitskreises Jugendschutz "zur Beratung der Direktorenkonferenz" wurde am 3/4.12.1987 beschlossen. Am 20.01.1988 fand die erste konstituierende Sitzung statt. Im ersten Jahr seines Bestehens waren zunächst nur drei LMAs im Arbeitskreis stimmberechtigt, obwohl alle LMAs teilnahmeberechtigt waren. Schon nach kurzer Zeit stellte man fest, dass diese Form der Zusammensetzung mit nur drei stimmberechtigten LMAs, den nur beisitzenden LMAs und zusätzlich zwei externen Sachverständigen sich nicht bewährte. Von nun an stimmten alle LMAs und die beiden Sachverständigen mit. Bis zum Jahreswechsel 1991/1992 waren zusätzlich vertreten ein externer Sachverständiger für den Jugendschutz sowie ein Vertreter des Interessenverbandes der privaten Fernsehveranstalter, des Bundesverbands Kabel und Satellit (heute VPRT).107 Der Ausschluss der Sachverständigen wurde damit begründet, dass mit der Zeit eine Professionalisierung der Gruppe selbst stattgefunden habe. Ausschlaggebend war aber wohl, dass die Sachverständigen auch über Stimmrecht verfügten. Einer der Sachverständigen habe allerdings meist mit der Mehrheit gestimmt. In Bezug auf den Vertreter des VPRT wurde argumentiert, man könne nicht diejenigen mitbestimmen lassen, über die man zu entscheiden habe. Noch heute besteht die Möglichkeit, Sachverständige hinzuzuziehen: "Der Arbeitskreis kann Dritte, insbesondere Sachverständige sowie Vertreter der Veranstalter beratend hinzuziehen." (Geschäftsordnung, § 3 Abs. 4).ohne Die Sitzungen der GSJP finden in einem großen Kreis statt. In der Regel sollen die für die Programmaufsicht und den Jugendschutz zuständigen Referenten aller LMAs anwesend sein (anfangs 11, nach 1989 15 Programmreferenten) einschließlich der Vertreter der geschäftsführenden LMAs. Im ersten Berichtsjahr waren durchschnittlich 7 LMAs bei Sitzungen des AK vertreten (GSJP 1989). Zur Zeit sind durchschnittlich 12 bis 13 LMAs vertreten und zusätzlich die Vertreter der geschäftsführenden LMAs, also noch mal 2 bis 4 Personen.

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Die Verfahren der GSJP sind in der "Geschäftsordnung der gemeinsamen Stelle Jugendschutz" (vom 24.08.1990) und der "Verfahrensordnung der gemeinsamen Stelle Jugendschutz" (vom 24.08.1990) geregelt, aus denen die folgenden Angaben stammen, falls nicht anders vermerkt. Die Sachverständigen waren Bernd Schorb, damals Geschäftsführer des Münchner Instituts Jugend Film Fernsehen (IJFF), und für die privaten Fernsehveranstalter zunächst Ulrich Schamoni, später der damalige Jugendschutzbeauftragte des VPRT, Jochen Kröhne.

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Die GSJP tagt in einem 4 bis 6 wöchigen Sitzungsrhythmus. Den Vorsitz regeln die drei geschäftsführenden LMAs unter sich. Die LMA, die den Vorsitz hat, deren Vertreter übernimmt auch den Sitzungsvorsitz. Je nachdem ob es sein Zeitplan erlaubt, ist dann nicht nur der jeweilige Jugendschutzreferent anwesend, sondern auch der Direktor der vorsitzenden LMA. Dies galt zumindest solange die LfR den Vorsitz inne hatte. Beschlüsse werden durch die Mehrheit der Anwesenden gefasst, vorausgesetzt, dass die Mehrheit der LMAs insgesamt vertreten ist, also mindestens acht Vertreter anwesend sind. Die Haupttätigkeit besteht in der Bearbeitung von Ausnahmeanträgen. Der AK bereitet die Entscheidung vor. Die formale Entscheidung trifft jedoch die für den betroffenen Sender zuständige LMA (vgl. Tabelle 12). Es soll bei den LMAs keine Entscheidungen geben, ohne dass der AK zuvor sein Votum abgegeben hat. Die komplizierten Koordinationsstrukturen zwischen den LMAs prägen in vielerlei Hinsicht die Realität der Programmkontrolle durch die GSJP. In Berlin oder Hamburg können die Direktoren beispielsweise durchaus selbständig Einzelfallentscheidungen treffen. Dagegen verfügt der Programmreferent bei der rheinland-pfälzischen LPR lediglich über ein imperatives Mandat des dortigen Ausschusses für Jugendschutz. Insbesondere bei grundlegenden Entscheidungen muss der Referent der LPR also zusätzlich bedenken, ob die Entscheidung vor seinem Gremium vertretbar ist. Durch detaillierte Regelungen in den LMGs und die von einigen Gremien der LMAs eingerichteten Jugendschutzausschüsse, wie bei der LPR und der LfR, betonen die Länder ihre volle landesrechtliche Kontrollkompetenz (vgl. § 15 Abs. 4 LRG RP; § 58 Abs. 1 Satz 2 LRG NW; Schuler-Harms 1995: 30, 88). Neben der zentralen Aufgabe, Ausnahmegenehmigungen zu erteilen, ist die GSJP darüber hinaus dafür zuständig, einen Entscheidungsvorschlag für jeden Sendebeitrag zu machen, über den bei einer der 15 LMAs ein Beanstandungsverfahren eingeleitet wird. Darüber hinaus gehört eigentlich auch die "Koordination der Forschung im Bereich Programm" zu den Aufgaben der GSJP (vgl. GSJP 1992/93: 3). Die GSJP hat die DLM mehrmals zu der Vergabe von Forschungsprojekten angeregt (vgl. Schorb und Anfang 1990; Altrogge 1991). Außerdem soll die GSJP regelmäßig Kontakt zu den Jugendschützern der privaten Sender und zum VPRT halten, die beraten werden sollen. Außerdem ist die GSJP dafür zuständig, die Informationsberichterstattung auf die Einhaltung der "anerkannten journalistischen Grundsätzen", die im Pressekodex des Deutschen Presserats formuliert sind, zu kontrollieren (vgl. § 23 Abs. 3 RfStV).

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Von Anfang an scheint es problematisch gewesen zu sein, tatsächlich alle LMAs an allen Entscheidungen in der GSJP teilhaben zu lassen.108 Schwierigkeiten entstehen unter anderem dadurch, dass der Vorsitz der Geschäftsführung zwar eine größere Entscheidungsmacht bedeutet, dass aber mit dieser Position gleichzeitig ein hoher bürokratischer Arbeitsaufwand anfällt, der nicht auf andere zu verteilen ist. Die komplizierte Struktur in die aus drei LMAs zusammengesetzte Geschäftsführung und den Arbeitskreis, ist damit zu erklären, dass keine LMA Kompetenzen völlig abtreten will. Seit dem 12.02.1993 heißt die "Gemeinsame Stelle Jugendschutz" in Ergänzung "und Programm". Dies steht im Zusammenhang mit dem Scheitern der Etablierung einer Gemeinsamen Stelle Programmbeobachtung (GSP). Die GSP sollte Schwerpunkte und Inhalte bei der Programmbeobachtung bestimmen, die Beobachtungstätigkeit der LMAs koordinieren und die "Erarbeitung und Fortschreibung von Kriterien für die Programmbeobachtung nach anerkannten wissenschaftlichen Grundsätzen für die DLM" betreiben (Holgersson 1995: 137).109 Zum Scheitern kam es, weil die GSP mehrmals dieselben Beiträge wie die GSJP behandelte, die sich dadurch in ihren Kompetenzen beschnitten fühlen musste. Außerdem war die GSP offenbar auf Initiative der LfR über die Vorgaben der DLM hinausschossen.110 Explizit wollte die GSP Programme in ihrer Qualität bewerten, wie es in einem Grundlagenpapier festgelegt wurde.111 Das reklamierte die GSJP jedoch als ihre Aufgabe, und versah dies mit dem Hinweis, auf diesem Gebiet bereits Kompetenz zu besitzen. Die DLM beschloss nach nur fünf Sitzungen der neuen GSP, dass diese sich abweichend von den Vorgaben vor allem mit programmbewertenden Themen beschäftigt habe - einzelne Sendungen wurden in der GSP bis zu vier Mal beraten - statt Daten und objektive Kriterien der Programmbewertung zu erarbeiten.

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Die "Vorläufige Regelung gemeinsamer Verfahrensgrundsätze der Landesmedienanstalten" (29.11.1989) betont ausdrücklich, die Gemeinsame Stelle Jugendschutz werde "im Auftrag aller Landesmedienanstalten tätig". Es sei zu gewährleisten, "daß jede Landesmedienanstalt gleichberechtigt an der Arbeit der Gemeinsamen Stellen teilhaben kann" (II, 2). Die Geschäftsführung hatte die LfR übernommen gemeinsam mit der hessischen LPR und der hamburgischen HAM. Unter anderem war das Reality-TV ein Thema der GSP und es wurde der Anteil an Informationssendungen in bundesweiten Fernsehprogrammen erhoben (Sutor 1992: 123). Vgl. "Arbeitsgrundlagen für die Programmbeobachtung durch den Arbeitskreis Programmbeobachtung der Landesmedienanstalten" (Holgersson 1995: 137).

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5.2.3 Referenten für Jugendschutz und Programm In der Öffentlichkeit findet man häufig die Vorstellung, Fernsehprogramme werden - oder sollten - durch die Regulierungsinstanzen rund um die Uhr beoachtet werden. Bereits die Aufzeichnung aller über Kabel- oder Satellit verbreiteten Programme wäre jedoch mit einem erheblichen materiellen Aufwand verbunden. Die Auswertung des Sendematerials müsste darüber hinaus unter Berücksichtigung aller für die Programmaufsicht relevanten Kriterien - die wie bei den Vielfaltanforderungen auch beim Jugendschutz zumeist qualitative Kriterien sind - auf sehr viel Personal zurückgreifen. Wirklich umfassende Programmkontrollen sind tatsächlich nur möglich, wenn lediglich formale Kriterien überprüft werden wie etwa die Dauer von Werbeblöcken oder korrekte, an die FSK-Freigaben gebundene Ausstrahlungszeiten. Selbst den hierfür erforderlichen personellen Aufwand können sich jedoch nur große LMAs wie die BLM oder die LfR leisten.112
Die anderen Landesmedienanstalten beschränken sich dagegen überwiegend darauf, Hinweisen und Beschwerden nachzugehen sowie die Einhaltung der Rechtsvorschriften selbst stichprobenartig zu überwachen (Thaenert 1990: 37).

Daran wird deutlich, wie die jeweilige Kompetenz der Referenten für Jugendschutz und Programm ihre Entscheidungen beeinflussen muss. Innerhalb der Fragestellung dieser Untersuchung ist ausschlaggebend, wie die Prüfgremien besetzt sind und wer damit Einfluss ausübt. Die Zeitschrift Media-Perspektiven hat auf diesem Hintergrund im Rahmen einer Untersuchung über die LMAs versucht, Angaben über die jeweilige Ausbildung der zuständigen Programmreferenten zu ermitteln. Die GSJP war jedoch nicht bereit, darüber Auskunft zu geben (vgl. Breunig 1994: 581). Leider sind keine umfassenden Angaben über die Ausbildung der Programmreferenten in der GSJP verfügbar. In der Abteilung Programm der LfR ist der Ausbildungshintergrund der Referenten ganz unterschiedlich: Die Forschungsreferentin hat Germanistik, Publizistik und Politologie studiert, der für die Werbung zuständige Mitarbeiter ist Lehrer, der Jugendschutzbeauftragte Jurist und der Abteilungsleiter ein promovierter Historiker. Entsprechend wurde auch in den Sitzungen der GSJP deutlich, dass die Programmreferenten jeweils auf einen ganz unterschiedlichen Ausbildungshintergrund verweisen. Als es bei den privaten Sendern verpflichtend noch keine Jugendschutzbeauftragten gab, wurde der Jugendschutzreferent der LfR Kurt-Henning Schober einmal gefragt, durch wen denn bei den Sendern
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So beschäftigt die LfR zum Beispiel für die Programmkontrolle der Werbezeiten Studenten, die ein oder zwei Wochen lang das Programm eines einzelnen Senders aufnehmen und die Videobänder mit der Stoppuhr überprüfen.

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eine "sachkundige Bewertung" vorgenommen werden könne. Schober erläuterte daraufhin die Qualifikation zum Jugendschützer. Es gebe keine klassische Ausbildung.
Die sich auf diesem Felde betätigen, kommen aus ganz unterschiedlichen Feldern, das zeigt sich auch bei uns im AK Jugendschutz. Sie oder er soll sich zumindest auf dem Gebiet auskennen und ein bißchen Erfahrung haben (Schober 1990: 40).

In dem untersuchten Zeitraum zwischen 1995 und 1997 stellte sich die Situation jedoch etwas anders dar. In den 'starken' LMAs, die Lizenzen für bundesweite Programme erteilt haben oder große Bundesländer vertreten, sind die Programm- und Jugendschutzreferenten häufig promovierte Kommunikationswissenschaftler oder Medienpädagogen. Sie verfügen in ihren Anstalten gemäß ihrer Qualifikation über nicht geringe Handlungs- und Entscheidungskompetenzen. Entsprechend vertreten sie ihre Meinung in der GSJP mit Selbstbewusstsein. In den Anfangsjahren der GSJP hat sich die Bewertung des Programms vornehmlich an den juristischen Vorgaben orientiert. Neutral an den rechtlichen Vorgaben orientiert nehmen sich etwa die Beurteilungen der MABB aus, die in den ersten fünf Jahren den Vorsitz der GSJP inne hatte (vgl. Grams und Hege 1992).113 Die an den rechtlichen Vorgaben orientierte Bewertung ist heute seltener geworden. Innerhalb der recht großen Gruppe von Vertretern in der GSJP existieren entsprechend mehrere Fraktionen: die als "Hardliner" und "Fundamentalisten" bezeichneten und diejenigen, die das "Routinegeschäft" zurückgehend auf den RfStV als Hauptaufgabe sehen. Für die Zugehörigkeit zu einer dieser Fraktionen kommt es besonders zum Tragen, welchen Ausbildungshintergrund die jeweiligen Referenten haben. Während die juristisch Gebildeten im Arbeitskreis eher darauf abhoben, ob ein Fall "justitiabel" sei, brachten die Medienpädagogen und Kommunikationswissenschaftler bei der Beurteilung des Filmmaterials oftmals ein spezifisches Wissen über Fernsehverhalten in die Diskussion ein. Fernsehverhalten zeichne sich durch "zappen" oder "reinzappen" in das Programm aus. Den Vorstößen der Medienpädagogen, über die Erfüllung der im RfStV im Kern formulierten Aufgaben hinauszugehen, wurde von den juristisch orientierten Referenten zwar oft nicht explizit widersprochen, aber sie unterstützten diese Argumentation auch nicht. Die unterschiedliche Qualifikation der Referenten prägte in jedem Fall die Argumente und die Sichtweise auf das zu beurteilende Programm.
113

Der Direktor der MABB Hans Hege ist Jurist, die Programmreferentin Susanne Grams hat einen anderen Ausbildungshintergrund, das heißt sie ist weder Juristin noch Kommunikationswissenschaftlerin.

178 5.2.4 Die Praxis der Prüfung

Staatsregulation: Die Landesmedienanstalten (LMAs)

Obwohl in den Köpfen der Kontrolleure kein einheitliches, aus den Gesetzen herleitbares "Rundfunkleitbild" (Holgersson 1995: 50) existiert, müssen die Programmreferenten doch für die Programmbeurteilung notwendig über eine leitende Vorstellung verfügen. Diese Vorstellung, wie Fernsehprogramm sein oder nicht sein soll, unterscheidet sich womöglich von der eines anderen Kollegen einer anderen LMA. Sie mag sich auch entsprechend dem jeweiligen organisationellen Handlungskontext verändern. Es gibt aber bezogen auf die Kontrolle von Gewaltdarstellung keine eindeutige, vom inhaltlichen Kontext oder vom Rezeptionskontext losgelöste Gewaltdefinition. Die Beurteilung von Gewaltdarstellungen zwingt die Prüfer zu einer qualitativen Beurteilung, die sich an einem wie auch immer gearteten Leitbild orientieren muss. Das gilt natürlich nicht, solange es lediglich um die Umsetzung formaler Regeln wie die Überwachung von Zeitgrenzen geht. Sobald die Programmaufsicht über Gewaltdarstellung jedoch mehr als eine schlichte Regelumsetzung erfordert, muss sich die Beurteilung an einem Maßstab orientieren. Das betrifft auch andere Bereiche der Programmaufsicht wie die Werbung und mehr noch die Vielfaltsicherung. Die erzwungene qualitative Programmbeurteilung verweist auf ein generelles Dilemma der (staatlichen) Rundfunkregulierung, das so bisher nicht benannt worden ist, da die rechtlichen Anforderungen bisher niemals in Zusammenhang mit der empirischen Praxis der Programmaufsicht gebracht worden sind. Das Gesetz verbietet, wozu die Programmaufsicht gezwungen ist: zu einer qualitativen Beurteilung des Programms. Solange es aufgrund wertender Beurteilungen nicht zu offiziellen Maßnahmen kommt, entsteht für die Aufsichtsbehörden kein Problem, obwohl die Möglichkeiten der Programmkontrolle rechtlich sowohl durch die Programmfreiheit (Rundfunkfreiheit) als auch durch das Zensurverbot eng begrenzt sind.
[Zulässig ist] grundsätzlich nur eine repressive und non-direktive Rechtmäßigkeitskontrolle, deren Überschreiten die privaten Veranstalter mit grundrechtlichen Unterlassungsansprüchen gegenüber den externen Kontrollorganen abwehren können (Wagner 1990: 93).

Die Art und Weise, wie die Aufsicht über Programm verfahrensmäßig geregelt ist, fordert von den an der Kontrolle Beteiligten aber notwendig eine Bewertung des Programms. Wenn auf der Grundlage solcher Bewertungen dann jedoch formale Maßnahmen umgesetzt werden müssen, sind diese Entscheidungen vor Gericht nicht legitim zu vertreten.

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Weder das Recht, noch die Medienwirkungsforschung gibt den Prüfern eine Definition von Gewalt vor, die es ermöglicht, sich eindeutig auf das zu verständigen, was unter "Gewaltdarstellung" verstanden werden soll. So müssen sich die Prüfer immer wieder aufs Neue verständigen, was als "Gewalt" angesehen wird. Mit ihren Beschlüssen sollen die Prüfer "das Publikum" oder "Kinder und Jugendliche" vor "Gewaltdarstellung" schützen, indem sie Sendezeiten vorgeben, Schnitte anordnen oder eine Ausstrahlung ganz untersagen. Häufig ist dabei jedoch das, was die Prüfer als 'Gewalt' empfinden, was sie als schädlich und jugendgefährdend auffassen, nicht durch Schnitte und Sendezeitbegrenzungen zu beseitigen - es sei denn durch ein völliges Ausstrahlungsverbot. In der Alltagspraxis der Programmaufsicht nimmt die Erteilung von Ausnahmegenehmigungen den größten Raum ein.114 Nur bei Entscheidungen über Ausnahmeanträge dürfen Spielfilme im Vorhinein geprüft werden. Ein Großteil der Ausnahmeanträge wird im Umlaufverfahren erledigt, so sehen es auch die Richtlinien für Ausnahmeanträge vor, "bei denen sich eine Entscheidungspraxis herausgebildet hat". Bei einem Umlaufverfahren fasst die Geschäftsführung einen Entscheidungsvorschlag, der an alle LMAs weitergeleitet wird. Dem Vorschlag kann innerhalb von 10 Tagen widersprochen werden. Das Umlaufverfahren dauert etwa ein bis drei Wochen (GSJP 1989). Nur wenn eine der LMAs Widerspruch einlegt, wird der Antrag in der Sitzung der GSJP von allen gemeinsam beraten (vgl. Verfahrensordnung I, 2.4)115. Es gibt zwei Formen von Ausnahmeanträgen: "offene", die ohne Videokassette, und "spezifische", die mit Kassette versandt werden.116 Ausnahmeanträge für Filme von Lokalsendern werden grundsätzlich nur im offenen An114

115 116

Ausnahmeanträge sollen mit allen erforderlichen Unterlagen zeitig direkt an die GSJP eingereicht bzw. von den LMAs direkt an diese weitergeleitet werden, so dass der GSJP sechs Wochen zur Beratung bleiben. Die Antragsunterlagen sollen Angaben über Titel, Originaltitel, Regisseur, Herstellungsjahr und -land machen. Erforderlich sind neben den FSK- bzw. FSF-Entscheiden, Angaben über den geplanten Sendetermin, Schnittprotokolle über evt. bereits vorgenommene Kürzungen und eine Begründung über den Ausnahmewunsch. Außerdem soll eine Inhaltsangabe aus dem Lexikon des internationalen Films sowie eine Kopie des Films beigefügt sein. Für die Erarbeitung eines Entscheidungsvorschlags des Arbeitskreises im Umlaufverfahren müssen laut Auskunft der Geschäftsführung mindestens 10 Stimmen vorliegen (Schober). Die Erstellung von Kassetten für alle AK Mitglieder führt offenbar immer wieder zu Problemen und Verzögerungen. Augenblicklich ist die LfR zuständig für die Erstellung der Kopien. Der "Direktor" will keine 250.000 DM teure Anlage zum Kopieren von VHS Kassetten finanzieren, daher wurde extern eine Firma beauftragt, die bislang zwar sehr preiswert, etwa zum Preis einer neuen Kassette, aber auch fehlerhaft arbeitet.

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tragsverfahren behandelt. Das heißt der betreffende Film muss überhaupt nur dann von den Referenten angesehen werden, wenn im offenen Umlaufverfahren von einem der AK-Mitglieder Widerspruch eingelegt wurde. Ein Beschluss über den Antrag soll verfahrensgemäß immer in der nächstfolgenden Sitzung gefasst werden.117 Falls einem Antrag, auch nachdem er gemeinsam in der Sitzung diskutiert wurde, nicht entsprochen wird, muss eine schriftliche Begründung gegeben werden. Die Verwaltung dieser Begründungen wird leider nicht koordiniert, da verfahrensrechtlich nach einem negativen Beschluss nicht die GSJP selbst, sondern die für den Sender zuständige LMA (bzw. in deren Namen die ReferentIn) die Begründung einzeln an den jeweiligen Sender gibt. Von der GSJP werden diese Begründungen nicht systematisch erfasst, obwohl sie die Spruchpraxis dokumentieren könnten. Was die GSJP selbst nicht betreibt, haben aber die Veranstalter selbständig organisiert: Alle schriftlichen Begründungen werden zentral bei der FSF gesammelt, so dass diese jetzt über eine Spruchpraxis der GSJP verfügt, ohne dass die GSJP selbst darauf zugreifen könnte. Einzelne Beispiele aus solchen Ablehnungsbegründungen, die die Form eines ein- bis dreiseitigen Briefes haben, konnten als Quellen genutzt werden. Nur eine Liste über das abschließende Ergebnis der Antragsberatungen - ohne eine Dokumentation des Verfahrens - muss die GSJP den Veranstaltern regelmäßig bekannt machen.118 Ein Teil der Anträge wird aufgrund von "Erfahrungswerten" von vornherein als unproblematisch betrachtet. Dabei handelt es sich etwa um Filme, deren FSK-Entscheide aus den 50er und 60er Jahren stammen und aus deren Inhaltsangaben zu erschließen ist, dass sie damals von der FSK wegen der "freizügigen Darstellung des Geschlechterverhältnisses" nicht unter 16 freigegeben wurden (z.B. "Traum meines Lebens" 1954 mit Katherine Hepburn). Im Jahr 1992 wurden 58 Prozent der Ausnahmeanträge im Umlaufverfahren erledigt, 1993 sogar 68 Prozent (Schuler-Harms 1995: 87). Umsetzungsprobleme in der Praxis der Programmkontrolle ergeben sich durch verschiedene Regelungen der im RfStV vorgegebenen Aufgaben. Von den Referenten werden diese als "grauer Bereich" bezeichnet. Ein erster "grauer Bereich" ergibt sich demzufolge bei Serien und bei speziell fürs Fernsehen produzierten Filmen (TV-Movies). Für diese liegen meistens keine FSK-Klassifizie117 118

Aus "wichtigem Grund" kann eine LMA auch eine Beschlussvertagung verlangen. Den Richtlinien folgend soll das vierteljährlich geschehen (Jugendschutzrichtlinien 1.4). Die Praxis ist halbjährlich. Die Veranstalter haben das Recht, sich bei einem Antrag auf einmal erteilte Ausnahmen für einen Film zu berufen.

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rungen vor. Die Probleme bei der Beurteilung von Serien findet man bereits im ersten Jahresbericht erwähnt. Sie wurden vor allem am Fall der Serie "Airwolf" behandelt (vgl. Schorb und Anfang 1990). Der RfStV zwingt den AK durch die Erwähnung von Serien zu einer Auseinandersetzung. Da aber eine Vorkontrolle nur im Fall von Ausnahmegenehmigungen gestattet ist, fällt es der GSJP schwer, Serien systematisch zu kontrollieren. Die GSJP hat, im Gegensatz zur FSF, bislang auch keine Initiative gezeigt, ein Konzept für den Umgang mit Serien und TV-Movies zu entwickeln. Es erfolgen nur Entscheidungen im Einzelfall, wenn etwa eine Serie wie "Power Rangers" auffällig geworden ist. Weiterhin erschwert wird die Prüfung dadurch, dass manchmal einzelne Folgen von Serien Bewertungen der FSK haben. Die GSJP hat jedoch immer wieder betont, dass die Freigabe einer Serie nicht durch die Prüfung einer einzelnen Folge erreicht werden kann. Als Serie habe sie einen Wiederholungscharakter, der die Wirkung unter Umständen verstärke. Die Wirkung dargestellter Gewalt steige, wenn Zuschauer durch die Serialität mit Figuren und Setting zunehmend vertraut werden. Könnte die GSJP dem Auftrag des RfStV optimal folgen, würden Serien und TV-Movies bzw. Reihen, ob mit oder ohne FSK-Einstufung, im Vorhinein an mehreren Beispielfolgen überprüft. Das Dilemma ist, dass dies einer Vorzensur entspräche, und daher in der Praxis auch nicht erfolgt. Vorwürfe wie sie am Beispiel der Serien "Airwolf" oder "Power Rangers" gegenüber der mangelnden Leistungsfähigkeit der GSJP laut geworden sind, verstärken das Dilemma noch: Immer wieder betont der Referent der LfR als gelernter Jurist, dass eine Vorkontrolle Zensur sei. Serien könnten nur im Nachhinein, bei "Auffälligkeiten", beurteilt werden (vgl. Schober 1990: 40). Wenn sich die Kontrollen demzufolge auf zufällige "Auffälligkeiten" beschränken müssen, pochen die Sender auf Gleichbehandlung und fragen mit Recht, warum dieselbe oder ähnliche Serien nicht auch bei anderen Sendern oder gar bei einer früheren Ausstrahlung bemängelt worden ist. Ein zweiter "grauer Bereich" entsteht beim Umgang mit Spielfilmen, die über 15 Jahre alt sind und eine FSK-Freigabe ab 16 Jahre haben, die von den Veranstaltern im Nachmittagsprogramm platziert werden möchten. Der RfStV hebt diese Filme hervor, weil davon ausgegangen wird, dass die jeweiligen FSK-Entscheide im Hinblick auf den stattgefundenen Wertewandel heute milder ausfallen würden als noch vor 15 Jahren.119 In seiner Beurteilungspraxis hat der AK Jugendschutz dabei die Erfahrung gemacht, dass "die Jugendbewertung,
119

Bei etwa 80 Prozent der beurteilten Filme liegt die Bewertung länger als 15 Jahre zurück (GSJP 1989).

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wenn sie sich auf die Darstellung von Gewalt und Brutalität bezieht, heute eher sensibler gehandhabt wird als noch vor 15 Jahren" (GSJP 1988: 5). So gibt es durchaus Fälle, in denen Ausnahmegenehmigungen abgelehnt wurden, auch wenn der Film älter als 15 Jahre war:
Dabei handelte es sich insbesondere um Filme, deren damalige Einstufung sich auf die Darstellung von Gewalt oder andere angsterregende Szenen bezog. Im Hinblick auf die Darstellung von Gewalt und ihre desorientierde[sic!] Wirkung auf Kinder und Jugendliche haben sich die gesellschaftlichen Normen und Bewertungsmaßstäbe weit weniger geändert, als dies bei den gesellschaftlich-moralischen Werten zu beobachten ist (GSJP 1989: 9).

Das Zitat enthält einen Verweis auf die Theorie der ängstlichen Weltbilder (vgl. Kap. 2.2.1). In dem letzten Teil des Zitats wird auf die Darstellung der außerund nichtehelichen Geschlechterbeziehungen verwiesen, bei denen sich die Bewertungsmaßstäbe verändert hätten. Es wird deutlich, dass der AK Jugendschutz sich bei der Beurteilung allgemeinen "gesellschaftlichen Normen und Bewertungsmaßstäbe[n]" verpflichtet fühlt.
Der Großteil der Ablehnungen, darunter auch bei Filmen mit einer über 15 Jahre zurückliegenden FSK-Freigabe, gründet sich auf die Gewaltthematik der betreffenden Filme. In diesem Bereich ist ein Wertewandel nicht festzustellen (GSJP 1991: 3).

Bei der Bewertung wird hier also nicht von der Wirkung her argumentiert, sondern ausgehend von dem, was 'die Gesellschaft' als problematisch empfindet. Drittens werden "Erotikfilme", die auf dem Index für jugendgefährdende Schriften stehen, aber dennoch ab 23.00 Uhr laufen dürften, als "grauer Bereich" in der Praxis der Prüfung bezeichnet. Dazu zählt etwa die "Emanuelle"-Reihe. Die Darstellung von Sex betrifft nur insoweit die Fragestellung dieser Untersuchung, als oft gemeinsam von "Sex und Gewalt im Fernsehen" gesprochen wird. Pornographie ist im deutschen Fernsehen nicht zu sehen, da man sich hier auf Kriterien der Darstellung hat einigen können, die einen Film in der Beurteilung als pornographisch erscheinen lassen. Ein Kriterium ist etwa, dass Geschlechtsteile im Bild gezeigt werden. Pornographie wird dadurch auch vom 'Sexfilm' abgegrenzt. Sexfilme haben zwar dasselbe Thema wie Pornos, aber es erscheinen keine Genitalien im Bild. Gleichwohl zählen viele Sexfilme zu den indexierten Filmen, mit denen in der Praxis der Prüfung Probleme entstehen. Der Index der BPjS wird im Sinne des Jugendschutzes geführt. Die Zeit zwischen 23.00 Uhr und 6.00 Uhr soll aber im Sinne der Rezipientenfreiheit der erwachsenen Allgemeinheit "jugendschutzfrei" sein. Gegenüber der Öffentlichkeit lässt sich nun aber nur schwer vertreten, was dem derzeitigen Verständnis des Verfassungsrechts ent-

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spricht: Indexierte Filme werden zwar nur nachts gezeigt, aber sie werden gezeigt. Sie dürfen aber nicht öffentlich verkauft oder verliehen werden. Ein weiteres Problem für die Prüfpraxis der GSJP ist in den letzten Jahren durch die Erstellung von Schnittfassungen entstanden. So reagieren die Sender auf die Ablehnung eines Ausnahmeantrags in der Regel damit, eine Schnittfassung des Spielfilms zu erstellen, um diese dann erneut einzureichen. Der Jugendschutzreferent der LfR hat diese Strategie der Sender am Beispiel des Films "Lisa-Stimme des Todes" geschildert. Der Film war durch die vorgenommenen Schnitte formal von allen (physischen) Gewaltszenen befreit. Das Problem des Jugendschutzreferenten war, dass sich trotz der Schnitte die "Gesamttendenz des Films" nicht geändert habe. Der Film strahle immer noch in manchen Situationen eine "Bedrohung" aus und die Aussage der Schlussszene sei immer noch problematisch, daher würde wohl auch nach den erneuten Schnitten einem Ausnahmeantrag nicht entsprochen werden. Das Beispiel zeigt, dass Schnitte für die Prüfer keine angemessenen Maßnahmen bedeuten. Für die Jugendschutzprüfer sind nicht nur einzelne Szenen mit physischen Gewaltdarstellungen "jugendschutzrelevant", sondern sie beziehen sich auf die Gesamtaussage eines Films: "Wesentlich für die Empfehlung einer Ausnahme ist der Inhalt und die Aussage des Filmes" (GSJP 1989: 9). Da die Beurteilung im Hinblick auf Inhalt und Aussage eines Films getroffen wird, lassen sich für die Prüfung keine allgemeingültigen Regeln oder Kriterien aufstellen. Die GSJP beruft sich daher auf Entscheidungen im Einzelfall:
Faktoren, die einen Film für eine bestimmte Altersstufe geeignet oder ungeeignet erscheinen lassen, können von so vielen Merkmalen beeinflusst sein, daß eine eindeutige Definition unmöglich wird (GSJP 1989: 9).

Dennoch hat die GSJP über Jahre hinweg versucht, einen "Kriterienkatalog" für die Programmbeurteilung zu entwickeln. Er sollte als "Leitfaden" mit "Arbeitscharakter" verstanden und kontinuierlich fortgeschrieben werden (vgl. Kriterien im Jugendschutz: 1). Nach einer Anlaufphase wurde der Kriterienkatalog dann aber nicht weiterentwickelt. Das geschah mit der Begründung, er sei "nicht praktikabel". Man müsse eben doch am Einzelfall entscheiden. Auch die Einrichtung einer Arbeitsgruppe "Gewalt im Fernsehen"120 hat keine Ergebnisse hinsichtlich der Explikation von Beurteilungskriterien oder einer Gewalt-Definition erbracht. Der Kriterienkatalog ist nur einmal öffentlich gemacht worden (vgl. GSJP 1991). Er enthält die einzige Definition von Gewalt, die in den Verfah120

Die Arbeitsgruppe wurde am 16.12.1992 eingesetzt mit Vertretern der LPR, LAR, LfK und der SLM (GSJP 1992/93).

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rensgrundlagen der GSJP zu finden ist. Die Definition trennt zwischen physischer, psychischer und struktureller Gewalt. Der Begriff der "psychischen Gewalt" schließt das mit ein, was Johan Galtung auf dem Weg zu seiner Begriffsdefinition der "strukturellen Gewalt" als ersten logischen Schritt vollzieht, nämlich zunächst die Ausdehnung des Begriffs von der Physis auf die Psyche des Menschen (Galtung 1971; vgl. Kap. 1.1.2). Galtung hat mit Gewalt alles bestimmt, was dem Menschen Schaden zufügt. Gewalt ist Galtung zufolge etwas Vermeidbares, das der menschlichen Selbstverwirklichung im Wege steht. Die Definition psychischer Gewalt in dem Kriterienkatalog der GSJP umfasst entsprechend alle Situationen, die die dargestellten Personen in ihrer psychischen und physischen Entfaltung und Handlung behindern. Psychische Gewalt liegt in Situationen vor, die für die Handelnden beängstigend wirken, direkt bedrohlich oder Angst erzeugend wirken oder durch die Undefiniertheit der Situation wirken können (Kriterien im Jugendschutz: 3).

Diese von der physischen auf die psychische Komponente erweiterte Definition der Gewalt, die ursprünglich in einem ganz anderen gesellschaftlichen Kontext geprägt wurde, wirkt sich in vielerlei Hinsicht folgenreich auf die Jugendschutzprüfungen aus: Neben den Action-Filmen, die typischerweise physische Gewaltdarstellungen zeigen, rücken durch die Begriffserweiterung alle Programme, die auf Spannung und Erregung hin inszeniert sind, in den Aufgabenbereich des Jugendschutzes: Thriller, Psychodramen oder Filme, die Elemente aus diesen Genres nutzen. Am Beispiel des Begriffs der strukturellen Gewalt wird besonders klar ersichtlich, welche Konsequenzen kulturelle Definitionsprozesse auf die organisationelle Wirklichkeit der Jugendschutzprüfungen besitzen. Wie sehen sich die Prüfer die zu begutachtenden Filme an? Auffallend war zunächst, dass die AK-Mitglieder teilweise Filme, die auch gemeinsam in den Sitzungen behandelt wurden, entweder gar nicht oder nur im Schnelldurchlauf gesehen hatten. Einer der Programmreferenten, der früher auch bei der FSK als Prüfer tätig war, kontrastierte die Umstände unter denen er sich zu begutachtende Filme ansieht, mit den Bedingungen bei der FSK:
[Bei der FSK] kann man sich zu siebt hinsetzen und wird nicht gestört, da kann man ganz entspannt über den Film reden, nicht so wie hier, wo ich mir die Filme zwischen Tür und Angel ansehe.

Wenn die Filme von den AK-Mitgliedern aber tatsächlich gesehen werden, geschieht dies folgendermaßen: Zuerst werden die Gutachten der FSK und/oder der FSF gelesen, dann erst wird der Film gesehen. Die eigene Bewertung geschieht dann zumeist im Hinblick auf die bereits vorliegenden Bewertungen der

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FSF- und der FSK-Gutachten. Diesbezüglich äußerte einer der Referenten, eigentlich müssten zuerst die Filme gesehen werden, um zu einem unabhängigen Urteil zu gelangen. Diese Reihenfolge sei sinnvoller als die umgekehrte. Aus den Sitzungsprotokollen der GSJP geht hervor, dass bei der Beurteilung von Filmen immer dann Schwierigkeiten entstehen, wenn keine Voreinstufung durch die FSK existiert, an denen sich eine Bewertung der GSJP orientieren kann: Als ein Hauptproblem bei der Feststellung von Verstößen wird dann selbstkritisch von Mitgliedern der Gruppe der Einfluss des persönlichen Geschmacks einzelner Prüfer thematisiert (Holgersson 1995: 155). Es sind nur bestimmte Topoi, die immer wieder in den Diskussionen, Ablehnungsbegründungen und Veröffentlichungen der GSJP auftauchen. Am häufigsten ist das Argument, ein Film sei "angsterregend" und daher jugendschutzrelevant. Dieses Argument lässt sich einerseits zurückverfolgen auf die von physischer auf psychische Gewalt erweiterte Begriffsdefinition, andererseits auf Gerbners/Groebels Theorie der ängstlichen Weltbilder. In einer der Sitzungen der GSJP wurde der Film "Männer – hart wie Eisen" beraten, für den ein Ausnahmeantrag des Berliner Lokalsenders "1 A Brandenburg" vorlag. Der in schwarzweiß gedrehte amerikanische Antikriegsfilm verfügt über einen FSK-Entscheid "ab 16" aus dem Jahr 1963. Der Film lebt nicht von actionreichen Szenen, sondern von einer dichten, konfliktgeladenen Atmosphäre, die auf einem Kriegsschiff zwischen den Befehlshabern und den Marinesoldaten entsteht. Die GSJP beschloss, den Film für 20 Uhr freizugegeben, jedoch nicht für die beantragte Wiederholung morgens um 9.15 Uhr.121 Die Begründung lautete, der Film provoziere Angst. Kinder könnten sich unvorbereitet in das Programm "hineinzappen" und durch die dichte Atmosphäre des Films verstört werden. Die Argumentation der GSJP berücksichtigte weder, dass Kinder sich auch wieder aus dem Programm "herauszappen" können, noch dass sich die Spannung des distanzierend in schwarzweiß gehaltenen Films nur bei längerem Zuschauen herstellen kann. Ein weiterer Ablehnungsgrund war, dass die Thematik des Films für Kinder unverständlich sei. Mit dieser Argumentation wurde auch die für den Tag beantragte Ausstrahlung von Bernhard Wickis "Die Brücke" abgelehnt. Die DLM und die Konferenz der Gremienvorsitzenden haben in einer gemeinsamen Erklärung am 12.02.1993 festgehalten, dass Spielfilme und Serien mit einer FSK-Freigabe "ab 12" nur eingeschränkt im Tages- oder Vorabendprogramm eingesetzt werden dürften:
121

Wie man an diesem Beispiel sehen kann, werden Lokalsender bzw. kleine Sender nicht unter anderen Kriterien beurteilt als die großen.

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Staatsregulation: Die Landesmedienanstalten (LMAs) Zu prüfen ist, ob eine solche Sendung auch für jüngere Kinder ohne Beeinträchtigung gezeigt werden kann. Andernfalls dürfen sie erst im Abendprogramm gesendet werden (Gemeinsame Erklärung der DLM und der Konferenz der Gremienvorsitzenden vom 12.02.1993).

Im Anschluss folgt die Passage, die in den folgenden Jahren die Diskussion in der GSJP am Beispiel von Filmen wie "Männer – hart wie Eisen" oder "Die Brücke" weitgehend beeinflusst hat:
Betroffen von dieser Regelung sollen auch Filme oder Serien sein, die Krieg und Kriegsgeschehen darstellen, die auf Kinder ängstigend wirkt[sic!] oder in denen Krieg als Abenteuer, Verherrlichung von Heldentum oder sonst verharmlosend erscheint (Gemeinsame Erklärung der DLM und der Konferenz der Gremienvorsitzenden vom 12.02.1993).

Durch diese Regelung sind auch klassische Antikriegsdramen wie "Die Brücke" oder "Männer – hart wie Eisen" Gegenstand der Kontrollen im Sinne des Jugendschutzes geworden. Die Kombination der beiden Argumente, Filme erregten Angst und Kinder könnten sich "unerwartet" in solche Programme "reinzappen", stellt dann die Ausstrahlung jedes Films zur Diskussion, der den Krieg behandelt, damit aber auch explizite Anti-Kriegsfilme. Ein weiteres Argument, das die Jugendschutzargumentation bestimmt, ist die Gefahr der Nachahmung und der Übernahme bestimmter Identifikationsmuster durch Kinder. Diese Argumentation schließt an Banduras Lerntheorie an. Zum Beispiel fordern zwei Programmreferenten der LMAs, die entscheidende Fragestellung im Rahmen der Programmkontrolle müsse lauten: Welche Identifikationsmuster und Verhaltensraster drängen sich in das noch weiche Bewusstsein kindlicher und jugendlicher Rezipienten? (Hupe-Hilbrich und Raasch 1990: 61). Ein weiterer typischer Topos in der Rhetorik des Jugendschutzes ist das "Summenproblem". Das eigentliche Problem der Gewaltdarstellung läge nicht nur in der Häufung gewalthaltiger Szenen innerhalb eines einzelnen Programms: "[D]as Problem liegt vielmehr in der Summierung einzelner problematischer Beiträge in über 20 verschiedenen Programmen" (Behrens 1993: 11). Kritikwürdig sei die "Massierung" der von Kindern und Jugendlichen regelmäßig konsumierten und folglich als normal erfahrenen Gewalt. Damit sei unweigerlich die Frage "nach der Wirkung dieser massenhaft in bundesdeutsche Wohnund Kinderzimmer entsandten Kriminal-, Horror- und Selbstjustizfilme bzw. Serien" verbunden (Hupe-Hilbrich und Raasch 1990: 61). Das Argument baut darauf auf, dass ein Mehr an Gewalt unweigerlich auch ein Mehr an Wirkung zur Folge habe. Dies ist ein Punkt, der in der Me-

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dienwirkungsforschung gemeinsam mit der Kurz- bzw. Langfristigkeit von Effekten diskutiert wird. Nach wie vor herrscht darüber jedoch Uneinigkeit.
So uneinig sich die Wirkungsforscher in der Beantwortung dieser Fragen auch sind - aufgrund z.B. der Masse an ausgestrahlten Gewaltfilmen ist zumindest eine allgemeine Tendenz zur Desensibilisierung, zur Abstumpfung gegenüber Gewalt bei Kindern und Jugendlichen nicht von der Hand zu weisen (Hupe-Hilbrich und Raasch 1990: 61f.).

Die typischen Argumentationsmuster der "Angst-" und "Übererregung", das "Summenproblem" und das "fernsehspezifisch zappende" Sehverhalten führen dazu, dass der Zuständigkeitsbereich der Jugendschutzkontrolle systematisch auf die Inhalte der zu beurteilenden Programme ausgeweitet wird. Die Kontrolle der Gewaltdarstellung in den Medien wird zu einer Qualitätskontrolle anhand zweifelhafter Kriterien, da die Beurteilungskriterien nicht expliziert sind.

5.2.5 Beanstandungen und Sanktionen als Ausweis der "Effektivität" Die Ideen einer "effektiven Rundfunkregulierung" und eines "effektiven Jugendschutzes" sind aus theoretischer Perspektive als ein rationaler Mythos gekennzeichnet worden. In den Gesetzestexten sind als oberste Ziele der Rundfunkregulation zentrale gemeinschaftliche Werte formuliert wie der "Jugendschutz" und die "Meinungsvielfalt". Diese Zielsetzungen besitzen Symbolcharakter. Die Funktion symbolischer Gesetzgebung richtet sich auf den Zusammenhalt des gesellschaftlichen Normgefüges insgesamt (Gusfield 1981; vgl. Kap. 4.4). Die Umsetzung solcher Ziele in regulatives Recht ist gegenüber ihrer primär symbolischen Funktion nachrangig. Wenn die Implementation des regulativen Gesetzesprogramms überprüft werden soll, führt dies zu erheblichen Operationalisierungsproblemen, da keine hinlänglich konkreten Maßstäbe für die Zielerreichung bestimmbar sind (vgl. Bundschuh 1999: 211ff.). Diejenigen Autoren, deren Fragestellung ein Soll-Ist Vergleich der normativen Rechtsvorgaben und ihrer empirischen Umsetzung durch die Rundfunkregulation ist, klagen dann auch durchgehend über die "unbestimmten Rechtsbegriffe" des Rundfunkrechts, die einen Effektivitätsnachweis erschweren (vgl. Bundschuh 1999; Holgersson 1995; Weiss 1994; Kreile und Detjen 1994; Hesse 1993). Trotz dieser aus theoretischer Perspektive deutlich werdenden Einschränkungen besitzen Effektivitätserwartungen für die Regulationsinstanzen praktische Relevanz: Die Anforderung der 'Effektivität' der Regulation wird eben von der Politik, der Öffentlichkeit und in den auf die Gesetzgebung zielenden wissenschaftlichen Beiträgen formuliert (vgl. Blumler 1997; Groebel et al.

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1995; Meyerhoff und Braunschweig 1995; Bertelsmann Stiftung und Europäisches Medieninstitut 1995; Stock 1993; Hoffmann-Riem 1989c). Der Ausweis der 'Effektivität' der Regulation muss aufgrund dieser äußeren Effektivitätsanforderung zu einem Bestandteil der legitimatorischen Absicherung der Regulationsinstanzen werden. Bei der GSJP mangelt es nun insgesamt an einer öffentlich sichtbaren Darstellung ihrer Tätigkeit. Eigentlich soll die GSJP zum Beispiel gemäß der Jugendschutzrichtlinien jährlich einen Bericht erstellen (Jugendschutzrichtlinien 1.4). Dies geschieht tatsächlich nur etwa alle zwei bis drei Jahre.122 Die Jahresberichte der GSJP werden der Öffentlichkeit dann auch gar nicht im Rahmen der Publikationen der LMAs, also von der DLM, der ALM oder einer einzelnen LMA, zugänglich gemacht. Sogar von der GSJP direkt oder einer der Pressestellen der LMAs, die gerade den Vorsitz in der GSJP inne hat, sind die Jahresberichte kaum erhältlich. Da die GSJP keine Öffentlichkeitsarbeit betreibt, mit der Effektivitätsanforderungen aktiv begegnet werden könnte (vgl. Kap. 6), werden für die Beurteilung der Effektivität des Jugendschutzes durch die GSJP einzig quantitative Aspekte ausschlaggebend. Welche quantitativen Kriterien gibt es, um die Effektivität der GSJP und die übrigen Jugendschutzaktivitäten der LMAs auszudrücken? Am naheliegendsten ist es, die Zahl geprüfter Programme als Ausweis der Effektivität zu nehmen (vgl. Starbuck 1965: 497). Weder die LMAs noch die FSF verfügen im direkten Sinne über eine Klientel, sonst könnte wie etwa beim BSC oder dem DPR, wo jeder berechtigt ist, Beschwerden in Bezug auf das Fernsehen oder die Printmedien einzureichen, auch die Zufriedenheit der Beschwerdeführer als Effektivitätsmaßstab herangezogen werden (vgl. Kanter und Summers 1987: 154). Neben der Zahl geprüfter Programme und der Zahl erteilter Ausnahmeanträge kann auch die Zahl verhängter Sanktionen gegen Verstöße der Jugendschutzregelungen als ein formaler Ausweis der Effektivität gewertet werden. Die Anfang der 90er Jahre intensiv geführte Debatte um Gewalt in den Medien hat nicht nur Änderungen der Jugendschutzregelungen im RfStV zur Folge gehabt, sondern zusätzlich hat man Bußgeldvorschriften geschaffen, die bei Verstößen gegen die Jugendschutzregelungen Geldstrafen von bis zu 500.000 DM vorsehen. Die Argumentation der Programm- und Jugendschutzreferenten der GSJP lautete, es sei in jedem Fall besser, überhaupt Sanktionen zu haben. Selbst wenn die Sanktionen dann nicht genutzt würden, stellten sie immerhin eine Drohung dar.
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Der Jahresbericht 1989 wurde von der DLM sogar als ganz ungeeignet für eine Veröffentlichung bezeichnet.

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Eine weitere Verbesserung der Sanktionsmöglichkeit sollte dadurch erreicht werden, dass rechtskräftige Entscheidungen in einem Ordnungswidrigkeitsverfahren vom Veranstalter im eigenen Programm zu veröffentlichen sind (§ 32 Abs. 4 RfStV).123 Inhalt und Zeitpunkt soll die zuständige LMA bestimmen. Zuständig im Sinne des Gesetzes ist die LMA, bei der die Zulassung erteilt wurde. Die Veröffentlichung von Rügen scheitert aber daran, dass die Befugnis zur Anordnung nur in wenigen LMGs verankert ist. Aus Gründen der Gleichbehandlung aller Rundfunkveranstalter wird die Sanktion der öffentlichen Rüge daher gar nicht eingesetzt (vgl. DLM, Pressemitteilung 1993: 2). Während in den Jahresberichten der GSJP keine regelmäßige Statistik über das Verfahren mit Ausnahmeanträgen erstellt wird, enthalten sie doch eine Liste der formalen Beanstandungsverfahren, die von den einzelnen LMAs durchgeführt werden. Diese Entscheidungen werden sonst nirgendwo im Überblick zugänglich gemacht. Die Auflistung der Beanstandungsverfahren zeigt anhand der aufgeführten Kategorien nochmals, dass ein Großteil der Entscheidungen der GSJP, nämlich alle Sachverhalte, die sich auf die Bewertung von Serien und Spielfilmen mit der FSK-Klassifikation "ab 12" beziehen, nicht justitiabel sind. In den aufgeführten Kategorien unter Verweis auf die jeweiligen Paragraphen des RfStV sind nur solche Entscheidungen aufgeführt, die einer gerichtlichen Beurteilung tatsächlich standhalten: Pornographie, Jugendschutz/Sendezeit, Indizierte Filme, Trailerplazierung, Programmgrundsätze, Journalistische Grundsätze. Verstöße, bei denen Zweifel an ihrer Justitiabilität bestehen, müssen hingenommen werden (vgl. Holgersson 1995: 159). Für den 06.09.1991 hält die Chronik der GSJP den "1.000 Antrag auf Ausnahmegenehmigung" fest (GSJP 1994/95). Anlässlich der ersten Jahresberichte der GSJP (1989; 1990; 1991) hatte es Diskussionen um die statistischen Angaben über Ausnahmeverfahren gegeben. Oberflächlich betrachtet lässt nur die Zahl negativ beschiedener Anträge auf einen effektiven Jugendschutz schließen. Die Zahl positiv entschiedener Anträge lag in diesen Jahren jedoch relativ hoch, wodurch der Eindruck entstand, die Kontrolle sei nicht effektiv. Die GSJP hat wegen der Behandlung der Ausnahmeanträge von den durch die FSK -Altersfreigaben festgelegten Sendezeiten einige Kritik erfahren. Ende der 80er und Anfang der 90er Jahre nahm sowohl die Zahl der Anträge als auch die der positiven Bescheide zu. Kritiker schlossen daraus, die Ausnahmeanträge würden weniger streng von der GSJP beurteilt. Tatsächlich war die Zahl der Anträge gestiegen, weil immer mehr kleine nationale wie regionale Sender
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Diese Regelung gilt nur für private Veranstalter, nicht jedoch für die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten.

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einen entsprechend höheren Programmbedarf an preiswerten alten Spielfilmen hatten. Die alten Spielfilme verfügten auch über alte FSK-Altersfreigaben. Die Einstufungen in den FSK-Gutachten entsprachen aber aufgrund des sich vollziehenden Wertewandels nicht mehr den heutigen Bewertungsmaßstäben. Daher wurden die Ausnahmeanträge, die die Sender auch bei alten Spielfilmen ausnahmslos stellen müssen, zu einem Großteil bewilligt. In den darauf folgenden Jahresberichten der GSJP werden Statistiken über Ausnahmeanträge und Beanstandungsverfahren wohl aufgrund derartiger Kritik nur unvollständig oder gar nicht wiedergegeben. Um Effektivitätsanforderungen zu befriedigen, haben die Jugendschutzprüfer als gangbaren Weg gewählt, Sendezeiten zu limitieren und dieses Instrument immer weiter zu verfeinern. Dennoch sind auch in der GSJP anfangs Zweifel aufgekommen, ob Sendezeitbindungen überhaupt ein sinnvolles Mittel des Jugendschutzes darstellen. Das Mittel, Sendezeiten zu beschränken ist insofern voraussetzungsvoll, als dass sich dabei auf ein durch Einschaltquoten statistisch erhobenes Abbild der Realität gestützt wird. Man muss nun gar nicht so weit gehen, zu behaupten, das 'wirkliche' Zuschauerverhalten bilde sich in diesen Daten nicht ab. Unabhängig von so grundsätzlicher Kritik lässt sich aber mit den Daten der Fernsehforschung die Verfeinerung der Zeitschwellen über den Tag hinweg (ab 6 Uhr, ab 9 Uhr, ab 12 Uhr) als Jugendschutzmaßnahme kaum rechtfertigen. Wie aus den Sitzungsprotokollen der GSJP hervorgeht, wurde schon 1987 die Bindung an FSK-Klassifikationen diskutiert: Sachbezogene Argumente ließen sich für die Strategie der Sendezeitbeschränkung nicht finden, außer "daß es nichts anderes gibt, an dem man sich orientieren könnte" (Sitzungsprotokoll vom 02.10.1987; Holgersson 1995: 130). Solche grundsätzlichen Überlegungen konnten jedoch von der GSJP nicht öffentlich gemacht werden, ohne die eigene Funktion in Frage zu stellen. Entgegen bestehender Zweifel heißt es dann im Jahresbericht: "Mit dem Instrument, Ausnahmegenehmigungen an feste Sendezeiten zu koppeln, kann auf die Belange des Jugendschutzes sensibel reagiert werden" (GSJP 1989: 8). Die Feststellung von Verstößen gegen Sendezeitbeschränkungen darf erst nach der Erteilung von Ausnahmegenehmigungen erfolgen (vgl. Holgersson 1995: 129). Einer der am häufigsten auftretenden Verstöße ist aber die Ausstrahlung außerhalb der vorgegebenen Sendezeiten, ohne dass zuvor ein Ausnahmeantrag gestellt wurde. Dadurch, dass zuvor kein Ausnahmeantrag gestellt wurde, können diese Verstöße dann gar nicht formal geahndet werden.

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In jedem Fall liegt auch eine Gefahr darin, die Ergebnisse solcher Auszählungen als Anlass für Effektivitätssteigerungen zu nehmen. Effektivität lässt sich am Maßstab der Zielsetzung 'Jugendschutz' eben kaum quantifizieren. Bei Organisationen, die nicht Profit, sondern gemeinschaftliche Werte wie die Meinungsvielfalt und den Jugendschutz als Ziele formulieren, kann eine zwanghafte Kontrolle des 'Ertrags' als Effektivitätsindikator durchaus negative Folgen für die Funktionsfähigkeit insgesamt haben:
When goals are vague or ill defined, effectiveness criteria may themselves become substitutes for goals, particularly when they are more precise and suggest concrete actions (Kanter und Summers 1987: 156)

Die LMAs und die GSJP sind allerdings weit davon entfernt mit derart negativen Folgen für ihre Funktionsfähigkeit konfrontiert zu werden. Auf die an sie gerichteten Effektivitätsanforderungen reagieren die LMAs und die GSJP mit einer Strategie der Diskretion. Da formale Effektivitätskriterien nicht zu erheben sind, kann dann öffentlich auch nicht der Vorwurf der Ineffektivität erhoben werden.

5.3

Die Umsetzung der Forschungsaufgabe

In diesem Abschnitt soll abschließend die Forschungstätigkeit der LMAs untersucht werden. Wie drückt sich der Einfluss institutionalisierter Umwelten der Rundfunkregulation in der Forschungstätigkeit aus? Daran, wie die Forschungsergebnisse intern aufgenommen und weiterverarbeitet werden, lässt sich weiterhin zeigen, welche Rolle die Vergabe von Forschungsprojekten für die symbolische Außendarstellung der Rundfunkregulation spielt. Die Forschungstätigkeit der LMAs ist seit Beginn der 90er Jahre auch Thema externer sozialwissenschaftlicher Untersuchungen gewesen. Diese widmen sich der von den LMAs initiierten Forschung vor allem unter dem Gesichtspunkt steuerungspolitischer Effektivität am Maßstab rechtlicher Vorgaben, zu der die Forschung beitragen soll:
[D]er Rundfunkstaatsvertrag delegiert die Steuerungsprobleme z.T. ungelöst an die selbständigen Anstalten, und er hat dabei auch die unabhängige Medienforschung als weitere regulative Ressource im Auge (Stock 1992: 4).

Der Medienforschung wird eine entscheidende Vermittlungsfunktion zwischen dem Rundfunkrecht einerseits und der Rundfunkkontrolle andererseits zugewiesen (vgl. Weiss 1994; 1997; Jarren 1993; Hesse 1993). Von der empirischen Programmforschung erhofft man sich einen Beitrag zur Klärung der Beziehung

192

Staatsregulation: Die Landesmedienanstalten (LMAs)

zwischen Programmrecht und Programmrealität. Der Forschungsauftrag leitet sich allgemein aus den Programmanforderungen der LMGs ab. Die Umsetzung erfolgt interdisziplinär durch Programmanalysen, bei denen sowohl sozialwissenschaftliche als auch juristische Fragestellungen zu berücksichtigen sind (Widlok 1993: 145; Weiss 1991). Als Ziel der Programmforschung mit Anwendungsbezug wird die Aufgabe verstanden, unbestimmte Rechtsbegriffe so zu konkretisieren und in inhaltsanalytische Kategorien umzusetzen, dass die Ergebnisse justitiabel sind.

5.3.1 Koordination der Forschung Betrachtet man die Themen der seit Ende der 80er Jahre von den LMAs durchgeführten Forschungsprojekte, entsteht kein einheitliches Bild. Eine Ursache dafür ist, dass die Verantwortung für die Forschungsdurchführung bei den einzelnen LMAs ganz unterschiedlich verteilt ist: Für manche LMAs ist die Zuständigkeit für Forschung gar nicht weiter konkretisiert, manchmal ist direkt der Direktor verantwortlich und manchmal sind die pluralistisch besetzten Gremien zuständig. Lange wurden Projekte ohne gegenseitige Absprachen der LMAs untereinander und ohne jegliche Koordination angegangen. Aufgrund von Kritik an der "fehlenden Effektivität" der von den LMAs initiierten Forschung (Jarren 1992) richtete die DLM mit Beschluss vom Mai 1993 eine Ad-hoc-Arbeitsgruppe Forschung ein, durch die die Koordination verbessert werden sollte. Nach dem Vorbild der GSJP sollte in einem "Arbeitskreis Forschung" in Zukunft länderübergreifend Kompetenz und Geld aufgewandt werden. Diese Ad-hoc-Arbeitsgruppe der DLM erstellte als erstes eine "Synopse" der Forschungstätigkeit.124 Mit der Synopse kam man zu zwei Ergebnissen: Zum einen, dass in den einzelnen LMAs Projekte der Forschungsförderung sehr unterschiedlich behandelt werden, und weiterhin, dass die Mehrzahl aller Forschungsprojekte bislang auf Anregungen aus den Gremien zurückgingen. Dennoch sei aufgrund der unterschiedlichen finanziellen und personellen Ausstattung der jeweiligen LMAs eine Zusammenfassung aller Forschungsaktivitäten der LMAs nicht zu erreichen und auch nicht praktikabel. Eine länderübergreifende Koordination der Projekte sei nur bei entsprechend vorhandenem perso124

Diese Synopse umfasste eine Zusammenstellung aller seit dem 01.01.1992 erstellten externen Gutachten, eine Dokumentation über den Ablauf der Vergabe von Forschungsprojekten (gesetzlicher Auftrag, Gremienbeschluß, Ausschreibung) und schließlich die gegenwärtig geplanten Forschungsprojekte (vgl. Landesmedienanstalten 1994: 275).

Die Umsetzung der Forschungsaufgabe

193

nellen, wissenschaftlichen und finanziellen Rückhalt möglich. Bei bestimmten übereinstimmenden Fragestellungen entschloss man sich jedoch, "versuchsweise ein Koordinierungsverfahren einzusetzen" (Landesmedienanstalten 1994: 275). Der ursprünglich geplante "Arbeitskreis Forschung", vergleichbar der GSJP, wurde also nicht eingerichtet. Auch der Versuch, eine Arbeitsgruppe Forschungskoordination in die Tätigkeit der GSJP zu integrieren, scheiterte. Als Minimum konnte man sich darauf verständigen, eine "Clearingstelle-Forschung" einzurichten. Aber auch die "Clearingstelle Forschung" reduzierte sich nach kurzer Zeit darauf, dass die DLM einen "Forschungsbeauftragten" benennt. Die Rolle des Forschungsbeauftragten wird im zweijährigen Wechsel von einem der Direktoren der LMAs übernommen.125 Im Ergebnis kann aber weder von einer Clearingstelle, noch von einer wechselseitigen Koordination der Forschung der LMAs die Rede sein. 126 Das Nichtzustandekommen einer länderübergreifenden Koordination der Forschung wurde in der Außendarstellung vor allem auf die Größenunterschiede zwischen den LMAs zurückgeführt, hinsichtlich der finanziellen, personellen sowie wissenschaftlichen Ausstattung (vgl. Landesmedienanstalten 1994: 275). Die Mitarbeiterzahlen im Bereich Programm, wo neben dem Jugendschutz auch die Forschung angesiedelt ist, unterscheiden sich jedoch trotz der Größenunterschiede der LMAs gar nicht wesentlich (vgl. Tabelle 13): Mit 8 Stellen weist die BLM im Bereich Programm die meisten Mitarbeiter aus. Es folgen die NLM mit
125

126

Zunächst wurde die Funktion einer Clearingstelle bzw. eines Forschungsbeauftragten von der Geschäftsführung der sächsischen LRA übernommen, ab dem 23.05.1995 war die Landesrundfunkzentrale Mecklenburg-Vorpommern (LRZ) zuständig, und daran anschließend die hamburgische HAM, deren Direktor zur Zeit der Forschungsbeauftragte der DLM ist (vgl. Arbeitsgemeinschaft der Landesmedienanstalten 1998: 96-99). Im Jahr 1994 wurden die Forschungsaktivitäten der LMAs von der Zeitschrift Media Perspektiven untersucht (Breunig 1994). Es wurden Fragebögen an alle LMAs verschickt, die Angaben zur Personal- und Finanzstruktur der LMAs insgesamt und im Bereich Programm erbaten. Außerdem wurde nach der Ausbildung der Programmreferenten und nach laufenden sowie geplanten Forschungsprojekten gefragt. Die Beantwortung des Fragebogens war mit einer sechswöchigen Frist verbunden, nach deren Ablauf es von den LMAs keinen einzigen Rücklauf gab. Stattdessen antwortete nach mehreren aufschiebenden Schreiben stellvertretend die GSJP, dass "aufgrund der Konzeption des Fragebogens eine Erfassung der Arbeit der Landesmedienanstalten nicht gewährleistet werden" könne (Breunig 1994: 581). Die Informationen über die Forschungstätigkeit der LMAs mussten auf anderen Wegen beschafft werden. Auch auf meine eigenen wiederholten schriftlichen Anfragen erhielt ich zunächst aufschiebende Schreiben, letztendlich aber überhaupt keine Auskunft. Die erbetenen Informationen waren dabei einfachster Art: Aufstellung der großen Projekte aus den letzten 3 Jahren, geplante bzw. momentan durchgeführte Projekte, Zusammensetzung der ad-hoc-Gruppe, die Namen der in den LMAs für Forschung zuständigen Referenten und eine Beschreibung des Verfahrensablaufs bei gemeinsam zu vergebenen Projekten.

194

Staatsregulation: Die Landesmedienanstalten (LMAs)

5 und die LfR mit 4 ausgewiesenen Mitarbeitern im Bereich Programm. Neben der Benennung eines Forschungsbeauftragten durch die DLM ist die einzige Folge der Pläne für eine Arbeitsgruppe Forschung, dass heute die "Medienforschungsprojekte der Landesmedienanstalten" von der Dokumentationsstelle der LfR erfasst werden. Auf Anfrage stellt diese die Liste auch zur Verfügung (LfR, Stand Mai 1997, 1997). Um die gesetzlichen Grundlagen des Forschungsauftrags der LMAs, die praktische Umsetzung des Auftrags sowie die Integration von Forschungsergebnissen in die Aufsichtspraxis zu ermitteln, müssen die LMAs also einzeln untersucht werden. Das geschieht im folgenden am Beispiel der LfR. Denn es gibt keine gemeinsam koordinierte Forschungspolitik der LMAs.

5.3.2 Gesetzliche Grundlage der Forschungsaufgabe Zum ersten Mal wurde im RfStV von 1991 die Notwendigkeit unabhängiger Medienforschung angesprochen und als Aufgabe der LMAs festgeschrieben. Diese Regelung bezieht sich jedoch nur auf die Aspekte "Meinungsvielfalt" und "Konzentration". Der in § 21 Abs. 6 RfStV formulierte Auftrag an die LMAs wurde dann in verschiedene Landesmediengesetze übernommen. Demnach müssen die LMAs "gemeinsam, regelmäßig, spätestens alle drei Jahre, einen von einem unabhängigen Institut zu erstellenden Bericht über die Entwicklung der Meinungsvielfalt und der Konzentration im privaten Rundfunk" publizieren (RfStV vom 31.8.91 i.d. Fassung vom 14. Juni 1994).127 Die Durchführung von Forschung oder die Forschungsförderung gehört jedoch nicht zur gesetzlich verankerten Aufgabe jeder LMA.128 Dennoch werden auch in denjenigen Ländern, wo keine gesetzliche Auflage existiert, Gutachten in Auftrag gegeben und Forschung initiiert. Drei LMGs, diejenigen in Bayern, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein, heben darüber hinaus
127

128

Dabei sind ausdrücklich vertikale, horizontale wie internationale Verflechtungen zu berücksichtigen. In der Umsetzung des Programmberichts ist davon jedoch nichts übrig geblieben. Zum ersten Mal wurde der Hauptteil dieses Berichts im Oktober 1994 vom Europäischen Medieninstitut, Düsseldorf, vorgelegt, der darüber hinaus vier Gutachten zu bestimmten Einzelaspekten enthält (epd/Kirche und Rundfunk Nr. 74, 21.09.1994. S. 11). Der Index der zweiten Ausgabe des Programmberichts enthält nicht einmal mehr das Stichwort (Medien-)Konzentration (vgl. Arbeitsgemeinschaft der Landesmedienanstalten 1997). Ausdrücklich gesetzlich verankert ist die Unterstützung von Forschungsvorhaben und die Vergabe von Gutachten in den Gesetzen von Sachsen und Thüringen. Gar keine Regelungen gibt es dagegen in Baden-Württemberg, Bremen, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, Saarland und Sachsen-Anhalt.

Die Umsetzung der Forschungsaufgabe

195

besondere Forschungsschwerpunkte hervor, die den Einsatz von Methoden der Medienwirkungsforschung verlangen. Im Gesetz in Nordrhein-Westfalen heißt es:
Die Veranstaltung von Rundfunk, die Weiterverbreitung von herangeführten Rundfunkprogrammen und neue Kommunikationsdienste einschließlich neuer Programmformen und -strukturen sollen im Rahmen der LfR regelmäßig, insbesondere hinsichtlich der Medienwirkungen, durch unabhängige Einrichtungen der Kommunikationsforschung wissenschaftlich untersucht werden. Die LfR stellt die erforderlichen Mittel im Rahmen ihres Haushalts zur Verfügung (§ 52 Abs. 3 LRG NW vom 31.3.1993).

Das Landesrundfunkgesetz NRW verpflichtet die LfR demnach, Rundfunkprogramme "insbesondere hinsichtlich der Medienwirkungen" durch unabhängige Einrichtungen der Kommunikationsforschung untersuchen zu lassen. Diese gesetzliche Vorgabe wird bei der LfR in Zusammenhang mit dem gesetzlichen Programmauftrag gesehen (§§ 11-14 LRG NW). Der Programmauftrag lautet unter anderem:
Die Rundfunkprogramme haben entsprechend der jeweiligen Programmkategorie zu einer umfassenden Information und freien individuellen und öffentlichen Meinungsbildung beizutragen, der Bildung, Beratung und Unterhaltung zu dienen und dem kulturellen Auftrag des Rundfunks zu entsprechen (§ 12 Abs. 2 LRG NW).

Rundfunkprogramme haben die Würde des Menschen zu achten... Die sittlichen, weltanschaulichen und religiösen Überzeugungen der Bevölkerung sowie Ehe und Familie sind zu achten (§ 12 Abs. 3 LRG NW).

Diese gesetzlichen Vorgaben der Forschungsauftrags der LfR fasst die zuständige Programmreferentin folgendermaßen zusammen: "Wir machen keine Grundlagenforschung, sondern nur aufgabenbezogene. Das steht so im Gesetz." Innerhalb des Forschungsauftrags der LfR wird also der Aspekt der Medienwirkung hervorgehoben und die Forschungsaufgabe wird insgesamt so verstanden, dass die LfR nicht für "Grundlagenforschung" zuständig sei, sondern dass der Forschungsauftrag "aufgabenbezogen" zu verstehen ist. Damit stellt sich im folgenden unter anderem die Frage, ob die von der LfR initiierte Forschung tatsächlich Erkenntnisse liefert, die in der Aufsichtspraxis des Jugendschutzes Verwendung finden.

196 5.3.3 Auftragsvergabe

Staatsregulation: Die Landesmedienanstalten (LMAs)

Die LMAs verfolgen sehr unterschiedliche Verfahren bei der Projektvergabe. Zumeist handelt es sich um Auftragsforschung. Grundsätzlich besteht aber auch die Möglichkeit, Aufträge an eigene Mitarbeiter zu vergeben. Dies geschieht jedoch nur vereinzelt.129 Bei der LfR gelten sehr strenge Verfahrensrichtlinien. Das stellt bei den LMAs jedoch eher die Ausnahme dar. Bei anderen LMAs können die Referenten etwa über einen Forschungsetat frei verfügen und sich Konzept und Design selbst überlegen. In der Ausarbeitung ist dann nur noch die Unterschrift des jeweiligen Direktors erforderlich. Zwei Typen von Ausschreibungen hat die LfR bislang verfolgt: Erstens eine bewusst offene Ausschreibung, in der nur grob die Themen vorgegeben werden (z.B. "Entwicklung des Zwei-Säulen-Modells" oder "Bürgerfunk"). In diesem Fall wird eine Konkretisierung hinsichtlich des Untersuchungsdesigns, des Untersuchungsziels, der Methodik und der Forschungsökonomie von den sich bewerbenden Wissenschaftlern selbst erwartet. Neben diesen bewusst offen gehaltenen Ausschreibungen gibt es einen zweiten Typ, der darauf angelegt ist, zuvor festgelegte wissenschaftliche Einzelfragen zu klären. In diesem Fall werden auf der Seite der LfR zu beantwortende Forschungsfragen formuliert und diese inhaltlichen Vorgaben werden durch finanzielle Rahmendaten ergänzt. Auf Anfrage werden diese Ausschreibungsdetails dann an interessierte Bewerber versandt.130 Für die Auftragsvergabe hat die LfR einen umfangreichen Kriterienkatalog formuliert, die der Auftragnehmer ausnahmslos erfüllen muss. Nur bei Folgeprojekten - das gilt als begründeter Einzelfall - wird von diesen strengen Vergabekriterien abgewichen und es erfolgt keine öffentliche Ausschreibung (z.B. Pätzold und Röper 1995; Groebel 1996). Die Rundfunkkommission ist während des Ablaufs der Auftragsvergabe zweimal mit dem Projekt befasst: Zunächst entscheidet sie über den Forschungsgegenstand und dessen finanziellen Rahmen. In einem zweiten Schritt wird nach der Beurteilung der Bewerber zuerst den Fachausschüssen und am Schluss der Rundfunkkommission vom Direktor ein Vergabevorschlag gemacht. Verträge deren Gesamtaufwand 100.000 DM jährlich überschreiten bedürfen generell der Zustimmung der Rundfunkkommission (§ 57 Abs. 2 LRG NW).
129

130

Nur die BLM und die LfK haben insgesamt 3 Programmanalysen/Projekte durch Mitarbeiter im eigenen Haus durchführen lassen (vgl. Medienforschungsprojekte der Landesmedienanstalten, Stand Mai 1997). Der Ausschreibungstext wird in Die Zeit und in regionalen Zeitungen veröffentlicht. Am Tag der Veröffentlichung geht die Ausschreibung gleichzeitig über einen Adressenverteiler an bekannte Wissenschaftler und Organisationen.

Die Umsetzung der Forschungsaufgabe

197

5.3.4 Ausgaben für Forschung Die Vergabe von Forschungsprojekten durch die LMAs stellt eine Art der Drittmittelförderung der Universitäten dar. Vergleicht man die Forschungsgelder LMAs mit entsprechenden Mitteln der DFG, so erscheint der Mittelaufwand nicht besonders groß. Gemessen an der finanziellen Ausstattung der universitären Medienforschung und der Medienpädagogik ist das Auftragsvolumen der LMAs jedoch nicht unerheblich. Tabelle 14: Ausgaben der Landesmedienanstalten für Forschung 1993, 1994 und 1997
Landesmedienanstalt Baden-Württemberg (LfK) Bayern (BLM) Berlin-Brandenburg (MABB) Bremen (BLA) Hamburg (HAM) Hessen (LPR) Mecklenburg-Vorp. (LRZ) Niedersachsen (NLM) Nordrhein-Westfalen (LfR) Rheinland-Pfalz (LPR) Saarland (LAR) Sachsen (SLM) Sachsen-Anhalt (LRA) Schleswig-Holstein (ULR) Thüringen (TLR) Gesamt
1

1993 in Mio. DM

1994 in Mio. DM

1997 in Mio. DM

1,20 2,00 0,00 0,05 0,32 0,09 0,03 0,00 2,00 0,00 0,10 0,12 0,00 0,10 0,05 6,06

1,00 2,10 0,00 0,05 0,38 0,11 0,06 0,00 2,15 0,00 0,00 0,55 0,00 0,04 0,17 6,61

-1 2,00 0,00 0,04 0,25 0,00 0,53 0,56 0,60 0,50 0,50 1,60 0,20 0,15 0,21 6,14

Technikförderung und Forschung gemeinsam ausgewiesen: 6,98 Mio. DM

Quelle: Breunig (1994); Arbeitsgemeinschaft der Landesmedienanstalten (1996; 1998)

Die Gesamteinnahmen aller LMAs beliefen sich 1993 auf 159,7 Mio. DM. Davon wurden für die Forschung 6,06 Mio. DM aufgebracht. Das sind 3,8%. Im Jahr 1994 waren es bei 170,5 Mio. DM Einnahmen insgesamt 6,61 Mio. DM,

198

Staatsregulation: Die Landesmedienanstalten (LMAs)

die für die Forschung ausgewiesen sind, also 3,9%. 1997 betrugen die gesamten Einnahmen 170,3 Mio. DM, wovon 7,14 Mio. DM bzw. 4,2% erkennbar der Forschung zukamen.

5.3.5 Themen der Forschungsprojekte Im Zeitraum von 1988 bis Mai 1995 verzeichnet die Liste der Medienforschungsprojekte der LMAs, die von der Dokumentationsstelle der LfR erstellt wird, insgesamt 178 Forschungsprojekte.131 Der Großteil dieser Projekte wurde von vier LMAs initiiert: der BLM, der LfR, der LfK und der HAM. Dies sind zugleich diejenigen LMAs, die den Großteil der bundesweiten Fernsehprogramme lizenziert haben (vgl. Tabelle 16). Das auffallendste Forschungsdefizit ist im Bereich der Medienkonzentration konstatiert worden (Breunig 1994). Von 1988 bis 1994 wurden nur 2 Projekte über dieses vorrangige Thema deutscher Medienpolitik durchgeführt. Der weitaus größte Teil der Forschungsprojekte widmet sich dem Hörfunk, nicht etwa dem Fernsehen. Bei näherer Betrachtung wird deutlich, dass die meisten der Projekte Reichweitenuntersuchungen sind oder der Akzeptanz- und Werbeforschung gelten. In diesem Bereich leisten die LMAs Hilfestellung für neu zugelassene Programme und Stationen auf lokaler Ebene, die eigene Forschung nicht finanzieren können. Auch als die LfR 1989 begann, Forschungsaufträge zu vergeben, stand zunächst der lokale Hörfunk im Zentrum des Interesses.132 Im Falle der LfK in Baden-Württemberg, die keinen bundesweiten Fernsehsender lizenziert hat, entfallen 19 der 22 Projekte auf den Hörfunk. Es sind vor allem Reichweitenuntersuchungen. Die meisten LMAs haben eine Vielzahl von Hörfunksendern zu beaufsichtigen.
131

132

Problematisch ist die Tatsache, dass die Datenbank der LfR nicht etwa nur Forschungsprojekte als solche verzeichnet, sondern dass bei einigen LMAs auch Rechts- und Programmgutachten erfasst werden. Diese werden zu bestimmten Anlässen innerhalb der Programmkontrolle in Auftrag gegeben, können aber nicht als gezielte Forschung gelten. Solche Gutachten dienen beispielsweise als Entscheidungsgrundlage in einem Konfliktfall vor Gericht. Innerhalb des in den Ländern einzigartigen "Zwei-Säulen-Modells" in NRW bezog sich das Forschungsinteresse zunächst primär auf den privaten Hörfunk. Das "Zwei-Säulen-Modell" trennt zwischen Programmverantwortung einerseits und finanzieller Verantwortung andererseits. Auf der einen Seite stehen damit die Veranstaltergemeinschaften, zusammengesetzt aus Vertretern gesellschaftlich relevanter Gruppen, auf der anderen Seite die Betriebsgesellschaften unter Beteiligung der lokalen Zeitungsverleger. In NRW gibt es insgesamt 46 Verbreitungsgebiete, die in der Regel mit dem Gebiet der kommunalen Kreise übereinstimmen. Zur Zeit senden in NRW 44 lokale Rundfunkstationen.

Die Umsetzung der Forschungsaufgabe

199

Mit der zunehmenden Konsolidierung der LMAs und dem Anstieg zugelassener nationaler wie regionaler Fernsehsender ist seit 1992 die Zahl der Forschungsprojekte sprunghaft gestiegen. Das Ungleichgewicht zwischen der Forschung über den Hörfunk und derjenigen über das Fernsehen ist jedoch erhalten geblieben. Bei den Studien über das Fernsehen machen Analysen in Bezug auf Gewaltdarstellung und das Reality-TV den größten Teil aus, gefolgt von Untersuchungen über Unterhaltungs- und Kulturangebote. Einen weiteren Schwerpunkt bildet die Medienpädagogik. Im Jahr 1991 etwa gaben gleich fünf LMAs insgesamt vier Projekte in Auftrag, die den Bereich der Gewaltdarstellung untersuchten (LfR, HAM/BLM, ULR, LAR). Alle 12 Projekte der Wirkungsforschung untersuchen die Wirkung von Fernsehen auf Kinder- und Jugendliche. Gewaltdarstellungen, zum Teil speziell in Cartoons, sind das zentrale Thema.

5.3.6 Legitimationsfunktion der wissenschaftlichen Auftragsforschung Grundsätzlich lassen sich zwei Typen wissenschaftlicher Gutachten unterscheiden, die von den LMAs im Zusammenhang mit dem Problem der Gewaltdarstellung initiiert werden. Als erstes solche Forschungsprojekte, die dazu dienen, bereits getroffene Entscheidungen besser durchzusetzen und nachträglich noch einmal zu legitimieren. Zweitens solche Studien, die offene Fragen der Programmaufsicht klären sollen, um daraus Erkenntnisse für die Aufsichtspraxis zu gewinnen. Am Beispiel von drei Forschungsprojekten, die von den LMAs in Auftrag gegeben wurden, soll das Verhältnis der Auftragsforschung und der Praxis der Rundfunkaufsicht illustriert werden. Die Beispiele können jeweils für eine der beiden typischen Formen dieses Austauschverhältnisses stehen: Das Gewaltprofil des deutschen Fernsehprogramms, das von Jo Groebel und Uli Gleich (1993) für die LfR erstellt wurde, steht für den ersten Fall. Für den zweiten Typ stehen ein Forschungsprojekt, das von der niedersächsischen NLM initiiert worden ist (Kübler und Swoboda 1998) sowie ein weiteres von der LfR initiiertes Projekt, das das Verhältnis von Kindern und Werbung untersucht hat (Charlton et al. 1995). Im Sommer 1990 schrieb die nordrhein-westfälische LfR ein Forschungsprojekt zur Analyse deutscher Fernsehprogramme aus (RTL, SAT.1, Tele5, PRO7, ARD, ZDF), das im Februar 1991 an Jo Groebel und Uli Gleich vergeben wurde. Die Ergebnisse der Studie wurden dann 1993 in der Schriften-

200

Staatsregulation: Die Landesmedienanstalten (LMAs)

reihe Medienforschung der Landesanstalt für Rundfunk (LfR NRW) vorgelegt. Am Anfang des Untersuchungsberichts argumentieren die Autoren zunächst, Mediengewalt sei zugleich ein Spiegel der Gesellschaft und Ursache für gesellschaftliche Gewalt (Groebel und Gleich 1993: 11). Auf dem Hintergrund dieser theoretischen Überlegung präsentieren Groebel und Gleich die Ergebnisse einer Inhaltsanalyse. Groebel und Gleich hatten 8 Wochen lang für jeden der untersuchten Sender eine Zufallsstichprobe durchgeführt, bis jeweils eine Woche des jeweiligen Programmschemas eines Senders repräsentiert war. Das Kategoriensystem wurde nach "Qualität und Quantität der vorkommenden Bedrohungshandlungen kodiert" (Groebel und Gleich 1993: 9). Die Ergebnisse besagen unter anderem, dass Trickfilme durch einen besonders hohen Gewaltanteil gekennzeichnet sind (Groebel und Gleich 1993: 67) und dass Gewalt insgesamt in einem großen Teil des Fernsehangebots präsent ist: "In fast der Hälfte aller deutschen Fernsehsendungen wird zumindest einmal Aggression oder Bedrohung in irgend einer Form thematisiert" (Groebel und Gleich 1993: 62). Die in dieser Form nur beschränkte Aussagekraft der Inhaltsanalyse wurde dadurch relativiert, dass in dem "Gewaltprofil" ein zweiter Teil der Studie angekündigt wurde, in dem die Ergebnisse der Inhaltsanalyse methodisch und theoretisch eingebettet und fortgeführt werden sollten (vgl. Groebel und Gleich 1993: 12f.). Der dennoch eigenständige Aussagewert der vorgelegten Inhaltsanalyse wurde folgendermaßen plausibilisiert: "Diese Inhalte führen noch nicht zwangsläufig zu Wirkungen, sie stellen aber ein Potential dar, aus dem sich mögliche Wirkungen ergeben können" (Groebel und Gleich 1993: 13). Die eigentliche Wirkungsanalyse, der zweite, theoretisch wie empirisch wesentlich anspruchvollere Schritt, der in einem zweiten Teilband folgen sollte, ist dann jedoch niemals durchgeführt worden. Als Beispiele für den zweiten Typ der von den LMAs initiierten Auftragsforschung steht zum einen eine Studie, die nicht Gewaltdarstellung, sondern Werbung und Kinder untersucht (Charlton et al., 2 Bde, 1995), und zum anderen "Wenn die Kleinen Fernsehen" (Kübler und Swoboda 1998), eine Studie, die mit einem bislang für Deutschland beispiellosen Aufwand quantitativer wie qualitativer Methoden die Bedeutung des Fernsehens in der Lebenswelt von Vorschulkindern untersucht hat. Auf die Studie von Charlton et al. wird hier zusätzlich verwiesen, da Klaus Neumann-Braun als einer der beteiligten Autoren am Beispiel dieser Studie die mangelnde Möglichkeit der Integration der wissenschaftlichen Ergebnisse der Auftragsforschung einerseits und der Regulationspraxis andererseits zum Thema gemacht hat (Neumann-Braun 1998).

Die Umsetzung der Forschungsaufgabe

201

Neumann-Braun ist aufgefallen, dass seine Studie "Fernsehwerbung und Kinder" von den Auftraggebern immer als LfR-Studie deklariert wird und folglich auch in der Öffentlichkeit unter diesem Etikett wahrgenommen wird (Neumann-Braun 1998: 6). Demgegenüber firmiert das "Gewaltprofil" nicht als LfRStudie, sondern in der Regel unter den Namen der Autoren Groebel und Gleich. Dieser feine Unterschied verweist auf die unterschiedliche Funktion der wissenschaftlichen Gutachten, die für die LMAs erstellt werden: Groebel und Gleichs "Gewaltprofil" übernimmt direkt eine Legitimationsfunktion, die bestehende jugendschützerische Kontrollen als Medieninhaltskontrollen zu rechtfertigen. Dass die Studie von Groebel und Gleich unter den Namen der Autoren gefasst wird, unterstreicht dann noch die Unabhängigkeit der in der wissenschaftlichen Auftragsforschung gewonnenen Erkenntnisse. "Fernsehwerbung und Kinder" (Charlton et al. 1995) sowie "Wenn die Kleinen Fernsehen" von Kübler und Swoboda (1998) repräsentieren dagegen den zweiten Typus der LMA-Auftragsforschung: Sie betreiben Grundlagenforschung über ungeklärte Probleme der Programmaufsicht im Jugendschutz. In dem von der LfR in Auftrag gegebenen Gutachten "Fernsehwerbung und Kinder" sollte abschließend auftragsgemäß eine rechtswissenschaftliche Würdigung der Forschungsergebnisse erfolgen, um damit juristisch abgesicherte Handlungsoptionen zur Verbesserung des Kinder- und Jugendschutzes zu gewinnen. Die relativierende Einschätzung der Autoren lautete jedoch:
[Es ist] wissenschaftlicher Forschung in der Regel nicht möglich, im Rahmen des Informationsbeschaffungsauftrages eine unmittelbar durchschlagende problemlösende Funktion zu übernehmen. Vielmehr bekommt sie bekanntermaßen die Aufgabe zugewiesen, gegenstandsangemessene Legitimation für Handlungsentscheidungen bereitzustellen, die in zuständigen Gremien getroffen werden (NeumannBraun 1998: 9).

Im Gegensatz zu Groebel und Gleichs Gewaltprofil stellen die Ergebnisse des von Kübler und Swoboda für die NLM und die GSJP durchgeführten Forschungsprojekts das von den LMAs eingesetzte Jugendschutzinstrumentarium ernsthaft in Frage:
Fernsehen ist für Vorschulkinder noch kein dominantes Medium. Vielmehr nimmt es nach Nutzungshäufigkeit und –dauer und im Vergleich mit anderen Spiel- und Alltagstätigkeiten der Kinder einen eher geringen Stellenwert ein. Im Sommer sehen Kinder diesen Alters knapp eine halbe Stunde, im Winter eine dreiviertel Stunde lang fern (Kübler und Swoboda 1998: 29).

Der Fernsehkonsum von Vorschulkindern ist auch trotz aller gegenteiligen Befürchtungen nach dem Auftakt des privat-kommerziellen Fernsehens 1985 nicht merklich angestiegen (Kübler und Swoboda 1998: 32). Zu den Lieblingspro-

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Staatsregulation: Die Landesmedienanstalten (LMAs)

grammen der 2 bis 6jährigen zählen nach wie vor die pädagogisch konzipierten Sendungen der öffentlich-rechtlichen Anbieter wie "Sesamstraße" und "Die Sendung mit der Maus" (Kübler und Swoboda 1998: 33). Selbst die Einschätzung, dass die Werbung auf die leicht beeinflussbare Psyche von 2 bis 6jährigen einen immer größeren Einfluss gewinne, wird durch die Ergebnisse nicht bestätigt.
Werbung fesselt Vorschulkinder wenig. Sie kennen zwar die Produkte, mit denen sie umgehen, intonieren Melodien und Reime von Werbespots meist auswendig, aber die eigentlichen Botschaften oder Impulse nehmen nur wenige – und dann die älteren Kinder - wahr, und direkt nach den beworbenen Waren verlangen ebenfalls nur wenige unmittelbar (Kübler und Swoboda 1998).

Letztlich erlangt die durch die LMAs finanzierte Auftragsforschung in keiner der beiden typisch vorgestellten Varianten strukturierend Einfluss auf die Praxis der Programmaufsicht. Die wissenschaftliche Expertise dient den LMAs ausschließlich als Legitimation des Regulationshandelns. 'Unpassende' wissenschaftliche Ergebnisse - die zum Teil in der selbst initiierten Auftragsforschung gewonnen werden - müssen dabei ausgeblendet werden: Als die Autoren einer Studie solche 'unpassenden' Ergebnisse in einer Sitzung der GSJP vorstellten wurde in deren Abwesenheit unmissverständlich klargestellt, dass diese Wissenschaftler in Zukunft keine weiteren Aufträge von den LMAs erhalten werden.
[D]ie wissenschaftliche Analyse des Gegenstandes wird unerwünscht, wenn ihre Ergebnisse nicht der prädominierenden Problemsicht entsprechen und sich deren sprachlicher Mittel bedienen (Schetsche 1996: 86).

Der Umgang mit solchen 'unpassenden' Forschungsergebnissen bereitet den LMAs aber auch keine Schwierigkeiten. Wenn die Ergebnisse nicht der "prädominierenden Problemsicht" entsprechen, werden sie eben einfach nicht berücksichtigt. Die für die LMAs allerdings verpflichtende Publikation der Endergebnisse wird dann zum Beispiel einfach nicht wirksam durch Öffentlichkeitsarbeit begleitet.

5.4

Zusammenfassung

Politische Akteure wie die LMAs sind als staatliche Regulierungseinrichtungen bei Fragen wie der Mediengewalt und der Medienkonzentrationskontrolle mit Problemen konfrontiert, für die keine eindeutigen Lösungen bestehen. Damit rückt die Legitimation des Organisationshandelns in den Vordergrund. Letztlich wird es auch für die LMAs als Behörden entscheidend, ob ihnen gegenüber der

Zusammenfassung

203

beobachtenden Öffentlichkeit eine erfolgreiche symbolische Außendarstellung gelingt. Die LMAs sind als Organisationen keineswegs als zielorientierte Systeme aufzufassen. Die Idee der Effektivität der staatlichen Steuerung des Rundfunks ist als ein rationaler Mythos zu betrachten. Nicht zuletzt durch die Notwendigkeit, wissenschaftliche Erkenntnisse in die Gesetzgebung einfließen zu lassen, wird der Mythos der Effektivität vor allem innerhalb rechtswissenschaftlicher Fragestellungen immer wieder reproduziert. Die LMAs erscheinen empirisch als organisationelle Einheiten, die in ein hochinstitutionalisiertes Organisationsfeld eingebettet sind. Aus ihrer kulturellen Umwelt übernehmen sie Werte und Anforderungen und sichern dadurch ihren Bestand. Bei den LMAs hat das Vorbild der FSK, unter der gleichzeitigen Anforderung, einen effektiven Jugendschutz zu leisten, zu einer legitimierten Praxis der Zensur geführt. Legitimationsprobleme nach außen entstehen durch den staatlichen Charakter der Aufsicht (Zensur-Vorwurf) und die verfassungsrechtlichen Beschränkungen, denen die Jugendschutzkontrollen unterliegen (Rezipientenfreiheit). Die Jugendschutzprüfung im Rahmen staatlicher Aufsicht ist einem Dilemma ausgesetzt: Wenn es bei der Begutachtung von Programm zwischen den Veranstaltern und den LMAs zu unterschiedlichen Einschätzungen und in den Augen der Jugendschützer zu Verstößen durch die Veranstalter kommt, wird die Argumentation der staatlichen Jugendschützer nicht durch die rechtlichen Vorgaben gestützt. Die Rundfunkaufsicht "findet ... nur in den Grenzen der Rechtsaufsicht statt" (Thaenert 1990: 38; Bumke 1995: 488). Als Grundsatz bei der Nachkontrolle der Jugendschutzprüfung gilt die volle gerichtliche Überprüfbarkeit der Entscheidungen. Der rheinland-pfälzische Jugendschutzreferent räumt daher ein:
Bei allen kritischen Anmerkungen zu Gewalt und Sex im Fernsehen zeigt die exakte juristische Bewertung dabei immer wieder, daß diese Grenzen - von ganz wenigen Ausnahmen abgesehen - in den Programmen eingehalten werden (Behrens 1993: 10).

Auch in den Jahrbüchern der LMAs wird die geringe Zahl von Verstößen gegen die Rechtsvorgaben immer wieder hervorgehoben. Übereinstimmend wird von den Jugendschutz- und Programmreferenten betont, Verstöße der Sender seien nicht häufig und geschähen meist ohne Absicht. Es besteht für die Jugendschützer ein Konflikt zwischen den Anforderungen einer rechtmäßigen Programmkontrolle im Rahmen staatlicher Aufsicht, zwischen dem selbstformulierten Berufsethos der professionellen Jugendschützer und schließlich den Erwartungen der Öffentlichkeit, einen effektiven Jugendschutz zu gewährleisten.

204

Staatsregulation: Die Landesmedienanstalten (LMAs)

Der Konflikt wird deutlich in den Äußerungen zweier Programmreferenten der niedersächsischen NLM: Am Beispiel einer bei RTL gezeigten erotischen Silvesternacht zeigen sie zunächst die rechtlichen Grenzen der staatlichen Programmkontrolle auf. Der Sendebeitrag sei letztlich "strafrechtlich nicht relevant" gewesen, stellen sie fest, und "subjektiver Geschmacksurteile" habe sich ein Aufsichtsgremium zu enthalten. Kurz darauf erläutern sie dann aber, dass unter "jugendschützerischen Gesichtspunkten" vor allem Beiträge zwischen 15 und 20 Uhr problematisch seien. Zum Großteil handele es sich dabei nämlich, "neben den moralisierenden, eine 'heile Welt' suggerierenden 'Seifenopern', um gewaltbetonte Serien meist amerikanischer Herkunft" (Hupe-Hilbrich und Raasch 1990: 60f.). Damit kennzeichnen sie einen wichtigen Aufgabenbereich des Jugendschutzes als außerhalb der Rechtsaufsicht stehend. Da in der Folge in der Jugendschutzprüfung der LMAs Ergebnisse erarbeitet werden, die einer gerichtlichen Nachkontrolle nicht standhalten, hat sich in den Formulierungen der Sitzungsprotokolle der GSJP eine Sprache durchgesetzt, die zunehmend vage und juristisch unzutreffende Formulierungen enthält:
Äußerungen über ausgesprochene Empfehlungen oder eingeleitete Beanstandungsverfahren sind zumeist sehr 'weich' und unpräzise formuliert und über ihren Ausgang werden keine regelmäßigen Aussagen gemacht (Holgersson 1995: 141).

In der gegenwärtigen Praxis der Jugendschutzprüfung sind die Jugendschützer in vieler Hinsicht gezwungen, inhaltliche Bewertungen und Interpretationen vorzunehmen und nicht etwa nur formale Kriterien anzulegen. Immer wieder müssen die Programmreferenten der GSJP Aussage und Intention von Filmen bewerten. Eine Handlungsalternative würde nur in der Beschränkung auf die Überwachung formaler Kriterien bestehen, die sich aus den Sendezeitbeschränkungen der FSK-Freigaben (ab 16 = ab 22 Uhr, nicht unter 18 = ab 23 Uhr) ergeben. Eine derart formale Umsetzung des Jugendschutzauftrags legt jedoch auch der RfStV als die wichtigste rechtliche Legitimationsquelle in seiner Aufgabenformulierung nicht nahe. Die Regelungen des RfStV und des StGB, die vorrangig den Charakter einer symbolischen Gesetzgebung besitzen, widersprechen den praktischen Anforderungen der Jugendschutzprüfung. Eine nur am Minimum formaler Vorgaben orientierte Jugendschutzprüfung durch die LMAs muss jedoch auf Dauer den Vorwurf der Ineffektivität provozieren, zumal die LMAs seit 1993 durch die FSF einer Konkurrenz ausgesetzt sind. Während die juristische Argumentation in der Prüfung dazu neigt, sich auf den Begriff der "physischen Gewalt" zu beschränken, bringen Kommunikationswissenschaftler und Medienpädagogen den Begriff der "psychischen Gewalt" ein. Unterstützt durch die mit den Jahren immer weitgehendere Aufgaben-

Zusammenfassung

205

formulierung des Jugendschutzes im RfStV wird es dabei auch für die an der Jugendschutzprüfung beteiligten Juristen immer schwieriger, sich auf ein Aufgabenverständnis zurückzuziehen, das allein die Darstellung physischer Gewalt als "jugendschutzrelevant" erachtet. Unter dem Eindruck des Begriffs der "strukturellen Gewalt", der eine Ausweitung der durch ihn erfassten Phänomene mit sich bringt, wird der Zugriff auf Programminhalte immer umfassender. Es kommt sogar zu einer Erweiterung des Beobachtungsspektrums auf Informations- und Kulturprogramme unter jugendschutzrelevanten Aspekten. Das geschilderte Dilemma aufgrund der verfassungsrechtlichen Grenzen hält die LMAs jedoch davon ab, die Medieninhaltskontrollen im Sinne des Jugendschutzes zu intensivieren. Stattdessen findet eine Verlagerung des Regulationshandelns auf Bereiche statt, die keinen verfassungsrechtlichen Beschränkungen unterliegen. Beispiele hierfür sind das Informationssystem Medienpädagogik unter Beteiligung der LfR oder der Medienpädagogische Forschungsverbund Südwest, den einerseits der Südwestrundfunk (SWR), andererseits die LfK und die LPR in Baden-Württemberg bzw. Rheinland-Pfalz betreiben. Die im Rahmen der staatlichen Rundfunkaufsicht durchgeführte wissenschaftliche Auftragsforschung soll intern Wissen zu organisationsinternen Problemen beitragen, übernimmt aber ausschließlich eine Legitimationsfunktion nach außen. Medienwissenschaftliche Forschungsergebnisse, die zum Teil in der selbstinitiierten Auftragsforschung der LMAs zustande kommen, stellen dabei die Praxis der Jugendschutzprüfung sogar in Frage. Solche Ergebnisse müssen dann wie die Erkenntnisse der Fernsehzuschauerforschung systematisch ausgeblendet werden. Für die Medienwissenschaft und die Medienpädagogik stellen die LMAs im Rahmen der Drittmittelförderung jedoch eine nicht unerhebliche Finanzierungsquelle dar, die auch anerkannte Wissenschaftler davon abhält, den Sinn der Medieninhaltskontrollen im Sinne des Jugendschutzes öffentlich in Frage zu stellen.

6

Selbstregulation: Die Freiwillige Selbstkontrolle Fernsehen (FSF)

Anders als die LMAs widmet sich die organisierte Selbstkontrolle der privaten Sendeanstalten ausschließlich dem Jugendmedienschutz. Die FSF ist ein eingetragener Verein mit Sitz in Berlin. Ihr Zweck ist die "Förderung des Jugendschutzes im deutschen Fernsehen".133 Als die im Verband Privater Rundfunk und Telekommunikation (VPRT) zusammengeschlossenen privaten Fernsehanstalten am 24. November 1993 die Einrichtung der freiwilligen Selbstkontrolle beschlossen, fand dieser Schritt ein breites Presseecho. Der Kölner Stadtanzeiger meldete das Ereignis am folgenden Tag auf der ersten Seite:
Selbstkontrolle der 'Privaten' Ziel ist Einhaltung des Jugendschutzes im Fernsehen

Köln - Um empfindliche Eingriffe durch staatliche Behörden in die eigene Programmgestaltung abzuwehren, haben die kommerziellen Fernsehveranstalter Deutschlands jetzt die 'Freiwillige Selbstkontrolle Fernsehen e.V.' (FSF) gegründet. Der Verein soll unabhängige Gutachter bestellen, die die Einhaltung des Jugendschutzes im Programm der Mitglieder prüfen. Nach dem Vorbild des Deutschen Presserats kann die FSF öffentliche Rügen aussprechen. Die Kontrolle solle effektiv auf Programme einwirken und habe keine Alibifunktion. (hch) > Kommentar auf Seite 2 > Bericht im Fernsehteil (Kölner Stadtanzeiger vom 25.11.1993, S. 1)

Der Kommentar, der an diesem Tag dasselbe Thema behandelte, illustriert die Situation, auf die die privat-kommerziellen Sendeanstalten mit der Einrichtung der FSF reagierten:

133

Satzung der FSF § 2 Abs. 1 (Satzung vom 24.11.1993, zuletzt geändert am 17.11.1997).

Selbstregulation: Die Freiwillige Selbstkontrolle Fernsehen (FSF)

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TV-Selbstkontrolle Nicht zieren

In spätestens zwei Jahren explodiert die Zahl der Satelliten- und Kabelkanäle, Parteien-, Kirchen-, Sekten-TV, Pornographie oder Gewalt vom Endlosband, 'Military-Channel' wie in den USA - also Vorführshows für Waffen (mit Bestellnummern), Kriegsfilme als Fiktion oder live vom 'Brennpunkt' - alles ist möglich. ... Der gesellschaftliche Druck auf die TV-Veranstalter wuchs deshalb, ihnen wurden empfindliche Eingriffe in die Programmgestaltung angedroht, sollten sie den Jugendschutz weiterhin lasch handhaben. Mit ihrer gar nicht so 'freiwilligen' Selbstkontrolle wollen sie nun einer Bevormundung durch Dritte zuvorkommen. Wie seriös ihre Initiative ist, wird sich am Programm erweisen. ARD und ZDF sollten sich jetzt nicht zieren, sondern das Angebot zur Mitarbeit annehmen. Sollten wir hierzulande nämlich kein gemeinsames effektives Modell erproben, kann die deutsche Politik auch die internationale Fernseh-Konkurrenz nicht in die Pflicht nehmen. ... Rüdiger Heimlich (Kölner Stadtanzeiger vom 25.11.1993, S. 2)

Der Legitimationsdruck, dem die FSF ausgesetzt ist, muss höher eingeschätzt werden, als derjenige auf die GSJP der LMAs. Der Geltungsanspruch der LMAs wird schon deswegen nicht in Frage gestellt, da sie als Exekutivbehörden mit der Programmaufsicht einem verfassungsgerichtlichen Auftrag folgen (BVerfGE 31, 325; 57, 295). Die Selbstkontrolle ist dagegen nicht aufgrund der Gesetze eingerichtet. Durch das Fehlen einer gesetzlichen Legitimationsgrundlage ist die FSF stärker auf andere Mechanismen der Legitimation verwiesen. Die FSF ist auf Mechanismen der Legitimation angewiesen, die in der Moderne politische Institutionen kennzeichnen. Der Erfolg politischer Institutionen ist insbesondere in gesellschaftlichen Konfliktbereichen, die keine eindeutigen Lösungen mehr kennen, an eine erfolgreiche symbolische Außendarstellung der Problemlöser und -lösungen gebunden. Man denke als Beispiel an Modelle der Interessenvermittlung und Konfliktregulierung in der Umweltpolitik ("reflexive Institutionen"; Eder et al. 1998). Strukturell ähnlich wie die Regulation von Umweltrisiken ist die Rundfunkregulation mit der Medienkonzentrationskontrolle und der Programmaufsicht mit kaum zu lösenden Aufgaben betraut.134 Die Chance, negative Folgen
134

Mit Hilfe abstrakter spieltheoretischer Modelle wird ersichtlich, dass sich die Problemstellungen der Regulation in der Umweltpolitik und in der Medienpolitik strukturell gleichen: In beiden Bereichen müssen ganz allgemein "public or collective goods" (z.B. saubere

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Selbstregulation: Die Freiwillige Selbstkontrolle Fernsehen (FSF)

der kommerziellen Interessen von Regulierten zu mäßigen, ist in allen Bereichen staatlich-regulierenden Eingreifens begrenzt (vgl. Edelman und Suchman 1997: 487ff.). Im Mediensystem gilt dies in besonderem Maße, da die Programmfreiheit und das Zensurverbot es grundsätzlich verbieten, mit 'harten' Maßnahmen wie Vorschriften und Strafen vorzugehen. Rundfunkrecht und -regulation sind in der Demokratie ganz darauf verwiesen, die gemeinschaftlichen Grundwerte und Prinzipien in Prozessen der symbolischen Vermittlung zu fördern. Die Medienpolitik - und der Jugendmedienschutz als einer der politischen Inhalte - muss als Feld symbolischer Politik begriffen werden (Edelman 1976). Aus dieser Perspektive ist vorausgesetzt, dass es der FSF nur über eine erfolgreiche symbolische Außendarstellung ihrer Ziele und Tätigkeiten gelingen kann, Zweifel an dem Anspruch auf Selbstkontrolle der privat-kommerziellen Sender zu zerstreuen. Damit verbunden ist bei der FSF die Notwendigkeit hoch, sich an die normativen Standards ihrer sozial-kulturellen Umwelt anzupassen. Entscheidende Bedeutung in der (Selbst-)Darstellungsstrategie der FSF erlangen dabei zwei Muster der Legitimation: zum einen 'Effektivität' im Anschluss an den rationalen Mythos einer effektiven Regulation (Meyer und Rowan 1977; Kap. 3.2) und zum anderen 'Diskursivität' als demokratisch begründeter Legitimationsmechanismus: "Politische Institutionen haben in der Moderne einen genuin diskursiven Charakter; das ist ihr letzter Legitimationsgrund" (Eder et al. 1998: 3; Eder 1995). Durch welche Strukturen und Ordnungsmuster im sozial-kulturellen Kontext des Organisationsfelds (DiMaggio und Powell 1981; Scott 1991) wird die FSF innerhalb von Legitimationsprozessen geprägt? Das Interesse der Organisationsanalyse richtet sich im folgenden auf zwei Fragestellungen: Mit Hilfe welcher Darstellungsstrategien, Zeremonien und Rituale verleiht die FSF der Selbstkontrolle der privat-kommerziellen Sender Glaubwürdigkeit? Und wie wird bei der FSF organisationsintern der Widerspruch gehandhabt, dass die medienwissenschaftlichen Erkenntnisse über das Verhältnis zwischen Medienrealität und Alltagsrealität im Widerspruch dazu stehen, Jugendmedienschutz durch eine Zensur von Medieninhalten zu verfolgen?
Umwelt, Meinungsfreiheit) im Sinne der Gemeinschaft verwaltet werden. Bei deren kollektiver Nutzung treten asymmetrische Schadenskonstellationen auf. Das heißt, eine Asymmetrie zwischen den Verursachern von Schaden (Industrie, Inhaber von Meinungsmonopolen), für die dieses Handeln nicht von Schaden, sondern von ökonomischem Vorteil ist, und den Geschädigten (die soziale Gemeinschaft), die nur den Schaden, aber keinen Vorteil haben ("asymmetrical pollution problems"; vgl. Ostrom 1990: 26).

Selbstregulation: Die Freiwillige Selbstkontrolle Fernsehen (FSF)

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Methodisch wird so vorgegangen, dass zunächst die normativen Anforderungen an die Organisationsleistung der FSF angemessen rekonstruiert werden, um diese dann mit der Organisationswirklichkeit in Zusammenhang zu setzen, die sich in den Organisationsstatuten und der alltags-praktischen Umsetzung der Statute ausdrückt. Besonders Hinweise auf ein Auseinanderfallen der normativen Ansprüche einerseits und der organisationellen Selbstdarstellung und Praxis der Selbstkontrolle andererseits liefern als "empirische Anomalien" (March und Olsen 1984: 741; DiMaggio und Powell 1991: 3) die Ansatzpunkte der Analyse. Das Ziel des Feldaufenthalts im Rahmen der Organisationsanalyse war es, die "microlevel foundation" (Zucker 1991: 105; Kap. 3.1) institutionalisierter Strukturen im organisationellen Handlungsraum zu berücksichtigen. Die Vorgehensweise entsprach im Prinzip einer Verbindung von Deskription und Rekonstruktion. Es galt die Sinnbezüge zu verstehen, aufgrund derer die an der FSF beteiligten Mitarbeiter und Prüfer handeln, wie sie handeln. Damit sollte nachvollzogen werden, wie sozial objektivierte Strukturen in der Organisationsumwelt intern auf der Mikroebene sozialer Interaktion aktualisiert und aufrechterhalten werden. Das Datenmaterial über die FSF besteht aus den Organisationsstatuten, Presseberichten über die FSF, öffentlichen Äußerungen von Vertretern der FSF, den von der FSF selbst erstellten Pressespiegeln, Prüfgutachten der Prüfausschüsse wie des Berufungsausschusses und sonstigen Veröffentlichungen der FSF, vor allem der Zeitschrift "TV Diskurs", die seit April 1997 sozusagen als das Vereinsorgan der FSF vierteljährlich im Nomos Verlag erscheint. Darüber hinaus habe ich im Frühjahr 1995 mehrere Wochen bei der FSF verbracht, dort den Arbeitsalltag begleitet und Interviews mit dem Geschäftsführer, den Mitarbeitern und den Prüfern geführt. Aus dieser Zeit gibt es Mitschriften der Prüfungen, Feldnotizen und nach den Interviews angefertigte Erinnerungsprotokolle (vgl. Goffman 1989; Reichertz 1996; Emerson et al. 1995). Da die FSF bis auf einen Vergleich der Möglichkeiten des DPR und der FSF (Eisermann 1997) nicht über einfache Darstellungen hinaus Gegenstand wissenschaftlicher Untersuchungen gewesen ist (z.B. Bundschuh 1999: 179f.; Seim 1997: 173ff.), kann für die FSF nicht auf weitere wissenschaftlich-empirische Beiträge zurückgegriffen werden. In der Zeit meines Aufenthalts bei der FSF habe ich an mehreren, zum Teil ganztägigen Prüfungen von Filmen und Serien teilgenommen. Während ich in den Sitzungen der GSJP eine weitgehend unbeteiligte teilnehmende Beobachterin sein konnte, nahm ich in den dreiköpfigen Prüfausschüssen auch aktiv teil, wenn ich nach meiner Meinung gefragt wurde. In den Sitzungen des Berufungsausschusses dagegen, wo acht bis zwölf Personen anwesend waren, konnte

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Selbstregulation: Die Freiwillige Selbstkontrolle Fernsehen (FSF)

ich so weit wie möglich die Haltung einer unbeteiligten teilnehmenden Beobachterin einnehmen. Vor dem Aufenthalt bei der FSF habe ich das, was ich erwartet habe vorzufinden, schriftlich festgehalten. Darüber hinaus habe ich im Vorhinein spekuliert, welche Haltung mir die Mitarbeiter und Prüfer als Außenstehende wohl entgegenbringen würden. Indem ich meine vorgefassten Urteile schriftlich formulierte, wollte ich die Sinnbezüge, die ich dem Handeln der Beteiligen aufgrund meiner Beobachtungen zuschrieb, besser kontrollieren. Dieses Vorgehen hat mir geholfen, Widersprüchen zwischen meinen Vorurteilen und der vorgefundenen Situation nachzuforschen. Beispielsweise hatte ich erwartet, dass mir die Mitarbeiter und Prüfer als außenstehender Wissenschaftlerin Widerstände entgegenbringen würden. Das Gegenteil war der Fall. Ich erhielt Zugang zu allen Unterlagen, die ich benötigte, und wurde von dem Geschäftsführer, den Mitarbeitern und Prüfern durchweg als gleichberechtigte Gesprächspartnerin mit großer Offenheit behandelt. Im Vergleich zu den Programm- und Jugendschutzbeauftragten der GSJP, die bis auf eine Ausnahme keine Rollendistanz zu ihrer organisationsinternen Rolle als Jugendschützer zeigten, wurde es zum Beispiel von dem Geschäftsführer, aber auch von vielen Prüfern, als problematisch reflektiert, dass sie den Jugendschutzauftrag durch Zensurmaßnahmen mit Schnittauflagen und Sendezeitbegrenzungen umsetzen. Nur ein Mal war die Auskunftsbereitschaft eingeschränkt: Die Reaktion auf die Frage, ob und wie die Einhaltung der in den Gutachten ausgesprochenen Auflagen von der FSF auch überwacht werden, war ausweichend.

6.1

Anforderungen

Wie sehen die normativen Anforderungen aus, die an die organisierte Selbstkontrolle gestellt werden? Zunächst gilt für die Fremd- wie für die Selbstkontrolle gleichermaßen, dass eine Differenzierung der Rollen von Kontrolleuren und Kontrollierten zu gewährleisten ist. Um dem organisationellen Handeln Legitimation zu sichern, sind demokratische Spielregeln einzuhalten, das heißt, die Unabhängigkeit der Kontrolle muss gewährleistet sein, Entscheidungsabläufe sollten möglichst transparent gehalten und Entscheidungen sollten auf der Basis von Diskussion und Annäherung verschiedener Meinungen getroffen werden. Von der rechtswissenschaftlichen Seite wurden die Anforderungen folgendermaßen formuliert:

Anforderungen Bei der Institutionalisierung einer Selbstkontrolleinrichtung des Fernsehens sollten möglichst weitgehend Elemente der Unabhängigkeit, der Ehrenamtlichkeit und der pluralistischen Zusammensetzung verwirklicht und zumindest mehrheitlich externe Experten als Mitglieder eingesetzt werden (Scholz und Joseph 1993: 145f.)

211

Während diese Bedingungen für die staatliche Kontrolle ebenso gelten, bestehen in der Verfasstheit der freiwilligen Selbstkontrolle und der staatlichen Fremdkontrolle bestimmte Unterschiede, die in der Folge unterschiedliche Anforderungen ausmachen. Die Differenz zwischen Fremd- und Selbstkontrolle ist in drei Punkten folgendermaßen zusammenzufassen: Erstens muss die organisierte Medienselbstkontrolle im Gegensatz zu staatlicher Kontrolle auf Zwang als Mittel der Kontrolldurchsetzung verzichten. Selbstkontrolle beruht auf Freiwilligkeit. Die freiwillige Selbstverpflichtung der Kontrollierten ist zwar eine notwendige Voraussetzung der Selbstkontrolle, erscheint jedoch allein keineswegs hinreichend, Normkonformität zu erzielen. Der Selbstkontrolle bleiben zwei Wege, um ihren Anspruch auf Kontrolle durchzusetzen, die einander keinesfalls ausschließen. Zum einen besteht die Möglichkeit, materielle Anreize für die Kontrollierten zu schaffen, um sich normkonform zu verhalten. Zum anderen können Verstöße seitens der Kontrollierten symbolisch sanktioniert werden. Das Sanktionspotential symbolischer Sanktionen - wie der Rüge - zielt bei einem Verstoß gegen die gemeinschaftlich festgelegten Regeln135 auf eine Rufschädigung. Die FSF ist so gestaltet, dass sie zur Durchsetzung der Selbstkontrolle sowohl indirekt auf materielle Anreize zurückgreifen kann, als auch Verstöße mit symbolischen Sanktionen ahnden kann. Zweitens ist die Medienselbstkontrolle durch ihre Freiwilligkeit im Vergleich zur staatlichen Kontrolle in einem geringerem Maß durch das Zensurverbot beschränkt. Aus den daraus resultierenden Möglichkeiten einer Vorzensur beruhen in hohem Maße die Erwartungen an die Selbstkontrolle. Diesen Erwartungen folgend formuliert die FSF es als ihr Ziel, den Jugendschutz "über die seitens des Gesetzgebers festgelegten Schranken hinaus" zu verbessern (Satzung der FSF § 2 Abs. 3). Die Selbstkontrolle bezieht also ihr Privileg der Autonomie gegenüber staatlichen Steuerungsansprüchen typischerweise zum einen durch Eingriffsmöglichkeiten, die über einen staatlichen Zugriff hinausgehen, und zum anderen über eine wirksame Sanktionsdurchsetzung, die im Vergleich zur Fremdkontrolle nicht auf Zwang, sondern auf der freiwilligen Selbstverpflichtung der Kontrollierten beruht.
135

Bei der FSF und der GSJP der LMAs sind dies die in § 3 RfStV gesetzten Regeln über den Jugendschutz und unzulässige Sendungen. Im Fall des DPR ist es der 1973 aufgestellte Pressekodex, der die Grundlage einer Berufsethik der Presse darstellt (DPR 1990: 205).

212

Selbstregulation: Die Freiwillige Selbstkontrolle Fernsehen (FSF)

Drittens ist der Unterschied der Selbstkontrolle im Vergleich zur Fremdkontrolle bedingt durch die Art ihrer Finanzierung. Während sich die Fremdkontrolle aus staatlichen Haushaltsmitteln oder aus Gebührenzahlungen finanziert - wie etwa die LMAs, kommen für die Selbstkontrolle grundsätzlich die Kontrollierten selbst auf.136 Mit der Finanzierung durch die privat-kommerziellen Sendeanstalten gehen offensichtlich auch Profiterwartungen einher. Der Profit, den die Medienselbstkontrolle verspricht, kann hier dreierlei bedeuten: Eine Kostensenkung der Verfahren, die jeder Sender sonst einzeln durchführen müsste, eine Imageverbesserung des privaten Fernsehens und die Abwehr staatlicher Steuerungsansprüche. Anders als die LMAs muss die FSF auf die Sicherung ihrer Ressourcen achten, indem sie den Interessen ihrer Geldgeber nicht zuwiderhandelt. Die organisierte Selbstkontrolle verlangt daher interne Mechanismen, die die Unabhängigkeit der Selbstkontrolle wahren und das, obwohl sie von den Kontrollierten selbst finanziert wird.

136

Der DPR finanziert sich im Vergleich bei einem jährlichen Finanzbedarf von ca. 1,6 Mio. DM zu 50% aus Bundesmitteln (vgl. Bundesgesetzblatt Teil I, Nr. 104 vom 24.8.76: 2215). Der Bundeszuschuß soll nicht mehr als 50% der Gesamteinnahmen ausmachen (DPR 1986: 13). Von den übrigen 50% bringen 11% die Journalistenverbände und 39% die Verleger auf.

213

Selbstregulation: Die Freiwillige Selbstkontrolle Fernsehen (FSF)

6.2

Organisation und Arbeitsweise: Die FSF als "PR-Instrument"137

Wie erfüllt die FSF die in die Selbstkontrolle gesetzten Erwartungen? Das satzungsgemäße Ziel der FSF ist die Förderung des Jugendschutzes im deutschen Fernsehen. Die Darstellung von Gewalt und Sexualität soll derart begrenzt werden, "daß Kinder und Jugendliche in ihrer seelischen, moralischen und geistigen Entwicklung nicht beeinträchtigt werden" (Satzung der FSF § 2 Abs. 2).138 Dieses Ziel soll erreicht werden durch die von "unabhängigen Prüfausschüssen vorgenommene freiwillige Begutachtung konkreter, jugendschutzrelevanter Sendungen" (Satzung § 2 Abs. 4). Der Verein will ein Forum sein "für den kritischen gesellschaftlichen Diskurs ... über die Grenzen der Darstellung von Gewalt und Sexualität im Fernsehen" (Satzung § 2 Abs. 5). Forschung zum Thema Gewaltdarstellung im Fernsehen zählt ebenfalls zu den Aufgaben der FSF. Mit der Einrichtung der FSF, die Jugendschutz durch die Begutachtung unabhängiger Prüfausschüsse umsetzt, sind die Strukturen der FSK in den Fernsehbereich übertragen worden. Die FSK gilt etwa im Vergleich zum DPR als die effektivste Form der Selbstkontrolle (Koszyk und Pruys 1981: 289; Fischer 1982: 321). Da der § 3 RfStV bestimmt, dass die Ausstrahlungszeiten von Spielfilmen an die FSK-Altersfreigaben zu binden sind, wird Entscheidungen der FSK ein quasi-rechtmäßiger Status verliehen. Die FSF hat durch das Vorbild der FSK das in dem Organisationsfeld bestimmende Ordnungsmuster adaptiert (vgl. Kap. 4.1). Dieses Ordnungsmuster beruht allgemein gesprochen auf einem als "Masterframe der Kausalität" bezeichneten kognitiven Schema (vgl. Kap. 1.3.2; Kap. 3.2) und wird getragen und vermittelt durch das organisationelle Vorbild der FSK als der ältesten Zensurinstanz in der Bundesrepublik.139 Das zentrale Organ der FSF ist die Mitgliederversammlung und der von ihr auf zwei Jahre gewählte, aus sechs Personen bestehende Vorstand. Gründungsmitglieder des Vereins sind Kabel 1, DSF, n-tv, Premiere, Pro 7, RTL, RTL 2, SAT.1 und VOX. Seitdem sind DF1, SuperRTL und TM3 beigetreten.
137 138

139

Der Geschäftsführer der FSF benutzte den Ausdruck "PR-Instrument" als er die FSF im Interview unter Marketinggesichtspunkten erläuterte (Interview vom 05.05.1995). Die Organisationsstatute der FSF sind die Satzung (vom 23.11.1993, geänderte Fassung vom 17.11.1997), eine Geschäftsordnung (ohne Datum) und eine Beitragsordnung (ohne Datum). Grundlage der Prüfungen sind die vom Kuratorium formulierten Prüfgrundsätze (vom 30.06.1995, geänderte Fassung vom 18.11.1997; zunächst vorgelegt als Vorläufige Prüfgrundsätze vom 25.05.1994) und eine "Matrix für FSF Gutachten" (ohne Datum). Die organisationellen Strukturen der FSK gehen wiederum zurück auf diejenigen der staatlichen Prüfstellen in der Weimarer Republik (vgl. Fischer et al. 1994: 162).

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Selbstregulation: Die Freiwillige Selbstkontrolle Fernsehen (FSF)

Jedes der zwölf ordentlichen Mitglieder hat eine Stimme. Satzungsänderungen, der Ausschluss aus dem Verein oder seine Auflösung verlangen eine Dreiviertelmehrheit. Alle übrigen Beschlüsse fasst die Mitgliederversammlung mit einfacher Mehrheit. Die Mitgliederversammlung ist unter anderem zuständig für die Wahl des Vorstands, die Bewilligung des Haushaltsplans und die Bestätigung der Kuratoriumsmitglieder. Die Mitgliederversammlung wird vom Vorsitzenden des Vorstands geleitet und ist beschlussfähig, wenn mindestens die Hälfte der Mitglieder anwesend sind. Jeder Fernsehveranstalter in Deutschland kann Vereinsmitglied werden.140 Von Beginn an hat die FSF versucht, die LMAs und die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der ARD sowie das ZDF als Mitglieder in den Verein einzubeziehen. Dafür sprach und spricht, dass damit eine Vereinheitlichung der Spruchpraxis im Jugendschutz erreicht wird. Eine Beteiligung der LMAs und der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten hätte aber zur Folge, dass der FSF wie der FSK auf der Grundlage von § 3 RfStV ein quasi rechtmäßiger Status zukäme. Dadurch würden sich letztlich auch die Entscheidungskompetenzen der LMAs und der Gremien der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten verringern. Wohl aus diesem Grund haben sowohl die LMAs als auch die öffentlichrechtlichen Rundfunkanstalten von einer Mitgliedschaft im Verein FSF bislang abgesehen (vgl. Mohr 1998: 34). Unabhängig davon verfolgt die FSF nicht nur mit den LMAs eine "sachdienliche Zusammenarbeit" (Satzung § 2 Abs. 1), sondern auch mit den beiden übrigen maßgeblichen Instanzen im Jugendmedienschutz, der FSK und der BPjS. Die Zusammenarbeit mit der FSK und der BPjS ist so weit fortgeschritten, dass im Kuratorium deren höchste Vertreter Mitglied sind: der Ständige Vertreter der obersten Landesjugendbehörden bei der FSK und die Vorsitzende der BPjS. Die FSF wird von einem Geschäftsführer141 geleitet und die Geschäftsstelle verfügt über drei weitere feste Mitarbeiter, von denen einer allein für die Öffentlichkeitsarbeit zuständig ist. Der Geschäftsführer wird vom Vorstand mit einer Zweidrittelmehrheit bestimmt (Satzung § 14 Abs. 2)142 und wird zu den Vorstandssitzungen eingeladen. Der Geschäftsführer schlägt dem Vorstand auch
140 141

142

Ohne Stimmrecht können fördernde Mitglieder und Ehrenmitglieder in den Verein aufgenommen werden. Seit dem 1. April 1994 ist Hans-Joachim von Gottberg Geschäftsführer. Da er zuvor ständiger Vertreter der Länder bei der FSK in Wiesbaden war, ist er formal Angestellter des Landes Rheinland-Pfalz. Für die Aufbauarbeit der FSF hatte er sich zunächst auf zwei Jahre beurlauben lassen (Lilienthal 1993: 6). Die Geschäftsordnung sieht im Widerspruch zur Satzung vor, dass der Vorstand den Geschäftsführer einstimmig bestellen muß und dass nach drei Abstimmungsgängen der Vorstand mit einer Gegenstimme entscheiden kann (Geschäftsordnung § 6).

Organisation und Arbeitsweise: Die FSF als "PR-Instrument"

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die Mitglieder für das Kuratorium vor, in dem er selbst nicht stimmberechtigtes Mitglied ist. Darüber hinaus vertritt er die FSF in Fragen des Jugendschutzes in der Öffentlichkeit, stellt die Mitarbeiter ein, regelt die Zusammensetzung der Prüfausschüsse und legt den Entwurf für den Haushaltsplan vor. Der gegenwärtige Geschäftsführer der FSF war zuvor der ständige Vertreter der Länder bei der FSK in Wiesbaden. Institutionalisierte Strukturen werden durch Beziehungsnetzwerke in dem jeweiligen Organisationsfeld vermittelt (Meyer und Rowan 1977; 1991), die einen normativen Isomorphismus bewirken (DiMaggio und Powell 1983: 150). Das Beispiel der Vertreter der FSK und der BPjS in den Gremien der FSF sowie der Werdegang des Geschäftsführers der FSF macht damit Institutionalisierungsprozesse nachvollziehbar, die einen organisationellen Isomorphismus bewirken und von bestimmbaren Akteuren getragen sind. Die Gremien der FSF sind das Kuratorium, die Prüfausschüsse und der Berufungsausschuss. Das Kuratorium hat 15 Vertreter, die zunächst auf zwei Jahre gewählt sind, und die einen Vorsitzenden bestimmen. Auch bei der Zusammensetzung des Kuratoriums hat die FSF versucht, die LMAs in ihre Verfahrensabläufe zu integrieren: Fünf Vertreter sollen von den Vereinsmitgliedern "im Einvernehmen mit den Landesmedienanstalten" benannt werden, fünf weitere von den LMAs "im Einvernehmen mit dem Vorstand" und schließlich sollen fünf Vertreter aus "Wissenschaft und Forschung, Politik und Kultur" von den LMAs und den Mitgliedern gemeinsam benannt werden (Satzung § 12 Abs. 1). Wenn die LMAs das Recht nicht wahrnehmen, die Vertreter des Kuratoriums zu benennen, nimmt der Vorstand der Mitgliederversammlung die Benennung im Sinne der genannten Verteilung vor. Weil die LMAs ihr Bestimmungsrecht nicht wahrnehmen, ist dies auch der Fall. Das Kuratorium fasst Beschlüsse, wenn mindestens 11 Vertreter anwesend sind, mit einfacher Mehrheit. Bei Stimmengleichheit entscheidet die Stimme des Vorsitzenden oder seines Stellvertreters. Getagt wird zwei Mal im Jahr. Zu den Mitgliedern im Kuratorium zählen die Jugendschutzbeauftragten oder andere Vertreter der privaten Sender, der Ständige Vertreter der obersten Landesjugendbehörden bei der FSK, die Vorsitzende der BPjS und Wissenschaftler verschiedener Disziplinen (Psychologie, Kommunikationswissenschaft, Recht), von denen die meisten auch schon Gutachten für die LMAs erstellt haben.143
143

Auflistungen der Kuratoriumsmitglieder finden sich in: epd/Kirche und Rundfunk, Nr. 13 vom 19.02.94: 18; FSF (1994); FSF (ohne Jahr, 1999). Jo Groebel, der Autor des im Auftrag der LfR erstellten "Gewaltprofils" (Groebel und Gleich 1993) sollte ursprünglich Kuratoriumsmitglied werden, was aber an einem "Kommunikationsproblem" scheiterte

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Selbstregulation: Die Freiwillige Selbstkontrolle Fernsehen (FSF)

Die Verfahrensgrundlagen explizieren die Unabhängigkeit des Kuratoriums vom Vorstand und den Senderinteressen: "Die Mitglieder sind in ihren Entscheidungen frei" (Geschäftsordnung § 26). Die Zusammensetzung, die das Kuratorium gefunden hat, ermöglicht es den Sendern mit höchstens fünf Vertretern also nicht, Entscheidungen zu dominieren. Das Kuratorium erarbeitet die Richtlinien als Grundlage der gutachterlichen Prüfung: "Die vom Kuratorium entwickelten Prüfgrundsätze bilden die Grundlage für die Arbeit der FSF" (Geschäftsordnung § 25; vgl. Satzung § 2 Abs. 6 a). Am 30.06.1995 hat sich das Kuratorium auf die geltenden Prüfgrundsätze geeinigt, die bis dahin in einer vorläufigen Form vorlagen. Die Begutachtung eines Programms erfolgt in der Regel auf Antrag eines Vereinsmitglieds, das das Programm senden will. Die Vorauswahl treffen die Jugendschützer der Sender (Satzung § 7 Abs. 3). Die LMAs und die Mitglieder des Kuratoriums haben ebenfalls das Recht, eine Prüfung zu veranlassen.144 Ein Prüfungsausschuss besteht aus 3 Prüfern, die auf Vorschlag des Geschäftsführers vom Kuratorium auf drei Jahre benannt werden. Die Prüfer sollen fachlich qualifiziert, aber unabhängig sein: "Eine Weisung durch eine entsendete Stelle ist unzulässig" (Geschäftsordnung § 35; Prüfgrundsätze § 7); Prüfer "dürfen nicht bei einem der Mitgliedssender, bei Firmen der Anteilseigner oder Programmlieferanten der Mitgliedssender beschäftigt sein" (Prüfgrundsätze § 6 Abs. 3). Ein Prüfausschuss muss seine Entscheidungen über Sendezeiten und Schnittauflagen einstimmig fällen. Der Prüfausschuss kann dem antragstellenden Sender oder dessen Vertreter die Anwesenheit in der Sitzung gestatten und ihnen Gelegenheit zur Stellungnahme geben (Prüfgrundsätze § 8). Wenn zwei der Prüfer dies wollen, kann ein Prüfantrag in Fällen von grundsätzlicher Bedeutung direkt an den Berufungsausschuss weitergeleitet werden. Wenn keine Einstimmigkeit zustandekommt, wird das härteste Einzelurteil zum Mehrheitsurteil bestimmt.

144

(epd/Kirche und Rundfunk, Nr. 18 vom 09.03.1994: 10; vgl. epd/Kirche und Rundfunk, Nr. 13 vom 19.02.1994: 18). Anträge können auch von einem Lizenzgeber gestellt werden, wenn dieser angibt, wem er die Ausstrahlungslizenz verkaufen will. Leo Kirchs Verleihfirma Tauris etwa reicht Filme, die zur Ausstrahlung bei Pro 7 bestimmt sind, bei der FSF ein. Da die von der FSF vergebenen Altersfreigaben an Ausstrahlungszeiten gebunden sind, beeinflusst die Altersfreigabe den Marktwert eines Films. Wenn ein Film ab 12 Jahre und damit ab 20 Uhr freigegeben wird, erzielt er in der teuersten Werbezeit, der Prime Time, höhere Einnahmen als ein Film, der erst ab 22 Uhr oder 23 Uhr freigegeben ist. Dies beeinflußt dann auch den Preis der Lizenz. Lizenzgeber zahlen jedoch für eine Prüfung das 2,5fache der üblichen Gebühr (Beitragsordnung § 3 Abs. 3) und dürfen gegen eine Entscheidung keine Berufung beantragen.

Organisation und Arbeitsweise: Die FSF als "PR-Instrument"

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In begründeten Ausnahmen kann auf Wunsch eines Veranstalters ein Gutachten oder die Tatsache einer Überprüfung "eine bestimmte Zeit vertraulich behandelt werden" (Geschäftsordnung § 37; Prüfgrundsätze § 15). Die Vertraulichkeit soll nur so lange gewährt werden, wie der Sender dafür Gründe - wie dass das Gutachten eine mögliche Voraussetzung für die Entscheidung über den Kauf des Programms ist - glaubhaft macht. Dies wird von dem Geschäftsführer beurteilt. Den Prüfern wird auferlegt, ihre Entscheidungen über Sendezeitbeschränkungen und Schnittauflagen ausführlich zu begründen. Die Begründung sollte "auch in einfachen Fällen eine Länge von 1 Seite ... nicht unterschreiten" (Matrix für FSF Gutachten: 3). In dem Leitfaden für die Formulierung der Gutachten, der Matrix für FSF Gutachten, wird den Prüfern ausdrücklich bewusst gemacht, "daß das Gutachten bedeutsamer Teil der Geschichte des jeweiligen Films wird. Insofern nämlich, als es die Grundlage bildet für Entscheidungen der Landesmedienanstalten oder der Verwaltungsgerichte" (Matrix für FSF Gutachten: 3; Prüfgrundsätze § 12 Abs. 1). Der Berufungsausschuss besteht aus 7 Prüfern und entscheidet mit einfacher Mehrheit. Die Prüfer des Berufungsausschusses sollen besonders erfahrene und kompetente Prüfer sein. Gegen jede Prüfentscheidung können die Sender Bedenken erheben, so dass er im Berufungsausschuss behandelt werden muss. In Fällen von grundsätzlicher Bedeutung kann auch Widerspruch gegen die Entscheidung des Berufungsausschusses eingelegt werden. Wenn der Geschäftsführer und der Vorsitzende des Kuratoriums dies zulassen, bildet das Kuratorium in solchen Fällen einen sechsköpfigen Ausschuss, in dem weder Vertreter des Senders, auf dessen Antrag das Prüfverfahren beruht, vertreten sein dürfen, noch andere Kuratoriumsmitglieder, die an Entscheidungen in den Vorinstanzen beteiligt waren. Der Ausschuss entscheidet mit einfacher Mehrheit. Wenn Filme vorgelegt werden, die auf dem Index für jugendgefährdende Schriften stehen, muss an der Prüfung eine Person teilnehmen, die von der BPjS vorgeschlagen ist. Dies beruht darauf, dass der RfStV die Ausstrahlung indizierter Filme zwischen 23 Uhr und 6 Uhr erlaubt, "wenn die mögliche sittliche Gefährdung von Kindern oder Jugendlichen unter Berücksichtigung aller Umstände nicht als schwer angesehen werden kann" (RfStV § 3 Abs. 2 Satz 3). Von rund 2.500 indizierten Filmen kommen dadurch etwa 30 Prozent dieser Filme immer noch für eine Ausstrahlung in dem genannten Zeitraum in Frage. Das Bundesverwaltungsgericht hat in dem sogenannten "Schwarzwaldklinik-Urteil" vom 29.05.1990 entschieden und in anderen Urteilen bestätigt, dass das Gesetz über die Verbreitung jugendgefährdender Schriften (GjS) auf Fernsehsendungen

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Selbstregulation: Die Freiwillige Selbstkontrolle Fernsehen (FSF)

nicht anwendbar sei. Es ist aber die Grundlage der BPjS. Es ist nun kaum anzunehmen, dass Vertreter der BPjS in einer Prüfung der FSF nach anderen Kriterien urteilen, als bei der BPjS üblich. Von den Mitgliedssendern der FSF wird aber offensichtlich toleriert, dass die BPjS an der Prüfung indizierter Spielfilme beteiligt wird. Grundsätzlich sind jedoch laut RfStV für eine Einschätzung der Jugendgefährdung indizierter Filme die LMAs zuständig und eben nicht die BPjS. Die FSF wird durch Beiträge der Mitglieder und Prüfgebühren finanziert. Die FSF erhebt eine Aufnahmegebühr in den Verein von 50.000 DM. Die Höhe der Mitgliedsbeiträge richtet sich proportional nach der "wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit" eines Senders. Diese wird anhand der durch die GfK ermittelten durchschnittlichen Marktanteile des letzten Kalenderjahres bemessen (Beitragsordnung § 1 Abs. 1). Der jährliche Mindestbeitrag beträgt 10.000 DM, der "Höchstbetrag darf 49 % des Gesamthaushaltsplans nicht überschreiten" (Beitragsordnung § 1 Abs. 4). Der Etat der Geschäftsstelle für 1994 wurde zunächst mit 1 Mio. DM veranschlagt und macht mittlerweile schätzungsweise 2 Mio. DM aus (vgl. Die Welt vom 25.5.1994). Die Prüfer erhalten von der FSF ein Honorar und die Reisekosten erstattet. Das Honorar beträgt 100 DM pro angefangenem Prüftag, wenn die Prüfer unter Fortzahlung ihrer Bezüge von ihrem Arbeitgeber freigestellt wurden. Freiberufler oder Arbeitnehmer, die Urlaub nehmen müssen, erhalten 300 DM. Für den Vorsitz und die Erstellung des Gutachtens werden zusätzlich 200 DM gezahlt (Geschäftsordnung § 39). Die Kosten für die Prüfgutachten werden den Sendern als Gebühren in Rechnung gestellt. Die Gebühren werden anhand der Dauer der zu prüfenden Programme berechnet: Eine Minute kostet 10 DM. Die Einberufung der Berufungsausschusses kostet 1.200 DM bis zu 110 Minuten, jede weitere Minute 20 DM. Bei anderen Programmformaten als Spielfilmen, etwa bei Serien, kann ein Gesamtpreis verhandelt werden. Die Kosten unterliegen dem Prinzip der Kostendeckung und können entsprechend angepasst werden. Aus der Organisation, den Arbeitsabläufen und der Finanzierung der FSF, wie sie bis hier anhand der Organisationsstatute beschrieben worden sind, wird im Hinblick auf die neo-institutionalistische Fragestellung folgendes ersichtlich: Die FSF hat das Jugendschutz-Modell der FSK - die Zensur von Inhalten - auf den Fernsehbereich übertragen. Damit ist die FSF ein typisches Beispiel für den organisationellen Isomorphismus innerhalb eines Organisationsfelds (DiMaggio und Powell 1983). Da die Einrichtung der FSF nicht etwa durch ein Gesetz veranlasst wurde, liegt nicht Isomorphismus auf der Grundlage von Zwang vor,

Organisation und Arbeitsweise: Die FSF als "PR-Instrument"

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sondern ein Beispiel für normativen und mimetischen Isomorphismus (DiMaggio und Powell 1983: 150; Kap. 4.1). Normativer Isomorphismus wird vermittelt durch die Organisationsmitglieder, die ihre durch professionelle Standards geprägte Sicht der Dinge in die Organisationswirklichkeit importieren. Mimetischer Isomorphismus, die Nachahmung anderer Organisationen mit ähnlichen Aufgabenstellungen, ist als Reaktion auf eine unsichere Umwelt zu verstehen. Prinzipiell wären durchaus andere organisierte Lösungen des Problems der Gewaltdarstellung denkbar, die für den Jugendmedienschutz in Deutschland jedoch kein Vorbild hätten. Zu denken wäre etwa an eine Form des Verbraucherschutzes in den Medien, zuletzt erneut vorgeschlagen vom Land Sachsen-Anhalt (epd medien Nr. 11 vom 13.02.1999: 18; vgl. Krotz 1996), oder an ein formalisiertes Beschwerdeverfahren für Zuschauer nach britischem Vorbild. Die FSF hat sich an das in ihrer Umwelt dominierende Ordnungsmuster angepasst und mit dieser Anpassung eine wesentliche Voraussetzung der Legitimation ihres Handelns geschaffen. Betrachtet man die Organisation der FSF im Detail, ergeben sich auf den ersten Blick keinerlei Anhaltspunkte, die Glaubwürdigkeit der Selbstkontrolle in Frage zu stellen. So wird etwa durch die Regelung, dass der Finanzierungsbeitrag eines Mitgliedssenders 49% des Etats nicht überschreiten darf, für die Unabhängigkeit der FSF von ihren Mitgliedern Vorsorge getroffen. Die Verfahrensgrundlagen, die weitgehende Transparenz, die hergestellt ist, die Auswahl der Kuratoriumsmitglieder und der Prüfer, die unter Berücksichtigung ihrer Unabhängigkeit und Qualifikation vorgenommen wird, sind nicht zu beanstanden. Auch ein Großteil der Entscheidungsmechanismen ist bis auf einige im folgenden genannte Punkte nicht zu beanstanden: Erstens kann die Auswahl jugendschutzrelevanter Programme durch die Jugendschützer der Sender gefiltert werden, die entscheiden, ob eine Begutachtung überhaupt erforderlich ist (Satzung § 7 Abs. 3). So kann ein Sender durchaus nur solche Programme prüfen lassen, die voraussichtlich nicht beanstandet werden, oder aus einer Serienstaffel können nur weniger kritisch zu beurteilende Folgen als repräsentative Beispiele eingereicht werden. Eine Freigabe wird in der Regel aber für die gesamte Staffel erteilt werden. Zweitens erscheint es problematisch, dass Vertreter der Sender bereits in der einfachen Prüfung zugelassen werden können, was potentiell die Unabhängigkeit der Prüfentscheidungen mindert. Dieser Tendenz entspricht, dass Ergebnisse der Gutachten zeitweise vertraulich behandelt werden können. Die Verfahren werden dadurch weniger transparent und Ergebnisse zunehmend diskret behandelt. Drittens wird

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Selbstregulation: Die Freiwillige Selbstkontrolle Fernsehen (FSF)

in den Statuten für den Fall der Stimmengleichheit in der zur Zeit aus zwölf Sendern bestehenden Mitgliederversammlung keine Vorkehrung getroffen, ebenso wenig wie für den vom Kuratorium gebildeten, aus sechs Personen zusammengesetzten Ausschuss, der die höchste Entscheidungsinstanz in strittigen Fällen darstellt.

6.3

Sanktionen und Effektivität

Wenn man die FSF allein daraufhin betrachtet, wie aufgrund der Statute die Prüfverfahren gestaltet sind, genügt die Selbstkontrolle den Anforderungen. Die FSF kontrolliert strenggenommen aber gar nicht: Die Umsetzung von Kontrolle erfordert nicht nur eine prüfende Beobachtung, sondern auch die Durchsetzung der Kontrolle. Verstöße gegen gesetzte Regeln müssen sanktioniert werden (oder zumindest mit Sanktionen zu rechnen haben). Fernsehsendungen werden zwar von der FSF aufwendig geprüft, jedoch wird die Einhaltung der in den Gutachten ausgesprochenen Auflagen von der FSF gar nicht überwacht und Verstöße daher auch nicht sanktioniert. Satzungsgemäß verfügt die FSF durchaus über die Möglichkeit, als symbolische Sanktionen öffentliche Rügen auszusprechen und im schlimmsten Fall ein Vereinsmitglied auszuschließen:
a) Beim ersten Verstoß wird eine öffenliche[n] Rüge erteilt; b) beim zweiten Verstoß erfolgt eine Rüge, die der jeweilige Sender im eigenen Programm veröffentlichen muß; c) beim dritten Verstoß wird dem jeweiligen Sender öffentlich der Vereinsausschluß angedroht; d) beim vierten Verstoß wird ein Ausschlußverfahren gemäß § 4 Abs. 6 eingeleitet (Satzung § 7 Abs. 4).145

Grundsätzlich verfügt die organisierte Selbstkontrolle über zwei Möglichkeiten der Kontrolldurchsetzung: Sie kann zum einen durch materielle Anreize ein Eigeninteresse der Kontrollierten aufbauen, sich konform zu verhalten. Solche Anreize können Bußgelder sein, deren Zahlung jedoch immer daran gebunden ist, dass sich die Kontrollierten der Selbstkontrolle verbindlich unterstellen, da sonst die Sanktionsdurchsetzung nicht gewährleistet ist. Ein weiterer materieller
145

Der Absatz, auf den unter d) verwiesen wird, lautet: "Ein Mitglied kann aus dem Verein ausgeschlossen werden, wenn es vorsätzlich oder grob fahrlässig den Interessen des Vereins zuwiderhandelt" (Satzung § 4 Abs. 6). Dies erfordert eine Dreiviertelmehrheit in der Mitgliederversammlung.

Sanktionen und Effektivität

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Anreiz kann die Androhung eines Verlusts der Mitgliedschaft sein, der für den Normabweichler mit Kosten einhergeht, etwa weil die Selbstkontrolle der Gemeinschaft der Kontrollierten einen Service bietet, der für den einzelnen nur mit erheblichem finanziellen Mehraufwand zu erbringen ist. Zum anderen kann die Selbstkontrolle symbolische Sanktionen verhängen. Symbolische Sanktionen wie die Rüge entfalten ihre Kraft durch Publizität, indem beim Publikum moralische Entrüstung über den Normverstoß ausgelöst wird. Ein Verhalten wird nämlich überhaupt erst als verbindlich geforderte Norm erkennbar, wenn Normabweichungen Sanktionen hervorrufen. Sanktionierung macht soziale Normen sichtbar und stabilisiert diese. Nur die öffentlich erkennbare Grenzüberschreitung führt dazu, dass sich die soziale Norm aktiviert und profiliert. Die Wirksamkeit symbolischer Sanktionen ist damit an den öffentlichen Charakter der Sanktion gebunden. Die Möglichkeit der Sanktionierung ist, wie eingangs erläutert, ein Kriterium, anhand dessen sich die staatliche Fremdkontrolle und die freiwillige Selbstkontrolle unterscheiden. Die Selbstkontrolle kann auf der freiwilligen und nicht auf einer erzwungenen Selbstverpflichtung der Sender aufbauen. Darauf beruhen die in die Selbstkontrolle gesetzten Erwartungen. Obwohl die FSF nun mit der öffentlichen Rüge über eine symbolische Sanktion verfügt und bei weiteren Verstößen als härteste Sanktion auch Mitglieder aus dem Verein ausschließen kann, wird von der FSF argumentiert, ihr stünden eigentlich nur in Verbindung mit den LMAs Sanktionen zur Verfügung (FSF 1994: 2). Die FSF selbst habe "wenige Sanktionsmöglichkeiten" (FSF 1994: 7). Auf Anfrage gab der Geschäftsführer zwar an, dass die Ausstrahlung gemäß der in den Gutachten festgesetzten Sendezeiten von "einer Person" überwacht werde. Diese Person sei den Sendern nicht bekannt, damit auf sie kein Druck ausgeübt werden könne. Darauf findet sich jedoch weder in den Organisationsstatuten noch in den übrigen Veröffentlichungen der FSF ein Hinweis. Niemals hat die FSF eine Rüge ausgesprochen. Die gelungene symbolische Außendarstellung mit Hilfe der Einbindung in die das Organisationsfeld dominierenden Verfahren und unter Beteiligung ausgewiesener Professionalität im Jugendschutz (Vertreter und Prüfer der FSK und der BPjS), lässt die fehlende Durchsetzung der Kontrolle kaum sichtbar werden. Dazu passt, dass die FSF 'Effektivität' quantitativ gegenüber ihrer Umwelt nicht über die Zahl verhängter Sanktionen präsentiert, sondern über die Zahl geprüfter Programme. Seit der Aufnahme ihrer Arbeit am 01.04.1994 weist die FSF die Zahl der geprüften Programme zudem kumulativ und nicht pro Jahr aus. Bei beeindruckenden 2.777 geprüften Sendungen bis zum 31. Januar 1999 (FSF-Statistik ohne Jahr, 1999) sind dies jährlich durchschnittlich 584 geprüfte

222

Selbstregulation: Die Freiwillige Selbstkontrolle Fernsehen (FSF)

Sendungen. Eigentlich liegt dies deutlich unter der Ankündigung von "2.000 bis 3.000 Gutachten pro Jahr", was "doppelt so hoch" wie die jährliche Zahl der Gutachten der FSK gewesen wäre (epd/Kirche und Rundfunk Nr. 18 vom 09.03.1994). Die kumulative Form der Statistik lässt dies genauso wenig deutlich werden wie die Tatsache, dass die Zahl der geprüften Programme mittlerweile im Vergleich zu den ersten beiden Jahren um fast die Hälfte gesunken sein muss.146 Die wesentliche Legitimationsstrategie der FSF besteht darin, ihre Arbeit in diejenigen Verfahren einzubinden, die im Laufe der Jahre aus der Gesetzgebung zum Jugendmedienschutz entstanden sind: Die FSF lässt Schnittauflagen und Sendezeitbegrenzungen von unabhängigen Prüfern festlegen. Tatsächlich übt die FSF mit ihrem Begutachtungsverfahren aber keine (Selbst-)Kontrolle aus. Die Kontrolle würde auch eine Durchsetzung der Kontrolle erfordern, das heißt die Überwachung der Auflagen und die Sanktionierung von Verstößen gegen diese Auflagen. Die Selbstkontrolle besitzt zeremoniellen Charakter: Die privat-kommerziellen Sender vollziehen freiwillig das in dem Organisationsfeld des Jugendschutzes dominierende Ritual und unterstellen sich dadurch der geltenden Ordnung. Die Selbstkontrolle durch die FSF besitzt damit eine rein ordnende Funktion auf der symbolischen Ebene.

6.4

Qualitätsprüfung

Im folgenden wird als erstes ein Argumentationsmuster rekonstruiert, mit dem bei der FSF Prüfentscheidungen begründet werden. Bei der Begründung der Prüfentscheide werden genau wie bei der GSJP der LMAs Versatzstücke aus Thesen der Medienwirkungsforschung miteinander verknüpft. Wie den Jugendschutzreferenten der GSJP steht dabei auch den Prüfern der FSF keine Definition von "Gewalt" zur Verfügung. Die Ursache dafür, so wird hier argumentiert, ist in einem gewandelten Gewaltbegriff zu suchen und in dessen Einfluss auf den organisationellen Interaktionszusammenhang der Jugendschutzprüfung. In einem zweiten Schritt wird dann auf einen typischen Unterschied in der Beurteilungspraxis der FSF und der GSJP aufmerksam gemacht. Die vom Kuratorium der FSF formulierten Prüfgrundsätze fordern etwa, dass zwischen den Interessen des Jugendschutzes und den Interessen der Kunst sorgfältig abzuwägen sei. In der Bewertung an Hand ästhetischer Kriterien, so die These,
146

Vgl. FSF-Statistik vom 30.04.1995: 798 geprüfte Programme; 30.06.1995: 1.603 geprüfte Programme; 31.01.1999: 2.777 geprüfte Programme.

Qualitätsprüfung

223

findet ein reflexiver Mechanismus seinen Ausdruck, durch den die FSF organisationsintern auftretende Konflikte erfolgreich bewältigt. Konflikte entstehen etwa dadurch, dass das Jugendschutzinstrumentarium für die Prüfer erkennbar ungeeignet ist, den Jugendschutz tatsächlich zu sichern. Es besteht ein Widerspruch einerseits zwischen den äußeren Anforderungen an die Selbstkontrolle, die eine Anpassung an die Organisationsumwelt notwendig machen, um den Bestand der Selbstkontrollorganisation nicht zu gefährden, und andererseits dem Anspruch, eine "Qualitätsprüfung" durchzuführen.

6.4.1 Angst und strukturelle Gewalt Die Maßstäbe, nach denen die Prüfer der FSF Spielfilme und Serien beurteilen, unterscheiden sich grundsätzlich nicht von denjenigen, nach denen die GSJP, die FSK und die BPjS urteilen (vgl. Kap. 1.3; Kap. 5.3.1). Als Grundlage der Prüfung werden der § 3 RfStV, weitere gesetzliche Bestimmungen und die vom Kuratorium der FSF aufgestellten Grundsätze genannt. Die Argumentation in den Gutachten und in den Diskussionen unter den Prüfern weist dieselbe Verknüpfung von Verweisen auf Ergebnisse der Medienwirkungsforschung auf wie in den Jugendschutzprüfungen der GSJP. So wird etwa von den durch die Medienwirkungsforschung nachweisbaren emotionalen Effekten besonders auf die angstauslösenden Effekte abgehoben (vgl. Kap. 1.2.2). Beispielsweise bezog sich bei der Begutachtung des Films 'Schatten der Vergangenheit' die wesentliche Sorge der Prüfer auf die Schlusssequenz des Films. Laut FSF-Gutachten habe sie "unweigerlich eine gewisse Erregung zur Folge", so dass "bei jüngeren Zuschauern ein Gefühl der Beängstigung entstehen kann" (FSF Gutachten: 3). Die Prüfgrundsätze der FSF fordern systematisch, bei der Begutachtung insbesondere zu berücksichtigen, "ob Sendungen durch Inhalt und/oder Dramaturgie geeignet sind, ... Kinder zu ängstigen, zu überfordern oder zu verunsichern" (Prüfgrundsätze § 17 Abs. 4). Die möglicherweise ängstigende Wirkung einer Sendung erlangt in der Argumentation der Gutachter immer dann größere Bedeutung, wenn in einem Film keine explizite Gewalt dargestellt ist, sondern die Spannung mit spezifisch filmischen Mitteln erzeugt wird. Dass ein Film, oder bestimmte Sequenzen eines Films, eine "Bedrohung" ausstrahlen, ein "Gefühl der Beängstigung" hervorrufen oder zu einer "Übererregung" führen, sind dann in der prüfenden Begutachtung immer Argumente, die gegen eine Fernsehausstrahlung oder eine frühe Platzierung im Tagesverlauf sprechen.

224

Selbstregulation: Die Freiwillige Selbstkontrolle Fernsehen (FSF)

Die Deutung angstauslösender Effekte als negative Medienwirkungen eine Voraussetzung, von der nicht nur in den Jugendschutzprüfungen, sondern auch in weiten Teilen der wissenschaftlichen Literatur ausgegangen wird - steht im Zusammenhang mit einem Wandel der sozialen Bedeutung des Gewaltbegriffs. Die sozialen Phänomene, die heute mit dem Begriff "Gewalt" bezeichnet werden, sind nicht mehr auf das Merkmal physischer Gewaltanwendung beschränkt. Der von Johan Galtung geprägte Begriff der strukturellen Gewalt kennzeichnet einen Definitionsprozess, innerhalb dessen sich die Bedeutung des Gewaltbegriffs auf psychische und soziale Phänomene erweitert hat. Der Begriff der strukturellen Gewalt steht für eine Ausweitung der mit "Gewalt" verknüpften sinnhaften Bezüge von der Physis auf die Psyche und weiter von der Psyche auf soziale Strukturen der Ungleichheit (vgl. Kap. 1.1.2). Dieser Bedeutungswandel des Gewaltbegriffs ist manifestiert in den Kriterien, nach denen im Jugendmedienschutz geurteilt wird: Die FSF erklärt Sendungen für eine Ausstrahlung für unzulässig, "die extreme Gewalt in ihren physischen, psychischen und sozialen Erscheinungsformen als allgemeingültiges und probates Handlungskonzept darstellen oder auf andere Weise Gewalt verherrlichen oder verharmlosen" (Prüfgrundsätze § 15; Hervorhebung JE). Wenn der negativ konnotierte Begriff der Gewalt derart mit "psychischen Erscheinungsformen" verknüpft ist, wird verständlich, warum Gefühle der Angst und der Bedrohung im Jugendmedienschutz als Effekte gelten müssen, vor denen Kinder und Jugendliche bewahrt werden müssen. Berücksichtigt man die Institutionalisierung des Deutungsmusters der strukturellen Gewalt in der organisationellen Wirklichkeit der Jugendschutzprüfung, wird ersichtlich, warum im Jugendmedienschutz keine Gewaltdefinition aufgestellt wird: Eine Definition, die den Versuch unternimmt, Phänomene psychischer oder struktureller Gewalt zu erfassen, würde einer juristischen Beurteilung - als zu allgemein oder auch zu vage - kaum standhalten. Würde sich der Jugendschutz dagegen auf die Prüfung eindeutig physischer Gewaltdarstellung beschränken, dann hätten Jugendschützer auf weite Bereiche des Programms keinen Zugriff, das ihnen unter dem Eindruck des Begriffs der strukturellen Gewalt als jugendgefährdend erscheinen muss.

6.4.2 Filmästhetik und Dissens als Ausweis für Qualität Der Stil der Prüfung der FSF und der GSJP unterscheiden sich. Am Beispiel dieses Unterschieds wird ein grundlegender reflexiver Mechanismus deutlich,

Qualitätsprüfung

225

durch den bei der FSF Konflikte kompensiert werden. Damit sind Konflikte gemeint, die sich aus der Anpassung an das in dem Organisationsfeld dominierende Ordnungsmuster ergeben: Das Verhältnis der GSJP und der FSF war am Anfang schwierig, obwohl die LMAs die Einrichtung einer freiwilligen Selbstkontrolle der privaten Fernsehveranstalter offiziell begrüßten (DLM, Weimarer Beschlüsse 1993: 1). Die Schwierigkeiten haben eine Ursache in dem direkten Konkurrenzverhältnis, in das die Instanzen durch den § 3 Abs. 8 RfStV gestellt werden. Dieser verlangt von den LMAs, Entscheidungen "freiwilliger Selbstkontrolleinrichtungen" in ihre Entscheidungen einzubeziehen. Die LMAs müssen demzufolge nicht nur die Prüfentscheide der FSK berücksichtigen, sondern auch die der FSF. Es kommt hinzu, dass die FSF die Jugendschutzprüfung von Spielfilmen und Serien im Vergleich zu den LMAs unter einem verhältnismäßig geringem Aufwand an Geld und Personal vornimmt. Zudem hat die FSF in kurzer Zeit eine wesentlich größere öffentliche Sichtbarkeit erreicht, als die Programmaufsicht durch die LMAs. Die Programm- und Jugendschutzreferenten der GSJP mussten sich dadurch als institutionelle Vertreter ihrer Organisationen herausgefordert fühlen und ganz konkret in ihrer beruflichen Existenz. Der konkurrenzbedingte Konflikt zwischen den LMAs und der FSF wurde vor allem durch das Anzweifeln der jeweiligen Sachkompetenz ausgetragen. Die Kritik der GSJP gegenüber der FSF lautete, dass in deren Prüfpraxis die spezifischen Bedingungen der Fernsehrezeption nicht genügend Berücksichtigung fänden.147 Der Vorwurf lautete, dass sich die FSF zu häufig auf "filmästhetische Kriterien" stütze: "Die Landesmedienanstalten halten die FSFBewertung nach zumeist filmästhetischen Kriterien für ungeeignet, Filme auf Belange des Jugendschutzes hin zu überprüfen" (GSJP Pressemitteilung: FSFGutachten zu pauschal, ohne Datum). Auf einer gemeinsamen Veranstaltung der FSF und der GSJP im Mai 1995 wurden die unterschiedlichen Kriterien der Begutachtung anhand mehrerer konkreter Beispiele diskutiert, bei denen es wie bei dem Film "Schatten der Vergangenheit" zu unterschiedlichen Bewertungen gekommen war. "Schatten
147

Seitens der LMAs wurde häufig ähnliche Kritik an der Sachkompetenz der FSK geübt: Der FSK lägen Kriterien einer Beurteilung von Fernsehsendungen gar nicht vor, dadurch könnten nur unzureichende Entscheidungen gefällt werden. Zum Beispiel sei die Praxis der FSK bei Schnittvorgaben für die deutschen Sexfilme der 70er Jahre unter den Bedingungen der Fernsehrezeption fragwürdig. In einem anderem Fall hatten einzelne Folgen der Serie "Airwolf" von der FSK eine Altersfreigabe erhalten, die die GSJP nicht akzeptieren wollte. Immer wieder wurden Filme, die durch Schnittauflagen von der FSK eine niedrigere Altersfreigabe erhalten hatten, im AK Jugendschutz diskutiert und teilweise für unzureichend erklärt (Holgersson 1995: 130, 133).

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Selbstregulation: Die Freiwillige Selbstkontrolle Fernsehen (FSF)

der Vergangenheit" war nach einem ablehnenden Bescheid der GSJP in einer Schnittfassung erneut vorgelegt worden. Der Film hat eine FSK-Einstufung "ab 16" und hätte damit erst ab 22 Uhr gezeigt werden dürfen. Die FSF hatte den Film unter der Auflage von Schnitten jedoch für eine Ausstrahlung ab 20 Uhr freigegeben. Die GSJP lehnte "Schatten der Vergangenheit" aber auch in der Schnittfassung für eine Ausstrahlung um 20 Uhr ab, da "Gewalt ... auf Erregung und Angst hin inszeniert" sei: Die "Art der Gewaltdarstellung sowie deren Präsentation (schnelle Schnitte, Großaufnahmen, Zeitlupe) [sind] eindeutig auf Effekte beim Zuschauer angelegt. Es ist somit anzunehmen, dass jüngere Zuschauer auf das Gezeigte mit Angst reagieren, eventuell ist eine Schockwirkung ... nicht ausgeschlossen" (aus der Begründung für die Ablehnung des Ausnahmeantrags der zuständigen LMA). Der Konflikt zwischen der sogenannten "filmästhetischen" Bewertung, gegenüber der von der GSJP vertretenen "fernsehspezifischen" Bewertung kam klar zum Ausdruck: Im Gutachten der FSF war der Film als "guter Film" bezeichnet worden, dagegen wurde von seiten der GSJP geäußert, unter Jugendschutzbedingungen dürfe "die Ästhetik nicht zum Tragen kommen". Aus der Anpassungsstrategie der FSF an ihre institutionalisierte Umwelt, durch Zensurmaßnahmen das dominierende Ordnungsmuster des sozial-kulturellen Organisationsfelds zu übernehmen, entsteht organisationsintern potentiell ein Problem: Die Prüfer werden nach Kompetenz ausgewählt, um damit die Qualität und damit die 'Effektivität' der Selbstkontrolle zu belegen.148 Daher verfügt ein Großteil der Prüfer über die Qualifikation einer medienwissenschaftlichen Ausbildung. Aber die medienwissenschaftlichen Erkenntnisse über das Verhältnis zwischen Medienrealität und Alltagsrealität lassen keinesfalls den Schluss zu, daß Jugendmedienschutz durch eine Zensur von Medieninhalten erreicht werden könnte. Die Prüfer äußerten daher zum Teil grundlegende Zweifel an der Wirksamkeit des von der FSF durchgeführten Prüfverfahrens. Die Gefahr der Unzufriedenheit wird nun nicht nur durch eine gute Bezahlung der Prüfer aufgefangen, sondern letztlich dadurch, dass bei der FSF kompetente Bewertungen - unter anderem nach filmästhetischen Kriterien - gerade gefordert sind. Rechtlich werden die filmästhetischen Bewertungsmaßstäbe von der FSF mit dem Verweis auf Art. 5 GG und der daraus resultierenden Notwendigkeit
148

Aus der Liste der benannten Prüfer, die von der FSF jedem zugänglich gemacht wird (FSF, ohne Jahr, 1999; vgl. Gottberg 1994: 4), ist ersichtlich, dass etwa 60 Prozent der Prüfer auch bei der FSK oder der BPjS tätig sind. Sogar ehemalige Rundfunkratsmitglieder der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten sind Prüfer bei der FSF.

Qualitätsprüfung

227

einer Abwägung zwischen Kunstfreiheit und Jugendschutz (vgl. Kap. 1.3.1) begründet:
Bei jeder Prüfung ist der Aufbau, der Handlungskontext und der Gesamtzusammenhang der Sendung zu berücksichtigen. Kommt in Betracht, daß es sich bei einem Programm um Kunst handelt, so muß das Gutachten zwischen den Interessen der Kunst und den Interessen des Jugendschutzes sorgfältig abwägen (Prüfgrundsätze § 15).

Teilweise ähnelten die Diskussionen während der Prüfungen durchaus denjenigen eines filmwissenschaftlichen Seminars. Die Prüfung nach filmästhetischen Kriterien veranschaulicht einen reflexiven Mechanismus, der systematisch die Organisationsstruktur und die Arbeitspraxis der FSF kennzeichnet. Indem der grundlegende Widerspruch reflektiert wird, von dem die eigene Tätigkeit gekennzeichnet ist, werden Frustrationen vermieden. Die Prüfer sind aufgefordert, ihre Kompetenz als Filmkritiker, Medienwissenschaftler, Medienpädagogen und erfahrene Jugendschützer einzubringen. Bei der FSF sind Kritik und Zweifel in der Form des offenen Diskurses nicht nur zugelassen, sondern geradezu gefordert. Nicht umsonst heißt die Publikation der FSF "TV Diskurs". 'Diskursivität' wird damit gleichzeitig zu einem problemlösenden internen Mechanismus und einer überzeugenden Darstellungsstrategie, die der Selbstkontrolle zusätzlich Glaubwürdigkeit verschafft. Es ist der FSF darüber hinaus gelungen, Wissenschaftler für das Kuratorium zu gewinnen, die in ihren wissenschaftlichen Arbeiten differenziert und kritisch Position zu dem Problem der Mediengewalt beziehen (vgl. Grimm 1994; Mikos 1994). Das von der FSF adaptierte Zensurverfahren wird in deren Äußerungen grundsätzlich in Frage gestellt:
[D]ie Gewalt- und Horrorfilme erzählen von den legitimen und nicht-legitimen Gewaltanwendungen in der Gesellschaft. Diese Muster werden trotz aller spektakulären Szenen nur deutlich, wenn man die sogenannten Schock-Bilder der Filme im Gesamtkontext der Erzählung sieht, und wenn man diese Erzählungen auf das Wissen und die Erfahrungen der Zuschauer bezieht (Mikos 1994: 180f.). Da die symbolische Konfrontation mit Angst eine kulturpolitische Notwendigkeit darstellt, kann sich Jugendschutzpolitik nicht darin erschöpfen, Horror- und Gewaltszenarien rein quantitativ zu beschränken oder gar ausmerzen zu wollen (Grimm 1994: 60).

Indem konträre Ansichten zugelassen und auch öffentlich gemacht werden, sichert die Selbstkontrolle sich nicht nur zusätzlich Glaubwürdigkeit, sondern leistet gleichzeitig eine Integration unterschiedlicher Interessen und Wertmaßstäbe der an der FSF beteiligten Jugendschützer, Wissenschaftler und Fernsehveranstalter.

228 6.5 Zusammenfassung

Selbstregulation: Die Freiwillige Selbstkontrolle Fernsehen (FSF)

Die Rundfunkregulation und einer ihrer Aufgabenbereiche, der Jugendmedienschutz, sind symbolische Politik. Über eine erfolgreiche Außendarstellung gelingt es der FSF, die in die Selbstkontrolle gesetzten Erwartungen zu erfüllen. Erwartungen, die die Öffentlichkeit, die Politik und die LMAs an sie stellen. Wobei die LMAs gleichzeitig die staatliche Konkurrenz mit ähnlicher Aufgabenstellung darstellen. Die FSF ist durch das Fehlen einer gesetzlichen Legitimationsgrundlage auf andere Mechanismen der Legitimation angewiesen. Welches sind die Zeremonien und Rituale, die der Selbstkontrolle der privat-kommerziellen Sendeanstalten Glaubwürdigkeit verleihen? Anfangs wurden die Anforderungen an Selbstkontrolle rekonstruiert und anhand der Organisationsstatute mit der Selbstdarstellung der FSF in Zusammenhang gesetzt: Indem die FSF das von der FSK vertretene JugendschutzModell der Programmprüfung adaptiert, hat sie sich an das in dem Organisationsfeld dominierende Ordnungsmuster angepasst. Die FSF ist damit ein Beispiel für normativen und mimetischen Isomorphismus zwischen Organisationen. Die wesentliche Anpassungsstrategie der FSF besteht in der Einbindung in die bereits existierenden Verfahren. So bemüht sich die FSF nicht nur, die LMAs systematisch in ihre Arbeitsläufe zu integrieren, sondern hat sich auch die Mitarbeit der FSK und der BPjS gesichert. Die organisationelle Struktur der FSF wird den formalen Anforderungen weitgehend gerecht: Die Verfahren sind transparent gehalten, die Prüfer sind unabhängig und qualifiziert, und die Entscheidungsmechanismen sowie der Finanzierungsmodus verhindern Einflussnahmen der Sender, die die Glaubwürdigkeit der Selbstkontrolle gefährden würden. Formal übt die FSF jedoch gar keine Kontrolle aus. Die (Selbst-)Kontrolle erfordert auch eine Durchsetzung der Kontrolle, also die Überwachung von Auflagen sowie die Sanktionierung von Verstößen gegen diese Auflagen. Die Selbstkontrolle besitzt damit rituellen Charakter: Die privat-kommerziellen Sender unterstellen sich der geltenden Ordnung, indem sie das Ritual der Jugendschutzprüfung vollziehen. In den Prüfungen wird bei Filmen und Sequenzen, die keine physische Gewalt zeigen, aber mit filmischen Mitteln Spannung erzeugen, mit "Angst", "Übererregung" und "Bedrohung" argumentiert. Angstauslösende Effekte werden im Sinne des Jugendschutzes als Gefahr gedeutet. Am Beispiel dieses Argumentationsmusters wurde der Einfluss eines gesellschaftlich gewandelten Gewaltbegriffs auf die Wirklichkeit der Jugendschutzprüfung erkennbar. Der

Zusammenfassung

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Begriff der strukturellen Gewalt verweist auf psychische und soziale Gewaltphänomene, deren mediale Ausdrucksformen im Jugendschutz als Bestandteil des Schutzauftrags begriffen wird. Das Deutungsmuster der 'strukturellen Gewalt' ist in der Wirklichkeit der Jugendschutzprüfung institutionalisiert. Für die Selbstdarstellung der FSF sind zwei Legitimationsmuster kennzeichnend: zum einen 'Effektivität' und zum anderen 'Diskursivität'. 'Effektivität' wird bereits durch die Anlehnung an das Organisationsmodell der FSK demonstriert, das als das effektivste Beispiel für eine Selbstkontrolle der Medien gilt. Darüber hinaus wird das Prüfverfahren, das gemessen an den zugrundegelegten Kriterien und der Qualifikation der Prüfer einen hohen Standard gewährleistet, zum Ausweis der Effektivität. 'Diskursivität' bedeutet, dass konträre Meinungen zugelassen sind, und dass offensichtlich die Interessen aller an dem Problem Beteiligten berücksichtigt werden. Durch die Reflexion der eigenen Widersprüchlichkeit gelingt es der FSF, intern auftretende Konflikte zu kompensieren. Konsens wird durch offenen Diskurs hergestellt. Der Legitimationsmechanismus der 'Diskursivität' macht die Selbstkontrolle glaubwürdig und leistet intern zugleich eine Integration widerstrebender Interessen. Diese Integration gelingt etwa zwischen der Wertorientierung der Jugendschützer und der Profitorientierung der Fernsehveranstalter.

7

Schluss

Die Untersuchung hat am Beispiel des Problems der Mediengewalt eine kulturund gesellschaftsanalytische Perspektive auf diejenigen Organisationen entwikkelt, die als Reaktion auf das Problem, genauer: auf seine gesellschaftliche Wahrnehmung, entstanden sind. Die Bedeutsamkeit und die Eignung der Regulationsinstanzen als Gegenstand soziologischer Analyse wird dadurch unterstrichen, dass in allen Rundfunksystemen Maßnahmen existieren, die auf das Problem der Gewalt in den Medien zielen. Diese Organisationen und das ihnen zugrundeliegende regulative Recht sind empirisch leicht zugänglich, leichter etwa als mediale Diskurse, deren Flüchtigkeit eine systematische Analyse immer erschweren. In allen westlichen Demokratien bildet die Kontrolle von Gewaltdarstellung einen zentralen Bestandteil der Rundfunkaufsicht. Die Rundfunkregulation erscheint als bedeutende Schaltstelle im gesellschaftlichen Gefüge. An ihr lassen sich Prozesse der symbolischen Verständigung, der Entstehung und Aufrechterhaltung der geltenden moralischen Ordnung, der wirklichkeitssetzende Einfluss des Rechtssystems und die interessebestimmte Einflussnahme von Akteuren aufzeigen. Die Zusammenfassung der Ergebnisse folgt im Aufbau zwei Fragen, die leitend waren. Zum Schluss werden dann Vorschläge für ein verändertes regulatives Vorgehen gemacht. In Deutschland orientieren sich Regulierungsmaßnahmen gegen Gewaltdarstellung im Fernsehen an den Bestimmungen zum Jugendschutz und an der Annahme einer linearen kausalen Wirkung des Medieninhalts auf das Verhalten der Rezipienten. (1) Warum besitzt die Zensur, die Kontrolle von Medieninhalten, in der Regulation so große Relevanz? Im Widerspruch zu der vorherrschenden Regulationsmaßnahme wird in der Wissenschaft gerade das Festhalten an dem Stimulus-Response-Modell der Medienwirkung dafür verantwortlich gemacht, dass trotz eines Forschungsaufwands von industriellem Ausmaß der monokausale Zusammenhang zwischen Gewaltdarstellung und Gewaltausübung nicht belegt ist. Der Zusammenhang

Schluss

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zwischen Mediendarstellung und menschlichem Verhalten ist hoch komplex und Medienwirkungen hängen von zahlreichen Bedingungen ab, die weder bei Gewalt noch bei anderen medialen Inhalten auf Reiz-Reaktionsschemata zu reduzieren sind. In Folge der fehlenden Nachweisbarkeit einer Kausalität zwischen dargestellter Gewalt und aggressivem Verhalten hat sich das Interesse der Medienwirkungsforschung zunehmend von den aggressionsauslösenden auf emotionale Effekte verlagert. Fernsehvermittelte emotionale Eindrücke sind offenbar das eigentlich Medienspezifische. Im Hinblick auf Gewaltdarstellung gefährdet erscheinen männliche Kinder und Jugendliche aus sozial schwachen Verhältnissen. Solche allerdings, die sich ungerührt zeigen, wenn sie Gewaltdarstellungen sehen. Neben der Kontrolle von Inhalten wird von der Rundfunkaufsicht mit Blick auf das Gewaltproblem als weitere Regulierungsmaßnahme die Medienpädagogik gefördert. Nun werden medienpädagogische Maßnahmen stets mit Forschungsergebnissen über emotionale, ängstigende Medieneffekte begründet. Dies erscheint als Paradox: Medienpädagogische Maßnahmen erreichen Kinder und Eltern, die es am wenigsten brauchen. Untersuchungen zu dem "Third-Person-Effect" in der Kommunikation lassen den gesellschaftlichen Problemzusammenhang der Gewalt in den Medien in einem anderen Licht erscheinen: Die Wirkung von Gewalt in den Medien ist offenbar nicht im direkten Einfluss auf das Publikum zu sehen. Sie geht vielmehr von denjenigen aus, die negative Effekte von Gewaltdarstellungen auf andere zu beobachten glauben oder diese erwarten. Dies ist für sie dann der Anlass, verstärkt Schutzmaßnahmen gegen Gewaltdarstellung zu fordern. Aus den vielfältigen Ergebnissen der Medienwissenschaft hebt das Rechtssystem durch die ihm eigene sinnhafte Logik erneut die Kausalität der Medienwirkung hervor. Die Annahme eines unbedingten Kausalitätszusammenhangs wird im Recht endgültig zur selbstverständlichen Voraussetzung für alle Maßnahmen, die auf eine Problembeseitigung zielen. Gewaltdarstellungen werden eindeutig als Problemursache begriffen, inhaltliche Schnitte dementsprechend als die Problemlösung. Der Orientierungszusammenhang ist hierbei der Jugendschutz, obwohl der empirische Problemzusammenhang mehr auf die Notwendigkeit eines allgemeinen Zuschauer- und Verbraucherschutzes verweist, der nicht auf Kinder und Jugendliche beschränkt bleibt. Die Definitionsprozesse im Rechtssystem sind damit maßgeblich beteiligt an der Rahmung des Problems unter dem Aspekt des Jugendschutzes und seiner Lösung durch die Kontrolle der Medieninhalte.

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Beim Publikum besteht eine nicht zu beruhigende über die Folgen von Gewaltdarstellung. Diese Sorge erklärt sich zum einen aus der Überzeugung, durch die Medien würde Negatives auf die Menschen einwirken, aber vor allem aus dem, was "Gewalt" in der Gesellschaft bedeutet. Der bestimmende öffentliche Bezug des Mediengewalt-Diskurses ist der zum Begriff der Gewalt und dem Gewalttabu. Der Begriff der Gewalt ist für moderne Gesellschaften ein Verdichtungssymbol (Summary Symbol), das auf soziale Unordnung und das ExtraSoziale verweist, auf das außerhalb der sozialen Ordnung Stehende. So wie für das Problem der Gewaltdarstellung ist der Begriff der Gewalt ein zentraler Aufmacher für viele soziale Probleme. Konflikthafte soziale Sachverhalte werden mit dem Symbol der Gewalt zusammengefasst und deren Widersprüche absorbiert. Die soziale Funktion der Gewaltsymbolik ist dabei ein gesellschaftlicher Integrationseffekt. Zusammenfassend lässt sich sagen: In den Diskursen der Wissenschaft, des Rechts und in der öffentlichen wie der veröffentlichten Meinung wird das Problem der Mediengewalt als ein Kausalzusammenhang zwischen dem Medieninhalt und dem Verhalten von Rezipienten konstruiert. Die Rahmung des Problems unter einem "Masterframe der Kausalität" manifestiert sich in dem vorherrschenden Regulationsverfahren der Zensur. Das Verfahren der Zensur besitzt deshalb so große Relevanz, weil es selbstverständlich ist, dass eine Beseitigung oder Entschärfung der angenommenen Ursache auch das Problem beseitigt. Alle Organisationen, die Gewaltdarstellung reduzieren sollen, werden als ineffektiv beurteilt. Es stellt sich die Frage, warum die Regulierungseinrichtungen dennoch unverändert fortbestehen. Diese Frage war Ausgangspunkt der Organisationsanalyse unter Berücksichtigung der symbolischen und kulturellen Dimension des gesellschaftlichen Kontexts der Regulation. (2) Warum existieren die Regulationsinstanzen unverändert weiter? Warum bleibt die Ineffektivität der Regulation politisch folgenlos? Wer hat ein Interesse an der Aufrechterhaltung des Status Quo? Die Rundfunkregulation ist dadurch gekennzeichnet, dass sie sich als medienpolitischer Akteur am Schnittpunkt zwischen der öffentlichen Meinung und der juristischen Problemdefinition bewegt. Die Regulation ist zu ihrer Legitimation auf das Recht wie auf die öffentliche Meinung verwiesen. Bei der Regulation von Gewaltdarstellungen in den Medien wird durch den institutionellen Isomorphismus die Entstehung alternativer Verfahrensweisen verhindert. Ein Isomor-

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phismus aber, der aus Sicht der Regulationsorganisationen überlebensnotwendig ist. Durch die FSK hat sich historisch gesehen das Verfahren der Zensur als gesellschaftlich legitimierte Selbstzensur etabliert. Die FSK steht zwar in der Tradition staatlicher Vorzensur und ihr Verfahren beruht auf Zwang, aber dies wird sowohl vom Staat, als auch von Wirtschaft und Rechtslehre geduldet. Der geltende Status der FSK ist der einer Selbstkontrolle der Medien. Das Verfahren der FSK wird also nicht als verfassungswidrige Zensur gewertet, sondern als taugliches Mittel für einen effektiven Jugendschutz. Durch den als Selbstkontrolle geltenden Status der FSK wird das Verfahren der Vorzensur als effektives Jugendschutzverfahren anerkannt. Hinzu kommt, dass das Verfahren der FSK dann auch noch effektiver erscheint als Verfahren, die in der Regel für eine Selbstkontrolle der Medien angemessen sind (Beschwerdeverfahren, Medienforschung). Die Übernahme des Verfahrens der FSK sichert anderen Regulateuren wie den LMAs und der FSF Legitimation und Fortbestand. Die LMAs und die FSF werden dafür belohnt, 'korrekte' Strukturen und Prozeduren aus ihrer Organisationsumwelt zu übernehmen. Die Idee der Effektivität rundfunkpolitischer und -rechtlicher Steuerung ist als ein rationaler Mythos aufzufassen. Als Mythos gehört die Idee effektiver Steuerung zu einem Repertoire institutionalisierter Regeln, die moderne Gesellschaften kennzeichnen. Hier erscheinen bestimmte Mittel - wie etwa härtere Sanktionen - als rational geboten und dringend geraten, um Probleme der Rundfunkregulation wie die Gewaltdarstellung in den Medien oder auch die Medienkonzentration lösen zu können. In den Diskussionen der Jugendschutzprüfer und in den Prüfgutachten wird bei der Beurteilung von Filmen, die keine oder wenig physische Gewaltdarstellung enthalten, die aber mit filmischen Mitteln Spannung erzeugen, mit "Angst", "Übererregung" und "Bedrohung" argumentiert. Effekte der Angst werden als gefährlich für Kinder und Jugendliche gedeutet. Daran zeigt sich der Einfluss eines kulturell gewandelten Gewaltbegriffs auf die Regulationspraxis. Unter dem Einfluss des Begriffs der strukturellen Gewalt, der auf psychische Prozesse und ungleiche soziale Machtverhältnisse verweist, werden im Selbstverständnis der Jugendschützer die Inhalte des Programms jugendschutzrelevant. Die Gesetze schaffen erhebliche Beurteilungsfreiräume bei der Bewertung von Gewaltdarstellung, so dass die Prüfgremien (notgedrungen) inhaltliche und geschmackliche Bewertungen vornehmen. Gleichzeitig legt das Recht durch die Zuständigkeit der Gerichte letztlich auch die Grenzen dieser Beurteilungs-

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freiräume fest: Spätestens vor Gericht gilt, dass die Rundfunkfreiheit keine Unterscheidung der Sendungen "nach dem jeweils verfolgten Interesse oder der Qualität der Darbietung" zulässt.149 Eine Beschränkung "auf 'seriöse', einem anerkennenswerten privaten oder öffentlichen Interesse dienende Produktion" liefe am Ende auf eine Bewertung und Lenkung durch staatliche Stellen hinaus und dies würde dem Wesen des Grundrechts der Meinungs- und Rundfunkfreiheit "gerade widersprechen" (BVerfGE 35, 202 (222)). Das Problem der Mediengewalt ist nicht zu lösen. Die öffentliche Thematisierung der Gefahren von Sex und Gewalt in den Medien dient im Rahmen der symbolischen Verständigung der Gesellschaft dazu, soziale Ordnung herzustellen. In dem Diskurs werden normative Standards verhandelt, die zentrale Punkte des Normen- und Wertehaushalts der Gesellschaft berühren: die Erziehung der Kinder, den Wert oder Unwert von Unterhaltung und das Gewalttabu. In dem Diskurs sind außerdem gesellschaftliche Ängste symbolisiert, die mit der Veränderung der gesellschaftlichen Wirklichkeit durch den zunehmenden Einfluss der Medien und des kommunikationstechnischen Wandels einhergehen. Da diese Veränderungen andauern, wird das Problem der Gewaltdarstellung in den Medien auch in Zukunft auf der medialen und politischen Agenda stehen. Die zahlreich getroffenen Regulationsmaßnahmen ändern daran nichts. Schon 1981, Jahre vor der Einführung des kommerziellen Rundfunks, argumentierte Wolfgang Hoffmann-Riem, in Deutschland werde sich bei der Einführung des kommerziellen Fernsehens und entsprechender Kontrollinstanzen dieselbe Entwicklung einstellen wie bei der FCC in den Vereinigten Staaten: die Inszenierung einer "Kontroll-Posse" (Hoffmann-Riem 1981: 76). Wenn in Deutschland so eine Kontrollinstanz eingerichtet werde, solle angesichts dieser Erfahrungen daher "deren Nutzen im Hinblick auf ihre symbolisch-rituellen Funktionen diskutiert werden. Nicht aber sollte vorgetäuscht werden, durch solche Instanzen ließen sich negative Programmfolgen nachhaltig verhindern" (Hoffmann-Riem 1981: 82). Die Regulation der Gewalt in den Medien ist eine Form legitimierter gesellschaftlicher Selbstzensur. Dabei können sich ganz bestimmte gesellschaftliche Gruppen mit ihren Geschmacks- und Qualitätsurteilen gegenüber der Mehrheit durchsetzen. Der Diskurs über Mediengewalt muss somit auch als Teil eines Konkurrenzkampfes um die Setzung von Werten und Normen verstanden werden.
149

Auch die Anerkennung der Kunsteigenschaft darf nicht "von einer staatlichen Stil-, Niveauund Inhaltskontrolle oder von einer Beurteilung der Wirkungen des Kunstwerks abhängig gemacht werden" (BVerfGE 83, 130 (139)).

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Geben die Regulierer denn über den Erhalt und Ausbau ihrer eigenen Position hinaus eine Orientierung für die Gesellschaft hinsichtlich der durch den Mediengewalt-Diskurs angesprochenen Problemzusammenhänge? Welchen Nutzen hat die symbolisch-rituelle Funktion der Rundfunkregulation für die Gesellschaft? Die Untersuchung des Problems der Mediengewalt und seiner Regulation in der gesellschaftsanalytischen Gesamtsicht führt zu dem Ergebnis, dass die Interessen der Zuschauer bei der Regulation vollkommen unberücksichtigt bleiben. Dies obwohl die sozialen Prozesse, die in dem MediengewaltDiskurs symbolisiert sind, als Regulationsmaßnahme einzig auf eine stärkere Berücksichtung der Zuschauerinteressen verweisen. Die Rundfunkregulation müsste eine Vermittlungsfunktion zwischen den Zuschauern und den Medien übernehmen. Zur Beantwortung der Fragen, warum das Verfahren der Zensur die Regulation dominiert und warum die Regulation fortbesteht, obwohl die Problemlage dadurch weder gelöst noch verbessert werden kann, wurden in der Untersuchung zwei Bestimmungsfaktoren herangezogen: zum einen die Bedeutung institutionalisierter Strukturen in der Organisationsumwelt und deren prägender Einfluss auf die Regulation; des Weiteren die Wertorientierung und die materiellen Interessen der beteiligten Akteure in und außerhalb der Rundfunkregulation. Es wurden Prozesse der Objektivation, Kommunikation und Legitimation von Sinnstrukturen auf der kollektiven Ebene von Organisationen analysiert. Und es wurde nach den bestimmenden gesellschaftlichen Diskursen gefragt. Zusätzlich wurde auf die Rolle der Organisationsmitarbeiter, Politiker, Wissenschaftler und der professioneller Jugendschützer verwiesen, die wertorientierte, aber auch materielle Interessen mit dem sozialen Problem der Mediengewalt und seiner Lösung verbinden. Die Lösung des Mediengewaltproblems wird vorrangig in Zensurmaßnahmen gesehen, in Sendeverboten, -beschränkungen und Schnittauflagen. So sollen vor allem Minderjährige geschützt werden. Die gesellschaftlich legitimierte Selbstzensur birgt jedoch auch Gefahren, und zwar für die (legitimierende) Gesellschaft selbst: Zensur zielt auf den Kern der demokratischen Grundordnung, die Meinungs- und Informationsfreiheit. Zensurmechanismen haben immer die Tendenz zur Ausweitung. Sie gelten hier zwar dem Jugendschutz und sind als solche demokratisch legitimiert, dennoch bedeutet jede Form der Zensur die immer gleiche Gefahr für den freien Meinungsfluss: Sie hat die Tendenz, "sich zur allgemeinen Zensur auszuwachsen, da die Denkungsart, die sie provoziert, ebenso wohl auch zur Kontrolle anderer Ideen führen kann" (Fölsing 1994:

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519). Das Risiko zensorischer Maßnahmen im Namen des Jugendschutzes ist um so höher einzuschätzen, da der Verdacht begründet scheint, dass sie ihren Zweck gar nicht erreichen, Kinder und Jugendliche vor sozialschädlichen Einflüssen zu schützen. Im Ergebnis sind daher auch konkrete Vorschläge für ein verändertes regulierungspolitisches Vorgehen zu machen. Die Rekonstruktion der Wirklichkeitskonstruktionen, die die Regulation des Mediengewaltproblems bestimmen, ermöglichen es, die Problemkonstellation mit anderen Augen zu sehen. Dadurch entstehen neue Handlungsoptionen.150 Wie können regulative Lösungen aussehen, die einer Gemeinwohlorientierung besser gerecht werden, als die derzeitigen Maßnahmen, die sich an der Zensur der Inhalte orientieren? Das rundfunkpolitische Normziel der Sicherung der Demokratie wird vorrangig als das Recht auf freie Meinungsbildung verstanden. Es ist durch Maßnahmen zur Vielfaltsicherung zu gewährleisten. Man versucht daher zum einen "Vielfalt" durch die Festlegung von Quoten für bestimmte Programmanteile wie "Information", "Bildung" und "Unterhaltung" zu erzielen. Zum anderen soll über die Beteiligungsverhältnisse bei den Sendern die Vielfalt vertretener Meinungen gewährleistet werden. Damit zielten die rundfunkpolitischen Maßnahmen zur Demokratiesicherung in Deutschland also ausschließlich auf die Medienorganisationen. Die Partizipationsrechte von Zuschauern bleiben hingegen ausgespart, dabei würden sie eine weitere Realisierungschance bieten, Demokratie zu fördern. Zuschauer sind in der Artikulation ihrer Interessen und den Möglichkeiten sanktionierender Einflussnahme in modernen durch Massenmedien geprägten Gesellschaften äußerst beschränkt. Empirisch ist ein Vertrauens- und Glaubwürdigkeitsdefizit der Medien festzustellen (Bentele 1988). Häufig ist im Hinblick auf die demokratische Rolle der Medien als 'vierte Macht' im Staat bemängelt worden, dass bei den Massenmedien die Chance einer regulierenden Einflussnahme von der Seite des Publikums durch die öffentliche Meinung oder durch die Möglichkeit der Beschwerde äußerst beschränkt sei (Ricker 1992). Es ist auch nachgewiesen, dass Journalisten überhaupt nur sehr wenig von den Interessen und Meinungen ihres Publikums wissen (Donsbach 1982). Das Wissen, das in den Medienforschungsabteilungen der Sendeanstalten durch die Erhebung und Auswertung von Einschaltquoten produziert wird, ist nachweis150

Dieselbe Absicht verfolgten Hall et al. durch die Analyse moralischer Paniken. Sie betrachteten ihre klassische Studie "Policing the Crisis. Mugging, the State, and Law and Order" als "intervention", als Bemühen, die Strukturen und Bedingungen zu verändern, durch die Moral-Paniken produziert werden (Hall et al. 1978: X; vgl. Woolgar und Pawluch 1985; Hunt 1997: 633).

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lich ebenso wenig an den Meinungen, Wünschen und Lebensbedingungen von Zuschauern orientiert (Ang 1991a). Diese Defizite bleiben jedoch politisch weitgehend folgenlos. Die Rundfunkregulation könnte eine vermittelnde, intermediäre Funktion in der Rolle des Advokaten der Zuschauer übernehmen. Dies erscheint gesamtgesellschaftlich um so wichtiger angesichts der offensichtlichen Machtstellung der Sender und der sie kontrollierenden Konzerne. Im Rahmen der Rundfunkregulation könnte die notwendige Korrektur gegenüber der 'Macht der Quote' geleistet werden, indem sich die Regulationsmaßnahmen am Maßstab der Wünsche und Interessen der Zuschauer ausrichten und weniger daran, was eine sozial privilegierte Minderheit für deren Interessen hält. Alternative Maßnahmen bieten sich auf verfahrensspezifischer und auf akteursspezifischer Ebene an: Auf verfahrensspezifischer Ebene fehlt als erstes die Möglichkeit einer formalen Beschwerdeeingabe, und zwar sowohl im Bereich der staatlichen Aufsicht (bei den LMAs ebenso wie bei den öffentlichrechtlichen Rundfunkanstalten), als auch bei der Selbstkontrolle der privaten Sender. Ein formalisiertes Beschwerdeverfahren wird im Fernsehbereich bislang in Deutschland überhaupt nicht durchgeführt. Da gesetzlich kein formalisiertes Beschwerdeverfahren für den Umgang mit Zuschauerbeschwerden geregelt ist, haben die LMAs und die FSF auch keine formalisierten Verfahren ausgebildet. Zuschauerbeschwerden gelangen nur einzeln und nicht systematisch gebündelt an viele unterschiedliche Stellen (öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten, DPR, LMAs, Jugendschützer der Sender). Damit wird die Chance vergeben, aus Beschwerden Hinweise auf öffentliche Empfindlichkeiten und auch auf Verschiebungen innerhalb der öffentlichen Meinung zu erhalten. Im demokratischen Sinne würden mit einem Beschwerdeverfahren Beteiligungsrechte umgesetzt. Prozedurale Beschwerdeverfahren setzen auf eine Wiedergutmachungs- und Befriedungsfunktion durch den Prozess des Verfahrens. Es erscheint sinnvoller, statt mit Zensur, mit der Einrichtung eines formalen Beschwerdeverfahrens und einer am Zuschauer orientierten Medienforschung auf den sozialen Problemzusammenhang zu reagieren, der sich in dem Mediengewalt-Diskurs artikuliert. Zweitens fehlt im Rahmen der Rundfunkregulation eine kontinuierliche, zuschauerorientierte Medienforschung. Medienforschung wird von den LMAs und der FSF ausschließlich als wissenschaftliche Auftragsforschung betrieben, die keine Vergleichbarkeit der Ergebnisse ermöglicht. Hinzu kommt, dass durch die Ausschreibungsverfahren für Forschungsprojekte zu viel Zeit vergeht, bis Ergebnisse zu aktuellen Veränderungen des Fernsehprogramms vorliegen, um schnell genug darauf zu reagieren (z.B. zu den täglichen Talkshows, Formen des

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Reality TV, zu neuen Formaten des Kinderfernsehens wie den Power Rangers, zu aktuellen Veränderungen bei Musikclips). Was fehlt, ist jedoch eine intern durchgeführte kontinuierliche Forschung, die Ergebnisse etwa in Bezug auf die Wahrnehmung von Gewaltdarstellung im Fernsehen im Zeitverlauf vergleichbar macht. Drittens fehlt eine kontinuierliche Meinungsforschung, die Einschätzungen und Einstellungen der Zuschauer erhebt. Die britische Broadcasting Standards Commission (BSC) ist dagegen beispielsweise auf Forschung verpflichtet, die sich explizit von der kontinuierlichen Erhebung von Einschaltquoten abheben soll (vgl. Millwood Hargrave 1991; www.bsc.org.uk/info/inbdy1.htm). Die deutschen Regulateure und Medienschaffende wissen nicht, was Zuschauer abschreckt und ärgert. Solches Wissen systematisch bereitzustellen, unabhängig von Zensurmaßnahmen, müsste eine vorrangige Aufgabe der Rundfunkregulation sein. Auf akteursspezifischer Ebene ist bei der Regulation an die Beteiligung von Wissenschaftlern aus der anwendungsbezogenen Publikumsforschung zu denken und auch an Marketing- und Werbeforscher, also an Vertreter derjenigen Berufsgruppen, die sich professionell mit Zuschauerforschung beschäftigen. Entsprechend sind auch Medienpraktiker wie Redakteure und Produzenten miteinzubeziehen. Es ging in der Untersuchung darum, die zugrundeliegenden Strukturen und Bedingungen eines öffentlichen Diskurses zu analysieren, um dadurch letztlich auch eine bessere Regulation zu ermöglichen. Die Absicht ist, zu einer Entpolemisierung und damit Rationalisierung der Diskussion über Mediengewalt beizutragen. Dadurch soll die Problematik der Gewalt in den Medien nicht etwa banalisiert werden, sondern es geht vielmehr darum, die Interessen und Ängste von Zuschauern gesellschaftspolitisch ernst zu nehmen. Dazu müssen die objektiven Bedingungen unvoreingenommen betrachtet werden, um angemessener als bisher auf die zugrundeliegende Problemkonstellation reagieren zu können. Alternative Regulationsmaßnahmen sind umsetzbar, aber möglicherweise gegen die Interessen so mancher der beteiligten Akteure.

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Anhang

Tabellen
Tabelle 1: Öffentliche Zustimmung zu einem Verbot von Gewalt im Fernsehen ......................... 119 Tabelle 2: Öffentliche Zustimmung zu einem Verbot von Sex im Fernsehen............................... 120 Tabelle 3: Zuviel Gewalt im deutschen Fernsehen......................................................................... 122 Tabelle 4: Anzahl der Fundstellen für "Gewaltdarstellung" als Schlag- oder Stichwort in der Deutschen Nationalbibliographie (DNB) 1991-1997 im Vergleich ............................. 135 Tabelle 5: Anzahl der Fundstellen für das Schlagwort "Gewalt und Medien" in der Internationalen Bibliographie der Zeitschriftenliteratur (IBZ) 1994-1997/1 im Vergleich ................... 136 Tabelle 6: Fundstellen für das Schlagwort "Gewaltdarstellung" in "WDR-Hörfunk und Fernsehen. Aufsatznachweis aus Zeitschriften und Sammelwerken" von 1975-1999.................... 137 Tabelle 7: Auswertung der kombinierten Schlagwortsuche "Fernseh*" und "Gewalt*" in der Literaturdatenbank SOLIS 1970-1999 .......................................................................... 138 Tabelle 8: Auswertung der kombinierten Freitextsuche "Fernseh*" und "Gewalt*" in der Datenbank sozialwissenschaftlicher Forschungsprojekte FORIS 1990-1999 .............. 139 Tabelle 9: Anzahl der Mitarbeiter der LMAs 1994, 1996 und 1997.............................................. 157 Tabelle 10: Stellen im Bereich Programm im Vergleich zur Stellenzahl insgesamt 1994 .............. 158 Tabelle 11: Anzahl der Gremienmitglieder der Landesmedienanstalten 1998 ................................ 159 Tabelle 12: Einnahmen der Landesmedienanstalten 1993, 1994 und 1997 ..................................... 161 Tabelle 13: Private Fernsehprogramme und die Zuständigkeit der Landesmedienanstalten........... 164 Tabelle 14: Ausgaben der Landesmedienanstalten für Forschung 1993, 1994 und 1997 ............... 197

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Anhang

Verzeichnis der Spielfilme und Serien
Airwolf (Airwolf), USA 1984, 79 Folgen a 45 Min., SAT.1 April 1986-Februar 1988 (36 Folgen), RTL November 1989-August 1992 (36 Wiederholungen und 43 neue Folgen), VOX September 1993-April 1995 (79 Folgen) Aktenzeichen: XY... ungelöst (Aktenzeichen: XY... ungelöst), Deutschland, ZDF seit 1967 Brennpunkt L.A. (Lethal Weapon II), USA 1988, Regie Richard Donner, Erstaufführung 28.9.1989 Brennpunkt L.A. – Die Profis sind zurück (Lethal Weapon 3) USA 1992, Erstaufführung 27.8.1992 Die Brücke (Die Brücke), BR Deutschland 1959, Regie Bernhard Wicki, Erstaufführung 20.10.1959 Chucky 3 – Die Mörderpuppe ist wieder da (Child's Play 3), USA 1991, Regie Jack Bender, Erstaufführung 04.11.1992 (Video) Independence Day (Independence Day), USA 1996, Regie Roland Emmerich Jurassic Park (Jurassic Park), USA 1993, Regie Steven Spielberg, Erstaufführung 02.09.1993 Der König der Löwen (The Lion King), USA 1993, Regie Roger Allers, Rob Minkoff, Erstaufführung 17.11.1994 Lethal Weapon 4 (Lethal Weapon 4), USA 1998, Regie Richard Donner, Erstaufführung 13.08.1998 Männer - hart wie Eisen (The Hook), USA 1962 s/w, Regie George Seaton, Erstaufführung 01.11.1993 Natural Born Killers (Natural Born Killers) USA 1994, Regie Oliver Stone, Erstaufführung 27.10.1994 Power Rangers (Mighty Morphin Power Rangers), USA 1993, 245 Folgen a 25 Minuten, RTL seit April 1994Pulp Fiction (Pulp Fiction), USA 1993, Regie Quentin Tarantino, Erstaufführung 03.11.1994 Rambo II – Der Auftrag (Rambo: First Blood Part II), USA 1985, Erstaufführung 12.09.1985 Die Sünderin (Die Sünderin), BR Deutschland 1950, Regie Willi Forst, Erstaufführung 18.01.1951 Sesamstraße (Sesame Street), USA 1969, ARD (später WDR, Kinderkanal) seit 1972 Die Sendung mit der Maus (Die Sendung mit der Maus), Deutschland, ARD (WDR) seit 1973 Stirb langsam (Die Hard), USA 1987, Regie John McTiernan, Erstaufführung 10.11.1988 Stirb langsam 2 (Die Hard 2 / Die Harder), USA 1989, Regie Renny Harlin, Erstaufführung 25.10.1990 Tag X (Tag X), Deutschland 1994, Reportermagazin RTL 03.01.1994-28.03.1994 Tanz der Teufel (The Evil Dead), USA 1982, Regie Sam Raimi, Erstaufführung 10.02.1984/Neustart März 1993 Tanz der Teufel II – Jetzt wird noch mehr getanzt (Evil Dead - Dead by Dawn), USA 1986, Regie Sam Raimi, Erstaufführung 28.01.1988 Terminator (The Terminator), USA 1984, Regie James Cameron, Erstaufführung 15.03.1985 Terminator 2 – Tag de Abrechnung (Terminator 2 – Judgment Day), USA 1990, Regie James Cameron, Erstaufführung 24.10.1991 The Rock – Fels der Entscheidung (The Rock), USA 1996, Regie Michael Bay, Erstaufführung 11.07.1996 Jim Carroll – In den Straßen von New York (The Basketball Diaries), USA 1994, Regie Scott Calvert, Erstaufführung 05.10.1995 Schatten der Vergangenheit (Dead Again), USA 1990, Regie Kenneth Branagh, Erstaufführung 20.02.1992 Twister (Twister), USA 1996, Regie Jan de Bont, Erstaufführung 05.09.1996

Verzeichnis der Spielfilme und Serien

265

Traum meines Lebens (Summer Madness / Summertime) England 1954 s/w, Regie David Lean, Erstaufführung 30.09.1955 Winnetou I (Vinetu I), BR Deutschland/Jugoslawien/Frankreich 1963, Regie Harald Reinl, Erstaufführung 11.12.1963 Winnetou II (Vinetu II), BR Deutschland/Jugoslawien/Frankreich 1964, Regie Harald Reinl, Erstaufführung 17.09.1964 Winnetou III (Vinetu III), BR Deutschland/Jugoslawien 1965, Regie Harald Reinl, Erstaufführung 14.10.1965 X-Ray – Der erste Mord geschah am Valentinstag (X-Ray), USA 1981, Regie Boaz Davidson, Erstaufführung 1973 (Video) Zwei stahlharte Profis (Lethal Weapon), USA 1986, Regie Richard Donner, Erstaufführung 10.09.1987

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...PEST Analysis One way of planning your business is to undertake a PEST analysis.1 PEST analysis involves looking at the Political, Economic, Socio-cultural and Technological factors that could affect your business. Every business needs to consider a range of external forces in order to take decisions. For many people imagination is very limited and is coloured solely by their own experience and personal beliefs. This can lead to wish fulfilment or a refusal to see reality or recognise the critical changes that are happening in the world around them. It can also lead to grabbing short-term solutions that, if they do not exacerbate problems, certainly ignore the longer term. In the business world pressure is often applied to take decisions quickly, acting on judgement and instinct rather than careful analysis. There are many driving forces in the external environment that might impact on your business. These can be categorised as: • Social; • Technological; • Economic; • Environmental; and • Political. Social forces Social forces include, for example, changing demography and education, etc. The population in Western Europe is relatively static, but the age bands are changing. The number of older people, for example, is growing rapidly. Technological forces Technological forces are changing dramatically quickly. What effects will this have on your production, marketing and distribution plans? Depending on your market, technology might either raise or lower entry barriers...

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...ROLE ANALYSIS: SOME DEFINITIONS WHAT IS A ROLE? A Role is defined as the “position an individual occupies in a organization, and is identified by the functions and activities he/she performs, in response to the “expectations” of “significant members” in the organization and organizational requirements. WHO IS A ROLE OCCUPANT? The individual who occupies that role is called the Role Occupant. WHO ARE ROLE SET MEMBERS? “Significant members” are those members with whom the Role Occupant has a direct relationship with, which leads them to have certain expectations from the Role Occupant. These ‘significant members’ are called the Role Set members. HOW DOES ROLE ANALYSIS HELP? The process of analyzing the role is termed as a Role Analysis exercise. In a Role Analysis exercise, the role being analyzed is called the Focal Role. A Role Analysis exercise reduces role ambiguity, role conflicts, individual stress and general dissatisfaction from the Role Set members. WHAT ARE KEY RESPONSIBILITIES? KRs are broad group of activities that reflect the main contribution of the Role to the organization and its members. It is more developmental and value added in nature, and spans a long-term horizon. It is therefore defined by what the person can do, based on his/her own assessment as well as those of role set members, who feel the role occupant can perform, with support and training. WHAT ARE ROUTINE RESPONSIBILITIES? RRs are those activities, mainly of a maintenance type...

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...------------------------------------------------- Running header: Job Analysis Methods ------------------------------------------------- Abstract Examination of different methods utilized to create a comprehensive job analysis, including advantages and disadvantages of all approaches. There are several methods that can be utilized to create a comprehensive job analysis. A job analysis provides a better understanding of the positions within an organization, which will allow the recruitment process to be more focused, consistent and thorough. The first method that can be employed to create an effective job analysis is the Critical Incidents Technique. This technique identifies circumstances that arise in a current position, what action was taken, and the consequences of the action, to identify the effective and ineffective behaviors in job performance. These critical situations are documented by interviewing former jobholders, supervisors, or by reviewing documents and logs from the job. Job duties are examined, and then critical incidents are identified to determine poor or good performance issues related to a specific job requirement. This technique is useful for covering job events that may not be covered in a general job description. Identifying atypical circumstances that may arise in a position can aid in finding a candidate that would be an ideal fit. Reviewing these critical incidents also enable the recruitment process to be shaped to include more pointed questions...

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...BLEND TWO COUNTRY ANALYSIS ITALY Task: You will carry out an analysis of Italy today in order to have a general idea of its current state of affairs. To do this you will visit several sites to gather the necessary information. This information should then be transferred in note-form onto the table below. You will then use these notes to give a short, informal presentation during the following class session. Procedure: You will use a well-known analytical tool: THE PEST ANALYSIS. Although this tool was originally created for the business environment, it is now used in many sectors to analyse organisations, projects and systems. STEP ONE: WHAT IS A PEST ANALYSIS 1. First you need to find out what a PEST analysis is: Go to http://www.rapidbi.com/created/the-PESTLE-analysis-tool.html#political Read quickly through the information and write short answers to the following questions: What sort of picture does a Pest analysis offer? Why is it important to take these factors into account? What are some common uses of the Pest? In what situation might you use a Pest in your own professional context? The Table below gives some of the indicators which may be relevant for each category. Can you think of any other factors to consider? Add them to the corresponding column. PEST ANALYSIS TEMPLATE Political / Legal Economic Social Technological - Government organisation / attitude - Economic growth (overall; by industry sector) - Income...

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...the time to look at the macro and the micro environments when completing their business plans and strategies. These external forces will play a big part in shaping the final outcome of the ultimate corporate achievement. Yet, most managers focus only on internal factors and it is fair to say that sales growth and profits remain high on their agenda. The macro environment tends to have a long term impact and requires extensive research. Couple this with the fact that many managers are over worked and under resourced and we begin to see why the process is often not completed. There is no published evidence to confirm this hypothesis, just anecdotal hearsay. The remainder of this article will illustrate an example of a Macro or PESTLE analysis for the pharmaceutical industry. It is set at a very general level but it can be used as a template or adapted to be more specific if required: Political There is now growing political focus and pressure on healthcare authorities across the world. This means that governments will be looking for savings across the board. Some of the questions the industry should ask are: What pressures will be put on pricing? What services will be cut? Will the same selection of drugs be available to everyone? In addition to this, could there be more harmonization of healthcare systems across Europe or the USA? What impact will reforms have on insurance...

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...impact on Sino Techfibre 14 5.1 SWOT analysis 14 5.1.1 Strengths 14 5.1.2 Weaknesses 14 5.1.3 Opportunities 14 5.1.4 Threats 15 5.2 Globalisation 16 5.3 Porter’s five forces 16 6.0 Profit/loss statement 18 7.0 Balance sheet 19 8.0 Assumptions and predictions for 2010, 2011 and 2012 22 9.0 Evaluation of financial performance 22 9.1 Operating profit margin 23 9.2 Interest expense rate 23 9.3 Financial leverage multiplier 24 9.4 Tax retention rate 24 9.5 Total asset turnover 25 9.6 Return on equity (ROE) 25 10.0 Valuation process 26 10.1 Beta coefficient (β) 26 10.2 Risk-free rate (Rf) 26 10.3 Expected return on market portfolio (Rm) 27 10.4 Risk premium 27 11.0 Dividend discount model (DDM) 28 12.0 Free cash flow to equity (FCFE) model 30 13.0 Price/Earnings (P/E) ratio model 32 14.0 Net tangible asset backing model 34 15.0 Price/Book value (PBV) ratio model 35 16.0 Valuation and recommendation 36 17.0 Reference 38 18.0 Bibliography 40 19.0 Appendix 41 Executive summary This report seeks to achieve successful investment strategies, which requires discipline, patience and a good foundation in the concepts of finance and investment, through a fundamentalist top-down approach to analyse and value a listed public organisation. Sino Techfibre Limited will be the basis for the valuation analysis. Firstly, a brief description of the company will be provided. Next, an analysis...

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...Jameelah Ross Case 5 Module 5 Factor analysis of survey data confirmed three factors: comfort with research and statistics; the relationship of research and statistics to work; and interest in research and statistics. Pre- and post-survey and achievement data has to be gathered, as well as demographic data. In the quest to improve post-secondary learning environments, team teaching as an androgogical tool has enjoyed sporadic attention, both historically and institution-ally. Instructors and students who have participated in collaboratively taught classes enthusiastically outline its benefits as compared to solo-taught courses. Some recommend team teaching as a fairly low-cost, yet innovative, method of enhancing instruction. “Team teaching most often refers to two or more faculty members who jointly produce a course (Davis,1995). The arrangements vary considerably among teams, and there seems to be little agreement on what constitutes the team part of team teaching or even what to call the arrangement—team teaching, co-teaching, co-enrollment, collaborative teaching, or cooperative teaching. However, empirical analysis of this practice remains scant, particularly over the last two decades. Thus, this study seeks to contribute to a fuller understanding of the efficacy of team teaching as a tool for the improvement of teaching and learning. In so doing, it asks and answers: Is there a statistically significant difference in student...

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...Abstract This paper will include results regarding the following analysis: Benefits versus Intrinsic, Benefits versus Extrinsic, and Benefits versus Overall Job Satisfaction. Charts and graphs have been included into this report.   Introduction The information that is provided in the charts and graphs shows the statistical numbers based on the number of employees that were included in the company survey. You will see the differences and similarities between the three categories provided. Benefits and Intrinsic Job Satisfaction Regression output from Excel SUMMARY OUTPUT Regression Statistics Multiple R 0.057961607 R Square 0.003359548 Adjusted R Square -0.012460142 Standard Error 1.08903837 Observations 65 ANOVA df SS MS F Significance F Regression 1 0.251866 0.251866 0.212365 0.646507 Residual 63 74.71829 1.186005 Total 64 74.97015 Coefficients Standard Error t Stat P-value Lower 95% Upper 95% Lower 95.0% Upper 95.0% Intercept 4.8423386 0.424293 11.41273 5.62E-17 3.994457 5.69022 3.994457 5.69022 Benefits 0.03929547 0.085271 0.460831 0.646507 -0.1311 0.209696 -0.1311 0.209696 Graph Benefits and Extrinsic Job Satisfaction Regression output from Excel SUMMARY OUTPUT Regression Statistics Multiple R 0.324324066 R Square 0.1051861 Adjusted R Square 0.090982705 Standard Error 0.570612506...

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Pest Analysis

...PEST and PESTLE analysis is a framework used in the environmental scanningcomponent of strategic management. Under PEST and PESTLE analysis are externalfactors which are the major players in the success and failure of an organization. Politicalfactor is the government intervention in the economy. This includes tax policy, labour andenvironmental law, trade restrictions, tariffs, and political stability. Under Economic factor iseconomic growth, interest and inflation rates. These factors directly affect the cost of capitalin business operation as well as the costs in exporting goods and the supply and price of theimported goods in the economy. Social factors include cultural aspects, population growthrate, health consciousness and age distribution while... PEST Analysis The PEST analysis is a useful tool for understanding market growth or decline, and as such the position, potential and direction for a business. A PEST analysis is a business measurement tool. PEST is an acronym for Political, Economic, Social and Technological factors, which are used to assess the market for a business or organizational unit. Political The political area has a huge influence upon the regulation of a business and the spending power of consumers and other businesses. Before I put my product on the market I need to consider issues such as: Tax policy: I will need to look at certain levels of tax. If tax is high it can affect the incomes of customers and it might...

Words: 662 - Pages: 3

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Job Analysis and Rewards

...Chapter 04 Job Analysis and Rewards Answer Key   Changing Nature of Jobs   True / False Questions   1. In most modern organizations, jobs are largely well established and change little over time.  FALSE   2. Job analysis is the process of studying jobs in order to gather, analyze, synthesize, and report information about job requirements.  TRUE   3. Competency based job analysis seeks to identify and describe the specific tasks, KSAOs, and job context for a particular job.  FALSE   4. The traditional way of designing a job is to identify and define its elements and tasks precisely and then incorporate them into a job description.  TRUE   5. Traditional job design is marked by formal organization charts, clear and precise job descriptions and specifications, and well-defined relationships between jobs.  TRUE   6. Changes to jobs have become so radical that the concept of "jobs" is no longer a useful concept in most organizations.  FALSE   7. Advances in technology are one of the major reasons for changes in jobs.  TRUE   8. A job family is a grouping of positions that are similar in their tasks and task dimensions.  FALSE   9. The smallest unit into which work can be divided without analyzing separate motions, movements, and mental processes is called an element.  TRUE   10. Many small-business owners, general managers of start-up strategic business units, and top management members perform flexible jobs...

Words: 3120 - Pages: 13

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Business Analysis, Swot Analysis

...SUMMARY Over 6 years of Business Analysis experience with in-depth knowledge of business processes in health care, banking and financial industries ▪ Experienced in interacting with business users to identify their needs, gathering requirements and authoring Business Requirement Documents (BRD), Functional Requirement Document (FRD) and Software Requirement Specification (SRS) across the deliverables of a project. ▪ In-Depth Knowledge in facilitating Joint Application Development (JAD), Rapid Application Development (RAD) and Joint Requirement Planning (JRP) sessions, interviews, workshops and requirement elicitation sessions with end-users, clients, stakeholders and development team. ▪ Strong Knowledge with Iterative approach for Software Development as per Rational Unified Process (RUP). Involved in inception, elaboration, construction & transition phases using rational tools like Requisite Pro, Clear Case and Clear Quest during various phases of RUP. ▪ Experienced in Business Analysis, SWOT Analysis, Gap Analysis, Risk Analysis, Disaster Recovery Planning, Testing and Project Planning. ▪ Extensive knowledge of Medicaid, Medicare, Procedural and Diagnostic codes and Claims Process. ▪ Expertise in EDI and HIPAA Testing Privacy with multiple transactions exposure such as Inbound Claims 837-Institutional, 837-Professional, 837-Dental, 835-Claim Payment/Remittance Advise, 270/271-Eligibility Benefit Inquiry/Response, 276/277-Claim Status Inquiry/Response...

Words: 2730 - Pages: 11

Premium Essay

Walmart Pest Analysis.

...Environmental background- Every company uses a tool to check and track the environment they are operating. Walmart uses the PESTLE analysis, which sometimes reffered as PEST analysis, is a concept of marketing principles . Moreover, this comcept is used as a tool by companies to track the environment they are operating in or planning to launch new product or service. PESTLE is a mnemonic which expanded form donates to P-Political, E- Economic, S-Social, T- Technology, L-Legal, and E-Environmental. Let’s see the few below for Walmart- • Political and Legal Environment Walmart donates to the governor but at times it still faces some huge problems like- locking up the employees in store at night, fake sustainability displays, gender discrimination, labor union problems, etc. Till 1998 no steps has taken towards the political aspect and in 2006 it rises up as the No. 1 corporate political contributor. Unstable government also caused hindrance in the path of company expansion. For instance- Walmart was unable to expand in South Africa due to unstable and no proper direction government. • Economic Environment Fortune Magazine named Wal-Mart the nation's most admired company. It now has more revenue and more employees than any other U.S. company. Wal-Mart's growth over the last decade is unprecedented -- the company has gone from being a successful discount retailer to being a dominant force that no other retailer can ignore. When recession hits US, Walmart is one of the...

Words: 368 - Pages: 2

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Swot Analysis

...Strategic Management: SWOT analysis’ advantages and disadvantages Decision-making and problem-solving techniques Strategic Management is defined as a set of managerial decisions and actions that determines the long-run performance of a corporation. It includes a variety of tools and analysis which help implement, evaluate and control the general strategy of a company. Strategy formulation begins with a situational analysis and it emphasises the monitoring and evaluating of external opportunities and threats in light of a corporation´s strengths and weaknesses (Wheelen and Hunger, 2006; Saloner et al., 2001). Objective The objective of this report is to describe, analyse and discuss advantages and disadvantages of a concept named SWOT which is an acronym for Strengths, Weaknesses, Opportunities and Threats. These concepts are frequently used as tools for analyzing the external environment of an organisation as well as the internal factors that constitutes its structure (Wheelen and Hunger, 2006). History SWOT analysis came from a research conducted at Stanford Research Institute in the 1960´s. The creation of the SWOT analysis comes from the need to find out why corporate planning failed. The research was funded by the fortune 500 companies to find out what could be done about this. Albert Humphrey together with his team began testing this tool and it suddenly became a corporate planning trend, which seemed to appear first at Du Pont in 1949 (Morrison, 2009; Friesner...

Words: 2571 - Pages: 11

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5c Analysis

...5C Analysis While a situation analysis is often referred to as the "3C analysis", the extension to the 5c analysis has allowed businesses to gain more information on the internal, macro-environmental and micro-environmental factors within the environment. The 5C analysis is considered to be the most useful and common method in analyzing the market environment due to the extensive information it provides to a business. Company The analysis of the company allows for the evaluation of the company's objectives, strategy and capabilities. These areas indicate to an organization about the strength of the business model or whether there are areas for improvement, as well as how well an organization will fit with the external environment. Goals & Objectives: An analysis on the mission of the business, the industry of the business and the stated goals required to achieve the mission. Position: An analysis on the Marketing strategy and the Marketing mix. Performance: An analysis on how effectively the business is achieving their stated mission and goals. Product line: An analysis on the products manufactured by the business and how successful it will be in the market. Competitors The competitor analysis takes into consideration the competitors position within the industry and the potential threat it may pose to other businesses. The main purpose of the competitor analysis is for businesses to analyze both the current and potential nature and capabilities of a competitor in...

Words: 762 - Pages: 4