Free Essay

Sachunterricht

In:

Submitted By sophiechen
Words 844
Pages 4
Kognitive Karten oder Mental Maps

Um mit der Komplexität der Welt umgehen zu können, konstruieren sich Menschen „Modelle der Welt“ (Seel, In: Schmeinck 2007, S. 51). Bereits im Kindesalter strukturieren sie ihr Wissen und bauen sogenannte Alltagskonzepte auf. Diese Konzepte werden nicht nur durch gemachte Erfahrungen sondern auch durch individuelle Einstellungen und Interessen geprägt. Das Bild, das wir uns von der Welt machen ist sowohl subjektiv als auch selektiv und bewertend (Adamina 2008, S.36).
In den 80er Jahren des 20. Jahrhunderts legten Downs und Stea (1982) in ihrer Auseinandersetzung mit kindlichen Weltvorstellungen mit dem Begriff „maps in mind“ die Grundlage für die Erforschung der raumbezogenen, kindlichen Vorstellungen. Bei der Begriffserläuterung kommt es vor allem auf die individuellen und subjektiven Aspekte des Modells an. Mental Maps setzen sich laut Adamina (2008) aus „subjektiven Wahrnehmungen und Verarbeitung von Eindrücken und Informationen zu Situationen und Begebenheiten“ zusammen. (S. 36) Dabei variieren Komponenten wie Größenverhältnisse und Distanzen je nach persönlichen Erfahrungen und werden nach individuellem Empfinden eingeschätzt. In Deutschland wird dieses Konzept synonym mit den Begriffen „kognitive Karten“ oder „gedankliche/ subjektive Karten“ beschrieben.
Adamina (2008) nennt Faktoren wie Interessen, Motivation und Emotionen als 'Filter' für die Konstruktion der mentalen Modelle. (S. 36) Downs und Stea (1982) beschreiben „maps in mind“ als Momentaufnahmen der Welt, die als Spiegelbilder der persönlichen Weltvorstellungen dienen. (S. 24) Demnach lassen sich aus der Betrachtung der mentalen Karten Rückschlüsse darauf ziehen, wie die jeweilige Person seine Umwelt bewertet und sich selber in ihr sieht. Schniotalle (2003) und Deinet (2005) merken den sozialwissenschaftlichen Aspekt der Raumorientierung als neue Tendenz in diesem Bereich an. (Schniotalle S. 53, Deinet, S.27) Bis noch vor einigen Jahren wurde vor allem die raumwissenschaftliche Perspektive betrachtet. Die soziologische Perspektive ist hingegen ein wichtiger Bestandteil der mentalen Karten, da es für die Entwicklung der Orientierung im Raum besonders wichtig ist, wie sich der Mensch im Raum verhält und in welchem Verhältnis er sich zum Raum sieht. (S. 53) Schniotalle (2003) sieht besonders in der deutschen Bezeichnung einer „Karte“ die Gefahr, dass dabei die soziologischen Aspekte des Modells leicht übersehen werden. Daher versteht sie das Konzept der „kognitiven Karten“ als „eine kartenähnliche geistige Abbildung (…), die sich aus gegenwärtigen und vergangenen subjektiven Wahrnehmungen, Gefühlen, Meinungen und dem Verstand zusammensetzt.“ (Schniotalle 2003, S.54)
Seel (1971) schreibt den gedanklichen Gerüsten unterschiedliche Funktionen zu. Zum einen dienen sie dazu, komplexe Phänomene und Sachverhalte zu vereinfachen und auf grundlegende Merkmale zu reduzieren. Zum anderen werden Phänomene und Sachverhalte veranschaulicht, die nicht selber beobachtbar sind, sondern nur auf allgemein anerkannten Darstellungen beruhen. Weiterhin fungieren Alltagsmodelle dazu, sich komplexe Erscheinungen durch Analogiebildung zu erklären. (Seel, In: Schmeinck 2007, S. 51-52)

Nahm man lange Zeit an, dass auch die räumliche Orientierung bestimmten Entwicklungsphasen nach verläuft (konzentrische Kreise vom Nahen zum Fernen), so fand Mitte der 80'er Jahre durch neue Einsichten in die kognitive Entwicklung von Kindern eine Umorientierung statt. Demnach unterliegt das räumliche Vorstellungsvermögen von Kindern nicht ausschließlich dem Erreichen eines bestimmten Alters. Vielmehr gilt das Anknüpfen an Vorwissen- und erfahrungen seither als Möglichkeit Bereiche wie die Raumorientierung schon im Grundschulunterricht zu fördern. (Schniotalle 2005, S. 40) Es soll im Unterricht an das Vorwissen der Schülerinnen und Schüler angeknüpft werden und die bestehenden Vorstellungen durch wissenschaftliche Fakten ergänzt oder verändert werden. Laut Schmeinck (2007) besteht dabei die Gefahr, dass die Schülerinnen und Schüler ihre vorhandenen Präkonzepte nicht modifizieren, sondern neue Informationen an die bestehenden Vorstellungen anpassen, um das bestehende Wissen aufrecht zu erhalten. (S. 52) Im Zuge von Lehr- und Lern- Forschungen zum Anknüpfen an Vorwissen der Schülerinnen und Schüler wurde der Ansatz „Conceptual Change“ eingeführt. Dabei geht es nicht darum das Weltbild der Kinder durch eine „wissenschaftlichere Version“ zu ersetzen. Es soll den Lernenden anstelle dessen aufgezeigt werden, dass ihr persönliches Konzept Grenzen aufweist und das durch das Heranziehen naturwissenschaftlicher Vorstellungen eine Orientierung im Raum gewährleistet werden kann. (Schmeinck 2007, S. 53)

Durch den Einsatz von mental maps zeigten die Studien von Gould (1986), welche kartographischen Vorstellungen Kinder im Grundschulalter (sieben- zehnjährige) aufbauen und wie sie sich im Laufe der Zeit verändern. Schlussfolgernd aus den Ergebnissen der Untersuchung stellt Gould die These auf, dass Informationen zunächst nur punktuell im Raum verteilt werden. Erst mit gemachten Erfahrungen bilden sich zwischen den „Informationsinseln“ „Korridore“ aus und verbinden die Knotenpunkte netzartig miteinander. Punktuelle Informationen zu denen keine direkten Erfahrungen bestehen, bleiben unverbunden. Die kindlichen Modelle werden gespeist durch Informationen, die vor allem durch die mediale Vielfalt nicht mit dem direkten Umfeld der Kinder endet und so bleiben immer öfter Vorstellungen von Fernräumen isoliert. Daher soll im Unterricht versucht werden mit kartographischen Medien „Korridore“ herzustellen und ein grobes räumliches „Orientierungsraster“ zu schaffen. (In Schniotalle 2003, S. 63) Grundschüler bringen unterschiedlichste Vorstellungen von der Welt mit in den Unterricht und spüren laut Schniotalle immer mehr das Bedürfnis sich in dieser Welt zurechtzufinden. (Schniotalle, In: Grundschule 11/2005, S. 40) Die Orientierung im Raum wird durch die Verknüpfung der „Informationsinseln“ ermöglicht. Umso mehr Verbindungen in der geistigen Vorstellung gemacht werden, umso einfacher findet sich der Schüler/die Schülerin in der Welt zurecht. (Adamina 2008, S. 38)

Similar Documents