Der Weg führt über summende Wiesen auf einen Hügel. Die Sonne steht tief und verbreitet mit letzter Kraft eine angenehme Wärme. Der Weg ist gesäumt von Felsblöcken. Vermutlich stammen diese von den Ruinen, die überall zerstreut an etwas erinnern, das schon lange nicht mehr ist. Der Duft nach Lavendel und anderen Pflanzen erfüllt die Luft, als ein markerschütternder Schrei einer Frau die ruhige Atmosphäre in einen klammen, krampfartigen Schmerz verwandelt. Die Frau schreit mit der selben Intensität weiter, auch dann noch, als ihre Stimme ihre Menschlichkeit verloren hatte und nur noch als furchterregendes Brüllen unter grausamstem Schrecken wahrgenommen wurde. Die kleine Gruppe schaut auf. Alle verzerren ihre Gesichter auf eine grausame unmenschliche Weise, sie schluchzen und stöhnen, manche nässen sich ein, andere übergeben sich so heftig, dass ihre Gesichtshaut von geplatzten Adern strotzten. Sie hatten den Hügel erreicht, ein mittelgrosses Plateau, das in eine grosse Felsenspitze ausläuft. In den Fels waren grosse Köpfe eingemeisselt, welche mit strengem Blick gen Sonnenuntergang starrten. Gegenüber, wo das Plateau endete, sah man eine Vorrichtung, ebenso in den Fels gemeisselt. Am auffälligsten war das riesige, rechteckige Loch in der Mitte des Plateaus, welches mit massiven Eisenbalken verriegelt war. In dieser Kulisse, bot sich der Gruppe eine wahnsinnige Szene. Die Wärter, welche sie in ihren Uniformen und Masken auf den Hügel begleitet hatten, banden sie an einen langen Holzpfahl und begaben sich zu den anderen, wo sie sich mit leise zischenden Stimmen unterhielten. Bei der gemeisselten Vorrichtung standen einige Wärter und ein Mann in einer auffälligen Schürze. Die Gruppe sah, dass die Schürze sowie die Glatze, die Hände und das feine Skalpell, welches er trug, von Blut getränkt war, welches in der Abendsonne orange glänzte. Die Quelle des Blutes konnte die verängstigte Gruppe nicht ausmachen. Einige drehten sich um, damit sie das grausame Schauspiel nicht erblicken müssten, welches sich bald zu ereignen drohte. Zwei Wärter kamen zurück und lösten einen jungen Mann von der Kette. Sie eskortierten ihn zur Vorrichtung, wo das Skalpell lächelnd auf ihn wartete. Er wurde auf einen hölzernen Stuhl gesetzt, welcher an die Aussenwand der Vorrichtung befestigt war. Seine Arme wurden an den Gelenken von Lederschleifen befestigt, ebenso seine Beine und sein Hals. Sie setzten ihm eine groteske Maske auf, worauf prompt zwei Blutrinnsale ihren Weg über die Wangen und dann als Tropfen auf das Holz flossen. Das Winseln und schlucken des Mannes schienen die Wärter nicht zu bemerken. Die Art mit welcher sie die Prozedur verrichteten war kalt und präzis. Der einzige, der sich an der Qual des Mannes ergötzte, war das Skalpell. Erst als der junge Mann sich sprudelnd und hustend übergab und damit die ganze Vorrichtung verspritzte, packte ein Wärter einen Knebel und stopfte ihn erst durch eine Öffnung in den Anus des Mannes, danach in seinen Mund. Dann wurde er auf einer Schiene wenige Meter über die Klippe geschoben und fixiert. Das Schreien begann.

Ich hielt nie viel von Vernissagen. Dennoch hatte ich im Kulturmagazin schon vieles von diesem Künstler gehört und folgte meinem Interesse. Die Bilder waren morbid, kalt und dennoch lag etwas leidenschaftlich, feuriges darin. Oft verwendete der Künstler ovale Formen. Ich dachte zuerst an Eier. Viele der Bilder beinhalteten eierförmige Formen, welche kleinere ebenso eierförmige Formen beinhalten. Ich, als Kulturbanause versuchte die Kunst zu interpretieren, gab es jedoch schnell auf. Ich fand keine sinnvolle Zusammenhänge und entschuldigte meine Unfähigkeit durch die typische Argumentation „Die Postmoderne lässt dem Beobachter ein breites Spektrum an Interpretationsfreiheit.“ Ich begab mich in meine kleine dunkle Wohnung. Durch das Fenster starrend, rauchte ich eine Zigarette und bemerkte ein klammes Gefühl, wie ich es noch nie hatte. Wo war eigentlich der Künstler fragte ich mich. Der sollte sich doch an einer Vernissage vorstellen und den Leuten Fragen beantworten. Da war es. Blitzartig schoss mir ein Bild eines glatzköpfigen alten Mannes durch den Kopf. Wo hatte ich ihn gesehen. Sein Gesicht war lang und kantig. Seine Haut runzlig doch sein Blick feurig, seine Augen. Seine Augen glichen schwarzen Kohlen mit einem rotschimmer, welches abermals in das tiefe schwarz, aus dem Albträume gemacht sind, überging. Ich schlief nicht gut in jener Nacht. Mir war schlecht und mein Kopf pochte. Am nächsten Morgen las ich die Zeitung. Im Kulturteil nichts über die Vernissage. Verwundert legte ich die Zeitung weg. Die Vernissage fand im Keller der Nationalgalerie statt. Sonst bringen sie in der Zeitung jedes Schülerkonzert und jede Schmuddel-öko-ausstellung. Ich legte mich nochmal ins Bett, da ich von der üblen Nacht noch recht angeschlagen war. grausame Qualen, schreiende Menschen, ein Meer aus Körpern, eine Geographie des Fleisches, Das Geräusch von labenden Aasfressern, die Sonne brennt ihre letzten Strahlen auf das Plateau, die Schreie erlöschen, der Albtraum beginnt...
Ich wache schweissgebadet auf. Wo war dieser Ort? Was war das? Ich konnte mein Drang nach Aufklärung nicht unterdrücken. Ich musste wissen wo dieser Ort ist. Prompt durchforstete ich das Netz und stiess bald auf eine Ruine auf einem Plateau, kaum eine Stunde mit dem Auto. Ich packte meinen Rucksack und meinen Block und schwang mich ins Auto.
Ich parkiere auf einem Kiesparkplatz. Die Idylle dieses Ortes ist unbeschreiblich. Der Weg ist gesäumt von Felsblöcken. Vermutlich stammen diese von den Ruinen, die überall zerstreut an etwas erinnern, das schon lange nicht mehr ist. Der Duft nach Lavendel und anderen Pflanzen erfüllt die Luft, ich höre ein Flugzeug hoch oben die Luft zerschneiden. Erschöpft erreiche ich das Plateau. Es bietet sich mir ein desolater Anblick. In der Mitte des Plateaus ist ein ziemlich tiefes rechteckiges Loch. Es sieht nicht natürlich aus. An den Rändern befinden sich klare Rostspuren und einige Eisenstangen. Ich dachte gleich an einen Bunker. Als ich mich jedoch über den Rand lehnte, konnte ich ausser einem modrigen Loch nichts erkennen. An der einen Klippe des Plateaus befindet sich eine Felsenspitze. Darauf kann man gemeisselte Köpfe erkennen, welche jedoch zum teil zerstört oder keine Nasen oder Ohren mehr aufweisen. Ausserdem kreuzt ein Graffitischriftzug, schmuddelig geschrieben, „Das Tor zur Hölle“, die starren Gesichter. Parallel der Köpfe, gegenüber dem Loch scheint noch so eine Art Vorrichtung in den Boden gemeisselt zu sein. Ich erkenne klare Rostspuren, wo einst Eisenplatten an den Boden geschraubt waren. Es scheint ein tolles Plätzchen für die Jugend zu sein um zu feiern. Der Sonnenuntergang muss fantastisch sein.