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Methoden Empirischer Sozialforschung - Die Beobachtung

In:

Submitted By Hanneshannes
Words 8164
Pages 33
Lehrstuhl für ABWL und Logistikmanagement
Lehrstuhlinhaber: Prof. Dr. Herbert Kotzab

Hausarbeit im Seminar Methoden empirischer Sozialforschung
Thema:

Wissenschaftliche Beobachtung

von:
Bart, Dennis - 2796944
Burlaka, Danilo - 2754658
Geuking, Tim - 2852411
Kurtz, Hannes - 2717967
Schmidt, Kathleen - 2743206
Studiengang: Betriebswirtschaftslehre/Wirtschaftswissenschaften
Adresse: Schönhausenstraße 21, 28203 Bremen (Hannes Kurtz)
Betreuer: Prof. Dr. Kotzab; Herr Wünsche
Bearbeitungszeit: 14.10.2014 – 16.03.2015

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Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis ............................................................................................................................ I
Abbildungsverzeichnis ................................................................................................................. II
Tabellenverzeichnis ..................................................................................................................... III
1. Einleitung ...................................................................................................................................... 1
.
1.1 Thematik .............................................................................................................................................. 1
1.2 Vorgehensweise ................................................................................................................................. 1
2. Beobachtung ................................................................................................................................. 2
2.1. Definition ............................................................................................................................................. 2
2.2. Geschichte der wissenschaftlichen Beobachtung .................................................................. 2
3. Bestandteile der Beobachtung ............................................................................................... 3
3.1. Das Beobachtungsfeld ..................................................................................................................... 3
3.2. Beobachtungseinheiten .................................................................................................................. 4
3.3. Beobachter .......................................................................................................................................... 4
3.4. Beobachtete ........................................................................................................................................ 5
4. Formen der Beobachtung ......................................................................................................... 5
5. Beobachtungstypen .................................................................................................................... 8
6. Entwicklung eines Beobachtungsdesigns ........................................................................... 9
6.1. Beobachtungssysteme .................................................................................................................... 9
.
6.2. Konstruktion eines Kategoriensystems .................................................................................. 11
6.3. Stichprobenproblem: .................................................................................................................... 12
7. Beobachtertätigkeit und Beobachterfehler .................................................................... 13
7.1 Beobachtereinflüsse ....................................................................................................................... 14
8. Beobachterschulung ............................................................................................................... 14
9. Technische Hilfsmittel ........................................................................................................... 15
10. Qualitativ-teilnehmende Beobachtung .......................................................................... 15
11. Relevanz und Anwendungsgebiete der wissenschaftlichen Beobachtung als
Datenerhebungstechnik ............................................................................................................. 17
12. Fazit ............................................................................................................................................ 19
Literaturverzeichnis .................................................................................................................... 21
Eidesstattliche Erklärung .......................................................................................................... 23

I

Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Klassifikation möglicher Beobachtungsformen ............................................................................ 7
Abbildung 2: Forschungsverlauf ......................................................................................................................... 16

II

Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Beobachtungsformen ............................................................................................................................ 8
Tabelle 2: Diskrepanzen zwischen Befragung und Beobachtung beim Verkehrsverhalten .......................... 18

III

1. Einleitung
1.1 Thematik
„Betrachten“, „anstarren“, „fixieren“, „hinsehen“, „im Auge behalten“, „beobachten“. Die deutsche Sprache beinhaltet eine Vielfalt von Synonymen um den Akt der visuellen
Wahrnehmung zu beschreiben. Sie bezeichnen gleichzeitig unterschiedliche Arten, die sich hinsichtlich ihrer Zielgerichtetheit und ihrer Aufdringlichkeit unterscheiden (Bortz/Döring
2011, 263).
Die visuelle Wahrnehmung kann somit je nach Ausprägung ihrer Charakteristika ein alltägliches Ereignis, welches der Orientierung in der Umwelt dient, oder eine empirische
Datenerhebungstechnik in der Sozialforschung sein (ibid.).
Der Fokus dieser Seminararbeit, liegt auf der Beobachtung als wissenschaftliche Methode.
Diese gilt neben der Befragung und der Inhaltsanalyse als eine der drei
Grunderhebungsmethoden in den Sozialwissenschaften (Häder 2006, 297).

1.2 Vorgehensweise
In Kapitel 2 erhält der Leser eine kurze Definition des Begriffes Beobachtung. Dabei wird die wissenschaftliche Beobachtung von der alltäglichen Beobachtung abgegrenzt. Der zweite Teil des Kapitels gibt einen kurzen Einblick in die Entstehungsgeschichte der wissenschaftlichen
Beobachtung.
Im darauf folgenden Kapitel werden die wesentlichen Bestandteile einer Beobachtung herausgearbeitet und umschrieben. Kapitel 4 stellt die verschiedenen Formen der
Beobachtung gegenüber und beschreibt diese ausführlich. Darauf aufbauend werden in
Kapitel 5 Beispiele für verschiedene Beobachtungstypen genannt.
Kapitel 6 leitet den letzten Teil der Arbeit ein. Hier wird die Entwicklung eines
Beobachtungsdesigns geschildert. Der Leser erhält Einblick in die verschiedenen Systeme und wie sie konstruiert werden sowie in die Stichprobenproblematik.
Gefolgt wird Kapitel 6 von einer Reihe kleinerer Abschnitte, die die Themen Beobachter
Tätigkeit und seine Fehler, Beobachterschulung und technische Hilfsmittel darlegen. Kapitel
10 charakterisiert die qualitativ-teilnehmende Beobachtung im Speziellen und grenzt diese von anderen Beobachtungsarten ab.
Abschließend soll die Relevanz der Beobachtung als Datenerhebungstechnik herausgearbeitet werden und ein Zusammenhang von wissenschaftlicher Beobachtung als empirische
Datenerhebungstechnik und wirtschaftswissenschaftlichen Disziplinen hergestellt werden.

1

2. Beobachtung
2.1. Definition
Die Methode der Beobachtung wird als „ursprünglichste“ aller Datenerhebungstechniken betrachtet. Dies liegt daran, dass bei dieser Form der Erhebung, die Nähe zu alltäglichen
Techniken zur Erlangung von Informationen besonders deutlich wird.
Der Unterschied zwischen der alltäglichen und der wissenschaftlichen Beobachtung liegt darin, dass das Verfahren bei der wissenschaftlichen Form, kontrolliert und systematisch abläuft. Außerdem sind Beobachtungsinhalte systematisiert. Es wird daher auch von der
„systematischen “ beziehungsweise der „naiven“ Beobachtung gesprochen (Schnell et al.
2013 380-381).
JAHODA/DEUTSCH/COOK sehen die wissenschaftliche Komponente der Beobachtung als empirische Datenerhebungstechnik „dann gewährleistet, wenn die Beobachtung a) einem bestimmten Forschungszweck dient, b) systematisch geplant und nicht dem Zufall überlassen wird, c) systematisch aufgezeichnet und auf allgemeinere Urteile bezogen wird, nicht aber eine Sammlung von Merkwürdigkeiten darstellt und d) wiederholten Prüfungen und
Kontrollen hinsichtlich der Gültigkeit, Zuverlässigkeit und Genauigkeit unterworfen wird...“
(Jahoda/Deutsch/Cook 1965, 77).

2.2. Geschichte der wissenschaftlichen Beobachtung
Die Form der wissenschaftlichen Beobachtung weist, im Gegensatz zur Beobachtung als allgemein menschliche Erfahrungsform, eine relativ kurze Geschichte auf. Als direkte
Vorgänger der sozialwissenschaftlichen Beobachtung, sind die systematischen Erhebungen zu
Haushaltsbudgets und Lebenslagen ärmer Bevölkerungsschichten aus dem 18. Jahrhundert in
England, anzusehen. Diese sogenannten „Social Survey“ wurden von „Royal Comissions“ und staatlich bestellten Fabrikinspektoren durchgeführt, lagen aber auch im Interesse sozialreformerischer Kräfte.
In „Social Surveys“ werden unter anderem Beobachtung, Befragung, Expertengespräche und
Dokumentenanalysen kombiniert und soziale relevante Daten direkt vor Ort erhoben
(Atteslander 2010, 74).
Pionierarbeit im Feld der wissenschaftlichen Beobachtung übernahmen 1980 der
Theologiestudent PAUL GHÖRE in Deutschland und CHARLES BOOTH in England mit seinen
Studien von 1889-1891 und 1892-1902.
Ghöre verbrachte drei Monate teilnehmend-beobachtend in einer Werkzeugmaschinenfabrik und untersuchte als „Kollege“ getarnt, die Mentalität von Industriearbeitern. Charles Booth wollte in seinen Studien soziale Probleme anhand konkreter Erscheinungen beschreiben und analysieren. Dazu setzte er die Befragung, die Dokumentenanalyse und die teilnehmende
Beobachtung ein (Maus 1973, 35-37).
Weitere entscheidende Impulse brachte die Ethnologie im 19. Jahrhundert. Hier ist vor allem die unstrukturierte Feldbeobachtung zu nennen, die durch die soziologische Abteilung der
Universität von Chicago zur Entfaltung kam. In der heute als „Chicagoer Schule“ bekannten
Forschungsrichtung, wurde nichtquantitative Verfahren und insbesondere der qualitativteilnehmenden Beobachtung der Vorzug gegeben. Heute noch oft rezipierte, durch die
Chicagoer Schule angeregte Studien, die mittels Beobachtung Daten erhoben haben, sind beispielsweise die „Street-Corner-Society“ von W.F. WHYTE (1996) oder die „HawthorneStudie“ von ROETHLISBERGER, DICKSON UND WRIGHT (1949).
Ging es bei den „Socia Survey“ hauptsächlich um soziale Verhältnisse und bei der Chicagoer
Schule um die Weiterentwicklung wissenschaftlicher Methoden und den Einsatz offener
2

Methoden, gelangten Ende der 40er, Anfang der 50er Jahre Verwertungsaspekte und quantitative Verfahren in den Mittelpunkt der US-amerikanischen Sozialforschung
(Hinkle/Hinkle 1960, 80).
Mit dem Siegeszug der quantitativen Methoden wurde der bekannte Konflikt um die Frage
Einzelfallstudie oder statistisches Verfahren zugunsten letzterer entschieden.
Nach dem zweiten Weltkrieg ist die empirische Sozialforschung, einschließlich der
Beobachtung, durch hochstrukturierte und standardisierte Verfahren geprägt. Die
Beobachtung verlor dadurch im Vergleich zur Befragung methodologische und forschungspraktisch an Gewicht. Erst Angang der 80er Jahre und der Diskussion um qualitative Verfahren geschuldet, erlangt die Beobachtung und insbesondere die qualitativteilnehmende Beobachtung wieder an Bedeutung (Flick 2011, 30-32).

3. Bestandteile der Beobachtung
Ist eine Beobachtungssituation ausgewählt, wird diese von folgenden vier Elementen bestimmt. Den Rahmenbedingungen, die die Vorgaben der Beobachtung festlegen und als
Beobachtungsfeld bezeichnet werden. Sie umfassen beispielsweise Ort, Zeit und Tehma der
Beobachtung. Den Beobachtungseinheiten, welche die zu untersuchenden Verhaltensweisen beschreiben. Den Beobachtern sowie den Beobachteten.
Diese aufgeführten Bestandteile der Beobachtungssituation sind miteinander verflochten und wirken wechselseitig aufeinander. Sie lassen sich jedoch analytisch voneinander abgrenzen und werden im Folgenden einzeln betrachtet (Atteslander 2010, S.80).

3.1. Das Beobachtungsfeld
Zu Beginn jeder Beobachtung ist es erforderlich, Informationen über das Beobachtungsfeld zu sammeln, das nach FRIEDRICHS/LÜDTKE "als derjenige räumliche und/oder soziale Bereich bezeichnet werden kann, in dem die Beobachtung stattfinden soll" (Friedrichs/Lüdtke 1973,
51). Es handelt sich hierbei aber nicht nur um einen räumlichen Bereich, den die
Beobachtungssituation umfasst, sondern um die Beantwortung der Frage: "Wo, wann und unter welchen Rahmenbedingungen wird beobachtet?".
Differenziert wird hierbei zwischen einer quantitativ orientierten und einer qualitativ orientierten Beobachtung. Bei der quantitativ orientierten Beobachtung wird vorausgesetzt und impliziert, dass sich das Beobachtungsfeld im Laufe der Untersuchung nicht oder nur wenig verändert und somit im Vorfeld definiert werden kann. Bei der qualitativen
Beobachtung hingegen ist eine vorherige Definition des Beobachtungsfeldes nicht möglich, da es im Laufe der Untersuchung zu Änderungen kommen kann.
Da bei einer Beobachtung Zeitgleichheit und räumliche Nähe unterstellt werden, sind beispielsweise Informationen wann und wo ein gewisses soziales Verhalten auftritt, unerlässlich. Vorkenntnisse über den untersuchten Bereich sind somit von Vorteil.
Besonders der Feldzugang beeinflusst den Erfolg einer Untersuchung, weshalb weitere
Informationen zur Beschaffenheit des Beobachtungsfeldes wie zum Beispiel Anzahl und
Beschreibung der im Feld agierenden Personen, Kommunikationsmuster und typische
Situationen des Feldes, den Zugang erleichtern und die Arbeit im Beobachtungsfeld beeinflussen. Bei der Eingrenzung des Beobachtungsfeldes ist darauf zu achten, dass diese nicht zu stark erfolgt, da dadurch unter Umständen wichtiges Verhalten nicht erfasst wird.
Beobachtungsfelder sind daher umso besser einzugrenzen, je größer sie sich von anderen
3

sozialen Bereichen unterscheiden und je weniger sie mit diesen Bereichen verbunden sind.
Besteht zusätzlich noch die Beschränkung auf ein konkret vorhandenes Territorium oder eine
Lokalität, erleichtert dieses zusätzlich die Abgrenzung des Beobachtungsfeldes (Atteslander
2010, 80-82).

3.2. Beobachtungseinheiten
"Die Beobachtungseinheiten bezeichnen denjenigen Teilbereich sozialen Geschehens, der konkreter Gegenstand sein soll. Sie geben somit Antwort auf die Frage: Wer und was (z.B.
Interaktionen, Prozesse) werden wann beobachtet?" (Atteslander 2010, 82).
Da es nicht möglich ist, alles zu beobachten, ist eine Auswahl von Beobachtungseinheiten zu wählen, die auch dem Anspruch der Beobachtung gerecht werden muss. Diese Auswahl muss entweder theoriegestützt sein oder auf Informationen über das Beobachtungsfeld basieren. Zu
Beginn einer Untersuchung kann es dazu kommen, dass noch nicht klar definiert ist, welche soziale Situationen und welche Aspekte für das Untersuchungsziel relevant sind, wodurch erst im Laufe der Untersuchungen genaue Beobachtungseinheiten gewählt werden (Atteslander
2010, S.82).
Auch bei den Beobachtungseinheiten ist die Unterscheidung zwischen quantitativ und qualitativ orientierten Beobachtungen sinnvoll. Bei ersterem wird hierfür das untersuchte
Verhalten in vornehmlich zeitliche Einheiten zerteilt und die kleinste Einheit mit dem Begriff der Beobachtungseinheit definiert. Bei einer qualitativ orientierten Beobachtung werden hingegen oftmals bestimmte Situationen als Beobachtungseinheit definiert (Friedrichs/Lüdtke,
1973, 53-54). Eine Situation ist in diesem Kontext, als "ein Komplex von Personen, anderen
Organismen und materiellen Elementen zu verstehen, der meistens zeitlich und räumlich gebunden eine sinnlich wahrnehmbare Einheit darstellt" (Atteslander, 2010, 83).

3.3. Beobachter
Beim Beobachter ist zunächst zu berücksichtigen, welcher Beobachtungsstatus eingenommen werden soll. Dieser Status wird zum einen durch den Partizipationsgrad, also in welchem
Maße der Beobachter an der zu beobachteten Situation teilnimmt und der Beobachterrolle, bestimmt. Es geht also um die Frage: "Wie verhält sich der Beobachter gegenüber dem und im Feld?". Dem Beobachter bieten sich zwei Möglichkeiten zur Partizipation in einer
Beobachtung. Er hat die Wahl zwischen der Rolle als forschender Beobachter und der
Teilnehmerrolle.
Bei einer quantitativ orientierten Beobachtung wird die Rolle als forschender Beobachter bekräftigt, was mit einem geringen Partizipationsgrad einhergeht. Dazu ist es ratsam, mehrere
Personen für die Untersuchung zu wählen, um die Objektivität zu sichern. Forscher und
Beobachter sollten nicht ein und dieselbe Person sein und es sollte mehrere Beobachter geben, um die Intersubjektivität der Beobachtung sicherzustellen. Qualitativ orientierte
Beobachtungen heben vor allem die Teilnehmerrolle hervor. Diese geht mit einem hohen
Partizipationsgrad des Forschers im Beobachtungsfeld einher. Das bedeutet, dass der Forscher und der Beobachter die selbe Identität haben. Das Beobachtungsfeld setzt hierbei voraus, welche Beobachtungsrolle eingenommen werden kann. Oftmals sind bestimmte Rollen von
Beginn an ausgeschlossen und beispielsweise durch Geschlecht, Hautfarbe oder Alter beschränkt. So wird ein Mann mittleren Alters keine verdeckte Beobachtung bei einer
Untersuchung der Lebensumstände in einem Seniorenheim durchführen können. Weiterhin ist zu bedenken, dass es zu feldbedingten Änderungen der Beobachterrolle kommen kann und sich die Beobachtung dadurch nicht bis zum Schluss durchbringen lässt.
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Um die Überidentifikation und dem "going native" entgegenzuwirken, ist es unerlässlich sowohl den Partizipationsgrad an der Beobachtung, als auch die gewählte Rolle während der gesamten Untersuchung zu reflektieren und kritisch zu beurteilen. Besteht die Gefahr zur übermäßigen Identifikation, so ist die Rolle im Laufe der Untersuchung zu verändern, damit die nötige Distanz gewahrt werden kann (Atteslander, 2010, 83-84).

3.4. Beobachtete
Bereits in den Erläuterungen zum Beobachtungsfeld und den Beobachtungseinheiten ergibt sich eine Abgrenzung derjenigen Personen, die beobachtet werden. Dementsprechend spielt die Transparenz der Beobachtung für die beobachteten Personen eine maßgebliche Rolle. Die
Frage lautet also: "Wissen die Beobachteten, dass und zu welchem Zweck sie beobachtet werden?" Der Beobachter hat entweder die Wahl, seine Tätigkeiten offenzulegen und damit die
Beobachteten zu informieren, oder seine Beobachtungstätigkeit verdeckt durchzuführen, ohne dass die Beobachteten Kenntnisse davon tragen. Die offene Beobachtung bietet gewisse
Vorteile wie die rechtlich unbedenkliche Nutzung bestimmter Aufzeichnungstechniken. Bei verdeckter Beobachtung kann dies im Nachhinein kritisch betrachtet werden und eine adäquate Tarnung des Beobachters ist erforderlich. Kommt es im Laufe der Beobachtung zur
Aufdeckung dieser Tarnung, geht dies oftmals mit einer Veränderung der Rolle einher
(Atteslander, 2010, 84-85).

4. Formen der Beobachtung
Wissenschaftliche Beobachtung kann auf vielfältige Weise ausgeübt werden. Trotz aller
Zielvorgaben zur Charakterisierung von wissenschaftlicher Beobachtung, ist keine allgemein gültige Theorie entwickelt worden. Die meisten methodischen Ausführungen zielen auf die kategorische Beschreibung unterschiedlicher Beobachtungsverfahren ab (Häder 2010, 303;
Schnell et al. 2013, 381). Wissenschaftliche Beobachtungen lassen sich so anhand unterschiedlicher Dimensionen typisieren. ATTESLANDER schlägt die Typisierung der wichtigsten Beobachtungsformen anhand des Grades ihrer Strukturiertheit, ihrer Offenheit und der Art der Teilnahme vor. Für jede dieser Dimensionen existieren zwei extreme
Ausprägungen, zwischen denen die meisten praktisch angewandten Beobachtungsverfahren anzusiedeln sind. Diese weisen jeweils unterschiedliche Bezüge zu den Bestandteilen der
Beobachtung auf (Atteslander 2010, 86). Hier variiert vor allem die Rolle, die der Beobachter im Feld einnimmt (Häder 2010, 303).
Untersuchungsgegenstand sowie Ziele der Untersuchung beeinflussen die Wahl der eingesetzten Methode dabei wesentlich (Diekmann 2012, 564).
Im Folgenden werden die verschiedenen Formen der Beobachtung anhand der drei genannten
Dimensionen abgegrenzt. Desweitern wird zwischen Feld- und Laborbeobachtung und direkter- bzw. indirekter Beobachtung unterscheiden.
Strukturiertheit (strukturierte vs. unstrukturiert Beobachtung):
Die Dimension der Strukturiertheit bezieht sich auf den Prozess der Wahrnehmung und den der Aufzeichnung. Diese können in den Extremfällen strukturiert bzw. unstrukturiert sein. Der
Begriff Standardisierung wird in der Literatur synonym verwendet (Atteslander 2013 2010,
86). Bei der strukturierten/standardisierten Beobachtung wird, vergleichbar mit den
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standardisierten Fragebögen bei persönlich-mündlichen Interviews, ein entsprechendes
Beobachtungsschemata eingesetzt. In diesem werden vorab, alle zu erfassende Sachverhalte festgelegt. Es definiert so die Zahl und Art der Beobachtungseinheiten und deren
Dimensionen (Atteslander 2010, 86; Häder 2010, 305).
Einem Beobachtungsschema gehen konkrete Forschungshypothesen voraus. „Diese der
Untersuchung zugrundeliegenden Hypothesen werden bis zur Ebene empirisch erfassbarer
Indikatoren operationalisiert“ (Atteslander 2010, 86).1 Eine strukturierte Beobachtung wird prinzipiell durch andere Beobachter wiederholbar, da das Beobachtungsschema die subjektive
Interpretation eines einzelnen Beobachters durch Quantifizierbarkeit, Kontrollierbarkeit und
Vergleichbarkeit, entzieht (Atteslander 2010, 86-88).
Einer unstrukturierten Beobachtung hingegen liegen keine Beobachtungschemata zugrunde.
Die Beobachtung folgt relativ unpräzisen Anweisungen und orientiert sich an Leitfragen des
Forschers. Dadurch wird ein hohes Maß an Flexibilität und Offenheit für die Eigenarten des
Feldes gesichert. Der Verlauf wird durch Vorgänge im Feld bestimmt (Diekmann 2012, 570).
Im Vordergrund der unstrukturierten Beobachtung stehen die Beschreibung der Akteure, ihr
Verhalten sowie die Erfassung ihrer Handlungsmuster in bestimmten Situationen. Die
Hypothese wird dementsprechend nicht überprüft sondern erst im Laufe der Beobachtung auf
Basis der gewonnen Informationen entwickelt (Atteslander 2010, 88-89).
Teilnahme (aktiv- vs. passiv teilnehmende Beobachtung):
Hier ist der Partizipationsgrad des Beobachters an der sozialen Situation, die er beobachtet, ausschlaggebend. Da der Beobachter durch seine Wahrnehmungs- und Interpretationstätigkeit zwangsweise integriert ist, kann es bei der Beobachtung nicht zur Nicht-Teilnahme kommen.
Es ist daher zwischen einer passiven Teilnahme mit niedrigem Partizipationsgrad und einer aktiven Teilnahme mit hohem Partizipationsgrad zu unterscheiden (Atteslander 2010, 92). Bei der passiven Teilnahme, konzentriert sich der Beobachter auf seine forschenden Tätigkeiten.
Dadurch nimmt er wenig, bis gar nicht an den zu untersuchenden Interaktionen teil.
Dieser Form wurde, durch ihre Konzentration auf die Beobachtung, lange mehr Objektivität und intersubjektive Überprüfbarkeit zugestanden. Es besteht jedoch die Gefahr, dass sich
Beobachter durch die große Distanz nicht in die Lebenswelt der Untersuchungspersonen versetzen könne. So können Erklärungsmuster aus der eigenen Lebenswelt auf das
Untersuchungsobjekt übertragen werden und fremdes Verhalten an eigenen Verhaltensregeln gemessen und beurteilt werden (Atteslander 2010, 92).
Wird der Beobachter zu einem Bestandteil der zu beobachtenden Situation, in dem er mit ihr interagiert, spricht man von teilnehmender Beobachtung (Atteslander 2010, 92; Häder 2010,
303). Ein Vorteil dieser Form, ist die Identifikation des Beobachters mit dem
Untersuchungsgegenstand. Hierdurch kann der Beobachter zum Beispiel bestimmte
Verhaltensmuster besser nachvollziehen (Atteslander 2010, 92).
Probleme können hingegen sein, dass der Beobachter durch seine Tätigkeit im Feld das eigentlich zu beobachtende Objekt beeinflusst. Prozesse können so auf Grund des Einwirkens des Beobachters anders ablaufen und werden verfälscht wahrgenommen und protokolliert.
Außerdem werden teilnehmende Beobachter in besonderen Maße mit dem Phänomen des
„Going native“ konfrontiert. Bei diesem Phänomen handelt es sich um einen Distanzverlust der aus der Interaktion zwischen Beobachter und Beobachteten resultiert. Hieraus kann eine zu starke Identifikation mit dem Beobachtungsobjekt entstehen, auf Grund dessen der
Beobachter bestimmte Phänomene nicht mehr wahrnimmt (Häder 2010, 303).

1

Genauere Angaben zur Erstellung eines Beobachtungsschemas beinhaltet Kapitel 6

6

Offenheit (offen vs. verdeckte Beobachtung):
Die dritte Dimension bezieht sich auf die Transparenz der Beobachtungssituation. Diese resultiert aus dem vorhandenen Wissen der Zielperson, Objekt einer Beobachtung zu sein oder nicht.
Als offen gilt eine Beobachtung, wenn die beobachteten Personen wissen, dass sie Objekt einer Beobachtung sind. Hier ist positiv anzumerken, dass ein Vertrauensverhältnis zwischen
Beobachter und Beobachteten entstehen kann. Dieses Verhältnis kann einen
Informationsaustausch sowie ein Verstehen der fremden Lebenswelt ohne Täuschung ermöglichen. Daraus resultiert eine angenehmere Situation für den Beobachter (Girtler 2009,
61-64). Das Maß an Offenheit kann je Beobachtung variieren. So kann beispielsweise die
Tatsache der Beobachtung bekannt sein, der spezifische Zweck jedoch im Unklaren bleiben.
Dieser Art der „Informationspolitik“ kann gewählt werden, wenn die eigentliche
Forschungsfrage den Zugang zum Feld erschweren würde.
Des Weiteren ist bekannt, dass sich das zu untersuchende Objekt, allein durch die Tatsache dass eine Untersuchung stattfindet, verändert. Die Erhebungssituation beeinträchtigt somit das
Verhalten. Die Beobachteten sollen sich jedoch möglichst neutral verhalten und nicht durch das Agieren des Beobachters beeinflusst werden (Atteslander 2010, 90-91; Häder 2010, 304).
Dieser Nachteil tritt bei der verdeckten Form der Beobachtung nicht auf. Zu beachten sind hier jedoch ethische Probleme, da die verdeckte Beobachtung das Vertrauensverhältnis zwischen Beobachter und Untersuchungsobjekt missbraucht. Außerdem besteht das Problem, dass ein verdeckt agierender Beobachter seine Beobachtungen auch verdeckt protokollieren muss. Gängige Praxis ist hier das nachträgliche protokollieren, was wiederum eine mögliche
Fehlerquelle darstellt (Häder 2010, 304).
Abbildung 1: Klassifikation möglicher Beobachtungsformen
Strukturiertheit)

Teilnahme)

Offenheit)

Passiv)teilnehmend)

verdeckt)

Ak3v)teilnehmend)

strukturiert)
Passiv)teilnehmend)

offen)

Ak3v)teilnehmend)
Passiv)teilnehmend)

verdeckt)

Ak3v)teilnehmend)

unstrukturiert)
Passiv)teilnehmend)

offen)

Ak3v)teilnehmen)

Abbildung 1: Quelle: Atteslander 2010, 94

Direkte- /indirekte Beobachtung:
Bei der direkten Beobachtung wird der zu untersuchende Sachverhalt bzw. das
Untersuchungsobjekt während des Vollzugs registriert. HÄDER nennt hier die Interaktion in

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einer Gruppe als Beispiel. Diese wird unmittelbar bei Auftreten durch einen Beobachter oder ein Aufnahmegerät registriert.
Die Art der indirekten Beobachtung hingegen beschäftigt sich mit Verhaltensspuren. Hier handelt es sich um vergegenständlichte Ergebnisse des Verhaltens. Es werden also
Auswirkungen von Verhalten untersucht und daraus Rückschlüsse auf das Verhalten gezogen
(Häder 2010, 305). Als Beispiel können die in der Marktforschung angewendeten StoreChecks genannt werden.
Bei einem sogenannten Store-Check werden Points of Sales (Supermärkte oder Filialen) auf verschiedene Kriterien und Standards überprüft. Diese Parameter lassen auf Verhaltensweisen von Kunden wie beispielsweise Kaufentscheidungen schließen (Gabler Wirtschaftslexikon
2015).
Feld- / Laborbeobachtung:
Die Feldbeobachtung wird auch neutralistische Beobachtung genannt. Hier läuft die
Beobachtung unter natürlichen Bedingungen ab.
Das entsprechende Pendant, die Laborbeobachtung, findet demnach in einer künstlich erschaffenen Umgebung statt. Die Laborbeobachtung bietet vor allem den Vorteil, dass
Beobachter alle Randbedingungen kontrollieren können. Dem Einfluss von Störgrößen auf das zu beobachtende Objekt kann so entgegen gewirkt werden.
Nachteil dieser Beobachtungsart ist eine unter Umständen praxisferne, künstliche Situation.
Hieraus resultiert die Frage, inwiefern die gewonnen Erkenntnisse auf die Allgemeinheit zu übertragen sind. Positiv hervor zu heben ist, dass die Wirkung der unabhängigen auf die abhängigen Variablen, durch die Abschirmung bei dieser Beobachtungsart, besser zu ermitteln sind. Entsprechend anders sind die Vor- und Nachteile bei der Beobachtung im Feld
(Häder 2010, 304).

5. Beobachtungstypen
Trotz zahlreicher Kombinationsmöglichkeiten der oben genannten Beobachtungsverfahren, zählen nur wenige dieser Verknüpfungen zu den tatsächlich entwickelten und angewandten
Beobachtungsformen der empirischen Sozialforschung. Dabei sind vor allem die
Kombinationen
der
Dimensionen
„strukturiert/unstrukturiert“ und „nichtteilnehmend/teilnehmend“ von Bedeutung (Schnell et al. 2013, 382).
Hieraus ergeben sich folgende vier Beobachtungsformen, die in Tabelle 1 dargestellt sind.
Tabelle 1: Beobachtungsformen

Distanz zur Untersuchungssituation
Strukturierungsgrad

nicht-teilnehmend

Teilnehmend

Unstrukturiert

Typ 1

Typ 2

strukturiert

Typ 3

Typ 4

Quelle: Schnell et al. 2013, 382

Beobachtungstyp 1 (unstrukturiert/nicht-teilnehmend) charakterisiert dabei die „nichtwissenschaftliche“ Alltagsbeobachtung. Beobachtungstyp 2 (unstrukturiert/teilnehmend) beschreibt die Vorgehensweise in der anthropologisch/ethnologischen Beobachtung.
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Beobachtungstyp 3 (strukturiert/nicht-teilnehmend ) und Beobachtungstyp 4
(strukturiert/teilnehmend) sind die in der empirischen Sozialforschung gebräuchlichen
Beobachtungsverfahren.
Die Forschungsfrage gibt dabei vor, ob die Beobachtung „verdeckt“ oder „offen“ durchgeführt wird (Schnell et al. 2013, 382-383).
Im Folgenden werden für die Beobachtungstypen 3 und 4 selbst konstruierte Beispiele für die jeweils offene und verdeckte Form gegeben.
Beobachtungstyp 3: offene Beobachtung
Der Marketingbeauftragte eines Unternehmens beobachtet, während der Präsentation einer neuen Werbekampagne, die Reaktionen seiner zuschauenden Kollegen durch ein Fenster. Den
Kollegen ist bekannt, dass eine Beobachtung stattfindet.
Beobachtungstyp 3: verdeckte Beobachtung
Ein Marketingbeauftragter eines Süßwarenherstellers erforscht das Konsumverhalten von
Kinobesuchern. Dazu werden Reaktionen der Kinobesucher auf die Eiswerbung des
Unternehmens beobachtet und anhand der getätigten Eisverkäufe nach der Vorführung verglichen. Die Kinobesucher sind über die Beobachtung nicht aufgeklärt.
Beobachtungstyp 4: offene Beobachtung
Eine Betriebspsychologin beteiligt sich offen an Mitarbeitergesprächen, beobachtet das
Verhalten der Mitarbeiter und macht sich Notizen.
Beobachtungstyp 4: verdeckte Beobachtung
Ein Marktforscher beobachtet getarnt als Einkäufer die Reaktionen anderer Käufer während der Eröffnung eines Flagshipstores.

6. Entwicklung eines Beobachtungsdesigns
Bei standardisierten Beobachtungen selektiert, klassifiziert und codiert ein Beobachter
Handlungsabläufe und andere Sachverhalte entsprechend bestimmter Anweisungen.
Um eine größtmögliche Objektivität zu gewährleisten wird ein Beobachtungsleitfaden ausgearbeitet, in dem Themen wie Beobachtungssysteme und Art/Umfang der Stichprobe festgelegt werden (Häder 2010, 310; Schnell et al. 2013, 383).

6.1. Beobachtungssysteme
Funktion des Beobachtungssystems ist es, den Beobachter bei den oben genannten Aufgaben zu unterstützen, für eine größtmögliche Entlastung zu sorgen und somit Überforderungen zu vermeiden. Übergeordnetes Ziel eines solchen Systems ist, eine messgenaue sowie gültige
Erfassung und Bewertung der vorab definierten Sachverhalte zu gewährleisten (Höft/Lüth
2005, 164). Je nach Ziel der Beobachtung sind unterschiedliche Beobachtungssysteme sinnvoll. CRANACH/FRENZ (1969) unterscheiden daher in Anlehnung an die Ausführungen

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von MEDLEY/MITZEL (1963) zwischen Zeichen-Systemen, Kategorien-Systemen und SchätzSkalen (Schnell et al. 2013, 383).
Zeichen-Systeme
Bei dieser Form der Beobachtung protokolliert der Beobachter das Auftreten bestimmter
„Zeichen“. Dies können Ereignisse oder Verhaltensweisen sein. Im Vorfeld wird geklärt welche Ereignisse und Verhaltensweisen protokolliert, und ob zusätzlich zum Auftreten auch die Dauer des Verhaltens registriert werden sollen (Schnell et al. 2013, 383).
Charakteristisch für das Zeichensystem ist, dass der Großteil des Handlungsprozesses für den
Beobachter nicht von Bedeutung ist, da dieser sich lediglich auf die vorher ausgewählten
Aspekte konzentriert (Holzwarth 1995, 80).
In der Praxis können Zeichensysteme zum Beispiel bei der Beobachtung von Sprachstörungen wie das Vorkommen von Füllwörtern Wiederholungen, Stottern oder Wortverdrehungen sein.
Solche „Zeichen“ können zur Vereinfachung in einem Zeichen-System zusammengefasst werden. Anwendung finden Zeichensysteme sind vor allem bei einer geringen Anzahl zu beobachtender Zeichen. Grund hierfür ist, dass eine zunehmende Zahl von Zeichen zu einer zunehmenden Belastung des Beobachters und einer daraus resultierenden Überforderung führen kann (Limbourg 2005, 1-2).
Kategorien-Systeme
In einem Kategorien-System wird jede auftretende Handlung einer festgelegten Kategorie des
Systems zugeordnet. Diese Vorgehensweise ermöglicht eine vollständige Protokollierung des
Geschehens (Holzwarth 1995, 80; Schnell et al. 2013, 383). HOLZWARTH gibt hier als
Beispiel an, dass Reaktionen wie Kopfnicken, Lächeln oder verbale Zustimmung. in der
Kategorie „Zustimmung“ zusammengefasst werden.
Kategorien-Systeme müssen daher so konzipiert sein, dass alle auftretenden Handlungen bzw.
Verhaltensweisen kodiert und die Kategorien gleichzeitig von einander abgegrenzt werden können. Die jeweiligen Kategorien müssen also unabhängig von einander sein (Holzwarth
1995, 80).
Jedes Kategoriensystem besteht aus mindestens zwei Kategorien. Die optimale
Kategorienanzahl liegt hier zwischen drei und zehn Kategorien (Limbourg 2005, 2).
Schätz-Skalen
Schätz-Skalen werden umgangssprachlich auch Rating-Systeme genannt. Hier ordnet der
Beobachter dem beobachteten Verhalten einen Ausprägungsgrad zu. Dies kann durch
Zuordnung einer Zahl oder einer verbalen Bestimmung des Ausprägungsgrades geschehen
(Limbourg 2005, 2; Schnell et al. 2013, 384).
Beispiel: Beobachtung der Ausprägung von Wutausbrüchen. Mögliches RatingSystem: sehr stark +2 +1 0 -1 -2 sehr schwach (Limbourg 2005, 2).
Schätz-Skalen werden in der Regel zusammen mit Zeichen- oder Kategoriensysteme eingesetzt (Schnell et al. 2013, 384). So werden zum Beispiel die jeweiligen Kategorien durch
Skalen repräsentiert, auf denen der Ausprägungsgrad festgehalten wird.
Beispiel: Beobachtung von aggressivem Verhalten von Kindergartenkindern.
Mögliche Schätzskale: - schwach, + stark (Limbourg 2005, 2).
10

Aufgrund der verlangten Bewertungsleistung, die zu einer relativ hohen Belastung des
Beobachters führen kann, wird dieses Verfahren in der empirischen Sozialforschung bei reinen Beobachtungsstudien relativ selten genutzt (Schnell et al. 2013, 384).
Alle drei Beobachtungssysteme verdeutlichen, dass jeweils nur ein Ausschnitt der beobachteten Handlungsprozesse vom Beobachter dokumentiert wird. Beobachtungen sind in diesem Sinne stets selektiv. In der Praxis werden in einem Beobachtungsbogen daher oftmals alle Formen von Beobachtungssysteme verwendet (Schnell et al. 2013, 384).

6.2. Konstruktion eines Kategoriensystems
Die am häufigsten auftretende empirische Form der Beobachtungssysteme ist das
Kategoriensystem.
Bei der Konstruktion eines solchen Systems, liegt der Schwerpunkt auf der Ermittlung von angemessenen Verhaltenseinheiten. Hierbei ist darauf zu achten, dass die ermittelten
Einheiten dem Untersuchungszweck entsprechen und theoretisch adäquat sind. Des Weiteren müssen die beobachteten Handlungsprozesse und Ereignisse gemäß den ausgewählten
Verhaltenseinheiten klassifiziert werden können. Die Verhaltenseinheiten, die auch
„Kategorien“ genannt werden, bilden dabei die Variablen in einem Beobachtungssystem
(Schnell et al. 2013, 384).
Hinsichtlich der Entwicklung eines Kategoriensystems werden der „rationale-„ und der
„empirische Ansatz“ genannt (Weick 1968, 402; Cranach/Frenz 1969, 289).
„Bei der rationalen Vorgehensweise werden die Kategorien als Operationalisierungen der in
Hypothesen einer Theorie enthaltenen Begriffe abgeleitet. Im empirischen Ansatz wird auf der Grundlage von bereits zuvor beobachteten Verhaltenselementen ein umfassender
Bezugsrahmen konstruiert“ (Schnell et al. 2013, 384). Die gängige Technik in der Praxis stellt eine Kombination beider Formen dar (ibid.).
Anforderungen an ein Kategoriensystem
Je detaillierter ein Kategoriensystem in einem Beobachtungsschema ausgearbeitet wird, desto strengere Kriterien müssen für dieses System gelten. GRÜMER listet in seinem Werk einen
Katalog von Kriterien auf, „der für alle Datenerhebungsverfahren mit einem hohen
Strukturierungsgrad gilt und nach denen sich jedes Klassifikationsschema zu richten hat“
(Grümer 1974, 43):
-

Eindimensionalität der Messung: Messungen in einem Schema sollen nur auf einer
Dimension erfolgen, nicht aber auf mehreren gleichzeitig,
Ausschließlichkeit der Kategorien: Jedes beobachtete Ereignis darf nur einer
Kategorie zugeordnet werden,
Vollständigkeit der Kategorien: Ein Kategoriensystem muss so umfassend sein, dass alle möglichen Beobachtungen erfasst werden können,
Konkretion der Kategorien: Kategorien müssen beobachtbaren Sachverhalten zugeordnet werden können,
Begrenzung der Anzahl von Kategorien: Eine bestimmte Anzahl von Kategorien sollen aufgrund der begrenzten Beobachtungs- und Registrierfähigkeit des
Menschen, nicht überschritten werden. Grundsätzlich wird ein Umfang von zehn
Kategorien angesetzt.
11

Konstruktionsfehler bei Kategoriensystemen
Weiterhin nennen SCHNELL/HILL/ESSER in Anlehnung an FRIEDRICHS/LÜDTKE (1977) drei typische Konstruktionsfehler eines Kategoriensystems (Schnell et al. 2013, 387):
Unvollständigkeit eines Kategoriensystems: relevante Ereignisse können keiner
Kategorie zugeordnet werden,
Unanwendbarkeit eines Kategoriensystems: einzelne Kategorien lassen sich nicht anwenden oder das vorgegebene Schema kann die ablaufenden Ereignisse nicht erfassen, Auseinanderklaffen eines Kategoriensystems: die beobachteten Einheiten sind umfassender/strukturierter als das Kategoriensystem es berücksichtigt.

6.3. Stichprobenproblem:
Alle Ereignisse eines Untersuchungsfeldes vollständig zu erfassen ist selbst mit technischen
Mitteln nicht möglich. Grund hierfür ist, dass Beobachtung immer nur einen Ausschnitt des
Geschehens erfassen kann. Daraus resultiert die Frage, inwieweit die beobachteten
Ausschnitte typisch oder repräsentativ für das Geschehen sind (Bortz/Döring 2006, 270).
Hinzu kommt, dass nicht alle zur Grundgesamtheit zählende Situationen und Ereignisse in einem angegebenen Zeitraum und einem abgegrenzten Gebiet in die Beobachtung einfließen können. Die Auswahl einer, für die Grundgesamtheit, repräsentativen Stichprobe stellt sich somit als problematisch dar (Kromrey 2006, 352-256).
Damit der beobachtete Ausschnitt als für die Grundgesamtheit repräsentativ angesehen werden kann, muss ein Stichproben-Plan entwickelt werden (Limbourg 2005, 3). Die gebräuchlichsten Verfahren bei einer Stichprobenkonstruktion sind die Bildung und
Abgrenzung von Beobachtungseinheiten anhand von Ereignisse oder Zeitintervallen
(Kromrey 2006, 352-256).
Zeitstichprobe
Bei der Zeitstichprobe wird die Beobachtung in feste Zeitabschnitte gegliedert (Bortz/Döring
2006, 270). Diese Zeitintervalle können beliebig gewählt werden. CRANACH/FRENZ halten einen Zeitraum zwischen fünf Sekunden und 20 Minuten Dauer für praktikabel
(Cranach/Frenz 1969, 290).
Die Beobachtung kann auf zwei Arten geschehen. Bei der ersten Variante wird sich auf ein bestimmtes Beobachtungsobjekt konzentriert und der Beobachter notiert in bestimmten
Intervallen das Verhalten des Objektes. Nach der anderen Variante wechselt der Beobachter nach einem bestimmten Intervall das Beobachtungsobjekt (Hussy et al. 2013, 64).
Ereignisstichprobe
Bei der Ereignisstichprobe hingegen, wird lediglich protokolliert ob und wie oft die zu beobachtenden Ereignisse auftreten. Auf eine zeitliche Strukturierung wird verzichtet
(Bortz/Döring 2006, 270). Der Beobachter wartet bei dieser Methode darauf, dass ein zuvor definiertes Ereignis auftritt und protokolliert dann, um welches Ereignis es sich handelt und gegebenenfalls wie lange es andauert (Hussy et al. 2013, 64).
Als Beispiel wäre hier die Beobachtung von Angestellten unter Zeitdruck zu nennen. Zu beachten und entsprechend protokolliert würden dann interessante Verhaltensweisen wie

12

Texteingabe am Computer, Kommunikation mit einem Vorgesetzten oder gleichgestellten
Mitarbeiter oder der Wechsel des Aufenthaltsorts
Im Vergleich zur Zeitstichprobe kann die Ereignisstichprobe auch relativ selten Auftretende
Ereignisse und Ereigniskombinationen erfassen. Fragen wären hier zum Beispiel welche
Ereignisse typischer Weise aufeinander folgen oder welches Ereignis einem anderen zumeist unmittelbar voraus (ibid.).

7. Beobachtertätigkeit und Beobachterfehler
Zunächst, kann jeder Beobachter zwei Rollen im Feld einnehmen. Zum einen die des forschenden Beobachters, zum anderen die des Teilnehmers im Feld. In quantitativen
Beobachtungsdesigns übernimmt der Beobachter eher die Rolle des Forschers. Um ein möglichst objektives Ereignis zu erzielen, werden hier der Erfassungs- und
Forschungsprozess personell voneinander getrennt. Dies Bedeutet dass Forscher und
Beobachter verschiedenen Personen sind.
Bei einem qualitativen Beobachtungsdesign hingegen, nimmt der Beobachter gleichzeitig die
Teilnehmerrolle ein. Das gleichzeitige Agieren als Teilnehmer und Forscher setzt einen hohen
Partizipationsgrad des Forschers voraus (Atteslander 2020, 83-84).
Beobachter übernehmen eine Vielzahl an Aufgaben. Hierzu gehören das Entdecken von
Daten (Aufnahme der Daten), das Verarbeiten und Beurteilen dieser Daten (Vercodung) und das Aufzeichnen der erhobenen Daten (Protokollierung).
Von jedem Beobachter werden grundsätzlich Wahrnehmungs-, Selektions- und
Reduktionsleistungen gefordert. Es können Fehler auftreten, die die Qualität der Beobachtung beeinflussen. Die Zuverlässigkeit der Beobachterleistung wird durch die Anzahl der zu beobachtenden Kategorien und deren Häufigkeit beeinflusst werden. Dabei können beispielsweise selten vorkommende Kategorien schnell übersehen werden. Gleichzeitig können häufig vorkommende Kategorien nur dann zuverlässig aufgezeichnet werden, wenn das der Beobachtung zugrundeliegende Kategoriensystem nicht zu umfassend ist. Da erst in der Phase der Datenverarbeitung ein Urteil gebildet wird und aus diesem Schlussfolgerungen aus den Datensätzen gezogen werden, können hier potenzielle Fehler leicht auftreten (Schnell et al. 2011, 390).
Die häufigsten Urteilsfehler sind zum einen Wahrnehmungsfehler, bei denen
Verhaltensweisen oder Symbole von Beobachtern nicht richtig erkannt werden, zum andern der Halo-Effekt, bei dem sich der Beobachter einen Gesamteindruck verschafft, welcher sich auf folgenden Beobachtungen auswirkt.
Außerdem können Fehler durch den Einfluss der zeitlichen Abfolge entstehen. Hier kann das beobachtete Geschehen zu sehr auf Basis des ersten Eindrucks bewertet werden. Hinzukommt das Problem, dass Beobachter zu Projektionen neigen, was bedeutet, dass sie Sachverhalte, die sie individuell besonders stark oder auch gar nicht wahrnehmen, verstärkt berichten. Des
Weiteren gibt es den Erwartungseffekt, welcher die Neigung zu hypothesenkonformen
Einschätzungen beschreibt. Hier werden vornehmlich die Dinge wahrgenommen, die den
Erwartungen des Beobachters entsprechen. Darüber hinaus, ist auch die emotionale
Beteiligung der Beobachter eine mögliche Fehlerquelle. Bei teilnehmenden Beobachtungen, die über einen längeren Zeitraum ablaufen, neigen Beobachter dazu sich zu sehr mit dem
Beobachtungsobjekt zu identifizieren. Dadurch ist die erforderliche Distanz, für eine objektive Beobachtung, nicht mehr gegeben. Dieser Effekt ist auch umgekehrt zu Beobachten.
Hier distanziert sich der Beobachter vom Beobachtungsobjekt zu sehr.

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Zuletzt sind die logischen und theoretischen Fehler zu nennen. Diese entstehen durch implizierte Theorien der Beobachter. Dies können beispielsweise Vorurteile sein, welche das beobachten/berichten beeinflussen können (Häder 2006, 306-310).

7.1 Beobachtereinflüsse
Die oben genannten Beobachterfehler sind hauptsächlich auf die Fähigkeiten des Beobachters seine Aufgaben zu erfüllen zurückzuführen. Auf das mögliche Aufkommen von Verzerrungen durch offen agierende Beobachter wird kaum eingegangen. Einige Autoren sind der Ansicht, dass die Anwesenheit von Beobachtern, das Verhalten und Handlungsweisen der
Beobachteten nicht beeinflusst. Mögliche Einflüsse sollen allenfalls in der Anfangsphase auftreten, da die Anwesenheit eines Beobachters mit der Zeit in Vergessenheit gerät.
Bei Laborbeobachtungen hingegen wird der Effekt der Verzerrung, der durch den
Forschungskontakt von Beobachter und Beobachtetem auftritt, zum größten Teil davon überdeckt, dass der Beobachtete sich hier in einer Ausnahmesituation befindet. Durch diese
Ausnahmesituation für den Beobachteten können äußere Einflüsse das Ergebnis der
Beobachtung verfälschen (Schnell et al. 2011, 393; Häder 2006, 310).

8. Beobachterschulung
Das Beobachten gehört zu den selbstverständlichen Fähigkeiten des Menschen. Trotzdem müssen Beobachterschulungen für das wissenschaftliche Untersuchen durchgeführt werden.
Zunächst wird der Beobachter in das Konzept der Untersuchung und die Darstellung des theoretischen Ansatzes eingeführt. Diese Einführung dient zum besseren Verständnis der
Aufgabe. Außerdem wird dem Beobachter die Möglichkeit eingeräumt, einen Beitrag zur
Weiterentwicklung des Beobachtungsplanes beizutragen. Die Forschungsfrage sollte dem
Beobachter nicht genannt werden, da dies sein Beobachtungsverhalten beeinflussen kann.
Es folgt die Einweisung des Beobachter in die zur Verfügung stehenden technischen
Hilfsmittel (Bortz/Döring 2006, 272).
PINTHER nennt folgende Abfolge von Schulungsmaßnahmen: Der Beobachter soll zunächst ohne Vorkenntnisse zum Beobachten ins Untersuchungsfeld geschickt werden. Darauf folgt eine Begründung und Diskussion über die im Feld verwendeten Beobachtungsindikatoren.
Anschließend gilt es die Brauchbarkeit der Beobachtungskategorien und Indikatoren anhand von gestellten Situationen oder Filmaufnahmen zu überprüfen. Abschließend erfolgt eine
Generalprobe, die so gut es geht unter realen Bedingungen abläuft, um die Brauchbarkeit des
Beobachtungsplanes zu überprüfen (Pinther 1980, 518).
CRANACH/FRENZ bestimmen ein Übereinstimmungsmaß, welches das Ausmaß der
Übereinstimmung zwischen den Beobachtern bestimmt. Es weist eine ähnliche Abfolge der
Trainingsschritte von PINTHER auf, ist aber an das System von HEYNES/ZANDER angelehnt.
Das Maß nimmt in der Regel einen Wert zwischen Null und Eins an. Wobei eins bedeutet dass sich die Beurteiler nicht unterscheiden. Dieses nennt man „Intercoder-Reliabilität“, welches als Ziel der Beobachtungsschulung gesehen wird.
Damit dieses Ziel erlangt werden kann ist eine intensive Schulung der Beobachter unabdingbar. Zunächst beginnt die Schulung damit, dass die Beobachter über die Absicht der
Studie informiert werden. Dann werden Probebeobachtungen, ohne endgültiges
Beobachtungsschema, um Kenntnis über relevante Verhaltensweisen zu erlangen, durchgeführt. Darauffolgend findet eine Diskussion über die Bestandteile des
Beobachtungsschemas statt, um dieses in einem Rollenspiel anwenden zu können.
14

Anschließend erfolgt eine weitere Diskussion über die erlangten Erkenntnisse und gegebenen
Falls die Revidierung des Beobachtungsinstrumentes. Als nächstes wird bei Cranach/Frenz ein Pretest durchgeführt, welcher unter Ernstbedingungen abläuft. Zuletzt die
Übereinstimmung der Beobachter geprüft und berechnet (Cranach/Frenz 1969, 304).
Der Aufwand und Stellenwert des Beobachtertrainings wird häufig unterschätzt. Denn eine mangelnde Vorbereitung einer Untersuchung kann bedeutsame Folgen nach sich ziehen.
Infolge dessen können die erlangten Beobachtungsdaten nicht objektiv sein, was wiederum zu nicht reliablen oder validen Resultaten führt (Bortz/Döring 2006, 277).
Daher erscheint es insbesondere bei teilnehmenden Beobachtungen als sinnvoll, die
Beobachter nicht nur in der Schulungsphase zu instruieren, sondern sie auch während der
Feldphase zu überwachen (Friedrichs/Lüdtke 1977, 118).

9. Technische Hilfsmittel
Traditionellerweise sind die bei der Durchführung einer Beobachtung zum Einsatz kommenden technischen Hilfsmittel nach wie vor Papier und Stifte die hauptsächlichen
Werkzeuge. Allerdings werden mittlerweile auch Computer-Programme für die Beobachtung verwendet (Schnell et al. 2013, 395).
Im Fall einer unstrukturierten Beobachtung können Videokameras oder Tonbandgeräte als
Registrierungshilfe eingesetzt werden um Abläufe aufzuzeichnen. Ein weiterer Vorteil ist hier die Reproduzierbarkeit des Aufgezeichneten (Berekoven et al. 2009, 143). Die
Reproduzierbarkeit bietet außerdem die Möglichkeit die Analyse der Videoaufnahmen mit den Beobachtungsprotokollen der einzelnen Beobachtern zu vergleichen.
Allerdings muss beachtet werden, dass der Einsatz technischer Hilfsmittel das Verhalten der
Beobachteten in Einzelfällen beeinflussen könnte (Schnell et al. 2013, 396).
Die technischen Hilfsmittel lassen sich danach unterscheiden, ob sie wie beispielsweise die
Videokamera bei der Verhaltensbeobachtung vom räumlich anwesenden Forscher eingesetzt oder ob sie direkt von der Beobachteten Person im Feld benutzt werden.
Hinzu kommt, ob das zu beobachtende Verhalten durch den Einsatz dieser Mittel aufgezeichnet werden kann oder ob sie wie die Blickbewegungskamera Reaktionsweisen sichtbar machen, die zum Beispiel für das menschliche Auge nicht sichtbar wären
(Bortz/Döring 2006, 272).

10. Qualitativ-teilnehmende Beobachtung
Die teilnehmende Beobachtung definiert sich in erster Linie durch die besondere Stellung die der Beobachter im Feld einnimmt. Sie ist dabei durch die unmittelbare Beteiligung des
Beobachters am Geschehen im sozio-kulturellen System, charakterisiert. Die Beteiligung erfolgt indem der Beobachter eine oder mehrere in diesem System definierte soziale Rollen übernimmt, dadurch zum Mitglied im System wird und ein entsprechendes Verhalten gegenüber den anderen Mitgliedern aufweist (Atteslander 2010, 95).
Die Definition berücksichtigt nicht die Intensität der Teilnahme. Diese kann von Feld zu Feld und innerhalb der jeweiligen Phasen einer Beobachtungsstudie schwanken. Der Beobachter wird von anderen Personen als Teilnehmer erkannt, es wird jedoch offen gelassen, in welchem Ausmaß der Beobachter seiner Ziele zu erkennen gibt (Friedrichs 1990, 288).
Intention der qualitativ-teilnehmenden Beobachtung ist es, durch den unmittelbaren Kontakt,
Einsicht in das konkrete Verhalten der Beobachteten zu erlangen (Mayntz et al. 1978, 100
15

zitiert nach Atteslander 2010, 95). Hierbei ist es notwendig, dass die Forscher ein
Gleichgewicht zwischen der nötigen Empathie und der nötigen Distanz finden und somit zwischen sozialer Teilnehmer- und Forscherrolle abwägen können. Aus diesem
Spannungsfeld resultieren hohe Anforderungen an den Forscher. ATTESLANDER bezeichnet die idealtypische Form einer qualitativ-teilnehmenden Beobachtung als unstrukturiert, aktivteilnehmend und offen (Atteslander 2010, 95). FRIEDRICHS nennt einige wichtige
Voraussetzungen der teilnehmenden Beobachtung (Friedrichs 1990, 288):
1.
Das Beobachtungsfeld muss dem Beobachter zugänglich sein
2.
Es muss im Feld eine Rolle geben, die der Beobachter einnehmen kann ohne vorhandene Interaktionen zu stören oder neue zu erzeugen.
3.
Beobachter müssen geschult werden, um eine selektive Wahrnehmung zu verringern. 4.
Die bereits erwähnte Doppelrolle des Beobachters macht eine während der
Tätigkeit stattfindende Supervision unabdingbar. Sie soll dem Beobachter beibringen, mit diesem Konflikt umzugehen.
5.
Die Beobachtung muss ethisch gerechtfertigt sein.
Einen typisch quantitativen Forschungsverlauf kennzeichnen die Phasen Feldzugang,
Rollendefinition bzw. –wahl, Datenerhebung und – auswertung sowie Feldrückzug. Die einzelnen Phasen verlaufen dabei parallel und in stetem Bezug zueinander ab (Atteslander
2010, 96-97). Abbildung 2 stellt den Forschungsverlauf grafisch dar.
Abbildung 2: Forschungsverlauf

Feldzugang*
Rollendefini5on*bzw.*8wahl*
Datenerhebung*
Erste*Datenauswertung*
Feldrückzug*
Quelle: Atteslander, 2010, 97

Feldzugang:
Die Phase des Feldzugangs beginnt mit dem Sammeln von Informationen über das Verhältnis zu anderen sozialen Feldern, der räumlichen Ausdehnung des Forschungsfeldes, der Anzahl und Typisierung der agierenden Personen, den Organisationsgrad und die wichtigsten
Kommunikationskanäle und –muster (Atteslander 2010, 97). GIRTLER unterscheidet zwischen verschiedenen Ausgangspunkten bei der Felderschließung. Die unvorbereitete
Felderschließung, die vom Forscher initiierte Kontaktaufnahme, der Eintritt durch eine formale Erlaubnis, die berufliche Eingliederung oder der Eintritt aufgrund eines
Auftrages/Bitte (Girtler 1992, 75 zitiert nach Atteslander 2010, 97).
Die Unterscheidung ist in Zusammenhang mit der Frage der Offenheit eines Feldes relevant.
Hiernach richten sich mögliche Zugangsvoraussetzungen und –wege sowie die Wahl von
Kontaktpersonen (Atteslander 2010, 97). Die Felder werden dabei in „offen“ zum Beispiel
16

Biergarten, „halb offene“ zum Beispiel Universität und „geschlossenes Feld“ zum Beispiel
Kloster oder Gefängnis, geteilt (Leggewie 1991, 191).
Rollendefinition/ -wahl:
Die Frage nach den im Feld einzunehmenden sozialen Rollen und der Verbindung der
Forscherrolle mit der sozialen Teilnehmerrolle ist aufs Engste mit dem Feldzugang verknüpft und ein unabdingbarer Bestandteil der Methode. Die qualitative Forschung erwartet von den einzunehmenden Rollen, offene und flexibel zu sein. Auch ein Rollenwechsel sollte möglich sein, da teilnehmende Beobachter sich in verschiedenen Situationen und veränderten
Handlungskonstellationen zurecht finden müssen. Die Forschung ist in diesem Sinne nicht standardisierbar (Atteslander 2010, 98).
Datenerhebung und –auswertung:
Bei der Datenerhebung ist zu beachten, dass auch die Forscher selbst mögliche
Wahrnehmungsinstrumente
sein können. Sie müssen daher mögliche Wahrnehmungsverzerrungen bemerken- und aufzeichnen. Außerdem ist immer wieder zu entscheiden wann, wie und was zu beobachten auf zu vermerken ist (Girtler 1992, o.S.; Aster et al., 1989, o.S. zitiert nach Atteslander 2010, 99).
Es sollten keine zwischengeschalteten Aufnahmegeräte verwendet werden, da diese die
Natürlichkeit der beobachteten Situation beeinflussen könnten. Zur Benutzung eines
Forschungstagebuch, wird geraten. Die Vorteile liegen darin, gewonnene Erkenntnisse,
Eindrücke oder Widersprüche festhalten und zur eigenen Reflexion nutzen zu können.
Die Datenauswertung kann mit Hilfe von in der qualitativen Sozialforschung entwickelter
Verfahren wie der objektiven Hermeneutik oder der qualitativen Inhaltsanalyse vorgenommen werden(Atteslander 2010, 99).
Feldrückzug:
Durch die soziale Interaktion des Forschers mit Beobachteten, übernimmt dieser bei der
Arbeit im Feld ein Stück Verantwortung gegenüber diesen. Auch während und nach dem
Feldrückzug ist auf einen verantwortlichen Umgang mit entstandenen sozialen Kontakten und dem erhaltenen Vertrauen zu achten. Dies ist einerseits für weitere Forschungen im selben
Feld, wie auch für den Vertrauensschutz der Beobachteten von großer Bedeutung (Atteslander
2010, 100).

11. Relevanz und Anwendungsgebiete der wissenschaftlichen
Beobachtung als Datenerhebungstechnik
Die Methode der Beobachtung kann in der empirischen Sozialforschung in vielfältiger
Hinsicht genutzt werde. So kann der Forscher Einblicke in noch wenig bearbeitete
Forschungsgebiete erlangen und leisten dadurch einen Beitrag bei der Hypothesenbildung.
Außerdem stellt sie bei deskriptiven Studien die einfachste Methode der Datensammlung dar und kann ergänzendes Datenmaterial zu bereits erhobenen Ergebnissen bereitstellen
(Nachmias/Nachmias 1976, 75 zitiert nach Schnell et al. 2013, 396).
Ein weiterer Grund für die Berechtigung der Methode ist, dass es im sozialwissenschaftlichen
Bereich Forschungsfelder gibt, die andere Methoden der Datenerhebung nahezu ausschließen.
Die ist beispielsweise der Fall, wenn nonverbale Kommunikation nicht im Fokus der
17

Betrachtung liegt oder verbale Auskünfte nicht gegeben werden können (Friedrichs 1990,
273-274).
DIEKMANN weist darauf hin, dass die Methode der Beobachtung der Befragung in gewissen
Situationen überlegen ist. Grund dafür ist, dass die Befragung oftmals nur Informationen mit begrenzter Validität liefert. Weiterhin empfiehlt er, dass wo immer es möglich und vertretbar ist, das Verhalten von Personen durch Beobachtung zu erheben (Diekmann 2012, 573-574).
Ein Beispiel für Diskrepanzen zwischen Befragung und Beobachtung liefert nachfolgende
Tabelle 2 von HÜRLIMANN/HEBENSTREIT. Die aufgeführten Angaben beziehen sich auf ältere
Fußgänger.
Tabelle 2: Diskrepanzen zwischen Befragung und Beobachtung beim Verkehrsverhalten

99%
88%
72%
98%
20%

Befragung
Ich benutze immer den
Zebrastreifen

88%

Ich warte stets, bis kein Fahrzeug mehr da ist
Ich gebe dem Fahrzeuglenker immer ein Zeichen
Ich bedanke mich stets, wenn mich ein Fahrzeuglenker über die Straße lässt Wenn das Lichtsignal am
Fußgängerstreifen von Grün auf
Rot wechselt, versuche ich noch schnell auf die andere Straßenseite zu kommen

78%
10%
18%
31%

Beobachtung überqueren die Straße nicht neben, sondern auf dem
Fußgängerstreifen
warten tatsächlich Durchfahrt der
Fahrzeuge ab geben tatsächlich dem
Fahrzeuglenker ein Zeichen bedanken sich tatsächlich beim
Kraftfahrer
betreten auch dann noch den
Streifen, wenn das Lichtsignal gerade von Grün auf Rot gewechselt hat

Quelle: Hürlimann/Hebenstreit 1987, o.S. zitiert nach Diekmann 2012, 575

Die typischen Einsatzfelder der Beobachtung lassen sich laut ATTESLANDER aus den beschriebenen Eigenschaften der Methode ableiten.
Da Beobachtung auch non-verbales soziales Handeln erfassen kann, kommt diese Methode bei der Erforschung unbekannter komplexer Kulturen und Lebenswelten zur Anwendung.
Wissenschaftliche Beobachtung ist daher oft in der Ethnologie und bei der Erforschung von
„Subkulturen“. Außerdem kommt die Beobachtung in Situationen zum Einsatz, in denen
Befragungen nicht möglich oder wenig erfolgsversprechend sind. Neben individuellen
Handlungsprozessen, kann auch soziales Verhalten in geschlossenen Institutionen,
Organisationen oder Gemeinschaften beobachtet werden (Atteslander 2010, 78-79).
Die Rolle der Beobachtung in den Wirtschaftswissenschaften wird in der Literatur nicht explizit behandelt. Es lassen sich auf Grund der gewonnen Erkenntnisse jedoch Verbindungen zu Bestimmten Bereichen innerhalb der Wirtschaftswissenschaften erkennen. So wird die
Methode in der Marktforschung als Datenerhebungsmethode angewandt. Hier können beispielweise Kunden- oder Mitarbeiterzufriedenheit erforscht werden. Des Weiteren kommt die Beobachtung in der Wirtschaftspsychologie sowie im Personal- und
Organisationsmanagement zu Anwendung. Mögliche zu beobachtende Ereignisse können hier das Verhältnis zwischen Mitarbeitern oder der Umgang von Führungskräften mit ihren
Angestellten sein. Einen weiteren Anwendungsbereich im Personalmanagement stellt das
Assessmentcenter dar. Hier beobachten Personalmanager verschiedene Bewerber in bestimmten Situationen und beurteilen deren Verhalten. Im Bereich des
Organisationsmanagements können Arbeitsabläufe und Verhaltensweisen beobachtet werden.
18

Hieraus können wichtige Erkenntnisse entstehen, die im Lean Management beachtet werden können. Mit der Vielfalt möglicher Einsatzbereiche und der Breite an verschiedenen
Forschungsfeldern gehen erhebliche Probleme einher.
Zum Beispiel stellt die Methode der Beobachtung erhebliche Ansprüche an soziale und fachliche Kompetenzen der Forscher. Diese müssen neben ihrer Rolle als Wissenschaftler oftmals auch soziale Rollen im Feld einnehmen (Atteslander 2010, 78).
Trotz aller möglichen Anwendungsfelder und positiven Eigenschaften wird die Methode der
Beobachtung nur relativ selten angewendet. So kommt ihr in qualitativen wie in quantitativen
Forschungen bei weitem nicht die Bedeutung wie dem Interview zu (Atteslander 2010, 78;
Schnell et al. 2013, 296).
Eine mögliche Erklärung ist, dass Beobachtungen „eine sehr voraussetzungsvolle und intensive Forschungspraxis verlangen, hohe soziale und fachliche Anforderungen an die
Forscher stellen und Beobachtung nicht immer möglich ist oder im Fall zur Befragung nur geringe Fallzahlen möglich sind“ (Atteslander 2010, 79).
Zu beachten ist außerdem, dass die Anwendung strukturierter Beobachtung in den
Sozialwissenschaften trotz neuer Techniken bei der Erhebung und Analyse von
Beobachtungsdaten weit hinter dem, was in anderen Wissenschaftsdisziplinen als Standard gilt, zurück bleibt (Schnell et al. 2013, 297)

12. Fazit
Die wissenschaftliche Beobachtung kann durch ihr hohes Maß an Flexibilität in verschiedenen Forschungsgebieten eingesetzt werden. Vor allem in Situationen in denen sinnlich wahrnehmbares Verhalten erfasst werden soll, bietet die Beobachtung Vorteile gegenüber anderen Erhebungsmethoden. Das Gleiche gilt für Situationen in denen komplexe
Verhaltensmuster erfasst werden oder bei schwer zugänglichen Gemeinschaften, bei denen beispielsweise eine Befragung oder Interviews oftmals nur verfälschte Ergebnisse liefern.
Durch die Beobachtung entsteht so die Möglichkeit an Ergebnisse verschiedener Bereich zu gelangen, die sich für den Einsatz anderer Methoden nicht eignen oder diese sogar ausschließen. Zu beachten ist, dass Ergebnisse einer Beobachtung durch viele Faktoren beeinflusst werden können und nur bei Einhaltung bestimmter Kriterien aussagekräftige und valide Daten liefern.
Abschließend bleibt jedoch festzustellen, dass ein hoher Kosten- und Zeitaufwand sowie begrenzte menschliche Wahrnehmung und eine komplexe Vorbereitung, den Einsatz anderer
Methoden bevorzugen und die Beobachtung als empirische Methode stark an Stellenwert in der Praxis einbüßt.
Im Verlauf der Arbeit konnte die Relevanz der Beobachtung in der Sozialwissenschaft gut dargestellt werden. Einen Bezug zu Wirtschaftswissenschaften herzustellen erwies sich als wesentlich schwerer. Zwar verwiesen teile der Literatur auf die Anwendung in der freien
Marktwirtschaft, konkrete Beispiele oder Fälle wurden jedoch nicht benannt. So erforderte es ein hohes Maß an Selbstständigkeit, geeignete Anwendungsgebiete zu recherchieren und anhand differenzierter Beispiele zu verdeutlichen wo die Beobachtung in wirtschaftswissenschaftlichen Bereichen zur Anwendung kommt. Des Weiteren wird oftmals nicht klar in wie Weit die Beobachtung konkret als primäre Methode einzuordnen ist oder ob sie „Mittel zum Zweck“ ist und daher mit Abstrichen eher der Alltagsbeobachtung zugeschrieben werden sollte.
Als Beispiel wäre hier das Assessmentcenter zu nennen. Dieses dient der Beurteilung überfachlicher Qualifikationen wie Kommunikationsfähigkeit oder analytisches Denken, einzelner Individuen (Obermann 2013, 1). Bewerber werden hier zum Beispiel bei
19

Rollenspielen beobachtet. Die Methode der Beobachtung ist in diesem Fall allerdings nicht die primäre Methode sondern Bestandteil der Methode des Assessmentcenter. Es stellt sich somit die Frage in wie weit die Beobachtung hier den Anforderungen an eine wissenschaftlichen Beobachtung gerecht wird oder ob sie lediglich der alltäglichen
Beobachtung zuzuordnen ist.
Als weiterer Punkt ist die Aktualität der Literatur zu nennen. Zwar gibt es ausreichend aktuelle Publikationen. Hier wird jedoch oft nur lediglich auf Gedankengänge und Thesen älterer Klassiker eingegangen und keine neuen Ansätze gebildet. Dadurch wird die Methode der Beobachtung ausreichend charakterisiert aber eine Verknüpfung zu aktuell relevanten
Themen wie dem Assessmentcenter ist nicht gegeben. Zuletzt ist auch dies ein Grund für die mangelnde Relevanz der Beobachtung in den Sozialwissenschaften.

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Eidesstattliche Erklärung
Hiermit erkläre n die nachfolgenden Personen, dass sie die vorliegende Arbeit selbständig und ohne Verwendung anderer als der angegebenen Hilfsmittel angefertigt habe. Alle Stellen, die wörtlich oder sinngemäß aus veröffentlichten oder unveröffentlichten Schriften entnommen wurden, sind als solche kenntlich gemacht. Die Arbeit ist in gleicher Form oder auszugsweise im Rahmen anderer Prüfungen noch nicht vorgelegt worden.
Bremen 11.03.2015 ............................................................________________________

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